IX ZR 227/99 - IX. Zivilsenat
Karar Dilini Çevir:
IX ZR 227/99 - IX. Zivilsenat
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 227/99 Verkündet am: 26. Oktober 2000 Bürk Justizhauptsektretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein KO §§ 17, 26 a) Hat der spätere Gemeinschuldner seinem Vertragspartner als Gegenleistung für eine längerdauernde Bezugsverpflichtung vorab eine Geldleistung e r - bracht, die durch die vom andern Teil geschuldete Abnahme und Kaufprei s - zahlung im Laufe der Zeit als ratenweise getilgt angesehen werden sollte, so kann der Konkursverwalter, der nicht die Erfüllung des Vertrages verlangt, den bei Konkurseröffnung noch nicht abgegoltenen Teil zurückverlangen; der durch die vorzeitige Fälligkeit entstandene Vorteil ist jedoch durch A b - zinsung auszugleichen. b) Beruft sich der andere Teil auf einen durch die vorzeitige Vertragsbeend i - gung entstandenen Schaden, so sind Rückzahlungs- und Schadensersat z - ansprüche miteinander zu verrechnen. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2000 - IX ZR 227/99 - OLG Frankfurt LG Darmstadt - 2 - Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ve r - handlung vom 26. Oktober 2000 durch die Richter Dr. Kreft, Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Ganter und Raebel für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Februar 1999 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht z u - rückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter in dem am 16. August 1996 eröffneten A n - schlußkonkurs über das Vermögen der M. GmbH (nachfolgend: Gemei n - schuldnerin). Diese hatte mit der Beklagten am 7. Juni 1993 eine als "Darl e - hens- und Belieferungsvertrag" bezeichnete Vereinbarung geschlossen. Darin verpflichtete sich die Gemeinschuldnerin, der Beklagten eine als unverzinsl i - ches Darlehen bezeichnete Geldleistung von 300.000 DM zu gewähren, die anschließend auch ausbezahlt wurde. Dafür hatte die Beklagte auf die Dauer von zehn Jahren die in dem Vertrag näher bezeichneten Getränke bei der G e - meinschuldnerin zu beziehen. In Höhe von 200.000 DM w ar das Darlehen in monatlichen Raten von 3.333 DM zurückzuführen. Der weitere Betrag von 100.000 DM sollte dagegen von der Gemeinschuldnerin "während der Ve r - - 3 - tragsdauer in jährlichen Raten von 10.000 DM jeweils am Ende eines Kale n - derjahres intern getilgt" werden. Der Kläger hat die Erfüllung des Vertrages vom 7. Juni 1993 abgelehnt und von der Beklagten Zahlung des Restsaldos von 66.660 DM aus dem r a - tenweise zurückzuzahlenden Darlehen sowie eines Betrages von 70.000 DM aus der zeitanteilig abzuschreibenden Leistung von 100.000 DM verlangt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte hat dieses Urteil, soweit sie zur Zahlung von 70.000 DM verurteilt wurde, mit der Berufung angegriffen und in diesem Umfang zugleich hilfsweise die Aufrechnung mit einem Sch a - densersatzanspruch in gleicher Höhe erklärt. Das Berufungsgericht hat die Klage in Höhe dieses Teilbetrages wegen der Aufrechnung abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Entscheidungsgründe: Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht. - 4 - I. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Gründe der ersti n - stanz lichen Entscheidung einen Anspruch des Klägers in Höhe von 70.000 DM bestätigt, jedoch die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung aus folge n - den Gründen durchgreifen lassen: Da sich der Kläger entschlossen habe, den noch bis zum 31. August 2003 laufenden Belieferungsvertrag nicht zu erfüllen, habe er der Beklagten die Möglichkeit genommen, durch Bezug von Getränken bei der Gemei n - schuldnerin den noch offenstehenden Betrag von 70.000 DM aus dem Ve r - rechnungsdarlehen vereinbarungsgemäß abzutragen. Dies begründe in en t - sprechender Höhe einen Schadensersatzanspruch der Beklagten. § 55 KO stehe der Aufrechnung nicht entgegen, weil der Anspruch schon vor Konkur s - eröffnung als durch die Ablehnung der Erfüllung bedingt entstanden sei. Die Geltendmachung der Aufrechnung enthalte inzident die Behauptung, die Beklagte habe infolge der Vertragsbeendigung keine Vorteile durch günst i - geren Einkauf auf dem nun für sie erreichbaren freien Markt erzielen können. Das gegenteilige, schriftsätzlich erstmals einen Tag vor der letzten mündlichen Verhandlung in den Rechtsstreit eingeführte Vorbringen des Klägers werde gemäß § 528 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen. - 5 - II. Diese Erwägungen halten in einem wesentlichen Punkt der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 1. Das Berufungsgericht ist im Ansatz zu Recht davon a usgegangen, daß der Masse infolge der Konkurseröffnung ein Anspruch auf teilweise Rüc k - erstattung des zeitanteilig abzuschreibenden "Darlehens" von 100.000 DM g e - gen die Beklagte zusteht. a) Diese Zuwendung ist Teil eines auf die Dauer von zehn Jahren g e - schlossenen Getränkebezugsvertrages zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten. Dieser Vertrag ist wirksam. Er ist nicht nach § 138 Abs. 1 BGB zu beanstanden und verstößt auch nicht gegen Art. 85 Abs. 1 EWGV (nunmehr Art. 81 Abs. 1 EG in der Fassung vo m 2. Oktober 1997). Nach dem Urteil des EuGH vom 28. Februar 1991 (EuZW 1991, 376) ist ein Bierlieferungsvertrag, der für einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren g e - schlossen wird und eine Bezugspflicht auch für andere Getränke als Bier en t - hält (dazu Art. 8 Abs. 1 Buchst. c und d EWG-VO Nr. 1984/83 v. 22. Juni 1983) nach Art. 85 Abs. 1 EWGV verboten, wenn zum einen der nationale Markt für den Absatz von Bier in Gaststätten für Mitbewerber schwer zugänglich ist und zum anderen der streitige Vertrag oder die Verträge der betreffenden Brauerei in erheblichem Maße zu der Marktabschottungswirkung des Bündels gleichart i - ger Verträge beitragen. Insoweit haben die Parteien keine Tatsachen vorgetr a - gen, die geeignet sind, diese Voraussetzungen zu erfüllen. Daher ist von der Gültigkeit der am 7. Juni 1993 getroffenen Vereinbarung auszugehen (vgl. BGHZ 53, 304, 308 f; BGH, Urt. v. 8. April 1992 - VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145). - 6 - b) Das Berufungsgericht hat übereinstimmend mit dem Landgericht den Getränkebezugsvertrag in dem Sinne ausgelegt, daß es sich bei dem intern zu tilgenden Betrag von 100.000 DM um eine darlehensähnliche Zuwendung g e - handelt habe, die abhängig von der Laufzeit des Vertrages sukzessiv mit 10.000 DM jährlich durch den Bierbezug habe abgeschrieben werden sollen, so daß bei Konkurseröffnung nach dreijähriger Laufzeit ein Rückgewähra n - spruch erst in Höhe von 30.000 DM erloschen sei. Die Tatrichter haben ihre Auffassung begründet mit der Verpflichtung der Beklagten, eine Bürgschaft in Höhe von 300.000 DM zu stellen, der im Vertrag zur vorzeitigen Kündigung des Darlehens enthaltenen Regelung sowie dem Ergebnis der Aussage des ersti n - stanzlich vernommenen Zeugen. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Ob die Zahlung der Gemeinschuldnerin richtigerweise als Darlehen oder als sog e - nannter verlorener Zuschuß für zehnjährigen Getränkebezug rechtlich einz u - ordnen ist, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. In jedem Fall hatte die Gemeinschuldnerin bei Konkurseröffnung an die Beklagte eine ve r - traglich vereinbarte Zuwendung in Höhe von 70.000 DM entrichtet, der bis d a - hin keine Gegenleistung der Empfängerin gegenüberstand. c) Kündigt der Getränkelieferant den Bezugsvertrag zu Recht vorzeitig, so kann er, wenn er mit dem Gastwirt eine Vereinbarung wie im Streitfall g e - troffen hat, Rückzahlung des Geldbetrages verlangen, der nicht durch den Kauf von Getränken abgegolten wurde (Paulusch, Höchstrichterliche Rechtspr e - chung zum Brauerei- und Gaststättenrecht 9. Aufl. Rdnr. 180; LG Berlin NJW- RR 1990, 820; LG Tübingen NJW-RR 1992, 112, 113). In den bisher entschi e - denen Fällen war der Vertrag allerdings vom Getränkelieferanten wegen einer vom Bezieher zu vertretenden Vertragsverletzung wirksam gekündigt worden. Im Streitfall beruht die vorzeitige Vertragsbeendigung dagegen auf der Vo r - schrift des § 17 KO, die zur Anwendung gelangt, weil die Darlehens- und G e - tränkelieferungsvereinbarung vom 7. Juni 1993 als gegenseitiger Vertrag von - 7 - beiden Seiten im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht vollständig erfüllt war. Die Beklagte war ihrer Bezugsverpflichtung, die Gemeinschuldnerin ihrer entsprechenden Belieferungspflicht erst teilweise nachgekommen. In diesem Falle kann die Masse Rückgewähr einer Leistung verlangen, für die dem G e - meinschuldner der vertraglich vereinbarte Ausgleich nicht zugeflossen ist. Infolge der Konkurseröffnung und der vom Kläger erklärten Erfüllung s - ablehnung verlor das Recht der Beklagten auf Belieferung mit Getränken seine Durchsetzbarkeit. Damit entfiel zugleich die Grundlage für die Tilgungsabrede. Dem Kläger steht infolgedessen ein Anspruch auf Rückzahlung des nicht durch Bierbezug abgeschriebenen Betrages zu. Dabei ist jedoch zu beachten, daß die Gemeinschuldnerin, wäre der Vertrag entsprechend der vereinbarten R e - gelung fortgesetzt worden, erst nach und nach im Laufe von sieben Jahren durch die Bezugsverpflichtung und den für die Getränke geschuldeten Kau f - preis die ihre Geldzahlung ausgleichenden Leistungen hätte beanspruchen können. Wird ein Dauerschuldverhältnis vorzeitig beendet und entsteht info l - gedessen ein sofort durchsetzbarer Anspruch auf Leistung einer Gesamtza h - lung, der bei vereinbarungsgemäßer Vertragsdurchführung erst im Laufe der Zeit ratenweise fällig geworden wäre, so darf dem Berechtigen daraus im E r - gebnis kein Vorteil erwachsen. Wer sein zur Verfügung gestelltes Kapital vo r - zeitig zurückerhält, verbucht dadurch einen Zinsgewinn, der durch Abzinsung ausgeglichen werden muß (vgl. BGHZ 67, 312, 319; 82, 121, 132; 95, 39, 55 f; 117, 70, 80; BGH, Urt. v. 8. März 1995 - VIII ZR 313/93, NJW 1995, 1541, 1543). Diese von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hauptsächlich an Leasingverträgen entwickelte Rechtsfolge greift hier ein; denn die Interesse n - lage von Vertragspartnern, die eine geldliche Vorauszahlung vereinbart haben, welche durch die Vorteile eines Dauerlieferungsrechts im Laufe der Zeit au s - geglichen werden sollte, ist nicht anders zu beurteilen. - 8 - 2. Der Vertragsgegner kann dem jedoch, soweit er einen - von ihm zu beweisenden - Schaden erlitten hat, einen Ersatzanspruch wegen Nichterf ü l - lung gemäß § 26 KO entgegensetzen. Dies hat die Beklagte innerhalb des Konkursverfahrens durch die Erklärung getan, sie rechne mit Schadensersat z - ansprüchen auf. Die gegenseitigen Ansprüche, die sich daraus ergeben, daß die Durchführung des Vertrages endet, sind in einem solchen Fall