I ZB 62/98 - I. Zivilsenat
Karar Dilini Çevir:
I ZB 62/98 - I. Zivilsenat
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 62/98 Verkündet am: 19. Oktober 2000 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Rechtsbeschwerdesache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja EASYPRESS MarkenG § 4 8 Abs. 1, § 50 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 54 Abs. 1 Verzichtet der Markeninhaber während eines laufenden Löschungsverfahrens w e - gen Nichtigkeit der Marke auf diese, wird das Löschungsverfahren durch das ex nunc wirkende Erlöschen der Marke nicht in vollem Umfang in der Hauptsache erl e - digt. Dem Antragsteller bleibt es in diesem Fall - sofern ihm ein besonderes Fes t - stellungsinteresse zur Seite steht - unbenommen, die Feststellung der Nichtigkeit der Marke mit Wirkung ex tunc zu beantragen. BGH, Beschl. v. 19. Oktober 2000 - I ZB 62/98 - Bundespatentgericht betreffend die Marke Nr. 2 057 943 - 2 - Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ve r - handlung vom 19. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erd- mann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Schaffert beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des 32. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespaten t - gerichts vom 26. August 1998 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 DM festgesetzt. Gründe: I. In dem von der Antragstellerin gemäß §§ 50, 54 MarkenG ang e - strengten Löschungsverfahren bezüglich der Marke Nr. 2 057 943 "EASYPRESS", die für verschiedene Waren der Klasse 9 eingetragen war, blieb der Löschungsantrag vor dem Deutschen Patentamt ohne Erfolg. Hiergegen legte die Antragstellerin Beschwerde ein, über die am 10. Dezemb er 1997 vor dem Bundespatentgericht mündlich verhandelt wurde. - 3 - Am Ende dieser Verhandlung wurde der Beschluß verkündet, daß eine En t - scheidung an Verkündungs Statt zugestellt werde, jedoch nicht vor dem 23. Dezember 1997. Nachdem die Beteiligten zuvor wegen der Prüfung von Vergleichsmöglichkeiten gebeten hatten, diesen Zeitpunkt noch hinausz u - schieben, stellte die Markeninhaberin ihrerseits am 16. März 1998 Antrag auf Löschung ihrer Marke. Das wurde der Antragstellerin mit dem Bemerken mi t - geteilt, daß sich das Beschwerdeverfahren dadurch erledigt habe. Die Antragstellerin hat beantragt, festzustellen, daß die Wirkungen der Eintragung der deutschen Marke Nr. 2 057 943 EASYPRESS als von Anfang an und bis zum Eingang des Löschungsantrags der Markeninhaberin vom 16. März 1998 nicht eingetreten gelten; hilfsweise hat sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt. Die Markeninhaberin hat beantragt, den Feststellungsantrag zurückz u - weisen. Das Bundespatentgericht hat ausgesprochen, daß die Beschwerde der Antragstellerin gegenstandslos ist (BPatG Mitt. 2000, 361). Mit ihrer hiergegen gerichteten (nicht zugelassenen) Rechtsbeschwerde beantragt die Antragstellerin, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentg e - richt zurückzuverweisen. - 4 - II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, daß dem anhängigen L ö - schungsverfahren durch den Löschungsantrag der Markeninhaberin die Grund- lage entzogen worden sei. Es hat dazu ausgeführt: Folge des materiell-rechtlichen Verzichts der Markeninhaberin sei die unmittelbar eintretende Rechtswirkung des Untergangs der eingetragenen Marke gewesen. Der Löschung der Eintragung der Marke im Register komme nur noch eine deklaratorische Wirkung zu. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, daß die Antragstellerin nach Eingang der Verzichtse r - klärung den Feststellungsantrag gestellt habe. Da dieser Antrag erst nach Schließung der mündlichen Verhandlung und der darauf folgenden Verkü n - dung des Beschlusses, daß eine Entscheidung an Verkündungs Statt zugestellt werden solle, gestellt worden sei, sei über ihn nicht mehr zu entscheiden. Bei aufgrund mündlicher Verhandlung ergehenden Entscheidungen sei den Bete i - ligten nachträglicher weiterer Sachvortrag verwehrt. Gründe für eine Fortsetzung des Verfahrens durch Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung lägen nicht vor. Es sei weder nachträglich ein en t - scheidungserheblicher Verfahrensfehler festgestellt worden, noch fehle es an der vollständigen Erörterung der Sache. Auch in dem Feststellungsantrag se i - en keine Umstände zu erkennen, die eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung rechtfertigten. Mit ihm sei keine wesentliche neue Tatsache vo r - getragen; er stelle vielmehr lediglich ein anderes rechtliches Begehren dar als der ursprünglich auf Löschung der Marke gerichtete Beschwerdeantrag. