E-7845/2007 - Abteilung V - Asylwiderruf - Asylwiderruf
Karar Dilini Çevir:
E-7845/2007 - Abteilung V - Asylwiderruf - Asylwiderruf
Abtei lung V
E-7845/2007
{T 0/2}
U r t e i l v o m 2 0 . A p r i l 2 0 1 0
Richterin Regula Schenker Senn (Vorsitz),
Richter Gérard Scherrer, Richter Bruno Huber,
Gerichtsschreiber Rudolf Raemy.
A._______,
Irak,
vertreten durch Peter Frei, Rechtsanwalt,
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Asylwiderruf; Verfügung des BFM vom 19. Oktober 2007 /
N (...).
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
E-7845/2007
Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger aus
B._______, stellte am 11. Januar 1995 in der Schweiz ein Asylgesuch.
Dieses wurde mit Verfügung der Vorinstanz vom 4. Dezember 1995
gutgeheissen, und dem Beschwerdeführer wurde unter Anerkennung
der Flüchtlingseigenschaft Asyl erteilt.
B.
Das C._______ gelangte mit Schreiben vom 15. November 2006 unter
Hinweis auf gerichtliche Bestrafungen des Beschwerdeführers an das
BFM und ersuchte dieses um Prüfung, ob die Voraussetzungen für
einen Asylwiderruf erfüllt seien.
C.
Am 9. August 2007 teilte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer mit,
dass sie aufgrund der verschiedenen von ihm verübten Straftaten
beabsichtige, das Asyl zu widerrufen, und gewährte ihm diesbezüglich
das rechtliche Gehör.
D.
Nach Erhalt der beantragten Akteneinsicht liess der Beschwerdeführer
durch seinen Rechtsvertreter am 19. und 28. September 2007 - innert
der von der Vorinstanz verlängerten Frist - Stellungnahmen zu den Ak-
ten reichen, in welchen er unter anderem mangels Kenntnis des Urteils
des Landgerichtes D._______ (Deutschland) ein Absehen vom
Asylwiderruf beantragte.
E.
Das BFM widerrief mit Verfügung vom 19. Oktober 2007 das dem Be-
schwerdeführer gewährte Asyl und hielt fest, dass sich der Asylwider -
ruf nicht auch auf die Flüchtlingseigenschaft erstrecke.
F.
Der Beschwerdeführer reichte am 20. November 2007 gegen diese
Verfügung Beschwerde ein und beantragte, die Verfügung vom 19. Ok-
tober 2007 sei aufzuheben und vom Asylwiderruf abzusehen. Weiter
sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege und die Rechtsverbeiständung
zu gewähren. Auf die Begründung der Begehren ist, soweit wesentlich,
in den nachfolgenden Erwägungen einzugehen.
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G.
Das Bundesverwaltungsgericht hiess mit Zwischenverfügung vom
26. November 2007 das Gesuch um Gewährung der unentgeltliche
Rechtspflege gut und wies das Gesuch um Gewährung der unentgeltli -
chen Rechtsverbeiständung ab. Gleichzeitig wurde die Beschwerde
zur Vernehmlassung an das BFM überwiesen.
H.
Das BFM beantragte mit Vernehmlassung vom 7. Dezember 2007,
welche dem Beschwerdeführer am 11. Dezember 2007 zur Kenntnis
gebracht wurde, die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsge-
richt Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgeset-
zes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG,
SR 172.021). Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und
ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das
Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt
nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die
Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet im Bereich
des Asyls endgültig (Art. 105 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998
[AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes
vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem
BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und
Art. 6 AsylG).
1.3 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht; der Be-
schwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist
durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein
schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Än-
derung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert
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(Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 48 Abs. 1, Art. 50 und
Art. 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3.
