I ZR 227/99 - I. Zivilsenat
Karar Dilini Çevir:
I ZR 227/99 - I. Zivilsenat
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 227/99 Verkündet am: 20. Dezember 2001 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR : ja Werbefinanzierte Telefongespräche UWG § 1 Das Angebot kostenloser Telefongespräche, die dadurch finanziert werden, daß sie ca. alle 90 Sekunden für 20 Sekunden durch Werbung unterbrochen werden, ist weder nach den Grundsätzen zur Telefonwerbung noch nach den Grundsätzen zur Laienwerbung als gemäß § 1 UWG unlauter anzusehen. BGH, Urt. v. 20. Dezember 2001 - I ZR 227/99 - LG Berlin - 2 - Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mndliche Ve r - handlung vom 20. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Bscher und Dr. Schaffert fr Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin vom 20. Juli 1999 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Klger auferlegt. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Beklagte bietet - gegen Zahlung eines einmaligen Betrages von 38 DM - kostenlose Festnetz-Telefongesprche im Inland an, die aus den Ei n - nahmen fr in die Telefongesprche eingeblendete Werbung finanziert werden. Die Werbung unterbricht die Telefongesprche alle 90 Sekunden fr 20 Sekunden; bei Kunden, die sich innerhalb einer bestimmten Frist bei der Beklagten angemeldet haben, erfolgt die erste Werbeunterbrechung erst drei Minuten nach Gesprchsbeginn. - 3 - Der Klger - der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbra u - cherverbnde - ist der Ansicht, das Angebot von durch Werbung unterbroch e - nen Telefongesprchen fhre zu einer nach § 1 UWG unzulssigen Belst i - gung der Angerufenen. Er hat beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu veru r - teilen, es zu unterlassen, im geschftlichen Verkehr zu Zwe k - ken des Wettbewerbs die Möglichkeit kostenloser werbefina n - zierter Telefongesprche innerhalb der Bundesrepublik Deutschland mit der Maûgabe anzubieten, daû diese durch Werbung unterbrochen werden: ca. alle 90 Sekunden fr eine Dauer von ca. 20 Sekunden oder - bei einer Anmeldung inne r - halb einer bestimmten Frist - ab drei Minute n ca. alle 90 Sekunden fr die Dauer von 20 Sekunden. Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie vertritt die Auffassung, das Angebot werbefinanzierter Telefongesprche sei mit dem Angebot werbefina n - zierter Rundfunk- und Fernsehsendungen vergleichbar und wie dieses als wettbewerbsrechtlich zulssig anzusehen. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemû verurteilt (LG Berlin WRP 1999, 1188). Mit der (Sprung -)Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Der Klger beantragt, die Revision zurckzuweisen. - 4 - Entscheidungsgrnde: I. Das Landgericht hat gemeint, die Geschftsttigkeit der Beklagten ve r - stoûe wegen unzumutbarer Belstigung der angerufenen Telefonteilnehmer gegen § 1 UWG. Dazu hat es ausgefhrt: Telefonwerbung gegenber Privaten sei nur bei ausdrcklich oder schlssig erklrtem Einverstndnis nicht als wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG zu beurteilen. Ein solches Einverstndnis fehle hier, weil der Anger u - fene vor dem Gesprch auf die Werbeunterbrechungen nicht hingewiesen werde. Selbst wenn der Anrufer vorher bekannt gebe, daû mit Werbeeinble n - dungen zu rechnen sei, bestehe fr den Angerufenen ein psychischer Druck, dem Werbeblock zuzuhören, weil er den Anrufer im Normalfall nicht dadurch brskieren wolle, daû er sofort nach dem Anklingen des ersten Werbeblocks auflege und so den Telefonkontakt aufgebe. Der als sittenwidrig anzusehende Kern dieser Methode bestehe darin, daû das private Telefon unerbeten als Werbetrger benutzt werde, dieses Kommunikationsmittel aber als privates Refugium von Werbung freizuhalten sei. II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie fhren zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klagea b - weisung. 