I ZR 284/00 - I. Zivilsenat
Karar Dilini Çevir:
I ZR 284/00 - I. Zivilsenat
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 284/00 Verkündet am: 6. Dezember 2001 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : ja BGHR : ja "H.I.V. POSITIVE" II UWG §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 a) Die Vorschrift des § 1 UWG greift trotz der gebotenen wettbewerbsbez o - genen Auslegung des Begriffs der Sittenwidrigkeit nicht nur dann ein, wenn es um den unmittelbaren Schutz der Wettbewerber geht. Auf der Grundlage dieser Vorschrift können auch Ansprüche auf Unterlassung grob anstößiger Werbemethoden gegeben sein, die geeignet sind, die Verhältnisse, unter denen der Wettbewerb stattfindet, zum Schaden eines an der Leistung or i - entierten Wettbewerbs nicht unerheblich zu belasten. - 2 - b) Der Schutz des lauteren Wettbewerbs durch § 1 UWG als allgemeines G e - setz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG kann Einschrnkungen der Freiheit, im Wettbewerb die eigene Meinung zu ußern, notwendig machen, die auße r - halb des Bereichs des Wettbewerbs nicht oder nicht in diesem Umfang ge l - ten. Eine unlautere Behinderung von Mitbewerbern oder andere unmittelb a - re Beeintrchtigungen des Lei stungswettbewerbs sind dazu keine Vorau s - setzung. c) Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung einer Wettbewerbshandlung nach § 1 UWG als sittenwidrig kommt es nicht auf die Meinung einer beso n - ders streng urteilenden Minderheit an. Die rechtliche Wertung hat jedoch im Tatschlichen darauf aufzubauen, wie - gegebenenfalls auch wie unte r - schiedlich - die Werbemaßnahme in den angesprochenen Verkehrskreisen aufgefaßt werden kann. d) Zur Wettbewerbswidrigkeit einer Anzeige (hier: "H.I.V. POSITIVE"), die schweres Leid von Menschen als Werbethema benutzt, um - auch durch die Thematisierung gerade in der Wirtschaftswerbung eines Unternehmens - Emotionen aufzurhren, auf diese Weise das Unternehmen zum Gege n - stand ffentlicher Aufmerksamkeit zu machen und so den Verkauf der eig e - nen Waren zu frdern. e) Zur Frage, ob eine derartige Anzeige geeignet ist, den Wettbewerb wesen t - lich zu beeintrchtigen. BGH, Urt. v. 6. Dezember 2001 - I ZR 284/00 - LG Frankfurt am Main - 3 - Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mndliche Ve r - handlung vom 6. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant und Dr. Bscher fr Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27. Juli 1994 wird auf Kosten der Beklagten zurckgewiesen. Von Rechts wegen - 4 - Tatbestand: Das Unternehmen Benetton S.p.A. (im folgenden: Benetton), das wel t - weit Textilien vertreibt, verffentlichte 1993 in der Zeitschrift "s.", deren Her- ausgeberin die Beklagte ist, eine Werbeanzeige. Diese zeigt - eine Doppe l - seite fllend - den oberen Teil eines menschlichen Gesûes, dem rechts in breiter blauer Schrift der Stempel "H.I.V." mit dem schrg versetzten Zusatz "POSITIVE" aufgedrckt ist. Etwas abgesetzt von diesem Stempelaufdruck b e - finden sich - mit einem rechteckigen grnen Feld unterlegt - die in weiûer Schrift gesetzten Worte "UNITED COLORS OF BENETTON.". In der linken unteren Ecke der Anzeige steht der Satz: "COLORS, ein Magazin ber den Rest der Welt, in Benetton Filialen und ausgewhlten Zeitungslden erhltlich." Die Klgerin, die Zentrale zur Bekmpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., hat diese Werbeanzeige als wettbewerbswidrig beanstandet. Die B e - klagte habe durch deren Abdruck in der Zeitschrift "s." gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstoûen. Benetton benutze mit dieser Anzeige zynisch die existentielle und bedrckende Not Aids-Kranker, um den eigenen Warenabsatz zu steigern. Das Unternehmen wolle die angesprochenen Verbraucher scho k - kieren und eine Vielzahl unterschiedlicher Gefhle - wie Entsetzen und Mitleid - auslsen. Durch diese Aufmerksamkeitswerbung solle der Betrachter extrem provoziert und so veranlaût werden, mit anderen ber seine Empfindungen und damit ber die Anzeige zu sprechen. Dadurch solle erreicht werden, daû der Name des Unternehmens "in aller Munde" sei. Eine solche Anzeige sei geei g - net, die Mitbewerber zu veranlassen, im Wettbewerb immer anstûiger zu we r - ben. - 5 - Die Klgerin hat beantragt, der Beklagten zu verbieten, im geschftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der in Anlage K 1 zur Klageschrift abgebi l - deten Werbung (abgedruckt in der Zeitschrift "s.", Ausgabe) fr die Firma Benetton S.p.A. zu werben. Die Beklagte hat sich gegenber diesem Unterlassungsantrag auf die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit (Art. 5 GG) berufen. Als Presseunte r - nehmen knne sie jedenfalls nach den Grundstzen der eingeschrnkten Pressehaftung nicht fr die Werbeanzeige verantwortlich gemacht werden, weil diese - wie die gegenstzliche Diskussion hierzu in Literatur und Rechtspr e - chung zeige - zumindest nicht grob und eindeutig wettbewerbswidrig sei. Die Anzeige weise zwar in allegorischer Form auf die Situation Aids-Kranker als "gebrandmarkt" hin, enthalte sich jedoch jeglicher Wertung. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die (Sprung-)Revision der Beklagten hat der Senat zurckgewiesen (Urt. v. 6.7.1995 - I ZR 180/94, GRUR 1995, 600 = WRP 1995, 686 - "H.I.V. POSITIVE" I). Auf die Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat das Bundesverfa s - sungsgericht diese Entscheidung durch Urteil vom 12. Dezember 2000 (1 BvR 1762 und 1787/95, BVerfGE 102, 347 = GRUR 2001, 170 = WRP 2001, 129 - Benetton-Werbung) wegen eines Verstoûes gegen Art. 5 Abs. 1 GG au f - gehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurckverwiesen. - 6 - Die Beklagte verfolgt im erneuten Revisionsverfahren ihren Klageabwe i - sungsantrag weiter. Die Klgerin beantragt, die Revision zurckzuweisen. Entscheidungsgrnde: I. Die Klgerin ist fr den erhobenen Anspruch prozeûfhrungsbefugt (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG; vgl. BGH, Urt. v. 6.2.1997 - I ZR 234/94, GRUR 1997, 758, 759 = WRP 1997, 946 - Selbsternannter Sachverstndiger, m.w.N.). II. Das Landgericht hat den auf § 1 UWG gesttzten Unterlassungsa n - spruch zuerkannt. Es hat dazu ausgefhrt, mit der angegriffenen Werbeanze i - ge werde zu Wettbewerbszwecken in einer Weise Aufmerksamkeit fr das Unternehmen Benetton und dessen Produkte erregt, die sittenwidrig sei. Das Motiv der Anzeige stehe in keinerlei Zusammenhang mit den Produkten und dem Unternehmen Benetton. Die Anzeige suche den Betrachter mit dem Leid der Aids-Kranken zu schockieren, um unter bedenkenloser Ausnutzung der Gefhle des umworbenen Publikums diesem das Unternehmen oder dessen Produkte einzuprgen. Durch Anspielung auf die Hftlingsnummern der Opfer des Holocaust lege die Anzeige nahe, Aids-Kranke seien heute in gleicher Weise wie Juden und Regimegegner zur Zeit der nationalsozialistischen Di k - tatur stigmatisiert, gesellschaftlich ausgegrenzt und verfolgt. Dadurch sollten die Betrachter emotional zutiefst bewegt werden, so daû sich ihnen die Werb e - anzeige einprge. Diesen Vorgang nutze Benetton aus, um dem Betrachter mit Hilfe des grnen Feldes mit den Worten "UNITED COLORS OF BENETTON." seine Unternehmensbezeichnung und den damit verbundenen Hinweis auf se i - ne Produkte unterzuschieben, um so - ohne Bezug zu eigenen tatschlichen - 7 - Leistungsergebnissen - Vorteile im Wettbewerb zu erlangen und Umsatzsteig e - rungen zu erzielen. Der Unterlassungsanspruch richte sich auch gegen die B e - klagte, weil diese in der nicht nur untergeordneten Nebenabsicht, fremden Wettbewerb zu frdern, unter Verstoû gegen die ihr obliegenden Prfung s - pflichten eine Anzeige verffentlicht habe, die grob und eindeutig sittenwidrig sei. III. Die Revisionsangriffe gegen diese Entscheidung bleiben ohne Erfolg. Die Beklagte hat durch die Verffentlichung der Werbeanzeige "H.I.V. POSITIVE" von Benetton wettbewerbswidrig gehandelt (§ 1 UWG). 