3.1 Gemäss Art. 63 Abs. 2 AsylG widerruft das Bundesamt das Asyl,
wenn Flüchtlinge die innere oder die äussere Sicherheit der Schweiz
verletzt haben, gefährden oder besonders verwerfliche strafbare Hand-
lungen begangen haben. Der Widerruf des Asyls wegen "besonders
verwerflicher strafbarer Handlungen" (Art. 63 Abs. 2 AsylG) setzt pra-
xisgemäss eine qualifizierte Asylunwürdigkeit voraus: Die in Art. 63
Abs. 2 AsylG vorausgesetzten "besonders verwerflichen" Handlungen
müssen qualitativ eine Stufe über den einfachen verwerflichen Hand-
lungen im Sinne von Art. 53 AsylG (Asylunwürdigkeit) stehen. Um als
"besonders verwerfliche" Handlung bezeichnet zu werden, muss die in
Frage stehende Straftat demnach mit einer erheblichen Strafe bedroht
sein und eine gewisse Intensität aufweisen (vgl. dazu Entscheidungen
und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission
[EMARK] 2003 Nr. 11 E. 7 S. 75).
3.2 Nach gefestigter Praxis gelten als "verwerfliche" Handlungen, wel-
che die Asylunwürdigkeit gemäss Art. 53 AsylG nach sich ziehen, in
der Regel solche Delikte, welche dem abstrakten Verbrechensbegriff
des Strafgesetzbuches entsprechen (vgl. EMARK 2003 Nr. 11 E. 7
S. 75, EMARK 1998 Nr. 28, EMARK 1993 Nr. 23; WALTER STÖCKLI, Asyl,
in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], Ausländerrecht,
Basel/Genf/München 2009, Rz. 11.51). Gemäss Art. 9 Abs. 1 des
Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937 in der bis
zum 31. Dezember 2006 gültigen Fassung (aStBG, SR 311.0) galten
die mit Zuchthaus bedrohten Handlungen als Verbrechen. In Art. 35
aStGB wurde festgehalten: "Zuchthaus ist die schwerste Freiheitsstra-
fe. Ihre kürzeste Dauer ist ein Jahr, die längste Dauer 20 Jahre. Wo
das Gesetz es besonders bestimmt, ist sie lebenslänglich."
3.3 Am 1. Januar 2007 trat mit der Gesetzesänderung gemäss Ziff. 1
des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 der neue allgemeine
Teil des StGB in Kraft (vgl. AS 2006 3459; BBl 1999 1979). Gemäss
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dem seit Anfang 2007 gültigen Art. 10 StGB sind Verbrechen jene Ta-
ten, die mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind
(Abs. 2). Als Vergehen werden demgegenüber Taten bezeichnet, wel-
che mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht
sind (Abs. 3). Die Unterscheidung zwischen Zuchthaus- und Gefäng-
nisstrafe wurde aufgegeben.
3.4 Nachfolgend ist zu prüfen, ob das BFM das Asyl des Beschwerde-
führers zu Recht beziehungsweise unter Wahrung der relevanten Ver-
fahrensgrundsätze widerrufen hat. Vorauszuschicken ist indessen,
dass die vom Beschwerdeführer vor dem 1. Oktober 1999 begangenen
Straftaten – unbesehen der Frage, ob es sich dabei um besonders ver-
werfliche strafbare Handlungen im hier zu beachtenden Sinn handelt –
nicht als Grundlage für den Asylwiderruf in Betracht fallen, weil Art. 63
Abs. 2 AsylG damals noch nicht in Kraft war (vgl. dazu BVGE 2009/3).
4.
4.1 Das BFM führte zur Begründung seiner Verfügung aus, der Be-
schwerdeführer sei der Begehung verschiedener Straftaten für schul-
dig befunden worden. Er habe eine gerichtliche Bestrafung erwirkt we-
gen mehrfacher Anstiftung zu Irreführung der Rechtspflege, mehrfa-
cher Anstiftung zu Begünstigung, Fahrens ohne Führerschein und Ver-
letzung von Verkehrsregeln (Urteil des Bezirksgerichts E._______ vom
28. August 1997; 5 Monate bedingt, Probezeit zwei Jahre). Mit Verfü-
gung des C._______ vom 26. Januar 1998 sei er zudem verwarnt
worden. Das Landesgericht D._______ habe ihn mit Urteil vom
1. Februar 2005 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln
und unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht
geringer Menge zu 4 Jahren und 3 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt
und nach der Strafverbüssung am 18. Oktober 2006 den Schweizer
Behörden übergeben.
