E-7028/2006 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Flüchtlingseigenschaft; Asyl; Wegweisung; Vollzug
Karar Dilini Çevir:
E-7028/2006 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Flüchtlingseigenschaft; Asyl; Wegweisung; Vollzug
Abtei lung V
E-7028/2006
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 4 . O k t o b e r 2 0 0 8
Richter Walter Stöckli (Vorsitz), Richter Daniel Schmid,
Richterin Emilia Antonioni,
Gerichtsschreiberin Esther Karpathakis.
A._______, Libyen,
vertreten durch Bernhard Jüsi, Rechtsanwalt, Advoka-
tur Kanonengasse, Militärstrasse 76, Postfach 2115,
8021 Zürich,
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM), vormals Bundesamt
für Flüchtlinge (BFF), Quellenweg 6, 3003 Bern
Vorinstanz.
Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFF vom 18. Sep-
tember 2002 / N_______.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
E-7028/2006
Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer verliess Libyen gemäss eigenen Angaben am
8. Februar 1992 und gelangte auf dem Luftweg nach Saudi-Arabien.
Nachdem er dort sechs Jahre verweilt und während vier Jahren stu-
diert habe, sei er zu Beginn des Jahres 1998 nach Syrien gereist, wo
er etwas mehr als ein Jahr lang gelebt habe. Im März des Jahres 1999
sei er dann auf illegale Weise in die Türkei gelangt. Am 19. Juli 2000
sei er schliesslich per Flugzeug von Istanbul nach Bosnien und Herze-
gowina gelangt und von dort mit einem Auto über Kroatien, Slowenien
und Italien am 7. August 2000 in die Schweiz gereist. An der
Empfangsstelle Genf suchte er am selben Tag um Asyl nach. Im Tran-
sitzentrum Altstätten wurde der Beschwerdeführer am 21. August 2000
summarisch zum Reiseweg und zu den Ausreisegründen befragt (A1).
Am 27. September 2000 fand die Anhörung zu den Asylgründen durch
die zuständige kantonale Behörde statt (A17).
Der Beschwerdeführer gab einen libyschen Pass, ausgestellt am 12.
August 1986 und gültig bis am 11. August 1990, zu den Akten. Ge-
mäss Einträgen wurde der Pass am 30. Juli 1991 verlängert bis am 10.
August 1994, und erneut am 19. Mai 1995 bis am 9. August 1998. Des
Weiteren reichte der Beschwerdeführer eine libysche Identitätskarte,
ausgestellt am 13. August 1988 mit einer Gültigkeitsdauer von 20 Jah-
ren, und eine Kopie des Familienbüchleins zu den Akten.
Der Beschwerdeführer erklärte, in Rotterdam geboren zu sein, für zwei
bis drei Jahre in Tripolis und später während zweier Jahre mit seiner
Mutter in Frankreich gelebt zu haben. Danach seien sie nach Tripolis
zurückgekehrt, wo er, zusammen mit seinen Eltern, zwei Brüdern und
zwei Schwestern aufgewachsen sei und bis zu seiner Ausreise gelebt
habe. Er habe während neun Jahren die ordentliche Schule und wäh-
rend drei das Gymnasium besucht; schliesslich habe er während drei-
einhalb Jahren die Universität Fatih (Fach: Wirtschaft) in Tripolis be-
sucht. In der Folge habe er in den saudi-arabischen Städten Mekka
(A1/5) beziehungsweise Medina (A17/5) während vier Jahren das isla-
mische Rechtssystem studiert und das Studium abgeschlossen. Gear-
beitet habe er nie; sein Vater habe ihn stets unterstützt und die Familie
habe keine finanziellen Probleme gehabt. Den Militärdienst habe er
nicht absolviert, da er als Student davon befreit gewesen sei.
Seite 2
E-7028/2006
B.