1. Grundlage fr diese Beurteilung ist die - vom Bundesverfassungsg e - richt dem Senat auch aufgegebene - Auseinandersetzung mit dem Aussageg e - halt der Anzeige und den Mglichkeiten ihrer Deutung. Die Anzeige "H.I.V. POSITIVE" macht in plakativer Form die persnliche Situation Aids-Kranker zum Gegen stand einer Unternehmenswerbung. a) Das fr die Werbeanzeige benutzte Farbfoto zeigt im Ausschnitt e i - nen Teil des nackten Gesûes eines Menschen, auf das der blaue Stempel "H.I.V. POSITIVE" aufgedrckt ist. Das Foto kann als gestellt oder - in eher naiver Sicht - als Abbildung dieses Krperteils eines Aids-Infizierten, dessen Haut noch gesund wirkt, gesehen werden. Der Stempelaufdruck auf der bloûen Haut kennzeichnet den Betroffenen als HIV-infiziert; er erinnert - wie im Verf - gungsverfahren angesprochen - im Aussehen an tierrztliche Kontrollstempel in Schlachthfen und Metzgereien. - 8 - Das Foto wirkt als unverstellter Nahblick auf einen Teil des krperlichen Intimbereichs, als Einblick in die persnliche Sphre eines Menschen und als Offenlegung der Tatsache, daû dieser von der Krankheit Aids betroffen ist. Die Abbildung kann die Betrachter, auch wenn sie von einem gestellten Bild au s - gehen, sehr stark berhren und von ihnen als Schock empfunden werden. A l - les, was der Betrachter mit der Krankheit Aids verbindet, wird, gerade dann, wenn er unvermutet mit dem benutzten Foto konfrontiert wird, mit starker Reizwirkung angesprochen. Da jede Erluterung fehlt, wird der Betrachter ganz seinen eigenen Assoziationen, Gedanken und Empfindungen berlassen. Di e - se knnen vielfltigster Art sein, ohne sich gegenseitig auszuschlieûen. Es knnen etwa Gefhle des Mitleids, der Furcht oder der Angst, des Abgest o - ûenseins, der Trauer, der Bestrzung oder einer tiefgreifenden Verunsicherung sein. Kaum jemand wird das Foto betrachten, ohne dabei in seinem Eindruck maûgeblich von seiner persnlichen Lebenssituation beeinfluût zu sein. Wer sich selbst und diejenigen, die ihm nahestehen, als nicht von Aids bedroht fhlt, wird es mit anderen Augen sehen als Menschen, die selbst erkrankt oder von der Krankheit bedroht sind oder Angehrige in dieser Lage wissen. Der abgebildete Mensch, dessen Verborgenes offengelegt ist, kann als "abgestempelt", "gebrandmarkt" und aus der menschlichen Gesellschaft au s - gegrenzt erscheinen, als ein durch eine unheilbare Krankheit zu einem qua l - vollen Tod Verurteilter. Es kann das damit verbundene Schicksal mitgefhlt oder vor allem die Ansteckungsgefahr empfunden werden, die von Infizierten fr Gesunde ausgehen kann. Ebenso kann die Erinnerung an Vorschlge wachgerufen werden, Aids-Infizierte durch Ttowierung zu kennzeichnen. In seinem Bezug auf die Intimsphre, die Gegenwart einer unsichtbaren, aber lebensbedrohlichen Krankheit und eine als wirklich dargestellte grausame Ausgrenzungsreaktion der Umwelt verdichtet das Foto die Aids-Problematik in - 9 - einem einzigen Bild, das tief beeindrucken kann, ohne aber eine eigene ko n - krete Aussage zu machen oder eine eigene Wertung abzugeben. Es ist ein sprechendes Bild mit meinungsbildendem Inhalt, ohne selbst die Richtung der Meinungsbildung zu weisen. Die Offenheit des Bildes als Anknpfungspunkt fr Gedanken und G e - fhle lût es geeignet erscheinen, mit ganz unterschiedlicher Zielsetzung in der Öffentlichkeit verwendet zu werden. Das Foto knnte z.B. als Kunstwerk ausgestellt werden, der Werbung fr einen Aids-Kongreû dienen oder der Au f - klrung ber die Gefahr der Ansteckung mit Aids. Es knnte aber auch dazu eingesetzt werden, im Internet auf einer Webseite die menschenverachtende Forderung zu veranschaulichen, Aids-Infizierte zum Schutz Gesunder vor A n - steckung mit einem uûeren Erkennungszeichen zu "brandmarken". b) Das Unternehmen Benetton hat in der Zeitschrift "s." nicht lediglich das Foto verffentlicht, sondern eine Werbeanzeige. In dieser weist Benetton nicht nur - mit den Worten "UNITED COLORS OF BENETTON." - auf seine Unternehmensbezeichnung hin, sondern ausdrcklich auch auf sein Magazin "COLORS", das in Benetton-Filialen und ausgewhlten Zeitungslden erhl t - lich sei. Die Verwendung des Fotos zur Gestaltung einer Werbeanzeige mit der blickfangartigen Wiedergabe des Unternehmenskennzeichens von Benetton stellt dieses in einen bestimmten Zusammenhang. (1) Als Bestandteil der Anzeige wird das Bild dem Unternehmen Bene t - ton, das auf diese Weise fr sich und seine Produkte wirbt, als Verffentlichung zugerechnet. Eine eigene bestimmte Aussage kann aber der Anzeige nicht entnommen werden, da sie selbst dafr keinen Anhaltspunkt gibt. Ebensowenig ist der Anzeige ein konkreter Hinweis auf die mit ihr verfolgte Absicht zu en t - - 10 - nehmen; ein solcher ergibt sich auch nicht aus ihrer Funktion als Unterne h - menswerbung. Die Anzeige enthlt sich vielmehr jeder Wertung. Wie die B e - klagte selbst treffend dargelegt hat, ist eine Wertung, ob positiv, negativ, indi f - ferent, immer die des Betrachters. Die Anzeige selbst vergegenwrtigt nur eine grausame Wirklichkeit durch ein Bild. Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wurde demgegenber auf eine ffentliche Stellungnahme des Fotografen Toscani, welche Absicht er und das Unternehmen Benetton mit der Anzeige verfolgt htten, hingewiesen. Wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, ist diese Äuûerung j e - doch im Revisionsverfahren, insbesondere im Verfahren der Sprungrevision (§ 566a Abs. 3 Satz 2 ZPO), nicht verwertbar, weil sie erst nach der mndl i - chen Verhandlung vor dem Landgericht verffentlicht worden ist. Eine solche Stellungnahme, die nicht zum unmittelbaren Kontext der Anzeige gehrt, wre im brigen kaum geeignet, das Verstndnis des Aussagegehalts der Anzeige in der breiteren Öffentlichkeit, auf deren Sicht es fr die wettbewerbsrechtliche Beurteilung ankommt, maûgeblich zu beeinflussen, weil sie nur unter ganz b e - sonderen Umstnden ausreichend bekannt werden knnte. (2) Die Anzeige enthlt zwar keine konkrete Aussage, ist aber geeignet, in der Öffentlichkeit bestimmte Annahmen ber die mit ihr verfolgten Absichten zu begrnden. Sie wird, auch wenn ihr Gegenstand eine tdliche Krankheit sowie der Umgang der Gesellschaft mit Infizierten ist, von jedem Betrachter auch als Unternehmenswerbung gesehen. In der Öffentlichkeit wird der Anzeige teilweise die Absicht entnommen werden, die ffentliche Aufmerksamkeit kritisch auf eine tatschlich anzutre f - fende Diskriminierung und Ausgrenzung Aids-Kranker zu richten. Diese Vo r - - 11 - stellung von der Absicht, die Benetton mit der Anzeige verfolgt, kann sich zwar nicht auf die Anzeige selbst sttzen, durch die allgemeine Lebenserfahrung wird aber nahegelegt, daû ein Unternehmen, das fr sich in der ffentlichkeit wirbt, ein positives Image von sich begrnden oder verstrken will. Es kann deshalb angenommen werden, daû das werbende Unternehmen - schon w e - gen seiner wirtschaftlichen Interessen - kaum mit Tendenzen, Aids-Kranke auszugrenzen und zu stigmatisieren, in Verbindung gebracht werden will. Fr jeden, der von dieser Einschtzung als selbstverstndlich ausgeht oder sich das mutmaûliche Unternehmensinteresse bewuût macht, ist danach die A n - nahme einer kritischen Tendenz der Anzeige naheliegend. Der weit berwiegende Teil der angesprochenen ffentlichkeit wird die Anzeige allerdings in erster Linie oder sogar ausschlieûlich als Aufmerksa m - keitswerbung verstehen. Aus dieser Sicht verfolgt das Unternehmen Benetton vor allem sein wirtschaftliches Interesse, ohne damit mehr als eine nachrangige eigene gesellschaftskritische Tendenz zu verbinden. Sein Mittel dazu ist es, durch die Werbung zu schockieren, aufzureizen und zu irritieren, um das Inte r - esse der ffentlichkeit auf sich zu ziehen und sich ins Gesprch zu bringen. Dieses Verstndnis drngt sich, auch angesichts der offensichtlichen wir t - schaftlichen Inter essen, die ein U nternehmen im allgemeinen mit einer au f - wendigen gewerblichen Anzeige verbindet, schon deshalb den Betrachtern auf, weil die Anzeige jeden Hinweis vermissen lût, der die Meinungsbildung im Sinne einer kritischen und anprangernden Tendenz lenken knnte. Die Annahme einer kritischen Tendenz und die Annahme, es gehe hier um eine Aufmerksamkeitswerbung, schlieûen sich nicht aus. Weite Teile der ffentlichkeit werden bei dem Unternehmen Benetton beide Absichten verm u - - 12 - ten und - je nach eigenem Standpunkt - die eine oder andere Absicht als be r - wiegend ansehen. Schlieûlich ist die Werbung - mangels eines konkreten Anhalts fr die verfolgte Absicht in der Anzeige selbst - geeignet, auch diejenigen Verbraucher anzusprechen, die Maûnahmen mit dem Ziel der Ausgrenzung und Stigmatisi e - rung von Aids-Infizierten mehr oder weniger bewuût und offen fr richtig halten. Fr eine darauf zielende Absicht von Benetton fehlt jedoch bereits jedes mit dem wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens vereinbare Motiv. (3) Die Wirkung der Anzeige auf die Betrachter kann entsprechend dem unterschiedlichen Verstndnis von der Anzeige selbst, den unterschiedlichen Annahmen ber die mit der Anzeige verfolgten Absichten des werbenden U n - ternehmens und abhngig von dem eigenen Standpunkt und der Lebenssitu a - tion des Betrachters sehr verschieden sein. Dabei kommt es nicht wesentlich darauf an, ob das verwendete Foto als gestellt oder als dokumentarisch ve r - standen wird (vgl. dazu auch Henning-Bodewig, GRUR 1997, 180, 187). Entscheidend hngt die Wirkung der Anzeige davon ab, wie stark ihr Charakter als Unternehmenswerbung mit gesehen und empfunden wird. B e - sonders der Umstand, daû es hier um Werbung geht und die Anzeige zumi n - dest auch den Umsatz des werbenden Unternehmens steigern soll, ist ein Grund fr ihre ungewhnliche, vielfach aufwhlende Wirkung in der ffentlic h - keit, die das benutzte Foto trotz der starken Reizwirkung, die von ihm ausgeht, als solches allein nicht erreichen knnte. Schon der angesprochene Proble m - kreis ist geeignet, Menschen in tiefen Gefhlsschichten zu berhren. Die Ve r - bindung eines Fotos, das diese Gefhlsschichten in besonders intensiver We i - se ansprechen kann, mit der unbersehbaren Verfolgung eigener wirtschaftl i - - 13 - cher Interessen wird bei den meisten Betrachtern - abhngig von ihrer Leben s - situation und ihren persnlichen Einstellungen - Gedanken eigener Art und starke, hufig heftige Reaktionen hervorrufen. Gerade darauf beruht auch die Eignung der Anzeige als Unternehmenswerbung, eine an sie anknpfende und auf sie Bezug nehmende ffentliche Auseinandersetzung anzustoûen und so zugleich der ffentlichkeit den Namen des Unternehmens einzuprgen. Die Anzeige ist gleichwohl geeignet, auf diejenigen, die sie persnlich unbelastet von der Gefahr, die von Aids ausgeht, und deshalb unbefangen b e - trachten, vor allem als anprangernde, aufrttelnde Aussage mit kritischer Te n - denz zu wirken. Das Verstndnis als Werbeanzeige kann dabei zurcktreten, dies unter Umstnden so weit, daû die Anzeige wie ein Kunstwerk gesehen wird. Weit strker ist jedoch die Eignung der Anzeige, ihrer offensichtlichen Natur entsprechend, in erster Linie als Werbemaûnahme gesehen zu werden. Denn in der Anzeige wird kein anderer Grund dafr angeboten, warum das verantwortliche Unternehmen, dessen Geschftsgegenstand die Herstellung und der Vertrieb von Waren fr den tglichen Bedarf ist, die ffentlichkeit mit einer solchen Problematik konfrontiert. Aus dieser Sicht, die jedenfalls weiteste Kreise der angesprochenen ffentlichkeit teilen werden, beutet die Anzeige, auch soweit ihr daneben eine gesellschaftskritische Tendenz zugestanden wird, das Reizthema Aids vor allem zu wirtschaftlichem Eigennutzen durch eine Aufmerksamkeitswerbung aus, deren Intensitt sich kaum jemand entziehen kann und die das Unternehmen zum Gesprchsthema machen soll. Die tiefe existentielle Not Aids-Infizierter und ihrer Angehrigen, ihre Furcht vor dem Fortschreiten eines schrecklichen Schicksals und davor, als Folge der anste k - kenden Krankheit in der Gesellschaft ausgegrenzt und diskriminiert zu werden, - 14 - werden aus dieser Sicht - ebenso wie die qulende Angst vieler vor Anste k - kung - nur als Mittel zum Erreichen des Werbeerfolgs benutzt. Die Betroffenen selbst werden so als Gruppe mit ihrem Schicksal zu einem Objekt, mit dem Wirtschaftswerbung zur Gewinn erzielung getrieben werden kann. Vor allem zu diesem Zweck wird aus dieser Sicht ein Anzeigenbild eingesetzt, in dem ein Aids-Infizierter in seiner intimen Krperlichkeit den Blicken preisgegeben und als ein Stck Fleisch gezeigt wird, von dem die Gefahr der Ansteckung mit e i - ner todbringenden Krankheit ausgeht und das deshalb "amtlich" wie mit einem Schlachtfleisch-Stempel als ansteckend und gefhrlich markiert ist. Wer b e - troffen ist und die Anzeige so sieht - und das wird die weit berwiegende Zahl der Betroffenen sein - wird diese Werbeanzeige als zynisch empfinden und sich durch sie in seiner Wrde als Mensch gleichen Ranges und Wertes wie ein Gesunder herabgesetzt fhlen. Es kann als verletzend empfunden werden, als Betroffener im Interesse einer Wirtschaftswerbung dem bildhaften Ausdruck des eigenen Schicksals - mglicherweise ganz unvorbereitet - durch eine g e - werbliche Anzeige in einer Zeitschrift oder im ffentlichen Raum auf Plaka t - wnden ausgesetzt zu werden. Sehr viele, die sich beim Anblick der Anzeige in die Lage Betroffener versetzen, werden diese Gefhle mitvollziehen. Dies schlieût nicht aus, daû auch Betroffene die Anzeige anders verstehen und empfinden knnen, so vor allem als Beitrag zur Aufrttelung der Gesellschaft und damit als Beitrag zur Verbesserung ihrer Lage. 2. Die beanstandete Anzeige des Unternehmens Benetton verstût g e - gen die guten Sitten im