V ZB 32/00 - V. Zivilsenat
Karar Dilini Çevir:
V ZB 32/00 - V. Zivilsenat
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 32/00 vom 26. Oktober 2000 in dem Rechtsstreit - 2 - Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 26. Oktober 2000 durch die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. Gaier beschlossen: Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 9. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 26. Juni 2000 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen. Beschwerdewert: 21.250,00 DM. Gründe: I. Der Beklagte wurde vom Landgericht verurteilt, einen Kaufvertrag mit dem Inhalt eines notariellen Vermittlungsvorschlages abzuschließen. Nach Z u - stellung des Urteils am 22. März 2000 übermittelte die Prozeßbevollmächtigte des Beklagten am 20. April 2000 (Gründonnerstag) eine an das Landgericht adressierte Berufungsschrift nach dort per Telefax. Bei dem Landgericht ging das Telefax am selben Tag um 8.54 Uhr ein und wurde um 13.00 Uhr in den Geschäftsgang gebracht. Am 25. April 2000 (Dienstag nach Ostern) verfügte der Vorsitzende der mit der Sache befaßt gewesenen Zivilkammer die Übe r - sendung der Berufungsschrift an das Oberlandesgericht. Dort ging die Ber u - fungsschrift am 27. April 2000 ein. - 3 - Nachdem der Beklagte durch Verfügung des Oberlandesgerichts auf den verspäteten Eingang der Berufungsschrift hingewiesen worden war, hat er mit am 15. Mai 2000 eingegangenem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurüc k - gewiesen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (vgl. Senat, BGHZ 21, 142, 147), hat aber in der Sache selbst keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten zu Recht die Wiedereinse t - zung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist verwe i - gert. Da die Bevollmächtigte des Beklagten, deren Verschulden sich die Partei zurechnen lassen muß (§ 85 Abs. 2 ZPO), die Versäumung der Berufungsfrist infolge der Falschadressierung der Berufungsschrift verschuldet hat, fehlt es an den Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO. Die Prozeßbevollmächtigte des Beklagten hat es nämlich entgegen ihren anwaltlichen Pflichten unterlassen, die Berufungsschrift persönlich auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen (BGH, Beschl. v. 9. Oktober 1980, VII ZB 17/80, VersR 1981, 63). Entgegen der Auffassung der Beschwerde beruht die Fristversäumung auch weiterhin auf einem dem Beklagten anzulastenden Verschulden seiner - 4 - Prozeßbevollmächtigten; denn die Berufungsschrift vom 20. April 2000 ist nicht so rechtzeitig bei dem Landgericht eingegangen, daß sie noch fristgerecht bis zum Ende der Berufungsfrist am 25. April 2000 an das Oberlandesgericht hätte weitergeleitet werden können. Die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die eine Pflicht der Gerichte zur Weiterleitung fehlerhaft an sie adressierter Schriftsätze ve r - neint, mindestens aber Mitursächlichkeit des Partei- oder Anwaltsverschuldens angenommen, und aus diesem Grunde Wiedereinsetzung in solchen Fallg e - staltungen abgelehnt hatte (zuletzt Beschl. v. 5. Februar 1992, XII ZB 3/92, VersR 1992, 1154), ist allerdings im Anschluß an die Entscheidung des Bu n - desverfassungsgerichts vom 20. Juni 1995 (BVerfGE 93, 99, 112) zumindest für den Fall aufgegeben worden, daß das angegangene Gericht zwar für das Rechtsmittelverfahren nicht zuständig ist, jedoch vorher selbst mit der Sache befaßt war. Ein solches Gericht ist aus nachwirkender Fürsorgepflicht gehalten, fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren im Zuge des orden t - lichen Geschäftsgangs an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Geht der Schriftsatz so rechtzeitig ein, daß eine fristgerechte Weiterleitung im ordentl i - chen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, wirkt sich ein Ve r - schulden der Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten nicht mehr aus (BGH, Urt. v. 1. Dezember 1997, II ZR 85/97, NJW 1998, 908; Beschl. v. 2. Oktober 1996, XII ZB 145/96, FamRZ 1997, 172, 173; Beschl. v. 24. September 1997, XII ZB 144/96, NJW-RR 1998, 354; Beschl. v. 3. September 1998, IX ZB 46/98, VersR 1999, 1170, 1171). Zu Maßnahmen außerhalb des ordentlichen G e - schäftsgangs besteht dagegen keine Verpflichtung; denn die aus dem Gebot eines fairen Verfahrens folgende nachwirkende Fürsorgepflicht gegenüber den Prozeßparteien findet ihre Grenzen, wenn das Gericht durch ihre Beachtung - 5 - unangemessen belastet wird. Aus diesem Grunde hat auch das Bundesverfa s - sungsgericht unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit nur das Vertrauen auf eine Weiterleitung des für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatzes im ordentlichen Geschäftsgang als geschützt angesehen (BVerfGE 93, 99, 115). Die Verpflichtung zur Weiterleitung der Berufungsschrift im ordentlichen Geschäftsgang hat das Landgericht beachtet. Dem steht nicht entgegen, daß die Berufungsschrift dem Vorsitzenden der im ersten Rechtszug mit der Sache befaßt gewesenen Zivilkammer erst am 25. April 2000 vorgelegt wurde. Da e i - ne Kennzeichnung als eilbedürftig fehlte und deshalb das äußere Ersche i - nungsbild des Schriftsatzes nicht auf einen eiligen Charakter der Angelege n - heit hindeutete, mußte sich der Geschäftsstelle des Landgerichts nicht der Ei n - druck aufdrängen, daß es sich hier um einen Schriftsatz handelte, mit dem b e - sonders zügig zu verfahren sei (BGH, Beschl. v. 12. Oktober 1995, VII ZR 8/95, NJW-RR 1996, 443) und der insbesondere sofort - nicht erst am nächsten A r - beits tag - dem Kammervorsitzenden hätte vorgelegt werden müssen. Ebens o - wenig widerspricht es dem ordentlichen Geschäftsgang, daß der Vorsitzende nicht für eine Übersendung des Schriftsatzes durch einen Boten Sorge getr a - gen hat. Selbst wenn, wie die Beschwerde geltend macht, ein täglicher Bote n - dienst zwischen Landgericht und Oberlandesgericht eingerichtet gewesen sein sollte, hätte dies nämlich Eilmaßnahmen zur Übermittlung der Berufungsschrift an den Botendienst vorausgesetzt. Soweit die Beschwerde darauf verweist, daß die Verfügung einer We i - terleitung als Eilmaßnahme für den mit der Sache befaßten Richter keine höh e - re Belastung als die Verfügung der Weiterleitung im ordentlichen Geschäft s - - 6 - gang bedeute, läßt sie außer acht, daß die Belastung des Gerichts insgesamt maßgeblich ist. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Tropf Krüger Klein Lemke Gaier

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