B.a Zu seinen Asylgründen führte der Beschwerdeführer aus, er sei
gegen das Regime Gaddafi eingestellt. Während der Studienzeit in Tri-
polis habe er in einem kleinen Kreis von Kollegen über Politik disku-
tiert. Anfangs der Neunziger-Jahre seien viele Leute der Gruppe „Jab-
hat Inkaz Watania Libya“ (gemäss Erkenntnissen des Gerichts mut-
masslich NFSL [National Front for the Salvation of Libya], Hauptsitz
London) festgenommen worden. Einer seiner Freunde sei während der
Schulzeit nach England gereist und habe für die Gruppierung
„Enkadh“ (= Inkaz = Salvation/Befreiung) Flugblätter und Bücher ins
Land geschmuggelt. Dieser Freund sei von den libyschen Behörden
beobachtet worden. Er selbst habe nicht direkt etwas für die Gruppie-
rung getan, jedoch Bücher und Prospekte gelesen und dann weiter ge-
geben. Von den Sicherheitsbehörden der Universität sei er, ebenso wie
andere Studenten, fünf- bis sechsmal in einem Büro an der Fakultät
befragt worden. Zuvor festgenommene Personen der „Jabhat Inkaz
Watania“ hätten unter anderem seinen Namen im Zusammenhang mit
den verteilten Büchern und Prospekten genannt. Er habe mit dieser
Organisation aber nichts zu tun haben wollen und sich von den Freun-
den, die mit ihr in Verbindung gestanden hätten, distanziert. Anlässlich
der Befragungen habe er auch jeglichen Kontakt zu dieser Bewegung
abgestritten, und man habe ihn nach jeweils zwei bis drei Stunden
wieder freigelassen, weil man ihm nichts habe nachweisen können
und auch keine verbotenen Publikationen bei ihm gefunden habe. Die-
se Gruppe habe in Libyen keine Änderung vollbringen können, und er
habe sich anfangs der Neunzigerjahre der damals stärksten Oppositi-
on, der islamistisch ausgerichteten, zugewandt.
Mit den Islamisten, namentlich den Mitgliedern von islamistischen
Gruppierungen wie „Ichuan Moslimi“ (Al-Ikhwan al-Muslimin, Muslim-
Brüder) und „Tablig“ (Al-Tabligh, Die Warnung) habe er Kontakte ge-
habt, und er sei in die Moschee gegangen. Sie hätten in kleinen Grup-
pen über Politik, Religion und den Umgang der Regierung mit dem Is-
lam diskutiert. Er sei jedoch nie Mitglied einer Gruppierung gewesen.
Unter diesen Islamisten seien auch zahlreiche Personen aus Saudi-
Arabien gewesen. Ein Monat vor seiner Ausreise, im Dezember 1991,
seien drei seiner Freunde, B._______, C._______ und D._______,
inhaftiert worden. Anfangs Januar 1992 sei er im Rahmen einer durch
das Revolutionskommittee durchgeführten Untersuchung an der
Universität festgenommen, mit verbundenen Augen weggeführt und in
das Büro der Amen-Leute gebracht worden. Dort habe man ihn nach
Seite 3
E-7028/2006
seinen Kontakten zu Islamisten befragt. Er habe leichte Ohrfeigen
bekommen und sei beschimpft worden; sonst sei nichts passiert. Die
Behörden hätten wissen wollen, welche Beziehungen er zu Leuten aus
Saudi-Arabien und zur saudi-arabischen Botschaft pflege. Zwar habe
er tatsächlich zu einem Botschaftsangestellten Kontakt gehabt; dieser
habe den Studenten verschiedene Bücher über die saudi-arabische
Regierung, über den Islam und den Wahabismus in Saudi-Arabien
gegeben. Er habe aber jegliche Kontakte zu Islamisten geleugnet.
Bevor man ihn nach vier bis fünf Stunden zur Universität
zurückgebracht habe, habe er sich schriftlich verpflichten müssen, mit
keinen verdächtigen Personen Kontakte zu pflegen. Es sei ihm auch
das Gefängnis Bou Slim (Abou Salim) angedroht worden für den Fall,
dass sein Name in Zukunft von einem Zeugen erwähnt oder falls man
ihn an einem heiklen Ort wieder treffen würde. Er habe noch während
rund eines Monats versteckt in Libyen gelebt und das Land am 8.