Gemäss Art. 63 Abs. 2 AsylG werde das Asyl widerrufen, wenn Flücht-
linge die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz verletzt haben,
gefährden oder besonders verwerfliche strafbare Handlungen began-
gen haben. Unter verwerflichen Handlungen würden Straftaten ver-
standen, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht
seien und damit unter den Begriff des Verbrechens gemäss Art. 10
StGB fallen würden. Darunter würden namentlich die dem Beschwer-
deführer von den deutschen Behörden zur Last gelegte unerlaubte
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Einfuhr von Betäubungsmitteln und das unerlaubte Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen fallen, wobei einzig die
abstrakte Strafdrohung massgebend sei. Das Begehen einer verwerfli -
chen strafbaren Handlung habe zwingend den Asylwiderruf zur Folge,
und die verfügende Behörde habe dabei keinen Ermessensspielraum.
4.2 Der Beschwerdeführer weist in seiner Beschwerde vorab auf seine
Stellungnahmen im erstinstanzlichen Verfahren, welche er zum inte-
grierenden Bestandteil seiner Beschwerde erklärt. Bezüglich das Urteil
des Bezirksgerichts E._______ vom 28. August 1997 hält er fest,
dieses dürfe nicht mehr berücksichtigt werden, weil der entsprechende
Strafregistereintrag zwischenzeitlich gelöscht worden sei. Sodann
anerkennt er die Verurteilung durch das Landesgericht D._______ vom
1. Februar 2005. Zum Strafurteil aus Deutschland hält er jedoch fest,
dass er nicht über ein motiviertes Urteil verfüge. Falls den Akten des
BFM ein entsprechendes Urteil beiliege, werde darum ersucht, dieses
unter Gewährung einer Frist zur Stellungnahme offen zu legen.
Betreffend die Anwendbarkeit von Art. 63 Abs. 2 AsylG stellt sich der
Beschwerdeführer auf den Standpunkt, dass besonders verwerfliche
Straftaten in der Schweiz begangen worden sein müssten, um als Wi-
derrufsgrund in Betracht zu kommen. Nach publizierter Rechtspre-
chung der Schweizerischen Asylrekurskommission sei zudem die Fest-
stellung der Vorinstanz unzutreffend, wonach für die Wertung einer
Straftat als besonders verwerfliche Handlung die abstrakte Strafdro-
hung des schweizerischen Strafrechts massgebend sei. Zu Unrecht
werde sodann bei der Auslegung des Begriffs einer besonders ver-
werflichen strafbaren Handlung im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG vom
formellen Verbrechensbegriff im Sinne von Art. 10 StGB ausgegangen.
Ein Asylwiderruf dürfe nur bei ausserordentlich schwerwiegenden
Straftaten in Betracht gezogen werden, wobei in jedem Fall eine Ver-
hältnismässigkeitsprüfung vorzunehmen sei. Der Gesetzgeber be-
trachte den Asylwiderruf als ultima ratio. Weiter rügt der Beschwerde-
führer, dass das BFM nicht darlege, weshalb dem Beschwerdeführer
besonders verwerfliche Straftaten zur Last gelegt würden.
Im Zusammenhang mit dem in Deutschland gefällten Urteil argumen-
tiert der Beschwerdeführer, dass eine Verurteilung wegen gleichartiger
Delikte in der Schweiz allenfalls ein anderes Erkenntnis des Gerichts
ergeben und wohl eine andere – höchstwahrscheinlich kürzere – Stra-
fe nach sich gezogen hätte. Eine Beurteilung der Strafzumessung
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durch das Landesgericht (D._______) sei nicht möglich, weil die ange-
wendeten Strafzumessungsfaktoren unbekannt seien.
