VI ZR 411/99 - VI. Zivilsenat
Karar Dilini Çevir:
VI ZR 411/99 - VI. Zivilsenat
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 411/99 Verkündet am: 12. Dezember 2000 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB § 254 Da, StVO 19 70 § 21a Abs. 1 a) Einem Kfz-Insassen, der den Sicherheitsgurt nicht anlegt, fällt grundsätzlich ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) an seinen infolge der Nichtanlegung des Gurtes erlittenen Unfallverletzungen zur Last (Fortsetzung der st. Rspr., vgl. BGHZ 119, 268, 270 m.w.N.). b) Die Gurtanlegepflicht "während der Fahrt" nach § 21a Abs. 1 Satz 1 StVO besteht auch bei kurzzeitigem verkehrsbedingten Anhalten. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - VI ZR 411/99 - OLG Rostock LG Neubrandenburg - 2 - - 3 - Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2000 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, die Richter Dr. v. Gerlach, Dr. Dressler, Wellner und die Richterin Diederichsen für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 22. November 1999 aufg e - hoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Ber u - fungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Ve r - kehrsunfall vom 24. Mai 1993, bei dem er als Fahrer eines gepanzerten Klei n - transporters seiner Arbeitgeberin, einer Wach- und Schließgesellschaft, ve r - letzt wurde, weil der Beklagte zu 2) mit einem bei der Beklagten zu 1) haf t - pflichtversicherten Sattelzug auf den verkehrsbedingt haltenden Kleintran s - porter auffuhr, diesen gegen ein weiteres Fahrzeug und sodann nach rechts gegen einen Baum schob. - 4 - Das Landgericht hat die Beklagten unter Berücksichtigung vorgerichtlich gezahlter 2.000 DM antragsgemäß zur Zahlung eines weiteren Schmerzen s - geldes in Höhe von 28.000 DM wegen der vom Kläger durch den Unfall erlitt e - nen Schädigung seines Geschmacks- und Geruchssinns verurteilt und ihre Einstandspflicht für die sich zukünftig aus dem Unfallereignis ergebenden m a - teriellen und immateriellen Schäden festgestellt. In der Berufungsinstanz haben die Beklagten erstmals ein Mitverschulden des Klägers an seinen unfallb e - dingten Verletzungen geltend gemacht, und behauptet, dieser habe bei dem Verkehrsunfall keinen Sicherheitsgurt getragen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung ohne hierüber Feststellungen zu treffen zurückgewiesen und die R e - vision der Beklagten wegen der von ihm bejahten Frage zugelassen, ob wä h - rend des verkehrsbedingten Anhaltens die Gurtanlegepflicht entfallen sei. Mit ihrer Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter. Entscheidungsgründe: I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts fiele dem Kläger auch bei u n - terstellter Richtigkeit der Behauptung der Beklagten, dieser sei im Unfallzei t - punkt nicht angegurtet gewesen, kein Mitverschulden im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB zur Last, weil er in diesem Zeitpunkt zur Anlegung des Siche r - heitsgurtes nicht verpflichtet gewesen sei. Zum einen sei die Gurtanlegepflicht entfallen, weil die tatbestandliche Voraussetzung des § 21 a Abs. 1 Satz 1 StVO "während der Fahrt" begrifflich beim Stillstand des Fahrzeuges nicht e r - füllt sei. Zum anderen sei der Führer eines Werttransporters auch in entspr e - - 5 - chender Anwendung des Rechtsgedankens aus § 21 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVO ebenso wie ein Taxi- oder Mietwagenfahrer bei der Fahrgastbeförderung von der Pflicht zur Anlegung des Sicherheitsgurtes befreit, weil er sich auch bei kurzzeitigen Fahrtunterbrechungen in einer vergleichbaren potentiell gefährl i - chen Situation befinde. II. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. 1. Das Berufungsgericht geht zwar mit der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zutreffend davon aus, daß einem Kfz-Insassen, der den Sicherheitsgurt nicht anlegt, grundsätzlich ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) an seinen infolge der Nichtanlegung des Gurtes erlittenen Unfal l - verletzungen zur Last fällt (BGHZ 74, 25 ff., 30; 83, 71, 73; 119, 268, 270; S e - natsurteile vom 10. April 1979 - VI ZR 146/78 - VersR 1979, 532; vom 10. März 1981 - VI ZR 236/79 - VersR 1981, 548, 549 und vom 9. November 1982 - VI ZR 151/81 - VersR 1983, 153). Rechtsfehlerfrei nimmt es auch an, daß der Schädiger dem Unfallopfer ein Nichtanschnallen nicht als Mitverschulden vo r - halten kann, wenn im konkreten Fall eine Gurtanlegepflicht nach § 21 a Abs. 1 Satz 1 StVO nicht bestand oder eine Ausnahme im Sinne des § 21 a Abs. 1 Satz 2 StVO vorlag (vgl. BGHZ 119, 268, 272). Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht im vorliegenden Fall eine Gurtanlegepflicht des Klägers im Unfallzeitpunkt verneint hat, halten jedoch revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. 2. Der Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger sei nicht zum A n - legen des Sicherheitsgurtes nach § 21 a Abs. 1 Satz 1 StVO verpflichtet gew e - - 6 - sen, weil das von ihm geführte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt gestanden habe, kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Allerdings wird die Formulierung "während der Fahrt" in dieser Vorschrift in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich verstanden. Die vom Ber u - fungsgericht favorisierte Meinung versteht hierunter unter Hinweis auf die ve r - meintliche Eindeutigkeit des Wortes "Fahrt" nur den Zustand der Bewegung des Fahrzeuges, der beim - auch nur kurzzeitigen - Anhalten nicht gegeben sei (vgl. OLG Celle ZfS 1981, 326; DAR 1986, 28; OLG Düsseldorf VRS 72, 211; Hentschel NJW 1986, 1307, 1311; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., StVO § 21 a Rdn. 3). Nach der Gegenansicht ist der Begriff der "Fahrt" weiter zu verstehen und umfaßt auch kurzzeitige verkehrsbedingte Fahrtunterbrechungen (vgl. KG VRS 70, 299; OLG Düsseldorf VRS 72, 75; LG Hannover NJW-RR 1989, 1510; Janiszewski NStZ 1987, 270, 274). Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Der Begriff der "Fahrt" ist nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht eindeutig. Hierunter ist, wie u.a. die Verwendung dieses Begriffes in der für die Führung von Fahrte n - büchern maßgeblichen Vorschrift des § 31 a StVZO zeigt, nicht nur der bloße Zustand des Fahrens zu verstehen, den die StVO in der Regel mit dem en t - sprechenden Tätigkeitswort "fahren" oder seinen Abwandlungen umschreibt (vgl. §§ 2 ff.), sondern auch der Gesamtvorgang der Benutzung des Kraf tfah r - zeuges als Beförderungsmittel im Straßenverkehr, um von einem Ort zum a n - deren zu gelangen (vgl. KG VRS 70, 299, 300). Dieser einheitliche Vorgang wird nicht dadurch beendet, daß das Fahrzeug vor dem Rotlicht einer Ampe l - anlage, einem Stopschild oder durch sonstige verkehrsbedingte Umstände vorübergehend angehalten wird. - 7 - Einer solchen Auslegung des Begriffes "Fahrt" im Sinne des § 21 a Abs. 1 Satz 1 StVO gebührt bereits deshalb der Vorzug, weil es mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift, durch die Einführung einer Anschnallpflicht die Zahl der Verkehrstoten und (Schwer-)Verletzten zu senken, schlechterdings unve r - einbar wäre, gefahrenträchtige