Februar 1992 legal mit seinem Pass und seiner Identitätskarte auf
dem Luftweg verlassen; Bekannte, welche am Flughafen arbeiteten,
hätten seine Ausreise erleichtert. Wenn er länger in Libyen geblieben
wäre, wäre er, wie alle seine Freunde, inhaftiert worden. Diese seien
alle verschwunden.
B.b Der Beschwerdeführer gab an, ein saudi-arabischer Verantwortli-
cher der Wahabismus-Bewegung in Libyen habe ihm zu einer Einreise-
genehmigung für Saudi-Arabien verholfen, damit er dort die Scharia
studieren könne. Während seines Studiums in Mekka beziehungsweise
in Medina, welches von Anfang Oktober 1993 bis im Juni 1997 gedau-
ert habe, sei er unter der Protektion derjenigen Personen gestanden,
die sein Visum für Saudi-Arabien ausgestellt hätten. Die Rekrutierung
von Agenten in Libyen sei aus einer saudi-arabischen Wahabismus-
Bewegung gekommen, und er sei in Saudi-Arabien Mitglied dieser Be-
wegung gewesen. Allerdings habe er im Verlaufe seines Studiums rea-
lisiert, dass ihm die Idee nicht entspreche und ihm das saudi-arabi-
sche System, insbesondere die Art, wie sich die Saudis im Ausland
verhielten und ihr Land regierten, nicht gefalle. Er habe deswegen
Ende des Jahres 1994 aufgehört, sich politisch zu betätigen; weiterhin
habe er sich aber in der Moschee in Mekka mit vier bis fünf Personen
getroffen, um über das libysche Regime zu diskutieren. Im dritten Jahr
seines Studiums, zu Beginn des Jahres 1996, hätten ihn die saudi-ara-
bischen Sicherheitsbehörden zu einem Gespräch vorgeladen, und ihm
mitgeteilt, er sei als Agent nicht geeignet und müsse Saudi-Arabien
nach der Beendigung seines Studiums umgehend verlassen bezie-
Seite 4
E-7028/2006
hungsweise das Gespräch finde im Auftrag der libyschen Behörden
statt und diese wünschten seine Auslieferung nach Abschluss seines
Studiums. Die saudi-arabischen Behörden hätten im Zuge der Verbes-
serung ihrer Beziehungen zu Libyen oppositionelle libysche Staatsan-
gehörige in ihr Heimatland ausgeliefert; von einer solchen Massnahme
sei auch er bedroht gewesen. Im Januar 1998 habe er das Land ver-
lassen, wobei ihm die saudi-arabischen Behörden mit der Aushändi-
gung eines saudi-arabischen Passes zu einer einmaligen Reise nach
Syrien verholfen hätten. In Syrien habe er den Pass einer bestimmten
Person, wie zuvor mit den saudi-arabischen Behörden abgemacht,
ausgehändigt.
B.c In Damaskus habe der Beschwerdeführer illegal gelebt, bis auch
die syrischen Behörden damit begonnen hätten, libysche Staatsange-
hörige ins Heimatland zurückzuschicken. Im Monat März 1999 sei er
deswegen auf illegalem Weg in die Türkei gereist. Bei den Vereinten
Nationen (UN) in Ankara habe er ein Asylgesuch eingereicht. Er habe
sich danach, wie von den UN-Behörden verlangt, bei der türkischen
Polizei eintragen lassen, beziehungsweise er habe illegal dort gelebt.
Nach drei Monaten sei sein Asylgesuch abgelehnt worden; die türki-
schen Polizeibehörden hätten ihm daraufhin mitgeteilt, er werde nach
Libyen zurückgeschafft, falls man ihn nochmals antreffen werde. Die
türkisch-libyschen Beziehungen hätten sich ebenfalls verbessert, und
auch die Türkei habe zwei Gruppen libyscher Oppositioneller in ihr
Heimatland zurückgeschafft. An seinem Wohnort in Istanbul habe man
ihm mitgeteilt, dass vier Personen des Sicherheitsdienstes ihn bereits
gesucht hätten. Er habe deswegen mit Hilfe eines Schleppers seine
Ausreise organisiert und die Türkei am 19. Juli 2000 verlassen. Der
Beschwerdeführer gab schliesslich an, seit seiner Ausreise aus Libyen
nur noch indirekt, über seinen Onkel in Kanada, Kontakt zu seiner Fa-
milie gepflegt zu haben. Auf diese Weise habe er auch erfahren, dass
sein Bruder E._______, welcher Student im Fach Luftfahrt gewesen
sei, am 17. September 1995 in Libyen als Geisel an Stelle des Be-
schwerdeführers in Haft genommen worden sei. Auch F._______, sein
anderer Bruder, werde jetzt - Zeitpunkt der Anhörung: September 2000
- von den Behörden „gestört“.
