VII ZR 404/99 - VII. Zivilsenat
Karar Dilini Çevir:
VII ZR 404/99 - VII. Zivilsenat
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 404/99 Verkündet am: 7. Dezember 2000 Seelinger -Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein EGBGB Art. 27 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. Zu den maßgeblichen Umständen einer konkludenten Rechtswahl für einen Arch i - tektenvertrag zugunsten des deutschen Rechts. BGB § 269 Abs. 1 Der Erfüllungsort für die beiderseitigen Verpflichtungen aus einem Architektenve r - trag ist regelmäßig der Ort des Bauwerkes, wenn der Architekt sich verpflichtet hat, für das Bauvorhaben die Planung und die Bauaufsicht zu erbringen. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2000 - VII ZR 404/99 - OLG Dresden LG Dresden - 2 - Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2000 durch die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Dr. Kuffer, Dr. Kniffka und Wendt für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 29. September 1999 ins o - weit aufgehoben, als die Klage gegen den Beklagten zu 2 als u n - zulässig abgewiesen worden ist. Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entsche i - dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: I. Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht von den in Norwegen domizilierten Beklagten als Gesamtschuldner Vorschuß für Mängelbeseit i - gungskosten sowie Schadensersatz. Die angeblichen Ansprüche hat die N. -GmbH an die Klägerin abgetreten. Die Parteien streiten vorrangig über die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. - 3 - II. Im Jahre 1996 beauftragte die Klägerin die N. -GmbH mit der Errichtung dreier Reihenhäuser auf einem Grundstück in M.. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die N. -GmbH mit der Beklagten zu 1 einen Vertrag über die Erric h - tung des Rohbaus und mit dem Beklagten zu 2 ein Vertrag über die Baupl a - nung und Bauüberwachung dieses Rohbaus abgeschlossen hat. III. 1. Das Landgericht hat die Klage gegen beide Beklagten mit der B e - gründung als unzulässig abgewiesen, die deutschen Gerichte seien für die Klage international nicht zuständig. 2. Hinsichtlich der Beklagten zu 1 hatte die Berufung der Klägerin Erfolg. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen G e - richte für die Klage gegen die Beklagte zu 1 bejaht und das landgerichtliche Urteil insoweit aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwi e - sen. Hinsichtlich der Klage gegen den Beklagten zu 2 hatte die Berufung ke i - nen Erfolg. 3. Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin dagegen, daß das Ber u - fungsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Klage gegen den Beklagten zu 2 verneint hat. - 4 - - 5 - Entscheidungsgründe: I. Die Revision der Klägerin hat Erfolg, sie führt hinsichtlich der Klage g e - gen den Beklagten zu 2 zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurüc k - verweisung der Sache an das Landgericht. II. 1. Die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit der deutschen G e - richte richtet sich nach dem Luganer Übereinkommen und nicht nach dem EuGVÜ: a) Das Luganer Übereinkommen ist am 1. März 1995 (BGBl. 1995 II, 211) für die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu Norwegen in Kraft getreten. b) Nach Art. 45 b LugÜ, die das Verhältnis des EuGVÜ zum Luganer Übereinkommen für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft r e - gelt, ist statt des EuGVÜ das Luganer Übereinkommen anzuwenden, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates des Luganer Übereinkommens hat, der nicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaft ist (Art. 54 b Abs. 2 lit. a LugÜ). c) Das Luganer Übereinkommen ist gemäß Art. 54 Abs. 1 nur auf Klagen anzuwenden, die nach seinem Inkrafttreten erhoben worden sind. - 6 - d) Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Beklagte hat seinen Wohnsitz in Norwegen, einem Vertragsstaat des Luganer Übereinkommens, der nicht Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft ist. Die Abtretung der Forderung ist für die Frage der internationalen Z u - ständigkeit der deutschen Gerichte unerheblich. Für die internationale Zustä n - digkeit kommt es allein darauf an, ob der in einer erhobenen Klage als Proze ß - partei benannte Beklagte seinen Wohnsitz in einem anderen Staat hat. Die Abtretung der Forderung ist keine Frage des internationalen Zivilprozeßrechts, sondern eine materiell -rechtliche Frage des internationalen Privatrechts (Art. 33 EGBGB). Die Klage ist nach dem Inkrafttreten des Luganer Übereinkommens im Verhältnis zu Norwegen in einem Vertragsstaat, der Bundesrepublik Deutsc h - land, erhoben worden. 