Schliesslich rügt der Beschwerdeführer, der vom BFM verfügte Asylwi-
derruf sei unverhältnismässig und habe im Ergebnis einen zusätzli -
chen pönalen Charakter im Sinne einer Doppelbestrafung. Das Lan-
desgericht habe die strafrechtlichen Sanktionen gegen den Beschwer-
deführer verbindlich und abschliessend festgelegt, und dieser habe
sein Strafe verbüsst.
5.
5.1 Die Asylbehörde hat den rechtserheblichen Sachverhalt vor ihrem
Entscheid von Amtes wegen vollständig und richtig abzuklären (vgl.
Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 12 VwVG; Art. 32 und 49 VwVG). Dabei muss
sie die für das Verfahren erforderlichen Sachverhaltsunterlagen be-
schaffen und die rechtlich relevanten Umstände abklären und darüber
ordnungsgemäss Beweis führen. Sie ist im Rahmen des rechtlichen
Gehörs (Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), Art. 29 VwVG,
Art. 32 Abs. 1 VwVG) ferner gehalten, die Vorbringen der betreffenden
Person tatsächlich zu hören, sorgfältig und ernsthaft zu prüfen und in
der Entscheidfindung zu berücksichtigen, was sich entsprechend in
der Entscheidbegründung niederschlagen muss (Art. 35 Abs. 1 VwVG
sowie die weiterhin zutreffende Praxis der ARK in EMARK 2004 Nr. 38
E. 6.3). Die Begründung soll es ermöglichen, einen Entscheid gegebe-
nenfalls sachgerecht anzufechten, was nur möglich ist, wenn sich so-
wohl diese als auch die Rechtsmittelinstanz über die Tragweite des
Entscheides ein Bild machen können (BGE 129 I 232 E. 3.2). Die ver-
fügende Behörde muss sich nicht ausdrücklich mit jeder tatbeständli-
chen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen;
vielmehr darf sie sich auf die wesentlichen Gesichtspunkte beschrän-
ken (BGE 126 I 97 E. 2b). Die Begründungsdichte hat sich nach dem
Verfügungsgegenstand, den Verfahrensumständen und den Interessen
der betreffenden Person zu richten, wobei die bundesgerichtliche
Rechtsprechung bei schwerwiegenden Eingriffen in die rechtlich ge-
schützten Interessen einer Person eine sorgfältige Begründung ver-
langt (EMARK 2006 Nr. 24 E.5.1 S. 256 f.).
5.2 Die angefochtene Verfügung vermag diesen Anforderungen in
mehrfacher Hinsicht nicht zu genügen.
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5.2.1 Das BFM führt in der Verfügung aus, dass entsprechend der gel-
tenden Doktrin diejenigen Straftaten als besonders verwerfliche Hand-
lungen zu betrachten seien, welche mit einer Strafandrohung von
mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht seien und damit unter den
Verbrechensbegriff des StGB fielen. Darunter würden namentlich die
dem Beschwerdeführer zur Last gelegte unerlaubte Einfuhr und das
unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringen
Mengen fallen. Dies widerspricht der geltenden Praxis, wonach – wie
oben ausgeführt – diese Definition für die verwerfliche Handlung im
Sinne von Art. 53 AsylG Geltung erlangt, nicht aber für die besonders
verwerfliche Handlung gemäss Art. 63 Abs. 2 AsylG. Das BFM be-
schränkt sich sodann darauf, die vom Beschwerdeführer in Deutsch-
land verübten Betäubungsmitteldelikte zu erwähnen, und gelangt ohne
detaillierte Abwägung zum Schluss, dass die Voraussetzungen für den
Asylwiderruf gegeben seien. Dazu ist festzuhalten, dass das BFM kei -
ne konkreten Ausführungen zur besonderen Verwerflichkeit gemäss
Art. 63 Abs. 2 AsylG macht beziehungsweise der Subsumtion einen
falschen Massstab zu Grunde legt (vgl. vorstehend Ziff. 3.1. und 3.2.).