Anlässlich der kantonalen Befragung gab der Beschwerdeführer eine
Bestätigung, dass er in den Jahren 1991 und 1992 als Student an der
Universität Tripolis eingeschrieben gewesen sei, zu den Akten.
Seite 5
E-7028/2006
C.
Am 4. September 2000 führte das BFF mit dem Beschwerdeführer
eine Herkunftsanalyse durch, welche seine libysche Herkunft bestätig-
te.
D.
Mit Verfügung vom 18. September 2002 - eröffnet am 25. September
2002 - stellte das BFF fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flücht-
lingseigenschaft nicht, und lehnte sein Asylgesuch ab. Gleichzeitig ver-
fügte es seine Wegweisung aus der Schweiz und ordnete den Vollzug
an. Zur Begründung führte das BFF aus, die vom Beschwerdeführer
geltend gemachten mehrmaligen Befragungen und die Festnahme
durch die libyschen Sicherheitsbehörden während seiner Studienzeit
in Libyen seien mangels genügender Intensität nicht asylrelevant. Der
Beschwerdeführer sei vor seiner Ausreise aus Libyen nicht gesucht
worden, weshalb er auch legal aus Libyen habe ausreisen können; zu-
dem sei sein Pass am 19. Mai 1995 verlängert worden. Zwar sei nicht
auszuschliessen, dass er bei einer Rückkehr nach Libyen aufgrund
seiner langjährigen Abwesenheit einer Prüfung durch die libyschen
Behörden unterzogen würde. Dass es dabei zu asylrelevanten Verfol-
gungsmassnahmen kommen werde, sei jedoch nicht mit der zur An-
nahme einer begründeten Furcht notwendigen Wahrscheinlichkeit an-
zunehmen. Da die Vorbringen nicht asylrelevant seien, könne darauf
verzichtet werden, auf allfällige Unglaubhaftigkeitselemente einzuge-
hen. Ein Vollzug der Wegweisung erweise sich als zulässig, zumutbar
und möglich.
E.
Mit Rechtsmitteleingabe vom 24. Oktober 2002 gelangte der Be-
schwerdeführer an die damals zuständige Schweizerische Asylrekurs-
kommission (ARK) und beantragte die Aufhebung der angefochtenen
Verfügung, die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und die Ertei-
lung von Asyl. Eventuell sei er wegen Unzulässigkeit oder Unzumut-
barkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig aufzunehmen. In
prozessualer Hinsicht beantragte er den Verzicht auf die Erhebung ei-
nes Kostenvorschusses und auf die Auferlegung von Verfahrenskosten.
Des Weiteren seien die Akten des Amtes des Hohen Flüchtlingskom-
missars der Vereinten Nationen (UNHCR) zum Asylgesuch des Be-
schwerdeführers in der Türkei beizuziehen, zumindest sei die entspre-
chende Stellungnahme des UNHCR abzuwarten.