Wettbewerb. a) Zweck des § 1 UWG ist es, dem unmittelbar betroffenen Wettbewe r - ber einen Anspruch zu geben, damit dieser selbst gegen unlautere Mittel und Methoden des Wettbewerbs vorgehen kann und damit zugleich in die Lage - 15 - versetzt wird, sich gegen Schdigungen zur Wehr zu setzen, die er durch Wettbewerbsverzerrungen infolge unlauteren Wettbewerbs erleidet oder b e - frchten muû. Die Anspruchsnorm ist so die Grundlage fr einen deliktsrechtl i - chen Individualschutz (BGHZ 144, 255, 264 - Abgasemissionen). Schon aus diesem Grund richtet sich die Vorschrift des § 1 UWG nicht schlechthin gegen anstûiges Verhalten von Gewerbetreibenden. Ebensowenig darf sich das Si t - tenwidrigkeitsurteil des § 1 UWG an allgemeinen ethischen Moralvorstellungen oder Anforderungen an den guten Geschmack orientieren (vgl. BGHZ 130, 5, 7 f. - Busengrapscher). Der in § 1 UWG enthaltene Begriff der Sittenwidrigk eit ist vielmehr wettbewerbsbezogen auszulegen (vgl. BGHZ 140, 134, 138 f. - Hormonprparate; 144, 255, 265 - Abgasemissionen; BGH, Urt. v. 5.10.2000 - I ZR 224/98, GRUR 2001, 354, 356 = WRP 2001, 255 - Verbandsklage gegen Vielfachabmahner; Urt. v. 6.10.1999 - I ZR 46/97, GRUR 2000, 237, 238 = WRP 2000, 170 - Giftnotruf-Box; Urt. v. 26.4.2001 - I ZR 314/98, GRUR 2001, 1178, 1180 = WRP 2001, 1073 - Gewinn-Zertifikat, m.w.N. [zum Abdruck fr BGHZ 147, 296 vorgesehen]). Die wettbewerbsbezogene Auslegung des Begriffs der Sittenwidrigkeit bedeutet jedoch nicht, daû § 1 UWG nur dann eingreift, wenn es um den u n - mittelbaren Schutz der Wettbewerber geht. Es liegt auch in der Zielsetzung dieser Vorschrift zu verhindern, daû Wettbewerb unter Miûachtung gewichtiger Interessen der Allgemeinheit betrieben wird (vgl. BGHZ 140, 134, 138 f. - Hormon prparate; 144, 255, 266 - Abgasemissionen; BGH GRUR 2000, 237, 238 - Giftnotruf-Box). Darin liegt kein Widerspruch zum deliktsrechtlichen und individualrechtlichen Charakter des § 1 UWG. Die insoweit geschtzten Inte r - essen der anderen Marktbeteiligten und der Allgemeinheit sind vielmehr auch Interessen der Gewerbetreibenden selbst, weil es sich dabei um die Bekm p - - 16 - fung von Auswchsen des Wettbewerbs handelt, die dazu beitragen knnen, den Wettbewerb zu vergiften, und einen an der Leistung orientierten Wettb e - werb gefhrden. Es kann daher ein eigenes - auch wirtschaftlich begrndetes - Anliegen der Gewerbetreibenden sein, nicht zusehen zu mssen, wie andere mit grob anstûigen Methoden den Markterfolg suchen, oder nicht vor die En t - scheidung gestellt zu werden, ob sie selbst in gleicher Form Wettbewerb b e - treiben sollen, um nicht im Wettbewerb zurckzufallen (vgl. BGHZ 130, 5, 12 - Busengrapscher; vgl. dazu weiter BVerfGE 32, 311, 316 = GRUR 1972, 358, 359 f.; BVerfGE 102, 347, 360 - Benetton-Werbung). b) Die Beurteilung, ob ein beanstandetes Wettbewerbsverhalten sitte n - widrig im Sinne des § 1 UWG ist, erfordert regelmûig eine - am Schutzzweck des § 1 UWG auszurichtende - Wrdigung des Gesamtcharakters des Verha l - tens nach seinem konkreten Anlaû, seinem Zweck, den eingesetzten Mitteln, seinen Begleitumstnden und Auswirkungen. Die Bedeutung der Grundrechte ist dabei schon bei der Prfung, ob das angegriffene Verhalten sittenwidrig ist, mit abzuwgen (vgl. BVerfG GRUR 2001, 1058, 1060; BGHZ 130, 5, 8, 11 - Busengrapscher). Dies kann - je nach Lage des Falles - dazu fhren, daû ein Wettbewerbsverstoû zu bejahen oder zu verneinen ist (vgl. Baumbach/Hefer- mehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. UWG Rdn. 92 f.). Bei der Abwgung ist zu bercksichtigen, daû Meinungsuûerungen, die wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Fragen zum Gegenstand h a - ben, in besonderem Maûe den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG genieûen (BVerfGE 102, 347, 362 f. - Benetton-Werbung). Der Schutz des lauteren Wettbewerbs durch § 1 UWG als allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 102, 347, 360 - Benetton-Werbung; BVerfG GRUR 2001, 1058, 1059) kann jedoch Einschrnkungen der Freiheit, im Wettbewerb - 17 - die eigene Meinung zu uûern, notwendig machen, die auûerhalb des B e - reichs des Wettbewerbs nicht oder nicht in diesem Umfang gelten. Eine u n - lautere Behinderung von Mitbewerbern oder andere unmittelbare Beeintrcht i - gungen des Leistungswettbewerbs sind dazu keine Voraussetzung. Dies wird durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem vorliegenden Verfahren besttigt (BVerfGE 102, 347, 363 ff. - Benetton-Werbung; vgl. dazu auch Mllers WuB V B. § 1 UWG 3.01). Denn nach dieser Entsc heidung kann die Meinungsfreiheit unter Umstnden auch dann eingeschrnkt werden, wenn in der Werbung ekelerregende, furchteinflûende oder jugendgefhrdende Bi l - der gezeigt werden. Eine Einschrnkung von Grundrechtspositionen eines Werbungtreibenden ist weiterhin nicht ausgeschlossen, wenn eine bestimmte Werbung die Verrohungs- oder Abstumpfungstendenzen in unserer Gesel l - schaft frdert und einer Kultur der Mitmenschlichkeit im Umgang mit Leid a b - trglich ist, oder wenn mit ihr eine nicht mehr hinnehmbare Belstigung des Publikums verbunden ist. In gleicher Weise erfordert es der Schutz des laut e - ren Wettbewerbs zu verhindern, daû in der Wirtschaftswerbung die Me n - schenwrde verletzt und Minderheiten diskriminiert oder herabgesetzt werden (vgl. BVerfGE 102, 347, 366 f. - Benetton-Werbung; vgl. dazu auch Fezer, JZ 1998, 265 ff.; ders., WRP 2001, 989, 1017 f.) oder des Werbeeffekts wegen ein Spiel mit dem getrieben wird, was vielen heilig ist (vgl. dazu auch Henning-Bodewig, GRUR 1997, 180, 190; Wnnenberg, Schockierende Werbung - Verstoû gegen § 1 UWG?, 1996, S. 121 ff., 138 f., 150 ff.). Danach kann im Wettbewerb verboten sein, was auûerhalb des Wet t - bewerbs ohne weiteres zulssig, vielleicht sogar als meinungsbildender Beitrag erwnscht oder zumindest hinnehmbar ist (etwa ekelerregende Bilddarstellu n - gen). Dies gilt nicht nur, weil Äuûerungen, die auch oder nur im wirtschaftlichen - 18 - Interesse gemacht werden, verletzender und abstoûender wirken knnen als Meinungsuûerungen, die nur einen Beitrag zum ffentlichen Meinungsau s - tausch leisten sollen, sondern auch deshalb, weil eine Werbung der hier er r - terten Art geeignet sein kann, die Verhltnisse, unter denen der Wettbewerb stattfindet, zum Schaden eines an der Leistung orientierten Wettbewerbs e r - heblich zu belasten. Dementsprechend ist es in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt und in der Werbepraxis selbstverstndlich, daû es wettbewerbswidrig ist, im g e - schftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken ohne besondere Grnde die rein persnlichen Verhltnisse eines Wettbewerbers anzusprechen, wie z.B. seine Auslndereigenschaft, seine religisen und politischen Überzeugungen oder krperlichen Besonderheiten. Dies gilt selbst dann, wenn diese Angaben wahr sind und der Gewerbetreibende unwiderlegbar vorbringt, er habe nicht auf Vo r - urteile des Publikums spekuliert, sondern nur zur Aufklrung der ffentlichkeit ber tatschlich gegebene Sachverhalte beitragen wollen (vgl. dazu nher Baumbach/Hefermehl aaO Einl. UWG Rdn. 432 ff. m.w.N.). Andernfalls kn n - ten Gewerbetreibende unter Berufung auf die