V ZR 285/99 - V. Zivilsenat
Karar Dilini Çevir:
V ZR 285/99 - V. Zivilsenat
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 285/99 Verkündet am: 20. Oktober 2000 K a n i k , Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ----------------------------------- BGB § 123 a) Sind dem Verkäufer eines Grundstücks Altlasten bekannt, so genügt er seiner Aufklärungspflicht nicht dadurch, daß er dem Käufer von einem bloßen Altlaste n - verdacht Mitteilung macht. Infolgedessen besteht die Offenbarungspflicht fort, wenn dem Käufer Umstände bekannt sind oder durch eine Besichtigung hätten bekannt werden können, aus denen sich ein Altlastenverdacht ergibt. b) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß der Verkäufer den Käufer über offe n - barungspflichtige Umstände aufgeklärt hat, trifft den Käufer. Dieser muß alle r - dings nicht alle theoretisch denkbaren Möglichkeiten einer Aufklärung ausrä u - men. Vielmehr genügt er seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er die von dem Verkäufer vorzutragende konkrete, d.h. räumlich, zeitlich und inhaltlich sp e - zifizierte, Aufklärung widerlegt. - 2 - BGH, Urt. v. 20. Oktober 2000 - V ZR 285/99 - OLG Dresden LG Bautzen - 3 - Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2000 durch den Vo rsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Schneider, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 2. Juli 1999 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Ber u - fungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Mit notariellem Vertrag vom 17. September 1993 kaufte der Kläger von der Rechtsvorgängerin der Beklagten für 200.000 DM ein Grundstück, auf dem deren Rechtsvorvorgänger, ein VEB, einen metallverarbeitenden Betrieb u n - terhalten hatte. Die Gewährleistung für Sachmängel, auch für Altlasten, wurde ausgeschlossen. Wegen des Kaufpreises unterwarf sich der Kläger in der Ve r - tragsurkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung. Wie die Verkäuferin wußte, war das Grundstück in erheblichem Maße durch Mineralkohlenwasserstoffe verunreinigt, die beim Betrieb der Metallve r - - 4 - arbeitung in den Boden des Hauptgebäudes und in den darunter liegenden Graben gelangt waren. Ob der Kläger hierüber vor dem Kauf oder bei Ve r - tragsschluß aufgeklärt worden ist, ist unter den Parteien streitig. Nach den von dem Kläger in Auftrag gegebenen Gutachten von Juli/ August 1997 sind erhebliche Sanierungskosten zu erwarten. Die Schätzungen belaufen sich auf etwa 270.000 DM bis etwa 480.000 DM. Am 5. Mai 1998 focht der Kläger den Kaufvertrag wegen arglistiger Tä u - schung an. Seiner Klage auf Erklärung der Zwangsvollstreckung als unzulässig hat das Landgericht stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtl i - chen Urteils. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hält die Voraussetzungen einer Anfechtung nach §§ 123, 142 BGB nicht für gegeben. Es fehle an einer Täuschungshandlung, weil eine Aufklärung über Mängel, die einer Besichtigung zugänglich bzw. ohne weiteres erkennbar seien, vom Käufer nicht erwartet werden könne. So lägen die Dinge hier, da der Kläger bei Anwendung der im eigenen Interesse zu e r - wartenden Sorgfalt habe erkennen können, daß ein Altlastenverdacht bestehe. Im Rahmen einer "ordnungsgemäßen Besichtigung" habe er die Ölverschmu t - zungen erkennen können, auf die verschiedene Indizien (Färbung des Beto n - - 5 - fußbodens, Ölspuren an der Wand, Geruchsbildung) hingewiesen hätten. A n - gesichts dessen könne es dahingestellt bleiben, ob die Verkäuferin den Kläger vor Abschluß des Kaufvertrages auf das Vorhandensein der Altlasten oder z u - mindest auf den bestehenden Altlastenverdacht hingewiesen habe. II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. 1. Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß den Verkäufer eine Offe n - barungspflicht hinsichtlich solcher Umstände trifft, die für die Entschließung des Käufers von entscheidender Bedeutung sind und deren Mitteilung dieser nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte (st. Senatsrechtspr., Urt. v. 2. März 1979, V ZR 157/77, NJW 19 79, 2243; Urt. v. 25. Juni 1982, V ZR 143/81, WM 1982, 960 m.w.N.). Es geht ferner zutreffend davon aus, daß bei einem Grundstücksverkauf die Kontaminierung des Grundstücks mit Altö l - rückständen einen solchen offenbarungspflichtigen Umstand darstellt und daß der Verkäufer arglistig handelt, wenn er diesen Umstand verschweigt, obwohl er ihn kennt oder ihn jedenfalls für möglich hält und dies in Kauf nimmt (s. nur Senat, Urt. v. 10. Juni 1983, V ZR 292/81, WM 1983, 990). Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht eine Offenbarung s - pflicht hinsichtlich solcher Mängel der Kaufsache verneint, die einer Besicht i - gung zugänglich und damit ohne weiteres erkennbar sind. Der Käufer kann insoweit eine Aufklärung nicht erwarten, weil er diese Mängel bei einer im e i - genen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann (vgl. nur Senat, BGHZ 132, 30, 34). - 6 - 2. Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze im konkreten Fall aber nicht fehlerfrei angewendet. a) Es unterscheidet schon nicht ausreich end zwischen dem offenb a - rungspflichtigen Umstand eines Altlastenverdachts und dem einer vorhandenen Kontaminierung. Sind dem Verkäufer Altlasten bekannt, genügt er seiner Au f - klärungspflicht nicht dadurch, daß er dem Käufer von einem bloßen Altlaste n - verdacht Mitteilung macht. Der Käufer kann vielmehr erwarten, daß er über e i - ne konkret vorhandene Kontamination Aufklärung erhält. Infolgedessen besteht die Offenbarungspflicht fort, wenn dem Käufer Umstände bekannt sind oder durch eine Besichtigung hätten bekannt werden können, aus denen sich ein Altlastenverdacht ergibt. Hält der Verkäufer in einer solchen Situation mit ko n - kretem Wissen über vorhandene Altlasten zurück, so handelt er arglistig, wenn er es für möglich hält, daß der Käufer lediglich einen Altlastenverdacht hat. b) Darüber hinaus rechtfertigen die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen weder den Schluß auf einen Altlastenverdacht, geschweige denn auf konkrete Altlasten. aa) Nach dem Gutachten des Sachverständigen T. vom 20. Augus t 1997 war eine durchgehend dunkle Färbung des Betonfußbodens im Erdg e - schoß des Hauptgebäudes zu sehen. Diese hätte auch der Kläger bei einer Besichtigung vor Abschluß des Kaufvertrages erkennen können. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wieso sich für einen Laien - daß der Kläger besondere Fac h - kenntnisse hatte oder daß er wußte, was früher auf dem Gelände produziert wurde, ist nicht festgestellt - hieraus der Schluß auf konkrete Altlasten ergeben - 7 - sollte. Die Färbung konnte vielfache Ursachen haben und mußte nicht auf e i - nen unsachgemäßen Umgang mit Öl schließen lassen. Jedenfalls läßt das B e - rufungsgericht Feststellungen vermissen, die diesen Schluß nahelegen und bei der Beklagten die Erwartung begründen konnte, der Kläger wisse Bescheid und bedürfe keiner weiteren Aufklärung. bb) Der Sachverständige T. hat ferner festgestellt, daß Öl bzw. Bohrölemulsionen "an der Wand heruntergelaufen ist". Aus dem Gesamtz u - sammenhang ergibt sich jedoch, daß diese Ölspuren bei einer Besichtigung nicht erkennbar waren, sich dem Sachverständigen vielmehr erst nach Öffnen des Betonfußbodens offenbarten. In dem darunter liegenden Hohlraum von 1,5 bis 2 m zeigten sich diese Rückstände von heruntergelaufenem Öl. Als E r - kenntnisquelle für die vom Berufungsgericht angenommene Erkennbarkeit für den Kläger scheidet dieser Umstand daher aus, unabhängig davon, ob ein Käufer hieraus überhaupt auf Altlasten größeren Ausmaßes schließen kann. cc) Die Annahme, man habe die Kontaminierung durch Öl riechen kö n - nen, hat das Berufungsgericht nicht nachvollziehbar belegt. Einerseits geht das Gericht davon aus, der Kläger habe bei einer Besichtigung der aufstehenden Gebäude, und zwar auch bei trockener Witterung, Ölgeruch wahrnehmen kö n - nen, da dies eine Bodenprobe ergeben habe. Dabei übersieht es jedoch, daß die Bodenprobe irgendwo außerhalb des Gebäudes entnommen wurde und nichts über Wahrnehmungsmöglichkeiten innerhalb des Gebäudes besagt. Zum anderen stellt das Gericht selbst darauf ab, daß die Probe aus dem Grundstück außerhalb der Gebäude entnommen wurde. Dann aber ist ebe n - sowenig naheliegend, daß dem Kläger Ölgeruch hätte auffallen müssen. Zwar ist nachvollziehbar, daß eine kontaminierte Bodenprobe nach Öl riecht. Das - 8 - bedeutet aber nicht, daß in gleicher Weise Ölgeruch wahrnehmbar ist, wenn die Probe nicht entnommen ist und ein etwaiger Ölgeruch durch andere Ger ü - che oder Umstände überdeckt oder zumindest erheblich gemindert wird. dd) Daß das Herumliegen von geringen Mengen von verwitterten Metal l - spänen nichts über eine Kontaminierung aussagt, sondern allenfalls die vage Überlegung rechtfertigt, daß bei der Produktion mit Öl gearbeitet worden sein könnte und daß es dabei - wie vielfach - zu unsachgemäßem Umgang hiermit gekommen sein kann, bedarf keiner näheren Darlegung. III. Fehlt es somit an einer Grundlage für die Annahme, daß die Beklagte erwarten durfte, der Kläger bedürfe keiner weiteren Aufklärung, da er sich bei einer Besichtigung selbst ein Bild über die vorhandenen - und ohne weiteres erkennbaren - Kontaminationen hätte machen k önnen, kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben. Es kommt daher auf die Frage an, ob die B e - klagte den Kläger hinreichend aufgeklärt hat. Entgegen der Meinung des Landgerichts ist hierfür nicht die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Vielmehr muß der Kläger, der für den gesamten Arglisttatbestand die Darl e - gungs- und Beweislast trägt, vortragen und nachweisen, daß die Beklagte ihn nicht gehörig aufgeklärt hat (vgl. nur Baumgärtel/Laumen, Handbuch der B e - weislast im Privatrecht, 2. Aufl., § 123 Rdn. 5 m.w.N.). Dabei muß er allerdings nicht alle theoretisch denkbaren Möglichkeiten einer Aufklärung ausräumen. Vielmehr genügt - 9 - er seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er die von der Beklagten vorzutr a - gende konkrete, d.h. räumlich, zeitlich und inhaltlich spezifizierte, Aufklärung widerlegt. Wenzel Schneider Krüger Klein Gaier

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