I ZR 141/98 - I. Zivilsenat
Karar Dilini Çevir:
I ZR 141/98 - I. Zivilsenat
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 141/98 Verkündet am: 28. September 2000 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR : ja Augenarztanschreiben UWG § 1; MBO-Ä 1997 Kap. B § 34 Abs. 5 Ein an Augenärzte gerichtetes Werbeschreiben eines Augenoptikunterne h - mens enthält keine gegen § 1 UWG verstoßende Verleitung der Adressaten zu einem nach Kap. B § 34 Abs. 5 MBO -Ä 1997 standeswidrigen Verhalten, wenn es keine Aufforderung zu einem bestimmten Handeln und insbesondere weder das Versprechen noch das Inaussichtstellen irgendwelcher Vorteile enthält. BGH, Urt. v. 28. September 2000 - I ZR 141/98 - OLG Hamburg LG Hamburg - 2 - Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ve r - handlung vom 28. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 30. April 1998 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer für Handelssachen 16, vom 24. Oktober 1997 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: Die Beklagte betreibt Kaufhäuser, in denen sie auch Leistungen von Optikerfachgeschäften anbietet. Sie wandte sich im Dezember 1996 vor dem Hintergrund des Beitragsentlastungsgesetzes vom 1. November 1996, nach dem die Kostenbeteiligung der gesetzlichen Krankenkassen an Brillengestellen mit Ablauf des Jahres 1996 wegfiel, mit einem Schreiben ihrer Hauptverwaltung an Augenärzte. Das Schreiben hatte folgenden Wortlaut: "Ihre Patienten sind unsere Kunden. Daher möchten wir Sie informieren. Wie Sie wissen wurde die Position der Brillenfassung aus dem Le i - stungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gestrichen. Für den g e - setzlich Versicherten bedeutet das: Es gibt eigentlich keine Nulltarif- Brille mehr. Aber nicht bei K. , denn ... K. bleibt auch 1997 beim Nulltarif Was bedeutet das für Ihre Patienten? 1. Bei Vorlage einer Verordnung für 2 B rillengläser liefert die K. - Augenoptik nach wie vor eine komplette Brille. Das heißt also - auf Kundenwunsch zuzahlungsfrei - zwei Gläser und eine Brillenfassung aus unserem Nulltarif-Sortiment. 2. Auf Wunsch erhält der Kunde Kunststoffgläser (Typ CR 39) ohne Aufpreis. - Auch wenn diese nicht verordnet sind! 3. Wünscht sich der Kunde bei verordneten Binokelgläsern Gleitsich t - gläser, so erhält er diese auf Wunsch sogar ohne Zuzahlung! 4. Keine Zuzahlung für größere Brillengläser! K. Augenoptik hil ft durch dieses neue, umfangreiche Null-Tarif-Paket sparen. - Zum Vorteil für die Krankenkassen und für die Kunden. Haben Sie Fragen zur K. -Augenoptik? - Rufen Sie uns an. Unter ... geben wir Ihnen gerne Auskunft." Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., hat dieses Schreiben beanstandet und die Beklagte auf Unterlassung in - 4 - Anspruch genommen. Sie sieht einen Verstoß gegen § 1 UWG darin begrü n - det, daß es der Beklagten in dem Schreiben nicht um die Information der Ärzte gehe, sondern allein darum, ihre Produkte und Leistungen zu bewerben und in diesem Zusammenhang die Ärzte zu Empfehlungen zu veranlassen, die, da es hierfür keine medizinischen Gründe gebe, gegen § 30 Abs. 4 der Musterb e - rufsordnung für Ärzte in der Fassung des Beschlusses des 98. Ärztetages (im weiteren: MBO -Ä a.F.) verstießen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot sei bei der Verschreibung von Brillen nicht berührt, weil die Kassen für Brillenfassungen ohnehin keinerlei Erstattungen mehr leisteten und im übrigen für Sehhilfen festgesetzte Festbeträge zahlten. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu veru r - teilen, es zu unterlassen, Augenärzte anzuschreiben, um sie über das augenoptische Angebot der Beklagten und darüber zu informieren, welche nicht-medizinischen Vorteile dieses den Patienten, den Kunden der Beklagten, bietet. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist mit der Maßgabe ohne Erfolg geblieben, daß von dem Verbot ein Rundschreiben der Beklagten vom 14. Januar 1997 ausgenommen worden ist. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. - 5 - Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG in Verbindung mit § 30 Abs. 4 MBO -Ä a.F. u n - ter dem Gesichtspunkt des sittenwidrigen Vorsprungs durch Rechtsbruch in Form der Verleitung zu standeswidrigem Verhalten bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Vorschrift des § 30 Abs. 4 MBO -Ä a.F., die Eingang in praktisch alle Landesberufsordnungen der Ärzte gefunden habe, untersage diesen u.a., ohne hinreichenden Grund auf bestimmte Geschäfte zu verweisen und bei der Ve r - ordnung von Hilfsmitteln ohne sachlich gebotenen Grund Erzeugnisse b e - stimmter Hersteller zu nennen. Da sich die Verordnung des Arztes bei opt i - schen Sehhilfen zudem auf ein allein gattungsmäßig bestimmtes Erzeugnis beschränke, komme eine Einflußnahme des Arztes auf die Auswahl des Opt i - kers lediglich beim Vorliegen hinreichender sachlich gebotener Gründe in B e - tracht. Die hierzu vorrangig zu zählenden medizinischen Gründe habe die Kl ä - gerin dadurch berücksichtigt, daß sie in ihrem Antrag lediglich auf die Inform a - tion über nicht-medizinische Vorteile der Leistungen der Beklagten abgestellt habe. Bei der Verschreibung nur gattungsmäßig bestimmter optischer Hilfsg e - räte kämen ansonsten möglicherweise zu berücksichtigende Wirtschaftlic h - keitserwägungen nicht in Betracht. Die Vorgehensweise der Beklagten habe zweifelsfrei dem Zweck gedient, die angeschriebenen Ärzte zu der gegen § 30 Abs. 4 MBO -Ä a.F. verstoßenden und damit standeswidrigen Weitergabe der übermittelten Informationen an die Patienten zu veranlassen. Da die in dieser Bestimmung enthaltene Regelung zudem einer gefestigten und einheitlich b e - - 6 - folgten Standesüberzeugung entspreche und die Beklagte durch die Veranla s - sung Dritter zur Verletzung von Standespflichten den eigenen Wettbewerb zu Lasten rechtstreuer Mitbewerber habe fördern wollen, verstoße deren Verha l - ten gegen § 1 UWG. Der Klageantrag kennzeichne in seiner verallgemeinernden Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform, d.h. die Information der Ärzte über das augenoptische Angebot der Beklagten und dessen nicht-medizinische Vorteile für die Patienten, in denen der wesentliche Kern des wettbewerbswi d - rigen Verhaltens der Beklagten liege. Der Antrag sei auch hinreichend b e - stimmt; denn die Frage, was zu den nicht-medizinischen Vorteilen zu zählen sei, unterliege keinen ernsthaften Zweifeln. II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung. 1. Entgegen der Ansicht der Revision ist das Berufungsgericht allerdings zu Recht davon ausgegangen, daß der Unterlassungsantrag ausreichend b e - stimmt ist. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart u n - deutlich gefaßt sein, daß der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen ist, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 15.7.1999 - I ZR 204/96, GRUR 1999, 1017 = WRP 1999, 1035, 1036 - Kontrollnummernbeseitigung, - 7 - m.w.N.). Soweit die Revision geltend macht, der Begriff des "nicht- medizinischen Vorteils" sei nicht eindeutig, hat das Berufungsgericht in den bei der Auslegung des Verbotsausspruchs mit zu berücksichtigenden Gründen seiner Entscheidung klarstellend ausgeführt, daß dazu alle nicht unmittelbar auf dem Gebiet der Medizin liegenden Vorteile zu rechnen sind. Soweit die R e - vision des weiteren beanstandet, der Kreis möglicher "nicht-medizinischer Vorteile" sei nahezu unbegrenzt und gehe weit über die konkreten Angaben in dem Rundschreiben vom Dezember 1996 hinaus, betrifft dies die als materielle Anspruchsvoraussetzung erst im Rahmen der Begründetheit der Klage zu pr ü - fende Frage der Begehungsgefahr. Entsprechendes gilt auch für den von der Revision ferner erhobenen Einwand, der Klageantrag kennzeichne nicht das Charakteristische der Verletzungsform. 2. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, das Rundschreiben der Beklagten vom Dezember 1996 beinhalte eine gegen § 1 UWG verstoßende Verleitung der Adressaten zu einem standeswidrigen Verhalten, begegnet d a - gegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Regelungen in § 30 Abs. 4 MBO -Ä a.F. einer gefestigten und einheitlich befolgten Stan de s - überzeugung entsprechen, dem Gemeinwohl durch Schutz der Heilungss u - chenden vor nicht hinnehmbaren Beeinflussungen zu dienen, damit in direkter Form die Volksgesundheit betreffen, und deshalb ein Verstoß hiergegen z u - gleich unlauter i.S. des § 1 UWG ist. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, daß die MBO -Ä a.F. - ebenso wie die im Jahr 1997 an ihre Stelle getretene neu gefaßte (Muster -)Be- - 8 - rufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO -Ä 1997, abgedr. in NJW 1997, 3076) - keine Rechtsnormqualit ät besaß (BGH, Urt. v. 29.6.2000 - I ZR 59/98, WRP 2000, 1121, 1124 - Verkürzter Versorgungsweg). Jedoch stimmen die in den Berufsordnungen der einzelnen Ärztekammern enthaltenen berufsrechtlichen Verbote, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Geschäfte oder Anbieter zu verweisen (vgl. etwa Kap. B § 34 Abs. 5 der B e - rufsordnung für die Ärzte Bayerns vom 12.10.1997, Bayerisches Ärzteblatt 1997 Nr. 11 S. 1), inhaltlich mit den insoweit früher in § 30 Abs. 4 MBO -Ä a.F. und mittlerweile in Kap. B § 34 Abs. 5 MBO -Ä 1997 vorgesehenen Regelungen überein (vgl. BGH WRP 2000, 1121, 1124 f. - Verkürzter Versorgungsweg). Allerdings stehen die dortigen Verbote einer Verweisung des Patienten nicht nur, wie das Berufungsgericht gemeint hat, dann nicht entgegen, wenn hierfür unmittelbar auf dem Gebiet der Medizin liegende Vorteile sprechen. Vielmehr können auch andere sachliche Gründe wie etwa die Qualität der Versorgung, die Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten oder schlechte E r - fahrungen mit anderen Anbietern den Arzt zu Verweisungen an bestimmte Le i - stungserbringer berechtigen (vgl. BGH WRP 2000, 1121, 1125 - Verkürzter Versorgungsweg). Ob der Arzt insoweit im übrigen nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Ve r - sorgung seiner Patienten für die Krankenkassen (vgl. insoweit § 12 Abs. 1, § 70 Abs. 1 SGB V sowie BGH WRP 2000, 1121, 1125 - Verkürzter Verso r - gungsweg), sondern auch für die Patienten selbst berücksichtigen darf oder sogar muß, kann hier dahinstehen, weil das von den Instanzgerichten gegen die Beklagte ausgesprochene Verbot jedenfalls aus den nachfolgend darg e - stellten Gründen keinen Bestand hat. - 9 - b) Das Berufungsgericht hat die Unlauterkeit der Verhaltensweise der Beklagten damit begründet, daß sie ihren eigenen Wettbewerb zu Lasten rechtstreuer Mitbewerber durch die Veranlassung Dritter zur Verletzung der diesen obliegenden Standespflichten veranlasse. Dementsprechend komme es nicht darauf an, daß rechtswidrige Handlungen bereits zu verzeichnen gew e - sen seien, sondern es reiche aus, daß solche zu befürchten seien. Das Berufungsgericht ist damit - im rechtlichen Ansatz durchaus zutre f - fend - davon ausgegangen, daß es lauterem Wettbewerbsverhalten nicht en t - spricht, Dritte planmäßig zu Verstößen gegen für diese bindendes Recht au f - zufordern, um sich durch entsprechende Gesetzesverstöße der Angesproch e - nen Vorteile gegenüber solchen Wettbewerbern zu verschaffen, die die Rechtsverbindlichkeit der betreffenden Regelung anerkennen (BGH, Urt. v. 4.10.1990 - I ZR 299/88, GRUR 1991, 540, 542 = WRP 1991, 157, 159 - Ge- bührenausschreibung). Das Berufungsgericht hat einen Verstoß allerdings namentlich deshalb bejaht, weil es, wie bereits vorstehend ausgeführt, zu Unrecht der Auffassung ist, daß die einschlägige berufsrechtliche Bestimmung eine Verweisung des Patienten auch dann nicht zulasse, wenn für die Verweisung zwar sachliche Gründe sprechen, diese aber nicht unmittelbar auf dem Gebiet der Medizin li e - gen. Außerdem hat es nicht hinreichend berücksichtigt, daß Ärzte erfahrung s - gemäß Adressaten vielfacher Werbeschreiben und -maßnahmen sind und d a - her den Umgang mit diesen gewohnt und dementsprechend durch sie nicht leicht zu einem bestimmten oder gar berufsrechtswidrigen Verhalten zu vera n - lassen sind. Letzteres gilt insbesondere für Informationsschreiben, die - wie das im vorliegenden Fall zu beurteilende - keine Aufforderung zu einem b e - - 10 - stimmten Handeln und insbesondere weder das Versprechen noch das Inau s - sichtstellen irgendwelcher Vorteile enthalten. Es bleibt der freien unbeeinflu ß - ten Entscheidung der angesprochenen Ärzte überlassen, ob und in welcher Weise sie im Rahmen ihrer Standespflichten von den Informationen Gebrauch machen. Hinzu kommt, daß in dem beanstandeten Schreiben der Beklagten unter den einzelnen Nummern Angebote für besondere Patientenwünsche enthalten sind, bei denen unter bestimmten Voraussetzungen durchaus sachliche Grü n - de vorliegen können, die dem Arzt eine Verweisung des Patienten an die B e - klagte gestatten. Zu denken ist namentlich an den Fall, daß der Patient dem Arzt gegenüber äußert, er werde angesichts der neuen Kostenregelung eine seinen Bedürfnissen entsprechende Sehhilfe nicht ohne eigene Zuzahlung e r - halten, könne sich eine solche aber nicht leisten. Für den grundsätzlich informativen Charakter des Schreibens spricht schließlich auch der dortige Hinweis an den Arzt, daß für ihn bei noch verbli e - benen Fragen zu dem augenoptischen Angebot der Beklagten die Möglichkeit einer Rücksprache bestehe. - 11 - III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Erdmann Bornkamm Pokrant Büscher Schaffert

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