Meinungsuûerungsfreiheit und naheliegende andere Deutungsmglichkeiten ihrer Werbung Tiefschlge pe r - snlicher Art gegen Mitbewerber austeilen. c) Enthlt eine Wirtschaftswerbung eine Meinungsuûerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG, muû als Grundlage fr die Abwgung, ob die Werb e - maûnahme im Sinne des § 1 UWG sittenwidrig ist, der Sinn der Äuûerung z u - treffend erfaût werden. Bei Äuûerungen, die mehrere Deutungen zulassen, darf sich das Gericht nicht fr den zur Verurteilung fhrenden Sinn entscheiden, ohne zuvor die Alternativen mit tragfhigen Grnden ausgeschlossen zu h a - ben. Dabei darf eine Äuûerung nicht aus ihrem auch fr die Rezipienten wah r - - 19 - nehmbaren Zusammenhang gerissen werden, sofern dieser ihren Sinn mitb e - stimmt (vgl. BVerfGE 94, 1, 9 = NJW 1996, 1529, 1530; BVerfGE 102, 347, 367 - Benetton-Werbung; BVerfG NJW 2000, 3413, 3414; BVerfG NJW 2001, 594, 595). Daraus ergibt sich aber auch, daû derjenige, der im Wettbewerb mit a n - deren die Marktteilnehmer durch Werbung beeinflussen will, seine Werbema û - nahmen an ihrer Eignung, auf die Angesprochenen zu wirken, messen lassen muû. Bei einer Anzeige ist deshalb grundstzlich nur maûgeblich, welche A b - sicht aus dieser selbst spricht. Der Werbende kann sich nicht auf innere A b - sichten berufen, wenn diese den Angesprochenen nicht zugleich mit der A n - zeige erkennbar werden oder als bekannt vorausgesetzt werden knnen (allg. M.; vgl. nur Baumbach/Hefermehl aaO Einl. UWG Rdn. 250; v. Gamm, Wet t - bewerbsrecht, 5. Aufl., Kap. 7 Rdn. 4). Nicht entscheidend ist auch, ob Werbeuûerungen von allen Teilen der angesprochenen ffentlichkeit in gleicher Weise verstanden und empfunden werden. Es ist zu unterscheiden zwischen der rechtlichen Wertung einer Wet t - bewerbshandlung als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG und den tatschl i - chen Umstnden, auf denen diese Wertung beruht. Bei der rechtlichen Beu r - teilung kommt es nicht auf die Meinung einer besonders streng urteilenden Minderheit an (vgl. v. Gamm aaO Kap. 18 Rdn. 10, m.w.N.). Die Beurteilung hat jedoch im Tatschlichen darauf aufzubauen, wie - gegebenenfalls auch wie unterschiedlich - die Werbemaûnahme in den angesprochenen Verkehrskre i - sen aufgefaût werden kann (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 8.7.1955 - I ZR 52/54, GRUR 1955, 541, 542 = WRP 1955, 206 - Bestattungswerbung). - 20 - Der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts, daû auch ekelerregende Bilder in der Werbung wettbewerbswidrig sein knnen, macht diesen Unte r - schied zwischen rechtlicher Beurteilung und deren tatschlicher Grundlage deutlich. Was bei weiten Teilen der Bevlkerung heftige Ekelgefhle hervorruft, kann von anderen als allenfalls geschmacklos angesehen werden. Tief verwu r - zelte religise Überzeugungen und Riten einer Minderheit knnen fr viele a n - dere, vielleicht sogar die weit berwiegende Bevlkerungsmehrheit, bede u - tungslos, schwer nachvollziehbar oder gar Anlaû zum Spott sein. Wenn G e - werbetreibende derartige Umstnde zum Aufhnger ihrer Werbung um Kunden machen, wird gleichwohl Unterlassungsansprchen zum Schutz der Lauterkeit des Wettbewerbs in aller Regel stattzugeben sein. Fr den Schutz der Menschenwrde gegen ihre Verletzung durch We r - bemaûnahmen gilt nichts anderes. Es ist sittenwidrig, im Wettbewerb den e i - genen wirtschaftlichen Vorteil mit Werbeaussagen zu suchen ohne Rcksicht darauf, ob diese bei einem naheliegenden Verstndnis die Menschenwrde anderer verletzen. Die Menschenwrde ist zumindest gegen solche Werbea n - zeigen zu schtzen, die sie bei einem sich handgreiflich aufdrngenden Ve r - stndnis ihres Aussagegehalts verletzen, auch wenn die Anzeige so gestaltet ist, daû sie von anderen Teilen der ffentlichkeit als unverfnglich oder sogar als eine Meinungsuûerung in guter Absicht aufgefaût werden kann. Der im deutschen und europischen Recht im Interesse der Lauterkeit des Wettbewerbs allgemein geltende Rechtsgedanke, daû eine Werbema û - nahme als wettbewerbswidrig beurteilt werden kann (§§ 1, 3 UWG), auch wenn sie nicht von allen Angesprochenen in gleicher Weise verstanden und empfu n - den wird, ist der Sache nach in der Rechtsprechung des Bundesverfassung s - gerichts als verfassungsrechtlich unbedenklich anerkannt. So ist ein allgeme i - - 21 - nes Verbot, nach einem Todesfall Hinterbliebene unaufgefordert aufzusuchen, um Grabsteinauftrge zu erhalten, als verfassungsrechtlich zulssig anges e - hen worden (BVerfGE 32, 311, 316), obwohl der mit dem Verbot bezweckte Schutz der Intimsphre Hinterbliebener nur von einem Teil der Betroffenen wirklich bentigt oder gewollt wird. d) Die angegriffene Anzeige "H.I.V. POSITIVE" ist trotz ihres Charakters als Meinungsuûerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG und selbst dann, wenn sie als Kunst im Sinne des Art. 5 Abs. 3 GG angesehen wird, gemû § 1 UWG als sittenwidrig zu bewerten, weil sie die Menschenwrde Aids-Kranker verletzt (Art. 1 Abs. 1 GG; in der Literatur - jedenfalls im Ergebnis - ebenso Bau m - bach/Hefermehl aaO § 1 UWG Rdn. 188; Ring, DZWir 1995, 474, 475, 476; Blow, ZIP 1995, 1289, 1290; Ahrens, JZ 1995, 1096, 1099; Reichold, EWiR 1995, 813, 814; Wehlau, DZWir 1996, 144; Kort, WRP 1997, 526, 531; Ko p - pensteiner in Festschrift Mayer-Maly, 1996, S. 311, 320; Bamberger in Fes t - schrift Piper, 1996, S. 41, 54 ff., 59; Henning-Bodewig, GRUR 1997, 180, 190; a.A. Hoffmann-Riem, ZUM 1996, 1, 10 ff.; Grtner, Zum Einfluû der Meinung s - freiheit auf § 1 UWG am Beispiel der Problemwerbung, 1998, S. 209 ff.; Sevecke, Wettbewerbsrecht und Kommunikationsgrundrechte, 1997, S. 143 f.; Fezer, JZ 1998, 265, 274; vgl. weiter die zusammenfassende Darstellung der im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abgegebenen Stellungna h - men BVerfGE 102, 347, 355 ff. - Benetton-Werbung; vgl. auch - zur Entsche i - dungspraxis im Ausland - Ohly, GRUR Int. 1993, 730, 737 [bei Fn. 76]; Kur, GRUR Int. 1996, 255, 256; Hartwig, BB 1999, 1775 f., 1777). (1) Achtung und Schutz der unantastbaren Wrde des Menschen ist nach Art. 1 Abs. 1 GG Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch bei der Entscheidung ber privatrechtliche Ansprche in Anwendung des § 1 UWG - 22 - (vgl. BVerfGE 102, 347, 366 f. - Benetton-Werbung). Mit der durch Art. 1 Abs. 1 GG gewhr leiste ten Menschenwrde ist der soziale Wert- und Achtungs- anspruch des Menschen verbunden, der es verbietet, den Menschen zum bl o - ûen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualitt prinzipiell in Frage stellt. Geschtzt ist nicht nur die individuelle Wrde einzelner konkreter Personen, sondern die Wrde des Menschen als Gattungswesen (vgl. BVerfGE 87, 209, 228 = NJW 1993, 1457; BVerfG NJW 2001, 61, 63). Dementsprechend kann auch die Darstellung fikt i - ver Vorgnge das Gebot zur Achtung der Wrde des Menschen verletzen (vgl. BVerfGE 87, 209, 228 f.). Auch Angriffen auf den Achtungsanspruch und die Menschenwrde einer Gruppe von Menschen muû entgegengetreten werden (vgl. BVerfGE 90, 241, 252 f. = NJW 1994, 1779). Nicht nur Handlungen in menschenverachtender Tendenz knnen die Menschenwrde verletzen (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 