II ZR 194/98 - II. Zivilsenat
Karar Dilini Çevir:
II ZR 194/98 - II. Zivilsenat
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNIS-URTEIL II ZR 194/98 Verkündet am: 3. April 2000 Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: nein BGB §§ 133 B, 157 B; ZPO § 539 Zur Frage a) der interessengerechten Auslegung eines Individualvertrages, b) eines wesentlichen Verfahrensmangels. - 2 - BGH, Urteil vom 3. April 2000 - II ZR 194/98 - Saarländisches OLG LG Saarbrücken - 3 - Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 20. November 1997 im Kostenpunkt und in Nr. 1 b, 1 c und 1 d sowie Nr. 2 des Tenors aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil des Landg e - richts in Saarbrücken vom 17. Februar 1997 wird auch insoweit zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Beklagte, Eigentümer des Grundstücks I. ring 1 in B. , führte unter verschiedenen Firmen eine Aluminiumgießerei. Am 15. Juli 1991 schloß er mit der Klägerin eine Vereinbarung, mit der diese sich verpflichtete, die ausdrücklich so bezeichnete "A. & Co." zu - 4 - gründen und anzumelden. Festgelegt wurde, daß "eine persönliche Haftung" der Klägerin für alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten ausg e - schlossen war und die Geschäftsführung bei dem Beklagten "in Zusammena r - beit und Abstimmung mit Herrn L. C. als Vertreter der S. E. C. " liegen sollte. Die Klägerin sollte ein monatliches Entgelt von 2.000, - - DM brutto erhalten. Die Klägerin macht geltend, es seien Verbindlichkeiten in Höhe von 123.919,36 DM und "Treuhandgebühren" in Höhe von 21.817, - - DM entsta n - den. Das Landgericht hat zunächst ein Versäumnisurteil erlassen, es auf den Einspruch des Beklagten aber aufgehoben und durch "Grundurteil" erkannt, daß der Beklagte verpflichtet sei, die Klägerin von allen Verbindlichkeiten, die durch die Geschäftstätigkeit der A. & Co. b e - gründet wurden, freizustellen (Tenor 2), ferner festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin die weiteren, aufgrund der bestehenden Verbin d - lichkeiten anfallenden Kosten zu erstatten (Tenor 3), und den Beklagten a u - ßerdem verpflichtet, der Klägerin ein monatliches Entgelt für die Zusammena r - beit zu zahlen (Tenor 4). Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlande s - gericht dieses Urteil abgeändert, es als "Grund- und Teilurteil" bezeichnet (T e - nor 1 a), es in Nr. 2 des Tenors dahingehend abgeändert, daß die Klage hi n - sichtlich der in der mit dem Versäumnisurteil fest verbundenen Anlage g e - nannten Verbindlichkeiten dem Grunde nach gerechtfertigt ist, soweit diese durch die Geschäftstätigkeit der A. & Co. und mit Zustimmung des Beklagten begründet wurden (Tenor 1 b), Nr. 3 des T e - nors dahingehend abgeändert, daß festgestellt wird, daß der Beklagte ve r - pflichtet ist, der Klägerin bei den unter Nr. 1 b des Tenors genannten Verbin d - lichkeiten auch die zukünftig anfallenden Kosten zu erstatten (Tenor 1 c), Nr. 4 des Tenors einschließlich des ihm insoweit zugrundeliegenden Verfahrens - 5 - aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entsche i - dung an das Landgericht zurückverwiesen (Tenor 1 d). Im übrigen hat es die Berufung des Beklagten zurückverwiesen. Mit der Revision beantragt die Kl ä - gerin, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es in Nr. 1 b des Tenors die Klage nur insoweit für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt als die Verbin d - lichkeiten mit Zustimmung des Beklagten begründet wurden, soweit es in Nr. 1 c des Tenors den Feststellungsausspruch in gleicher Weise beschränkt und soweit es in Nr. 1 d des Tenors ein kassotorisches Urteil erlassen hat. Entscheidungsgründe: A. Da der Beklagte im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger B e - kanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision der Klägerin durch Ve r - säumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 