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, um einer Partei Gelegenheit zu geben, neue Ansprüche zu erheben, komme nicht in Betracht. - 5 - III. Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des ang e - fochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweit i - gen Verhandlung und Entscheidung. 1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist auch o h - ne Zulassung durch das Bundespatentgericht im Streitfall statthaft. Hierfür g e - nügt es, daß ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwe r - de eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird; darauf, ob die erhobenen Rügen durchgreifen, kommt es für die Frage der Statthaftigkeit nicht an (BGH, Beschl. v. 3.12.1998 - I ZB 1 4/98, GRUR 1999, 500, 501 = WRP 1999, 435 - DILZEM; v. 14.10.1999 - I ZB 15/97, GRUR 2000, 512, 513 = WRP 2000, 542 - COM- PUTER ASSOCIATES, jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall, weil die Antra g - stellerin mit näherer Begründung beanstandet, daß ihr das rechtliche Gehör versagt worden (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) und daß der angefochtene B e - schluß nicht mit Gründen versehen sei (§ 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG). 2. Die Rechtsbeschwerde ist in der Sache begründet, weil der geltend gemachte Verfahrensmangel der Versagung des rechtlichen Gehörs vorliegt und die angefochtene Entscheidung auch darauf beruht. a) Die Vorschrift des Art. 103 Abs. 1 GG, die in § 78 Abs. 2 MarkenG für das Beschwerdeverfahren in Markensachen eine konkrete Ausgestaltung e r - fahren hat, gewährt den an einem gerichtlichen Verfahren formell oder materiell Beteiligten das Recht, sich zu den der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen und zur Rechtslage zu äußern. Das rechtliche Gehör vor Gericht umfaßt mithin nicht nur Stellungnahmen zum Sachverhalt, sondern auch Rechtsausführungen sowie das Recht, Anträge zu stellen (vgl. BGH - 6 - GRUR 2000, 512, 513 - COMPUTER ASSOCIATES). Dabei ist das rechtliche Gehör grundsätzlich in der Weise zu gewähren, die für das in Betracht ko m - mende Verfahren vorgeschrieben ist (vgl. BGHZ 13, 265, 270). Im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentg e - richt ist zwar, wie sich aus § 69 MarkenG entnehmen läßt, eine mündliche Ve r - handlung nicht obligatorisch vorgeschrieben. Ist eine mündliche Verhandlung aber - wie im Streitfall wegen Sachdienlichkeit (§ 69 Nr. 3 MarkenG) - vom Bundespatentgericht angeordnet worden, so ist nach Abschluß der mündlichen Verhandlung aufgrund der in dieser erörterten Sach- und Rechtslage zu en t - scheiden. Diese Entscheidung darf, wie § 78 Abs. 2 MarkenG ausdrücklich vorschreibt, nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu d e - nen die Beteiligten sich äußern konnten. Die Endentscheidung kann anstelle der Verkündung auch, wie es im Streitfall vorgesehen worden war, zugestellt werden (§ 79 Abs. 1 Satz 3 MarkenG). Eine derartige Endentscheidung aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 1997 ist jedoch - entgegen dem im Anschluß an die mündl i - che Verhandlung verkündeten Beschluß - nicht ergangen. Das Bundespatentgericht hat vielmehr in einer neuen - nicht auf den E r - gebnissen der mündlichen Verhandlung beruhenden - Sitzung im schriftlichen Verfahren durch den angefochtenen Beschluß entschieden. Es hat dabei den Löschungsantrag der Markeninhaberin vom 16. März 1998 berücksichtigt, sich aber gehindert gesehen, über den daraufhin geänderten Antrag der Antra g - stellerin zu befinden. Damit hat es den Anspruch der Antragstellerin auf rechtl i - ches Gehör im Sinne der Konkretisierung in § 78 Abs. 2 MarkenG verletzt, weil es eine Tatsache seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (Untergang der - 7 - Marke durch den im Löschungsantrag der Markeninhaberin liegenden mater i - ell-rechtlichen Verzicht), zu der sich die Antragstellerin tatsächlich geäußert hatte - sie hatte in ihrem Schriftsatz vom 7. April 1998 im Hinblick auf die neue Ta t - sache einen anderen Antrag (Feststellungsantrag) gestellt und hierzu mit ei n - gehenden Rechtsausführungen vorgetragen -, indem es diesen Antrag und den zugehörigen Sachvortrag, wie es im angefochtenen Beschluß ausdrücklich ausgeführt hat - und was einer überhaupt fehlenden Äußerungsmöglichkeit gleich zu erachten ist -, rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen hat. Das Bundespatentgericht war, nachdem es mündlich verhandelt hatte, gehalten, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten (§ 76 Abs. 6 Satz 2 MarkenG), wenn es die nach Abschluß der mündlichen Verhandlung eingetretene Tatsache des Erlöschens der Marke durch den im Löschungsa n - trag liegenden Verzicht der Markeninhaberin auf ihre Marke berücksichtigen wollte (Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl., § 69 Rdn. 16; I n - gerl/Rohnke, Markengesetz, § 69 Rdn. 6; vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.1973 - X ZB 15/72, GRUR 1974, 294, 295 - Richterwechsel II, zu § 41h Abs. 3 PatG 1968, jetzt § 93 Abs. 3 PatG). Im schriftlichen Verfahren hätte es die in Rede stehende Tatsache nur berücksichtigen dürfen, wenn es - was im Streitfall nicht geschehen ist - im Einverständnis der Parteien wieder in das schriftliche Verfahren übergegangen wäre (Althammer/Ströbele aaO § 69 Rdn. 16; Ingerl/Rohnke aaO § 69 Rdn. 6). b) Die angefochtene Entscheidung beruht auch auf der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (BGH, Beschl. v. 30.1.1997 - I ZB 3/95, GRUR 1997, 637, 638 f. = WRP 1997, 762 - Top Selection). Zwar hat das - 8 - Bundespatentgericht in einer Hilfserwägung zum Ausdruck gebracht, daß B e - denken gegen die Zulässigkeit des von der Antragstellerin gestellten Hilfsa n - trags bestünden. Dieser Auffassung kann jedoch nicht beigetreten werden. Allerdings ist, wie das Bundespatentgericht zutreffend ausgeführt hat, infolge des von der Antragsgegnerin ausgesprochenen Verzichts auf ihre Ma r - ke diese unmittelbar erloschen, ohne daß es hierfür noch einer Vollziehung im Register bedurfte (vgl. Begr. z. Reg.Entw. BT-Drucks. 12/6581, S. 96 = BlPMZ 1994, Sonderheft S. 88). Damit war jedoch - anders als es das Bundespatentgericht gesehen hat - dem Löschungsverfahren nicht von vornherein in vollem Umfang die Grundlage entzogen. Der ausgesprochene Verzicht hat zum Erlöschen des Rechts ex nunc geführt. Die von der Antragstellerin mit ihrem Löschungsantrag gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG angestrebte Löschung wegen Nichtigkeit sollte d a - gegen gemäß § 52 Abs. 2 MarkenG dazu führen, daß die Wirkungen der Ei n - tragung der Marke im Umfang der Löschung als von Anfang an nicht eingetr e - ten gelten. Bei seiner Annahme, das Löschungsverfahren gemäß § 54 Abs. 1, § 50 Abs. 1 MarkenG habe ausschließlich den Zweck der Löschung, der auch bei einem Verzicht, also der Vernichtung des Rechts ex nunc, erreicht sei, hat das Bundespatentgericht unbeachtet gelassen, daß die Anordnung der L ö - schung wegen Nichtigkeit nicht nur - wie es gemeint hat - inzidenter zur Fes t - stellung der Nichtigkeit im Zeitpunkt der Eintragung führt, sondern daß kraft ausdrücklicher Bestimmung die gesetzlichen Wirkungen der Eintragung ex tunc als nicht eingetreten gelten (§ 52 Abs. 2 MarkenG). Hieraus ergibt sich zugleich, daß das markenrechtliche Löschungsve r - fahren in einem derartigen Fall - ebenso wie ein Patentnichtigkeits- oder Ei n - - 9 - spruchsverfahren oder ein Gebrauchsmusterlöschungsverfahren (vgl. hierzu: Benkard/Rogge, Patentgesetz, 9. Aufl., § 81 Rdn. 29, § 15 GebrMG Rdn. 4; Bühring, Gebrauchsmustergesetz, 5. Aufl., § 15 Rdn. 32 ff; Schulte, Patentg e - setz, 5. Aufl., § 59 Rdn. 18) nach Erlöschen des in Frage stehenden Schut z - rechts - nicht ohne weiteres als in der Hauptsache erledigt angesehen werden kann. Bei einem derartigen Verfahrensstand ist vielmehr zu prüfen, ob der L ö - schungsantragsteller ein besonderes Rechtsschutzinteresse an der Festste l - lung der Nichtigkeit ex tunc hat - wie es im Streitfall die Antragstellerin geltend gemacht hat. Ist das der Fall, was das Bundespatentgericht im neu eröffneten Beschwerdeverfahren zu prüfen haben wird, ist die begehrte Feststellung nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen zu treffen. IV. Danach war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen. Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck Bornkamm Schaffert

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