Seite 6
E-7028/2006
Zur Begründung machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen gel-
tend, das BFF bestreite die Glaubhaftigkeit des geltend gemachten
Sachverhaltes nicht. Demzufolge sei aber eine begründete Furcht vor
asylrelevanter Verfolgung anzunehmen. Angesichts der libyschen Ver-
hältnisse, welche im beigelegten Dokument von Amnesty International
(AI) beschrieben würden, sei für den Zeitpunkt der Ausreise des Be-
schwerdeführers ein unerträglicher psychischer Druck im Sinne des
Asylgesetzes anzunehmen. Die Ereignisse nach seiner Ausreise seien
als Nachfluchtgründe - mehrheitlich objektive - zu qualifizieren, so na-
mentlich die Wahrnehmung der Ausreise des Beschwerdeführers aus
Libyen durch die libyschen Behörden, Verhaftung, Verschwinden und
mutmassliche Ermordung seines Bruders sowie die veränderte Wahr-
nehmung der islamistischen Opposition durch Libyen seit den Ereig-
nissen des 11. September 2001. Schliesslich habe der Beschwerde-
führer, welcher sich nach einem Anfangsverdacht nach Saudi-Arabien
abgesetzt habe und dort von den libyschen Behörden aufgespürt wor-
den sei, mit dem Studium der Scharia und den damit zusammenhän-
genden Diskussionen mit Islamisten einen subjektiven Nachflucht-
grund gesetzt, selbst wenn er sich dort für seine Überzeugung, näm-
lich dass Demokratie und Laizismus der richtige Weg seien, eingesetzt
habe. Bei einer Überprüfung anlässlich seiner Rückkehr würden die li-
byschen Behörden zu Tage fördern, wo und was er studiert und wel-
che Kontakte er im Ausland gepflegt habe, sowie dass sein Bruder in
Haft oder tot sei. Unter diesen Umständen hätte der Beschwerdeführer
ernsthafte Nachteile zu befürchten.
Mit der Beschwerdeschrift liess der Beschwerdeführer ein Schreiben
der Libyan League for Human Rights (LLHR) vom 23. Oktober 2002 ein-
reichen. Darin wird festgehalten, der Name des Beschwerdeführers figu-
riere seit dem Jahre 1993 auf einer Liste gesuchter Personen, welche
von der libyschen Regierung als antirevolutionär eingestuft würden. Sol-
che Personen riskierten jederzeit die physische Liquidation, sowohl in
Libyen als auch im Ausland. Der Beschwerdeführer sei umso schutzbe-
dürftiger, als sein Bruder E._______ am 17. September 1995 am
Technical Institute of Sbeea, nahe Tripolis, vom Revolutionären Komitee
festgenommen und seither nicht mehr gesehen worden sei. Nach unbe-
stätigten Berichten sei er unter den Opfern des Massakers von Abou
Salim vom 26./27. Juni 1996. Des Weiteren reichte der Beschwerdefüh-
rer einen Bericht des Economic and Social Council (Commission of Hu-
man Rights) der UN vom 20. Februar 2002 sowie ein Antwortschreiben
von AI an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers vom 17. Oktober
Seite 7
E-7028/2006
2002 ein, worin insbesondere festgehalten wird, AI heisse Wegweisun-
gen nach Libyen grundsätzlich nicht gut. Alle Asylsuchenden, die nach
Libyen zurückkehrten, würden einer Befragung unterzogen und AI wisse
nicht genau, was mit ihnen geschehe, da sie entweder nicht wieder auf-
tauchten oder NGO's (Non governmental Organisations, nichtstaatliche
Organisationen) nicht vor Ort ihrer Arbeit nachgehen könnten.
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2002 bestätigte der Sozialdienst des
Kantons Aargau die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers.
F.
Mit Zwischenverfügung vom 4. November 2002 hiess die ARK das Ge-
such des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege (Kostenerlass) und um Verzicht auf die Erhebung eines
Kostenvorschusses gut.
G.