82). B. Die zulässige Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufung s - urteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. I. Das Berufungsgericht beschränkt in Nr. 1 b und 1 c seines Urtei l - stenors die Haftung des Beklagten auf Verbindlichkeiten, die mit dessen Z u - stimmung begründet wurden. Dies ergebe die Auslegung der Vereinbarung vom 15. Juli 1991. Schon der Wortlaut dieser Vereinbarung lege nahe, daß die Vereinbarung für ausschließlich durch die Klägerin oder durch C. als deren - 6 - Vertreter begründete Verbindlichkeiten keine Geltung beanspruche. Hierfür spreche auch Sinn und Zweck der Abrede. Die Klägerin habe des Schutzes weder vor sich noch vor dem Zeugen C. , der "als Vertreter der S. E. C. " erkennbar ihr Vertrauen genossen habe, bedurft. Umgekehrt gebe es keine Anhaltspunkte dafür, daß und warum sich der Beklagte ve r - pflichtet haben sollte, die Klägerin von allen, auch ohne sein Wissen begrü n - deten Verbindlichkeiten freizustellen und ihr und dem Zeugen C. damit g e - stattet haben sollte, ohne jedes wirtschaftliche Risiko frei "zu schalten und zu walten". Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. 1. Zutreffend weist die Revision darauf hin, der Beklagte habe nicht su b - stantiiert behauptet, daß der Vater der Klägerin als ihr Vertreter Geschäftsfü h - rungsmaßnahmen für das Unternehmen der Klägerin vorgenommen habe, die zu den streitgegenständlichen Verbindlichkeiten der Klägerin geführt hätten. Soweit der Vater der Klägerin Verbindlichkeiten zu Lasten der Klägerin b e - gründet hat, die in keiner Beziehung zu dem von ihr als Strohfrau geführten Betrieb standen, wären diese von dem Grundurteil des Landgerichts ohnehin nicht erfaßt. 2. Unterstellt man einen substantiierten Vortrag des Beklagten, würde für die von dem Berufungsgericht vorgenommene Einschränkung des Grundurteils trotzdem kein Anlaß bestehen. a) Die Auslegung eines Individualvertrages wie der Vereinbarung vom 15. Juli 1991 ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters; das Revisionsg e - richt prüft nur nach, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsr e - geln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Au s - legungsstoff außer acht gelassen wurde (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 6. Mai - 7 - 1997 - KZR 43/95, WM 1998, 879, 882; v. 23. April 1998 - III ZR 7/97, WM 1998, 1493, 1494). b) Diese Prüfung ergibt, daß die Auslegung des Oberlandesgerichts ke i - nen Bestand haben kann. aa) Nach der Vereinbarung vom 15. Juli 1 991 haben die Parteien ve r - einbart, der Vater der Klägerin werde zur Unterstützung des Beklagten in der Geschäftsführung mitwirken. Die Parteien sind also davon ausgegangen, der Vater der Klägerin könne zur Unterstützung des Beklagten als Vertreter G e - schäftsführungsmaßnahmen treffen. Trotzdem hat der Beklagte mit der Kläg e - rin vereinbart, daß sie keinerlei persönliche Haftung aus der Unternehmen s - gründung und -fortführung treffen sollte, sondern er im Innenverhältnis allein hafte, ohne daß nach dem für den Betrieb Handelnden differenziert wird. Damit hat das Berufungsgericht den Grundsatz verletzt, daß in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende obje k - tiv erklärte Parteiwillen zu berücksichtigen ist (vgl. etwa BGH, Urt. v. 27. November 1997 - IX ZR 141/96, NJW 1998, 900, 901 m.w.N.). bb) Die von dem Landgericht vorgenommene Auslegung der Vereinb a - rung vom 15. Juli 1991 entspricht - im Gegensatz zu der von dem Berufungsg e - richt getroffenen Auslegung - auch dem Grundsatz der beiderseits interesse n - gerechten Auslegung (vgl. BGHZ 137, 69, 72; Sen.Urt. v. 26. Januar 1998 - II ZR 243/96, WM 1998, 714, 715; v. 16. März 1998 - II ZR 323/96, WM 1998, 1131, 1132). Aus der in dem Vertrag enthaltenen Vergütungsregelung sowie aus der Bestimmung, die Geschäftsführung verbleibe