5. Aufl., Art. 1 Rdn. 8; a.A. - zum vorliegenden Fall - Hof f - mann-Riem, ZUM 1996, 1, 12). Eine "gute Absicht" kann eine objektiv gegeb e - ne Verletzung der Menschenwrde nicht "heilen" (vgl. Sachs/Hfling, GG, 2. Aufl., Art. 1 Rdn. 15); auch gute Zwecke drfen nicht in dieser Weise verfolgt werden. Selbst der Versuch, anderen durch eine ffentliche Meinungsuû e - rung zu helfen, muû deren Menschenwrde wahren. Noch mehr muû die Me n - schenwrde gegen Eingriffe durch Werbung geschtzt werden. Niemand hat das Recht, mit solchen Mitteln seine Waren oder Dienstleistungen abzusetzen. Wenn eine uûerung die Menschenwrde antastet, mssen Meinung s - freiheit und Kunstfreiheit zurcktreten. Denn die Menschenwrde als Wurzel aller Grundrechte ist mit keinem Einzelgrundrecht abwgungsfhig (vgl. BVerfGE 87, 209, 228; 93, 266, 293 = NJW 1995, 3303; BVerfG NJW 2001, 61, 62; BVerfG NJW 2001, 594, 595). - 23 - (2) Der Senat ist nicht durch bindende Vorgaben des Bundesverfa s - sungsgerichts (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) gehindert zu entscheiden, daû die A n - zeige "H.I.V. POSITIVE" gegen die Menschenwrde verstût. Das Bundesve r - fassungsgericht hat in seiner Entscheidung beanstandet, daû der Senat in se i - nem ersten Urteil die Wettbewerbswidrigkeit der Anzeige damit begrndet h a - be, daû diese den Aids-Kranken in seinem Leid stigmatisiere und gesellschaf t - lich ausgrenze; es drnge sich nicht auf, daû die Anzeige den skandalsen, aber nicht realittsfernen Befund einer gesellschaftlichen Diskriminierung und Ausgrenzung HIV-Infizierter bekrftige, verstrke oder auch nur verharmlose. Das Bundesverfassungsgericht hat darauf hingewiesen, daû fr den Betrachter die Deutung der Anzeige als kritischer Aufruf wesentlich naheliegender sei und auch der Werbekontext diese Deutungsmglichkeit nicht in Frage stelle. Eig e - ner Feststellungen zu dem Aussagegehalt der Anzeige selbst hat sich das Bundesverfassungsgericht jedoch enthalten (vgl. BVerfGE 102, 347, 367 - B e - netton-Werbung). Der Senat geht bei seiner Entscheidung von der - durch das Bunde s - verfassungsgericht nicht ausgeschlossenen - Beurteilung aus, daû die Anzeige selbst berhaupt keine bestimmte Aussage macht. Die Gestaltung der Anzeige "H.I.V. POSITIVE" schlieût es demgemû aus, mit einer bestimmten Auslegung ihres Inhalts einen Wettbewerbsverstoû zu begrnden oder zu verneinen. Die Anzeige ist nicht in dem Sinn mehrdeutig, daû ihr durch Auslegung verschi e - dene Meinungen entnommen werden knnten. Es mag zwar fr einen B e - trachter, der Überlegungen ber die mit der Anzeige verfolgte Absicht anstellt, naheliegend sein, sie als kritischen Aufruf zu verstehen. Die Anzeige selbst enthlt sich aber - objektiv gesehen - eines eigenen als Meinung im allgeme i - nen Sprachgebrauch ausdeutbaren Beitrags. Sie ist - wie dargelegt - vie l - schichtig in dem, was sie durch ein Foto als Wirklichkeit darstellt. Auch bei - 24 - Einbeziehung des Umstands, daû es sich um eine Unternehmenswerbung handelt, ist keine irgendwie durch uûere Umstnde belegbare Meinung oder Absicht zu erkennen. Es gelten hier ebenfalls die bereits angefhrten Worte der Beklagten selbst: "Die Wertung, ob positiv, negativ, indifferent, ist immer die des Be trachters". Eine bestimmte Meinung zu uûern oder eine Absicht deutlich genug e r - kennbar werden zu lassen, ist - wie aus den Umstnden hervorgeht - auch nicht der Zweck der Anzeige. Es gibt bei ihr keine "richtige" oder "falsche" Auslegung. Sie ist - objektiv gesehen - ausschlieûlich Reizobjekt mit starker Wirkung. Soweit die Anzeige Wirtschaftswerbung ist, geht ihr Zweck dahin, intensive Reaktionen in der ffentlichkeit hervorzurufen, damit mglichst viel ber die Anzeige und ihren Gegenstand und damit auch ber das werbende Unternehmen, das mit einem Unternehmenskennzeichen sich selbst in den Blickfang der Anzeige gesetzt hat, gesprochen wird. Da die Verstndnisoffe n - heit der Anzeige gewollt ist, muû sich Benetton auch objektiv voraussehbare, naheliegende Mglichkeiten des Verstndnisses seiner Werbemaûnahme z u - rechnen lassen. Das Problem, daû die Freiheit der Meinungsuûerung b e - schrnkt wrde, wenn der sich uûernde befrchten mûte, daû seiner uû e - rung durch "Auslegung" ein bestimmter, von ihm nicht gemeinter Sinn unterg e - schoben wird (vgl. BVerfGE 43, 130, 136 = NJW 1977, 799), stellt sich hier deshalb nicht (a.A. die oben - unter III. 2. d - angefhrten Stellungnahmen in der Literatur, die im vo r - liegenden Fall die Menschenwrde nicht als verletzt ansehen). (3) Die Anzeige "H.I.V. POSITIVE" verletzt die Menschenwrde Aids- Kranker nicht durch einen konkret faûbaren Aussagegehalt, sondern deshalb, weil sie die Darstellung der Not von Aids-Kranken in einer Unternehmenswe r - - 25 - bung als Reizobjekt miûbraucht, um zu kommerziellen Zwecken die Aufmer k - samkeit der ffentlichkeit auf das werbende Unternehmen zu lenken. Die Anzeige stellt einen Menschen dar, der als Aids-infiziert "abgeste m - pelt" ist. Sie kann - wie bereits dargelegt - ohne weiteres als Ausdruck der S o - lidaritt mit Aids-Kranken empfunden werden, als aufrttelnder Hinweis auf das Leid der Angehrigen einer Gruppe, die nicht nur von einer todbringenden Krankheit betroffen sind, sondern wegen der Ansteckungsgefahr in der Gesel l - schaft teilweise stigmatisiert und ausgegrenzt werden oder zumindest einer solchen Bedrohung ausgesetzt sind. Die Anzeige wre deshalb wettbewerb s - rechtlich unbedenklich, wenn sie nur in dieser Weise aufgefaût wrde oder ihr Charakter als Wirtschaftswerbung ihre Wirkung und ihr Verstndnis allenfalls bei unerheblichen Teilen der angesprochenen ffentlichkeit beeinflussen knnte, weil er nicht oder kaum als solcher wahrgenommen wrde. Das ist j e - doch nicht der Fall. Weit berwiegend wird die Anzeige, auch wenn sie zugleich als Aufruf zur Solidaritt verstanden wird, als Aufmerksamkeitswerbung fr das in der A n - zeige genannte Unternehmen wahrgenommen werden. Sie wirkt deshalb nicht nur - in einer wirklich oder angeblich vorhandenen guten Absicht - auf die f - fentliche Meinungsbildung ein, sondern benutzt gleichzeitig schweres Leid von Menschen als Werbethema, um - auch durch die Thematisierung gerade in der Wirtschaftswerbung eines Unternehmens - Emotionen aufzurhren, auf diese Weise das Unternehmen zum Gegenstand ffentlicher Aufmerksamkeit zu m a - chen und so den Verkauf der eigenen Waren - vor allem von Bekleidungsst k - ken - zu frdern. Selbst wenn eine Solidarisierung mit Aids-Kranken angeno m - men wird, wirkt die Anzeige, soweit ihr Charakter als Wirtschaftswerbung von den Betrachtern nicht bersehen oder nur beilufig wahrgenommen wird, z u - - 26 - mindest maûgeblich auch als ein Mittel zum wirtschaftlichen Zweck, das die Gruppe der Aids-Kranken, ihre tiefe Not und ihre Stigmatisierung in der Gesel l - schaft zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil ausbeutet. Ein Aufruf zur Solidaritt mit Menschen in Not ist zynisch und verletzt ihren Anspruch auf Achtung und mitmenschliche Solidaritt um ihrer selbst willen, wenn er mit dem Geschft s - interesse verbunden wird, die eigenen Unternehmensumstze in einem ganz anderen Bereich zu steigern. Dieser Zynismus wird noch mehr von denjenigen