G.a Mit Vernehmlassung vom 25. November 2002 beantragte die Vor-
instanz die Abweisung der Beschwerde. Ergänzend hielt sie insbeson-
dere fest, die Tatsache, dass der Beschwerdeführer nach seiner Fest-
nahme wieder freigelassen worden sei, mit seinem Reisepass legal
habe ausreisen und diesen im Jahre 1995 habe verlängern lassen
können, spreche klar gegen Verfolgungsabsichten der libyschen Be-
hörden. Hätten diese den Gesuchsteller tatsächlich ernsthaft verdäch-
tigt, hätten sie seinen Pass eingezogen und er hätte nicht legal ausrei-
sen können. Vor diesem Hintergrund wirkten die Ausführungen des
Rechtsvertreters bezüglich objektiver und subjektiver Nachfluchtgrün-
de konstruiert und nicht stichhaltig. Ohne die Menschenrechtslage in
Libyen verharmlosen zu wollen, sei zu berücksichtigen, dass die ein-
gereichten Dokumente der libyschen Menschenrechtsliga und von AI
nur einzelne von vielen möglichen Quellen seien, welche zudem die Li-
beralisierungstendenzen, die es in den letzten Jahren in Libyen gege-
ben habe - und etwa aus einem Bericht des Swedish Migration Board
vom 10. Juli 2002 hervorgingen - nicht berücksichtigten. Insgesamt sei
für den Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Libyen nicht
von einem „real risk“ auszugehen.
G.b Mit Zwischenverfügung vom 27. November 2002 gab der Instrukti-
onsrichter der ARK dem Beschwerdeführer Gelegenheit, zur Vernehm-
lassung des BFF und dem von diesem erwähnten Reisebericht der
schwedischen Asylbehörden Stellung zu nehmen.
Seite 8
E-7028/2006
G.c Mit Replik vom 13. Dezember 2002 hielt der Beschwerdeführer
entgegen, seine Gefährdung sei zu einem massgeblichen Teil erst
nach der Ausreise aus Libyen entstanden, und die Verlängerung des
Passes im Jahre 1995 sei nicht etwa über die libysche Botschaft in
Saudi-Arabien erfolgt, sondern über eine private Quelle; es handle
sich um eine Totalfälschung des Stempels. Anlässlich der kantonalen
Befragung habe der Beschwerdeführer im Übrigen angegeben, dass
er sich davor gefürchtet habe, mit den libyschen Behörden Kontakt
aufzunehmen, um den Pass verlängern zu lassen. In einem ähnlichen
Fall liege im Übrigen eine aktuelle Einschätzung der Schweizer Sekti-
on von AI vor, welche er beilege und die derjenigen des Swedish Mig-
ration Board vom 10. Juli 2002 widerspreche. Insgesamt sei nicht von
einer Verbesserung der Menschenrechtslage in Libyen auszugehen,
und Libyer, welche nach oppositioneller Tätigkeit im Ausland ins Hei-
matland zurückkehrten, riskierten verhaftet und vor Gericht gebracht
zu werden. Insbesondere mit Personen, welche dem religiösen Funda-
mentalismus zugerechnet würden, gehe das Regime Gaddafi hart ins
Gericht.
Zusammen mit der Stellungnahme liess der Beschwerdeführer eine
Stellungnahme von AI vom 26. November 2002 betreffend G._______,
eine gutachterliche Stellungnahme des Deutschen Orient-Institutes
vom 21. Oktober 2002 zu Fragen des sächsischen
Oberverwaltungsgerichts im Zusammenhang mit der Rückkehr
libyscher Asylbewerber sowie ein Unterstützungsschreiben des in
Kanada lebenden Onkels des Beschwerdeführers vom 25. November
2002 einreichen. Das Schreiben von AI äusserst sich zur allgemeinen
Lage in Libyen sowie zu einer von den schweizerischen Behörden im
Fall eines anderen Asylgesuchstellers aus Libyen in Auftrag
gegebenen Botschaftsabklärung. Im Gutachten des Deutschen Orient-
Institutes wird die Frage abgehandelt, mit welchen Massnahmen
allenfalls nach Libyen zurückkehrende abgewiesene Asylbewerber zu
rechnen haben. In seinem an den Rechtsvertreter des
Beschwerdeführers adressierten Brief hält dessen Onkel fest, der
Beschwerdeführer werde in Libyen gesucht und sein Vater sei
wiederholt von den Sicherheitsbehörden belästigt und nach seinem
Sohn gefragt worden. Der Beschwerdeführer könne nicht mit seinen
Angehörigen telefonieren, da die Telefongespräche abgehört würden.