Situationen verkehrsbedingten Anhaltens hie r - von auszunehmen. Etwas anderes läßt sich auch nicht aus § 21 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO herleiten, wonach auch Fahrten mit Schrittgeschwindigkeit von der Anschnal l - pflicht ausgenommen sind (a.A. wohl Hentschel NJW 1986, 1307, 1312). Daß in dieser Ausnahmevorschrift ebenfalls von "Fahrten" und nicht vom "Fahren" und von Beispielsfällen wie Rückwärtsfahren und Fahren auf Parkplätzen die Rede ist, spricht dafür, unter "Fahrten mit Schrittgeschwindigkeit" nur solche Verkehrsvorgänge zu verstehen, die von vornherein nur auf das Fahren mit Schrittgeschwindigkeit angelegt und außerdem weniger gefahrenträchtig sind, weil sie sich abseits des fließenden Verkehrs oder im Übergangsbereich zw i - schen fließendem und ruhenden Verkehr abspielen (so zutreffend KG VRS 70, 299, 300). Deshalb kommt es letztlich auch nicht darauf an, ob der Kläger - w ie die Revision im Rahmen einer Verfahrensrüge geltend macht - im Unfallzei t - punkt bereits hinter dem vor ihm haltenden Fahrzeug völlig zum Stillstand g e - kommen war oder noch mit Schrittgeschwindigkeit auf dieses zufuhr. 3. Soweit das Berufungsgericht eine Gurtanlegepflicht für den Fahrer e i - nes Werttransporters "in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens" aus § 21 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVO verneint, kann dem aus Rechtsgründen ebenfalls nicht beigetreten werden. Gegen eine Analogie spricht bereits, daß die in §§ 21 a Abs. 1 Satz 2 und 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StVO geregelten Fälle Ausnahmen darstellen, an - 8 - die strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. Senat BGHZ 83, 71, 73 ff.; 119, 268, 272). Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß in der Nichtberüc k - sichtigung anderer Berufsgruppen als Taxi - oder Mietwagenfahrern eine pla n - widrige Gesetzeslücke vorliegt, die einer Ausfüllung durch die Rechtsprechung zugänglich wäre. Im übrigen fehlt es an einer Vergleichbarkeit der Fälle. Nach der amtl i - chen Begründung (VBl. 75, 675 ff., insoweit auszugsweise abgedruckt bei J a - gusch/Hentschel, aaO, Rdn. 1) hielt der Gesetzgeber die Befreiung der Taxi- und Mietwagenfahrer von der Gurtanlegepflicht bei der Fahrgastbeförderung für geboten, weil feststand, daß schon wiederholt Angehörige dieser Beruf s - gruppe einem Anschlag auf ihr Leben nur deshalb entgehen konnten, weil sie sich aus der geöffneten Tür ihres Fahrzeuges fallen ließen. Die Revision macht mit Recht geltend, daß der Fahrer eines Werttransporters im Gegensatz zu Taxi - oder Mietwagenfahrern keinen entsprechenden Gefahren aus dem Innern des Fahrzeuges ausgesetzt ist. Ob der Fahrer eines Werttransporters Gefa h - ren für Leib oder Leben, die ihm bei einem verkehrsbedingten Anhalten von außerhalb seines gepanzerten Fahrzeuges drohen, ebenfalls besser ohne a n - gelegten Sicherheitsgurt begegnen könnte, bedarf keiner Entscheidung, zumal entsprechende Gefahren wegen der im Taxi oder Mietwagen befindlichen Geldbeträge den Gesetzgeber ebenfalls nicht bewogen haben, deren Fahrer bei Leerfahrten von der Gurtanlegepflicht zu befreien. - 9 - 4. Das Berufungsgericht wird mithin Feststellungen zu der Behauptung der Beklagten nachzuholen haben, der Kläger habe im Unfallzeitpunkt den S i - cherheitsgurt nicht angelegt gehabt und deshalb seine unfallbedingten Verle t - zungen mitverschuldet. Dr. Müller Dr. v. Gerlach Dr. Dressler ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert Dr. Müller Wellner Diederichsen

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