empfunden werden, die nach ihrer Lebenserfahrung davon ausgehen, daû Wirtschaftswerbung nicht bezweckt, in allgemeinen Lebensfragen zur ffentl i - chen Meinungsbildung beizu tragen, sondern die Kunden zu beeinflussen, um sie bereit zu machen, Waren oder Dienstleistungen abzunehmen, und die de s - halb ernsthaft an der Aufrichtigkeit eines etwa angenommenen Aufrufs zur S o - lidaritt mit Aids-Kranken zweifeln. Noch strker ist die Wirkung der Anzeige "H.I.V. POSITIVE" als Verle t - zung der Menschenwrde, soweit sie in der ffentlichkeit - mangels jeder eig e - nen auch nur angedeuteten Stellungnahme zur aufgerissenen Problematik - ausschlieûlich oder in erster Linie als Aufmerksamkeitswerbung gesehen wird. Von diesen Teilen der ffentlichkeit wird die Verletzung der Menschenwrde Betroffener in erheblichem Umfang sogar als bewuûtes Werbemittel durch A b - zielen auf einen "Aufschrei der Emprung" in der Gesellschaft ber eine dera r - tige Form der Werbung verstanden werden (vgl. dazu im brigen auch Kass e - bohm, Grenzen schockierender Werbung, 1995, S. 113 f.). (4) Tatschliche Ermittlungen dazu, wie groû der Anteil derjenigen ist, von denen die Anzeige "H.I.V. POSITIVE" maûgeblich (auch) als Aufmerksa m - keits werbung aufgefaût wird, sind nicht erforderlich (vgl. dazu auch BVerfGE 32, 311, 317 f.). Die Beurteilung, daû die Anzeige sittenwidrig im Sinne des § 1 - 27 - UWG ist, kann sich bereits auf den tatschlichen Umstand sttzen, daû sich ihr Verstndnis als Aufmerksamkeitswerbung handgreiflich aufdrngt. Dies ergibt sich nicht nur aus den tatschlichen Feststellungen des Landgerichts, sondern kann - wie auch die weiteren entscheidungserheblichen Tatsachen - aufgrund der vorliegenden Anzeige und der allgemeinen Lebenserfahrung vom Senat selbst beurteilt werden (vgl. dazu z.B. auch BGH, Urt. v. 5.10.1989 - I ZR 56/89, GRUR 1990, 282, 286 = WRP 1990, 255 - Wettbewerbsverein IV). We l - cher genaue Anteil der Bevlkerung dieses Verstndnis teilt, kann danach letztlich dahinstehen. Die Menschenwrde wird verletzt, weil hier wirtschaftl i - cher Eigennutzen durch Abzielen auf den Aufmerksamkeitseffekt verfolgt wird, der zumindest bei nicht unerheblichen Teilen der ffentlichkeit mit dem aufre i - ûerischen Bild zur Situation von Aids-Kranken als Reizobjekt erreicht werden kann. Diese Wertung selbst ist eine Rechtsfrage. Es kommt danach nicht mehr darauf an, daû nach der Überzeugung des Senats, die sich auch auf die Stellungnahmen in der Literatur zum vorliege n - den Fall sttzen kann (vgl. dazu oben III. 2. d; vgl. auch Callies, AfP 2000, 248, 252), die weit berwiegende Mehrheit der angesprochenen ffentlichkeit die Anzeige nicht als unverfnglichen Aufruf eines Unternehmens zur Solidaritt mit Aids-Kranken verstehen wird, sondern als Maûnahme, die in erster Linie dem eigenen wirtschaftlichen Vorteil dienen soll und bei dieser Motivation in besonders grober Weise die Menschenwrde verletzt. (5) Da die Anzeige "H.I.V. POSITIVE" jedenfalls deshalb sittenwidrig ist, weil sie die Menschenwrde verletzt, kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, daû noch weitere Umstnde vorliegen, die zur Sittenwidrigkeit der Anzeige als Werbemaûnahme beitragen. Die - zumindest maûgeblich auch aus eige n - ntzigen wirtschaftlichen Motiven geschaltete - Anzeige ist auch deshalb wet t - - 28 - bewerbswidrig, weil sie geeignet ist, bei einem nicht unerheblichen Teil der Be- trachter Gefhle der Angst vor der Bedrohung durch Aids auszulsen sowie die durch Aids Betroffenen und ihre Angehrigen in unzumutbarer Weise gerade in der Form der Werbung mit ihrem Elend zu konfrontieren. Ob die Anzeige - wie die Revisionserwiderung meint - auch fr die nicht selbst betroffene ffentlic h - keit als Schockwerbung das Maû dessen berschreitet, was ihr in der Wir t - schaftswerbung als Belstigung zumutbar ist (vgl. dazu BVerfGE 102, 347, 363 f. - Benetton-Werbung), kann danach offe nbleiben. 3. Die Revision wendet sich weiter ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Landgerichts, daû die Beklagte als Presseunternehmen durch den Abdruck der Anzeige "H.I.V. POSITIVE" auch selbst sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt hat. a) Die Beklagte hat bei der Verffentlichung der Anzeige in Wettb e - werbsabsicht gehandelt und zwar nicht nur zum Zweck der Frderung der e i - genen Wettbewerbsposition, sondern auch zur Frderung der wettbewerbl i - chen Stellung des werbenden Unternehmens Benetton. Eine solche Wettb e - werbsabsicht ist im Anzeigengeschft der Presse ohnehin zu vermuten (BGH, Urt. v. 26.4.1990 - I ZR 127/88, GRUR 1990, 1012, 1013 = WRP 1991, 19 - Pressehaftung I; Urt. v. 19.3.1992 - I ZR 166/90, GRUR 1993, 53, 54 - Ausl n - discher Inserent; Urt. v. 30.6.1994 - I ZR 40/92, GRUR 1994, 841, 842 f. = WRP 1994, 739 - Suchwort); Besonderheiten, die dagegen sprechen, liegen hier nicht vor. b) Die Beklagte hat bei der Verffentlichung der Anzeige die ihr wettb e - werbsrechtlich obliegenden Prfungspflichten verletzt. - 29 - Der Schutz der Pressefreiheit gemû Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schlieût auch das Anzeigengeschft ein (BVerfGE 21, 271, 278; 102, 347, 359 - Benetton-Werbung). Im Hinblick auf die Besonderheiten des Anzeigeng e - schfts kann ein Presseunternehmen demgemû nur eingeschrnkt fr wet t - bewerbswidrige Anzeigen seiner Inserenten verantwortlich gemacht werden. Um die tgliche Arbeit nicht ber Gebhr zu erschweren und die Verantwortl i - chen nicht zu berfordern, gelten bei Anzeigen keine umfassenden Prfung s - pflichten. Ein Presseunternehmen haftet vielmehr wettbewerbsrechtlich fr die Verffentlichung einer Anzeige nur dann, wenn diese grob und unschwer e r - kennbar wettbewerbswidrig ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2000 - I ZR 167/98, GRUR 2001, 529, 531 = WRP 2001, 531 - Herz-Kreislauf-Studie, m.w.N.). Das ist hier jedoch der Fall. Die Benetton-Anzeige "H.I.V. POSITIVE" ist doppelseitig, farbig und en t - sprechend aufwendig; sie fllt nach ihrem ungewhnlichen Gegenstand schon auf den ersten Blick ganz aus dem Rahmen der herkmmlichen Werbung. Der Abdruck einer derartigen Anzeige ist kein Massengeschft, sondern erfordert eine sorgfltigere Prfung. Bei einer solchen Prfung drngt sich hier die Wettbewerbswidrigkeit der Anzeige auf. Es geht nicht etwa um einen Verstoû gegen Nebengesetze, deren Kenntnis und fehlerfreie Anwendung in einer A n - zeigen redaktion nicht selbstverstndlich sein muû. Die Anzeige ist sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, weil sie gegen die Menschenwrde verstût. Um dies zu erkennen, waren keine Rechtskenntnisse erforderlich; es gengte eine u n - befangene Betrachtung der Anzeige selbst. Es mag sein, daû die Beklagte die Anzeige selbst in erster Linie als Aufruf zur Solidaritt mit Aids-Kranken au f - gefaût hat. Aber auch dann war fr sie unschwer erkennbar, daû die Anzeige ebenso weit berwiegend oder ausschlieûlich als Unternehmenswerbung g e - sehen werden kann und aus dieser Sicht eine aufreiûerische Aufmerksa m - - 30 - keitswerbung darstellt, die zynisch eigene wirtschaftliche Interessen unter Au s - beutung der Not Betroffener verfolgt und damit deren Menschenwrde verletzt. Der Gang des