Der Bruder des Beschwerdeführers sei am 17. September 1995 fest-
genommen worden, und seine Eltern hätten bis zum aktuellen Zeit-
punkt keine Neuigkeiten von ihm. Sämtliche Gesuche um Erteilung ei-
Seite 9
E-7028/2006
ner Besuchsbewilligung seien abgewiesen worden. Zweifellos sei der
Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Libyen gefährdet.
H.
Mit Eingabe vom 4. August 2003 liess der Beschwerdeführer Passkopi-
en des Vaters und des Bruders des Beschwerdeführers, ein Original-
zeugnis aus dem Schuljahr 1995 (den Bruder des Beschwerdeführers
betreffend) sowie ein Unterstützungsschreiben des Vaters des Be-
schwerdeführers in Kopie, inklusive Übersetzung in die deutsche Spra-
che, zu den Akten reichen. Der Vater des Beschwerdeführers führt in
seinem Schreiben aus, man habe den Bruder des Beschwerdeführers
absichtlich durch die Prüfungen fallen lassen, um ihn bei seiner An-
kunft zur Absolvierung der Nachprüfung verhaften zu können. Am 6.
August 2003 liess der Beschwerdeführer den in Tunesien abgestem-
pelten Originalbriefumschlag, in welchem die Beweismittel zugestellt
worden seien, nachreichen.
I.
I.a Mit Schreiben vom 7. Dezember 2004 gelangte der Instruktions-
richter der ARK an das Urkundenlabor der Kantonspolizei Zürich und
suchte um Überprüfung des libyschen Reisepasses des Beschwerde-
führers nach. Er führte dazu aus, aus den Akten ergäben sich insbe-
sondere Zweifel an der Echtheit der Verlängerungseintragungen.
I.b In seinem Schreiben vom 8. Dezember 2004 hielt das Urkundenla-
bor der Kantonspolizei Zürich im Wesentlichen fest, es sei grundsätz-
lich davon auszugehen, dass es sich beim libyschen Pass des Be-
schwerdeführers um ein authentisches libysches Dokument handle.
Bei den in Zweifel gezogenen Einträgen hätten keine Inhaltsverände-
rungen festgestellt werden können. Es sei aber darauf hinzuweisen,
dass Fälschungen von Nassstempelabdrücken keine grosse Heraus-
forderungen für Fälscher seien. Insgesamt könne aus verschiedenen
Gründen aus diesen Eintragungen kein schlüssiger Befund abgeleitet
werden.
J.
J.a Ebenfalls am 7. Dezember 2004 forderte der Instruktionsrichter
den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers auf, eine Kopie der im
Schreiben der LLHR vom 23. Oktober 2002 erwähnten Liste, auf wel-
cher der Beschwerdeführer seit dem Jahre 1993 figuriere, einzurei-
chen.
Seite 10
E-7028/2006
J.b Mit Schreiben vom 10. Januar 2005 machte der Beschwerdeführer
geltend, bei der von der LLHR erwähnten Suchliste handle es sich um
eine Liste, welche nur für den internen Gebrauch dieser Organisation
verwendet werde. Gleichzeitig reichte er ein Schreiben der LLHR vom
6. Januar 2005 ein, worin diese erneut bestätigt, dass der Name des
Beschwerdeführers seit Jahren auf ihrer Liste von Personen figuriere,
welche aufgrund antirevolutionärer Aktivitäten von der libyschen Re-
gierung gesucht seien. Ergänzend machte die LLHR allgemeine Anga-
ben zum Inhalt und dem Zustandekommen dieser vertraulichen Liste.
K.
K.a Mit einem weiteren Schreiben vom 7. Dezember 2004 gelangte
der Instruktionsrichter an das UNHCR fragte an, ob Informationen
über das Asylgesuch des Beschwerdeführers in der Türkei vorlägen,
ob UNHCR Informationen über eine in Libyen festgenommene Person
mit dem Namen des Bruders des Beschwerdeführers habe bezie-
hungsweise an solche Informationen gelangen könne, ob die Namen
der Opfer des Massakers im Abou- Salim-Gefängnis von Ende Juni
1996 inzwischen bekannt seien und der Bruder des Beschwerdefüh-
rers allenfalls zu den Opfern zähle, und ob es zutreffe, dass die Ange-
hörigen der Opfer des Massakers im Juli 2002 über deren Tod infor-
miert worden seien. Die drei letzten Fragen stellte der Instruktionsrich-
ter mit Schreiben vom selben Tag auch AI.