wie bisher bei dem Beklagten, folgt, daß der Vater der Klägerin im Interesse des Beklagten bei der Fortfü h - - 8 - rung des Betriebes durch die Klägerin tätig werden sollte. Deshalb entsprach es auch dem wohlverstandenen Interesse des Beklagten - und nicht nur dem der Klägerin -, daß der Beklagte die Klägerin von Verbindlichkeiten freizuste l - len hatte, die der Vater der Klägerin für die Einzelfirma in Zusammenarbeit mit dem Beklagten begründet hat. Soweit der Beklagte durch Maßnahmen des Vaters der Klägerin einen Schaden erlitten haben will, muß er sich an diesen halten. Soweit das Berufungsgericht auf von der Klägerin selber begründete Verbindlichkeiten abstellt, übersieht es, daß es unstreitig ist, daß die Klägerin in keiner Weise für das Unternehmen tätig geworden ist. c) Da keine weiteren Tatsachenfeststellungen zu treffen sind, kann der erkennende Senat die Vereinbarung vom 15. Juli 1991 selber auslegen und das landgerichtliche Urteil wiederherstellen. II. Mit Erfolg rügt die Revision weiterhin, daß das Berufungsgericht das Grundurteil des Landgerichts hinsichtlich des geltend gemachten Gehaltsa n - spruchs aufgehoben und die Sache gemäß § 539 ZPO an das Landgericht z u - rückverwiesen hat. 1. Die Vorschrift des § 539 ZPO, die e ine Ausnahme von der Verpflic h - tung zu der dem Berufungsgericht in § 537 ZPO aufgegebenen erneuten vol l - ständigen Verhandlung und Entscheidung der Sache enthält, ist eng auszul e - gen. Deshalb ist anhand eines strengen Maßstabes zu prüfen, ob ein Verfa h - rensmangel vorliegt, bevor die Sache zurückverwiesen wird (vgl. etwa BGH, Urt. v. 10. Dezember 1996 - VI ZR 314/95, NJW 1997, 1447 m.w.N.). Beurteilt das Berufungsgericht Parteivorbringen materiell-rechtlich anders als das Ers t - gericht, etwa indem es abweichende Anforderungen an die Schlüssigkeit und Substantiierungslast stellt, und wird infolgedessen eine Beweisaufnahme erfo r - derlich, liegt kein zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der S a - - 9 - che berechtigender wesentlicher Verfahrensfehler vor (Sen.Urt. v. 7. Juni 1993 - II ZR 141/92, NJW 1993, 2318, 2319; BGH, Urt. v. 10. Dezember 1996 - VI ZR 314/95, NJW 1997, 1447 f. m.w.N.). 2. Danach liegt kein Verfahrensfehler vor. Das Berufungsgericht beurteilt allein die Wahrscheinlichkeit des Parteivortrags des Beklagten anders als das Landgericht und meint deshalb, der Beklagte habe als Partei vernommen we r - den müssen. 3. Der Senat kann auch hier in der Sache selber entscheiden und das landgerichtliche Urteil wiederherstellen. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Urt. v. 31. Januar 1996 - VIII ZR 324/94, WM 1996, 882, 823) kann dem Revisionsg e - richt schon aus Gründen der Prozeßökonomie eine eigene Sachentscheidung nicht verwehrt sein, wenn die im Rahmen des § 539 ZPO anzustellende Pr ü - fung ergibt, daß die materiell-rechtliche Untersuchung der Beziehungen der Parteien zu einem endgültigen und abschließenden Ergebnis führt. b) So liegt der Fall hier. Die Voraussetzungen für eine Parteiverne h - mung des Beklagten von Amts wegen nach § 448 ZPO sind nicht gegeben. Auch das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Gehaltsabsprache zw i - schen den Parteien ernst gemeint war. Dies ergibt sich schon im Gegenschluß zu der Vereinbarung eines Pachtzinses, die ausdrücklich als lediglich "pro fo r - ma" erfolgt bezeichnet wird. Damit oblag dem Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Gehaltsforderungen der Klägerin. Hierzu hat der Beklagte substantiiert nichts vorgetragen. Soweit er darlegt, er habe dem Vater der Klägerin immer wieder in die neuen Bundesländer Bargeld bringen müssen, - 10 - der Vater der Klägerin habe sich "weidlich bedient", besagt dies über die E r - füllung der Gehaltsforderungen der Klägerin nichts. Röhricht Hesselberger Goette Kurzwelly Kraemer

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