2. Der sachliche Anwendungsbereich des Luganer Übereinkommens nach Art. 1 Abs. 1 ist eröffnet, weil der Rechtsstreit eine Zivilsache zum G e - genstand hat. III. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Klage gegen den Beklagten zu 2 ist nur eröffnet, wenn die Voraussetzungen des G e - richtsstands am Erfüllungsort (Art. 5 Nr. 1 LugÜ) erfüllt sind. 1. Art. 5 Nr. 1 LugÜ ist weiterhin nach den vom Europäischen Gericht s - hof zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ entwickelten Grundsätzen auszulegen: - 7 - a) Für das Luganer Übereinkommen gibt es keine Auslegungszustä n - digkeit des Europäischen Gerichtshofs (Kropholler, Europäisches Zivilproze ß - recht, 6. Aufl., Einleitung Rdn. 59; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfa h - rensrecht, Einleitung Rdn. 88). Maßgeblich für die Auslegung des Luganer Übereinkommens ist das Protokoll Nr. 2 zu diesem Übereinkommen (BGBl. 1994 II S. 2647, abgedruckt bei Jayme/Hausmann, Internationales Pr i - vat - und Verfahrensrecht, 10. Aufl., S. 360 ff). Nach der Präambel des Prot o - kolls Nr. 2 müssen die Vertragsparteien des Übereinkommens die bis zum 18. September 1988 ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gericht s - hofs als authentische Interpretation der inhaltlich übereinstimmenden Paralle l - normen des Luganer Übereinkommens akzeptieren (vgl. Kropholler, Europä i - sches Zivilprozeßrecht, 6. Aufl., Einleitung Rdn. 63). b) Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Tessili (Urteil vom 6. Oktober 1976, Rs. C -12/76, Slg. 1976, 1475 = NJW 1977, 491) ist das für den Erfüllungsort maßgebliche Recht nach den Kollisionsnormen des angerufenen Gerichts zu bestimmen. Da diese Entsche i - dung vor dem 18. September 1988 ergangen ist, sind die Gr undsätze dieser Entscheidung die authentische Interpretation des Art. 5 Nr. 1 LugÜ. Der Eur o - päische Gerichtshof hat die sogenannte Tessili -Regel nach dem 18. September 1988 in zwei weiteren Entscheidungen bestätigt (Rechtssache Custom Made Commercial: Urteil vom 29. Juni 1994, Rs. C -288/92, Slg. 1994 I, 2913 = NJW 1995, 183 = EuZW 1984, 763; Rechtssache IE Groupe Concorde u.a.: Urteil vom 28. September 1999, Rs. C -440/97, EuGHE 1999 I, 6307 = NJW 2000, 719). c) Der Erfüllungsort der primären Vertragspflicht, die den Gegenstand der Klage bildet, begründet die internationale Zuständigkeit. Macht der Kläger - 8 - Schadensersatzansprüche geltend, ist die verletzte Vertragspflicht maßgeblich und nicht die Schadensersatzverpflichtung (Kropholler, Europäisches Zivilpr o - zeßrecht, 6. Aufl., Art. 5 Rdn. 14 m.N. der Rechtsprechung des EuGH). d) Art. 5 Nr. 1 Luganer Übereinkommen ist auch dann anwendbar, wenn die Parteien darüber streiten, ob ein Vertrag zustande gekommen ist, auf den der Kläger seinen Anspruch stützt (Kropholler, aaO, Rdn. 5). IV. Der Sachvortrag der Klägerin ist für die Entscheidung über die intern a - tionale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ausreichend. Die Frage, welche Anforderungen an den Vortrag des Klägers zur internationalen Zuständigkeit zu stellen sind, wird durch das Luganer Übereinkommen nicht geregelt, sie ist nach dem autonomen internationalen Zivilprozeßrecht zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt für die Begründung der inte r - nationalen Zuständigkeit ein schlüssiger Sachvortrag des Klägers (BGH, Urteil vom 25. November 1993 - IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237 = NJW 1994, 1413; Urteil vom 28. Februar 1996 - XII ZR 181/93, BGHZ 132, 105 = NJW 1996, 1411). V. 1. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deu t - schen Gerichte für die streitige Forderung gegen die Beklagte zu 2 mit folge n - der Erwägung verneint: - 9 - Für eine konkludente Rechtswahl fehle es im Unterschied zu dem Ve r - tragsverhältnis mit der Beklagten zu 1 an den erforderlichen Anhaltspunkten. Die enge Verknüpfung des Bauvertrages mit dem Architektenvertrages sei ein Indiz für eine konkludente Rechtswahlunsten des für den Bauvertrag maßgebl i - chen materiellen Rechts. Angesichts weiterer Umstände genüge dieser A n - haltspunkt allerdings nicht. Gegen eine konkludente Rechtswahlvereinbarung zugunsten des deutschen Rechts spreche der Umstand, daß die Parteien die HOAI nicht vereinbart hätten. Damit fehle es an der Einbeziehung einer typisch deutschen Regelung in den Vertrag. Die behauptete Vereinbarung der DIN -Normen des deutschen Rechts und der deutschen Baurechtsbestimmu n - gen sei kein relevanter Anhaltspunkt für eine konkludente Rechtswahl. Es ha n - dele sich lediglich um Regeln, die die technische Ausführung der Leistung b e - treffen, ein Rückschluß auf die Vertragsgestaltung lasse die Vereinbarung nicht zu. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei nach norwegischem Recht der Erfüllungsort am Wohnsitz des Schuldners in Norwegen. 2. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB für eine konkludente Rechtswahl erheblichen Umstände lassen nur den Schluß zu, daß die Parteien auch für den Architektenvertrag deutsches Recht gewählt haben. Das Ber u - fungsgericht hat bei der Auslegung für eine konkludente Rechtswahl der Ve r - tragsparteien einige maßgebliche Umstände fehlerhaft gewürdigt und einen gewichtigen Umstand, die enge wirtschaftliche Verknüpfung der beiden Vertr ä - ge, nicht berücksichtigt. a) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist für eine konkludente Recht s - wahl erforderlich, daß sich die Rechtswahl "mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles" ergibt. - 10 - b) Die konkludente Rechtswahl zwischen den Vertragsparteien des Ba u - vertrages, der Klägerin und der Beklagten zu 1, ist ein gewichtiges Indiz dafür, daß die Parteien des Architektenvertrages auch diesen Vertrag dem deutschen Vertragsrecht unterstellen wollten, weil die Leistungen aufgrund beider Vertr ä - ge für dasselbe Bauvorhaben in Deutschland erbracht werden sollten. Die vom Berufungsgericht gewürdigten übrigen Anhaltspunkte sprechen nicht gegen eine konkludente Rechtswahl des deutschen Rechts, sondern für eine derart i - ge Wahl: Die fehlende Vereinbarung der HOAI ist allenfalls von geringer indiz i - eller Bedeutung für die Beurteilung einer konkludenten Rechtswahl, weil die HOAI nicht Gegenstand des Schuldstatuts im Sinne des Art. 32 Abs. 1 EGBGB ist. Die HOAI gilt als zwingendes Preisrecht des öffentlichen Rechts unabhä n - gig von einer Rechtswahl der Vertragsparteien (Thode/Wenner, Internationales Architekten - und Bauvertragsrecht, Rdn. 90). Die Vereinbarung der deutschen technischen Regeln ist ein weiteres maßgebliches Indiz für die Wahl des deu t - schen Rechts. Die deutschen technischen Vorschriften betreffen den Inhalt der von dem Architekten geschuldeten Leistung (Reithmann/Thode, Internationales Vertragsrecht, 5. Aufl., Rdn. 964) und damit eine vom Schuldstatut erfaßte Fr a - ge. Von untergeordneter Bedeutung sind der Abschlußort und die vereinbarte Währung der Vergütung (Thode/Wenner, aaO, Rdn. 92). Beide Indizien deuten allerdings übereinstimmend auf die Wahl des deutschen Rechts hin. VI. 1. Der Erfüllungsort der Primärforderung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 LugÜ ist nach dem durch das deutsche Kollisionsrecht (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) berufene materielle deutsche Werkvertragsrecht am Ort der Bauste l - le. - 11 - Maßgeblich für die Beurteilung des Erfüllungsortes sind nicht die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Mängelbeseitigungskosten und Schadensersatz, sondern die von der Klägerin behauptete Verletzung der von dem Beklagten zu 2 geschuldeten Bauplanungs - und Bauaufsichtsleistungen. 2. Die Frage, an welchem Ort der Architekt, dem sowohl die Planung als auch die Bauaufsicht übertragen worden ist, seine Leistung zu erbringen hat, ist bisher vom Bundesgerichtshof nicht entschieden worden. Für die vom A r - chitekten geschuldete Leistung in dem genannten Umfang gelten die gleichen Grundsätze wie für die Werkleistung des Bauunternehmers eines Bauvertrages (BGH, Urteil vom 5. Deze mber 1985 - 1 ARZ 737/85, NJW 1986, 935 = BauR 1986, 241 = ZfBR 1986, 80). Verpflichtet sich der Architekt, die Planung und die Bauaufsicht für ein Bauvorhaben zu erbringen, liegt der Schwerpunkt seiner Leistung am Ort des Bauwerkes. Die Planung und die Bauaufsicht sind die von dem Architekten g e - schuldete einheitliche Werkleistung, die dazu dient, im Umfang der überno m - menen Verpflichtung die Errichtung eines mangelfreien Bauwerkes zu ermögl i - chen. Die Bestimmung des Erfüllungsortes der vom Architekten geschuldeten Leistung am Ort der Baustelle liegt im Interesse beider Vertragsparteien. Schuldet der Architekt Planung und Bauaufsicht, kann der Auftraggeber die Leistung des Architekten, wenn er die Leistung sachgerecht überprüfen will, nur am Ort des Bauwerkes abnehmen. Falls die Vertragsparteien einen Streit über die Vertragsgerechtigkeit der Architektenleistung gerichtlich austragen, ist es sach - 12 - gerecht, wenn der Rechtsstreit in der Nähe des Orts der Baustelle durchgeführt wird, weil die Klärung behaupteter Mängel des Architektenwerkes regelmäßig eine Beweisaufnahme über etwaige Mängel des Bauwerkes erfordert. Thode Haß Kuffer Kniffka Wendt

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