miteinander zu verrechnen, so daß nur derjenigen Seite ein Restanspruch zusteht, zu deren Gunsten ein Überschuß verbleibt (vgl. BGHZ 68, 379, 381 f.). Ist dies der Ve r - tragsgegner des Gemeinschuldners, hat er lediglich eine Konkursforderung (§ 26 KO). Umgekehrt vermindert sich die Forderung des Verwalters um den Schadenersatzanspruch des Konkursgläubigers. Das auf diese Weise erzielte Ergebnis berücksichtigt sowohl die Interessen der Gläubigergesamtheit als auch die berechtigten Belange des durch die Konkurseröffnung geschädigten Vertragspartners angemessen und entspricht damit dem Verständnis von Normzweck und Wirkung des § 17 KO in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGHZ 106, 236; 116, 156; 129, 336; 135, 25). 3. Das Berufungsgericht hat jedoch in rechtlich nicht haltbarer Weise einen Schadensersatzanspruch der Beklagten bejaht. Wer Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt, muß vortragen, wie sich sein Vermögen bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung entwickelt hätte, und dem die tatsächliche Vermögenslage gegenüberstellen. Das Herausgreifen einzelner Positionen ergibt keine schlüssige Darstellung; erforderlich ist vie l - mehr ein Gesamtvermögensvergleich (BGHZ 99, 182, 196 f; BGH, Urt. v. 24. September 1999 - V ZR 71/99, WM 1999, 2510, 2511). Diesen Anforderu n - gen genügt das bisherige Vorbringen der Beklagten nicht. Diese hat lediglich geltend gemacht, sie hätte bei Fortsetzung des Vertrages mit der Gemei n - schuldnerin bis zum Jahre 2003 durch Erfüllung ihrer Vertragsverpflichtungen den Gesamtbetrag von 100.000 DM tilgen können, ohne insoweit eine Zahlung - 9 - zu leisten. Der Nachteil, der für die Beklagte darin liegt, daß sie den von der Gemeinschuldnerin geforderten Betrag sofort zurückzuzahlen hat, statt die Nutzung des Kapitals durch Kauf von Getränken im Laufe von sieben Jahren zu vergüten, ist indessen bereits durch die aus Rechtsgründen gebotene A b - zinsung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs ausgeglichen. Das B e - rufungsgericht hat zudem nicht beachtet, daß die Beklagte infolge der vorzeit i - gen Beendigung des Vertrages von ihrer Abnahmeverpflichtung frei geworden ist und nunmehr die Möglichkeit hat, eine Bindung an einen anderen Getränk e - lieferanten einzugehen und im Zusammenhang damit eventuell eine entspr e - chende Geldleistung zu erhalten, wie sie die Gemeinschuldnerin gewährt hat, oder auf dem freien Markt für sie wirtschaftlich günstigere Verträge abzuschli e - ßen. Die Beklagte hat sich zu dieser Frage nicht geäußert. Ohne eine umfa s - sende Darstellung der rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen, die sich für sie aus der vorzeitigen Vertragsbeendigung ergeben haben, läßt sich nicht erke n - nen, ob ihr durch die Nichterfüllung des Vertrages vom 7. Juni 1993 ein Sch a - den entstanden ist. Schon deswegen war es rechtlich nicht haltbar, das Vo r - bringen des Klägers zu diesem Thema als verspätet zurückzuweisen. III. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird den Parteien Gelegenheit geben müssen, sich zur Frage der Abzinsung des Rückgewähranspruchs zu äußern, und hat den sachgerechten Abzi n - sungssatz gemäß den Umständen des Einzelfalles zu ermitteln (vgl. BGHZ 95, 39, 56). Die Beklagte hat zudem die Möglichkeit, zu einem ihr entstandenen Schaden ergänzend vorzutragen. Daß der Schaden mit dem klägerischen A n - spruch zu verrechnen ist, ändert an der ihr insoweit obliegenden Darlegungs- und Beweislast nichts. - 10 - Kreft Kirchhof Fischer Ganter Raebel

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