1. Ohne Erfolg hat die Revision allerdings in der mndlichen Revision s - verhandlung die Klagebefugnis des Klgers gemû § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG mit der Begrndung in Zweifel gezogen, der Klageantrag beziehe sich auch auf an - 5 - Gewerbetreibende gerichtete Telefongesprche. Es ist zwar nicht ausg e - schlossen, daû von dem Angebot kostenloser werbefinanzierter Telefong e - sprche auch im geschftlichen Bereich Gebrauch gemacht wird. Es liegt i n - dessen nicht in der Hand der Beklagten, in welcher Weise ihre Abnehmer das Angebot nutzen. Stellt sich das Verhalten der Beklagten wegen einer Belst i - gung oder unlauterer Beeinflussung der Verbraucher als wettbewerbswidrig dar, kann es nur generell verboten werden und nicht beschrnkt darauf, daû kostenlose Telefongesprche mit Verbrauchern gefhrt werden. 2. Das kostenlose Angebot werbefinanzierter Telefongesprche durch die Beklagte ist entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht nach den von der Rechtsprechung auf der Grundlage des § 1 UWG entwickelten Grundstzen zur Telefonwerbung als unzulssig anzusehen. a) Das Landgericht ist bei seiner Beurteilung allerdings zutreffend davon ausgegangen, daû ein Telefonanruf zu Werbezwecken im privaten Bereich grundstzlich gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstöût und nur dann ausnahmsweise zulssig ist, wenn der Angerufene zuvor ausdrcklich oder konkludent sein Einverstndnis mit einem solchen Anruf erklrt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 27.1.2000 - I ZR 241/97, GRUR 2000, 818, 819 = WRP 2000, 722 - Telefonwerbung VI, m.w.N.). b) Anders als die Revision meint, steht der Beurteilung von Telefonwe r - bung ohne Einverstndnis des Angerufenen als wettbewerbswidrig auch nicht die Richtlinie 97/7/EG des Europischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 ber den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlssen im Ferna b - satz (ABl. EG Nr. L 144 v. 4.6.1997, S. 19 ff. - Fernabsatzrichtlinie) entgegen, - 6 - die mittlerweile durch das am 30. Juni 2000 in Kraft getretene Gesetz ber Fernabsatzvertrge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur U m - stellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 2000 (BGBl. I S. 897 - FernAbsG) in das deutsche Recht umgesetzt worden ist. Die Fernabsatzrichtlinie lût allerdings, wie sich aus ihrem Artikel 10 e r - gibt, die telefonische Kommunikation mit dem Verbraucher auch ohne dessen vorherige Zustimmung grundstzlich zu und verbietet diese lediglich dann, wenn der Verbraucher sie offenkundig abgelehnt hat. Die Bestimmung des Art. 14 Satz 1 der Fernabsatzrichtlinie erlaubt es den Mitgliedstaaten jedoch, strengere Vorschriften zu erlassen oder aufrechtzuerhalten, um so ein höheres Schutzniveau fr die Verbraucher sicherzustellen. Die strengere deutsche Rechtsprechung zur Telefonwerbung bleibt demnach von der Fernabsatzrich t - linie grundstzlich unberhrt (BGH GRUR 2000, 818, 820 - Telefonwerbung VI; BGH, Urt. v. 25.1.2001 - I ZR 53/99, GRUR 2001, 1181, 1184 = WRP 2001, 1068 - Telefonwerbung fr Blindenwaren). Das Fernabsatzgesetz steht einem Verbot von Telefonwerbung ohne Ei n - verstndnis des Angerufenen gleichfalls nicht entgegen; denn es enthlt keine die wettbewerbsrechtliche Zulssigkeit von Telefonwerbung betreffende R e - gelung und lût nach seinem § 2 Abs. 1 Satz 3 weitergehende Einschrnku n - gen bei der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln aufgrund anderer Vorschriften unberhrt (vgl. BGH GRUR 2001, 1181, 1184 - Telefo nwerbung fr Blindenwaren; Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 1 Rdn. 143). Zu diesen Ei n - schrnkungen zhlt insbesondere das von der Rechtsprechung aus § 1 UWG abgeleitete Verbot unerwnschter Telefonwerbung (vgl. Begrndung zum G e - setzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2658, S. 24 ff., 37 f.). - 7 - Die Telefonwerbung gegenber Gewerbetreibenden unterliegt zudem deshalb nicht den Regelungen der Fernabsatzrichtlinie und des Fernabsatzg e - setzes, weil deren Bestimmungen nur dann anwendbar sind, wenn Fernko m - munikationsmittel fr die Anbahnung und den Abschluû von Vertrgen ber Waren oder Dienstleistungen zwischen einem Unternehmer und einem Ve r - braucher verwendet werden (vgl. Art. 1 und 2 der Richtlinie; § 1 Abs. 1 FernAbsG). c) Es kann im Streitfall aber nicht davon ausgegangen werden, daû der Angerufene einer Telefonwerbung ausgesetzt wird, ohne damit zuvor zumi n - dest konkludent sein Einverstndnis erklrt zu haben. Entgegen der Ansicht des Landgerichts setzt ein Einverstndnis mit der Telefonwerbung nicht vo r - aus, daû der Angerufene bereits vor dem Gesprch auf die Werbeunterbr e - chungen hingewiesen worden ist. Das Einverstndnis mit einer Telefonwerbung muû allerdings im allg e - meinen bereits vor dem Gesprch vorliegen. Es gengt grundstzlich nicht, daû der Angerufene den Anruf billigt, nachdem er zu Beginn des Gesprchs ber die Identitt des Anrufers und den geschftlichen Zweck des Gesprchs unterrichtet worden ist (vgl. auch Art. 4 Abs. 3 Fernabsatzrichtlinie; § 2 Abs. 1 Satz 2 FernAbsG). Die Strung ist zu diesem Zeitpunkt nmlich bereits eingetreten, der Angerufene aus seiner Beschftigung herausgerissen oder in seiner Ruhe gestrt, seine Zeit unntz in Anspruch genommen und Ärger ber die Belst i - gung entstanden (vgl. BGHZ 113, 282, 284 - Telefonwerbung IV; Khler/Piper aaO § 1 Rdn. 144, 150). - 8 - Im Streitfall besteht aber die Besonderheit, daû das Telefongesprch nicht ausschlieûlich Werbezwecken dient, sondern lediglich durch Werbung unterbrochen wird, und zwar auch nicht gleich zu Beginn des Gesprchs, so n - dern erst nach 90 oder - bei Kunden, die sich innerhalb einer bestimmten Frist bei der Beklagten angemeldet haben - 180 Sekunden. Fr den werbefreien Teil des Telefongesprchs muû ein Einverstndnis des Angerufenen jedoch nicht vorliegen. Die Revision fhrt zudem mit Recht aus, daû der Anrufer seinen G e - sprchspartner - wovon offensichtlich auch das Landgericht ausgegangen ist - regelmûig zu Beginn des Telefonats auf die Werbeunterbrechung hinweisen wird, weil er sonst zu gewrtigen htte, daû dieser das Gesprch nach dem Beginn der Werbeunterbrechung beenden wrde. Ist der Gesprchspartner aber ber die bevorstehende Werbeunterbrechung unterrichtet, so bringt er mit dem Fortfhren des Gesprchs und der Hinnahme der Werbeunterbrechung zugleich sein Einverstndnis mit der Telefonwerbung zum Ausdruck. Der Wir k - samkeit dieses Einverstndnisses steht auch nicht entgegen, daû sich der A n - gerufene, wie das Landgericht angenommen hat, im Normalfall einem psych i - schen Druck ausgesetzt sieht, die Werbeunterbrechung zu akzeptieren, um den Anrufer nicht durch den Abbruch des Telefonats zu brskieren. 3. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Grnden als richtig dar (§ 563 ZPO). Das Angebot kostenloser werbefina n - zierter Telefongesprche durch die Beklagte ist auch nicht entsprechend den von der Rechtsprechung aus § 1 UWG hergeleiteten Grundstzen zur Laie n - werbung als wettbewerbswidrig anzusehen. Denn sie fhrt nicht deshalb zu - 9 - einer unzumutbaren Belstigung der angerufenen Telefonteilnehmer, weil sich diese im Hinblick auf ihre persnliche Beziehung zu dem Anrufer gentigt s e - hen, die Unterbrechung eines Telefongesprchs durch Telefonwerbung hinz u - nehmen. a) Fr die Laienwerbung ist es charakteristisch, daû sich ein Gewerb e - treibender die persnlichen Beziehungen des Werbenden zu Dritten fr die Kundenwerbung nutzbar macht. Der Laienwerber geht, durch ihm in Aussicht gestellte Werbeprmien veranlaût, typischerweise so vor, daû er Verwandte, Freunde, Bekannte, Berufskollegen, Vereinskameraden usw. anspricht, um sie fr den Gewerbetreibenden als Kunden zu gewinnen (Khler/Piper aaO § 1 Rdn. 272 f.; vgl. BGH, Urt. v. 27.9.1990 - I ZR 213/89, GRUR 1991, 150 = WRP 1991, 154 - Laienwerbung fr Kreditkarten). b) Selbst wenn man diese Grundstze auch im Streitfall heranziehen wollte, weil auch hier persnliche Beziehungen des Anrufers zu dem Angeruf e - nen fr Werbezwecke genutzt werden, wre jedoch zu beachten, daû das Ei n - schalten von Laien in die Werbung von Unternehmen nicht generell als wet t - bewerbswidrig anzusehen ist. Vielmehr kommt es fr die wettbewerbsrechtliche Beurteilung solcher Werbemaûnahmen auf die besonderen Umstnde des Ei n - zelfalles an, wobei wegen der vielfltigen Bedenken gegen diese Art der Ku n - denwerbung allerdings strenge Maûstbe anzulegen sind (vgl. BGH, Urt. v. 29.9.1994 - I ZR 138/92, GRUR 1995, 122, 123 = WRP 1995, 104 - Laienwerbung fr Augenoptiker, m.w.N.). Unzulssig sind u.a. solche We r - bemaûnahmen, bei denen die Gefahr einer unzumutbaren Belstigung der Umworbenen besteht (vgl. BGH, Urt. v. 27.2.1981 - I ZR 75/79, GRUR 1981, - 10 - 655, 656 = WRP 1981, 456 - Laienwerbung fr Maklerauftrge; Khler/Piper aaO § 1 Rdn. 275). c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts fhrt aber das Angebot werbefinanzierter kostenloser Telefongesprche nicht zu einer unzumutbaren Belstigung der angerufenen Telefonteilnehmer. Diese werden die Werbeu n - terbrechungen zwar als Strung empfinden. Deren Gewicht ist aber jeweils e t - wa vergleichbar gering wie die Beeintrchtigung, die diejenigen, die am Run d - funkprogramm interessiert sind, dann empfinden mgen, wenn z.B. im Hrfunk oder Fernsehen eine Werbeeinblendung erfolgt. Anders als in den Fllen, in denen eine unzulssige Laienwerbung bislang bejaht wurde (vgl. Khler/Piper aaO § 1 Rdn. 273), geht es im Streitfall auch nicht um eine gezielte Kunde n - werbung, sondern lediglich um ein allgemeines Werbeangebot, das dem Dri t - ten zugnglich gemacht wird. Der Umworbene wird hier nicht im Wege der D i - rekt ansprache mit einem von ihm gegebenenfalls als aufdringlich empfundenen Einzelangebot konfrontiert, auf das er zu reagieren hat, sondern lediglich einer "Berieselung" ausgesetzt. Diese mag als lstig empfunden werden, erfordert aber - anders als bei den Fallgestaltungen, in denen die Rechtsprechung bi s - lang eine wegen ihrer belstigenden Wirkung unlautere Laienwerbung ang e - nommen hat (vgl. Khler/Piper aaO § 1 Rdn. 276) - keine ber ihre bloûe Hi n - nahme hinausgehende aktive Reaktion oder Abwehr. Eine unzumutbare Bel - stigung des Umworbenen ist hier daher zu verneinen, zumal auch das bei der Werbung eingesetzte Mittel gemû den Darlegungen zu vorstehender Ziffer 2. nach den zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Telefonwerbung entwi k - kelten Grundstzen als zulssig anzusehen ist. - 11 - III. Die (Sprung-)Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landg e - richts hat daher Erfolg und fhrt zur Klageabweisung. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Erdmann Starck Bornkamm Bscher Schaffert

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