gerichtlichen Verfahrens spricht nicht gegen diese Beu r - teilung. Die Anzeige ist bereits in zwei Instanzen als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG angesehen worden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die A n - zeige nicht als rechtlich unbedenklich eingestuft, sondern die erste in dieser Sache ergangene Senatsentscheidung aufgehoben, weil es deren Begrndung aus verfassungsrechtlicher Sicht als unzureichend angesehen hat. Eine eigene abschlieûende Bestimmung des Aussagegehalts der Anzeige hat das Bunde s - verfassungsgericht - wie dargelegt (oben III. 2. d (2)) - allein deshalb nicht vo r - genommen, weil dies nicht seine Aufgabe sei (BVerfGE 102, 347, 367 - Benet- ton-Werbung). Die Ausfhrungen in dem ersten Senatsurteil zur wettbewerb s - rechtlichen Verantwortlichkeit der Beklagten hat das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet. Htten insoweit Bedenken bestanden, wre es naheliegend gewesen, die aufhebende Entscheidung auch auf diese zu sttzen. c) Der Wettbewerbsverstoû der Beklagten begrndet die Wiederh o - lungsgefahr. Eine Begehungsgefahr besteht im brigen auch nach den Grundstzen der Erstbegehungsgefahr. Eine Erstbegehungsgefahr begrndet, wer sich des Rechts berhmt, bestimmte Handlungen vornehmen zu drfen. Das gilt hier auch fr die Berhmung der Beklagten im Rahmen ihrer Rechtsverteidigung (vgl. dazu auch BVerfGE 102, 347, 361 f. - Benetton-Werbung; BGH, Urt. v. 31.5.2001 - I ZR 106/99, GRUR 2001, 1174, 1175 = WRP 2001, 1076 - B e - rhmungsaufgabe, m.w.N.). Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat das im vorliegenden Hauptsacheverfahren beantragte Unterlassungsgebot bereits - 31 - durch Beschluû vom 3. Mrz 1994 im Wege der einstweiligen Verfgung au s - gesprochen und dies damit begrndet, daû die Anzeige "H.I.V. POSITIVE" grob und eindeutig im Sinne des § 1 UWG sittenwidrig sei und die Menschenwrde Aids-Kranker verletze. Nach dieser Entscheidung konnte sich die Beklagte nicht mehr darauf berufen, daû sie bei der Verffentlichung von Anzeigen nur eine eingeschrnkte Prfungspflicht habe. Die Wettbewerbswidrigkeit der A n - zeige muûte sich ihr nunmehr verstrkt aufdrngen. Wenn sie sich trotzdem vorbehaltlos allein damit verteidigte, daû die abgedruckte Anzeige nicht oder jedenfalls nicht grob und leicht erkennbar wettbewerbswidrig sei, ohne zugleich deutlich zu machen, daû sie damit nur ihre Rechte im anhngigen Rechtsstreit wahren wolle, begrndete sie die ernsthafte und greifbare Besorgnis, daû sie bei nchster Gelegenheit das beanstandete Inserat erneut oder andere von dem Unterlassungsgebot erfaûte Inserate dieser Art verffentlichen werde. 4. Der Wettbewerbsverstoû der Beklagten ist auch geeignet, den Wet t - bewerb ganz erheblich zu beeintrchtigen (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG). B e - troffen sind nicht nur die Mrkte fr Zeitungs- und Zeitschriftenanzeigen sowie fr Bekleidungsstcke, sondern der gesamte Wettbewerb im Inland, soweit um Endverbraucher als Kunden geworben wird. Dies ergibt sich hier ohne weiteres aus den im Revisionsverfahren feststehenden Umstnden. Das Merkmal der Eignung einer Handlung, den Wettbewerb wesentlich zu beeintrchtigen, ist im Hinblick auf die Zielsetzung des Gesetzes auszul e - gen (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2000 - I ZR 210/98, GRUR 2001, 258, 259 = WRP 2001, 146 - Immobilienpreisangaben, m.w.N.). Maûgebend ist danach die - unter Bercksichtigung der Umstnde des Einzelfalls zu beurteilende - Eignung der Handlung, entgegen dem Schutzzweck des Gesetzes auf das Marktg e - schehen einzuwirken. - 32 - Die Anzeige ist - zumindest auch - darauf angelegt und geeignet, durch Ausbeutung eines Reizthemas auf Kosten der dadurch betroffenen Gruppe e i - nen ganz erheblichen Aufmerksamkeitseffekt zu erzielen und so das Interesse der ffentlichkeit auf das werbende Unternehmen zu ziehen. Unabhngig d a - von, ob auf diese Weise tatschlich - wie angestrebt - ein wirtschaftlicher E r - folg erreicht werden konnte, ist eine solche Werbemaûnahme - wenn sie nicht unterbunden werden kann - ihrer Art nach geeignet, in weitem Umfang Nac h - ahmer zu finden. Es ist allerdings unwahrscheinlich, daû dasselbe Thema - die Situation Aids-Kranker - wieder Gegenstand einer hnlichen Anzeige werden knnte. Die Wirkung der konkreten Anzeige beruht gerade auf dem berr a - schenden und neuartigen Aufgreifen dieses Reizthemas. Es besteht aber die konkrete Gefahr, daû die bei der Anzeige "H.I.V. POSITIVE" angewandte M e - thode um sich greift, durch Ausbeuten von Reizthemen und Tabus als Gegen- stand oder Aufhnger von Werbung Aufmerksamkeitseffekte zu erzielen. Eine Anzeige wie "H.I.V. POSITIVE", die Werbung unter Miûachtung der Me n - schenwrde anderer betreibt, ist geeignet, Werbungtreibende zu hnlichen Grenzberschreitungen zu veranlassen, bei denen die Probleme, Besonde r - heiten und Überzeugungen anderer als Werbethema benutzt und diese damit herabge wrdigt werden (vgl. dazu auch Kassebohm aaO S. 139, 154). Unte r - nehmen knnen so ermutigt werden, herabsetzende und diskriminierende Werbung auf Kosten der Wrde der Frau, von Behinderten, ethnischen und politischen Minderheiten, Auslndern oder religisen Gruppen einzusetzen. Nur selten werden derartige Werbeuûerungen nicht gut kaschiert sein und nicht auch eine naheliegende harmlose Deutung ermglichen. An der Eignung solcher - mehr oder weniger unterschwellig manipulierender - Werbemaûna h - men, gefhlsverrohend und minderheitenfeindlich zu wirken, ndert dies nichts. Mit einem Umsichgreifen von Formen der Werbung in der Art der Anzeige - 33 - "H.I.V. POSITIVE" wre deshalb die Gefahr einer Verwilderung und Verrohung der Wettbewerbssitten verbunden. Eine solche Entwicklung zu unlauterem Wettbewerb wrde die Belange der Wettbewerber erheblich beeintrchtigen, auch wenn nicht mit einer grû e - ren Zahl von Nachahmern gerechnet werden mûte. Sie wrde auch den Le i - stungswettbewerb gefhrden, auf dessen Schutz sich der Zweck des Wettb e - werbsrechts allerdings nicht beschrnkt (vgl. dazu nher Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 5. Aufl., S. 44 f.; GroûKomm/Schnemann, UWG Einl. Rdn. D 81 ff.; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 6. Aufl., S. 36 f.; ders. in Festschrift fr Kraft, 1998, S. 519, 526 ff.; Sosnitza, Wettbewerbsb e - schrnkungen durch die Rechtsprechung, 1995, S. 76 ff.; Ohly, Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbewerbs, 1997, S. 219 ff.; Wnnenberg aaO S. 98 ff., 105 f.). Die Voraussetzungen, unter denen sich Leistungswettbewerb entfalten kann, wrden in den davon betroffenen Bere i - chen des Wettbewerbs wesentlich beeintrchtigt, wenn Werbungtreibende vermehrt dazu bergingen, den Kampf um die Aufmerksamkeit der Verbraucher in der Art der Anzeige "H.I.V. POSITIVE" zu fhren und so ihren Vorteil auf K o - sten derjenigen Wettbewerber zu suchen, die das im Wettbewerb unabdingb a - re Maû an Achtung vor anderen und ihren verfassungsrechtlich geschtzten Rechtsgtern bewahren. - 34 - IV. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurckzuweisen. Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck Pokrant Bscher

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