Das BFM wäre gehalten gewesen darzutun, inwiefern die Delinquenz
des Beschwerdeführers qualitativ über den einfachen verwerflichen
Handlungen liegt.
5.2.2 Sodann ist mit Verweis auf EMARK 2003 Nr. 11 E. 7 S. 75 fest-
zuhalten, dass bei einem Asylwiderruf gestützt auf Art. 63 Abs. 2
AsylG der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten ist. Dabei
muss eine Ausgewogenheit hinsichtlich Eingriffsschwere und Gewicht
des verfolgten öffentlichen Interesses gegeben sein; der mit einer be-
hördlichen Anordnung verbundene Eingriff darf im Vergleich zur Be-
deutung des verfolgten öffentlichen Interesses nicht unangemessen
schwer wiegen. Diesbezügliche Abwägungen sind dem angefochtenen
Entscheid nicht zu entnehmen, was als erheblicher Mangel zu qualifi -
zieren ist.
5.2.3 Schliesslich ist festzuhalten, dass sich für eine Prüfung sowohl
der besonderen Verwerflichkeit der begangenen Taten als auch der
Verhältnismässigkeit eines Asylwiderrufs der Sachverhalt im vor-
liegenden Verfahren als nicht genügend erstellt erweist, liegen doch
aus dem Strafverfahren des Landesgerichtes D._______ keine Akten,
nicht einmal die Urteilsschrift, vor, was jedoch für eine Beurteilung im
vorstehend beschriebenen Sinn unabdingbar gewesen wäre.
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5.3 In Anbetracht dieser Sachlage ergibt sich, dass die Vorinstanz die
Begründungspflicht verletzt und den Sachverhalt nicht rechtsgenüglich
festgestellt hat. Die Verletzung der Begründungspflicht kann auf Be-
schwerdeebene im Allgemeinen nicht ohne Weiteres geheilt werden,
zumal es nicht Sinn und Zweck des Beschwerdeverfahrens vor dem
Bundesverwaltungsgericht sein kann, Unterlassungen der Vorinstanz
nachzuholen. Gegen eine Heilung dieses Verfahrensmangels spricht
weiter die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer eine Instanz verloren
ginge (vgl. dazu EMARK 1998 Nr. 34 E. 10d S. 292). Dies wiegt umso
schwerer, als ein Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts im
Bereich des Asyls durch kein ordentliches Rechtsmittel mehr
angefochten werden könnte, was für den Beschwerdeführer einen
erheblichen Nachteil darstellen würde.
5.4 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vorinstanz den An-
spruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt und den
Sachverhalt nicht rechtsgenüglich erstellt hat. Da eine Heilung der
Verfahrensmängel im Rahmen des Rekursverfahrens vorliegend nicht
angebracht ist, ist der angefochtene Entscheid aufzuheben und die
Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
6.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten insoweit gutzuheissen, als
darin die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung beantragt wird.
Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, auf die weiteren Beschwerdevor-
bringen einzugehen.
7.
7.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind dem Beschwerdeführer
keine Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG).
7.2 Eine obsiegende Partei hat Anspruch auf eine Parteientschädi-
gung für die ihr erwachsenen notwendigen und verhältnismässig
hohen Kosten (Art. 7 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die
Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht
[VGKE, SR 173.320.2]). Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers
hat bis anhin keine Kostennote eingereicht. Auf eine entsprechende
Nachforderung kann verzichtet werden, da sich der Parteiaufwand
zuverlässig abschätzen lässt. Die von der Vorinstanz zu entrichtende
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Parteientschädigung ist von Amtes wegen auf Fr. 1500.– (inklusive
Auslagen und MWSt) festzusetzen (Art. 14 VGKE).
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
2.
Die Verfügung des BFM vom 19. Oktober 2007 wird aufgehoben und
die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an das BFM
zurückgewiesen.
3.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
4.
Das BFM hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung vom Fr. 1500.–
zu entrichten.
5.
Dieses Urteil geht an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, das
BFM sowie die kantonale Migrationsbehörde.
Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:
Regula Schenker Senn Rudolf Raemy
Versand:
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