K.b Mit Schreiben vom 11. Januar 2005 hielt AI fest, die Organisation
verfüge über keine Informationen zum Bruder des Beschwerdeführers.
Dies bedeute allerdings nicht, dass dieser nicht verhaftet worden sein
könnte, sondern nur, dass AI nicht darüber informiert worden sei. Dies
wäre angesichts der schlechten und undurchsichtigen Informationspo-
litik der libyschen Behörden nicht weiter erstaunlich. Gemäss aktuel-
lem Wissensstand der Organisation gäbe es keine Liste der Opfer des
Massakers von Abou Salim. Zwar verfüge die Organisation „Human
Rights Solidarity“ über eine Liste von 96 Gefangenen, welche in der
Haft gestorben seien; die jeweilige Todesursache sei jedoch unklar und
es handle sich um Gefangene, deren Angehörige informiert worden
seien. Insgesamt sage die Tatsache, dass AI über keine konkreten An-
gaben zum Bruder des Beschwerdeführers verfüge, nichts über den
Wahrheitsgehalt der im konkreten Fall gemachten Angaben aus. Zu-
sammen mit dieser Stellungnahme gab AI ihre Position zu Wegweisun-
gen von Asylsuchenden nach Libyen vom November 2004 zu den Ak-
ten und hielt fest, in Widerspruch zur Feststellung in verschiedenen
Seite 11
E-7028/2006
ARK-Entscheiden seien AI Fälle bekannt, wo aus europäischen Staa-
ten ausgewiesene Libyer bei der Rückschaffung in ihr Heimatland fest-
genommen worden seien.
K.c In seinem Schreiben vom 21. Juni 2005 hielt das UNHCR fest, der
Beschwerdeführer sei im März 1999 aus Syrien in die Türkei eingereist
und im Juni 1999 durch die Vertretung von UNHCR in der Türkei zu
seinen Fluchtgründen befragt worden. Er habe geltend gemacht, wäh-
rend seiner Studienzeit (1988 bis 1991) aufgrund seiner fehlenden
Teilnahme an durch den Staat organisierten Treffen für Studenten
mehrmals verhört und misshandelt worden zu sein. Er habe daraufhin
bis 1997 Islamisches Recht in Saudi-Arabien studiert und sei dann ille-
gal (über Malaysia) nach Syrien gelangt, wo er sich etwa ein Jahr auf-
gehalten habe. Nach Aussagen des Beschwerdeführers sei sein Bru-
der E._______ im Jahre 1996 in Libyen aufgrund seiner regimegeg-
nerischen Ansichten verhaftet worden. Zum Zeitpunkt der Befragung
habe sich der Bruder im Gefängnis befunden und der Beschwerdefüh-
rer gehe davon aus, dass sein Bruder sich einer illegalen politischen
Organisation angeschlossen habe. Im April 2000 sei das Gesuch
durch die UNHCR-Vertretung in Ankara abgelehnt worden. Aus dem
Dossier gehe jedoch hervor, dass die Möglichkeit einer Unterstellung
von regimegegnerischen Ansichten durch die libyschen Behörden auf-
grund der Verhaftung seines Bruders E._______ im Jahr 1996 sowie
seines Auslandaufenthalts und Asylantrags nicht geprüft worden sei.
Der Beschwerdeführer habe Widerspruch eingelegt, sei jedoch zum
zweiten Befragungstermin nicht erschienen. Gegenstand dieser
Befragung wäre die weitere Prüfung einer begründeten Furcht vor Ver-
folgung, u.a. aufgrund der geltend gemachten Verhaftung seines Bru-
ders, gewesen. Zu den anderen von der ARK aufgeworfenen Fragen
könne UNHCR aus verschiedenen Gründen nicht Stellung nehmen.
K.d Mit Verfügung vom 12. Juli 2005 liess der Instruktionsrichter dem
Beschwerdeführer das Schreiben des UNHCR vom 21. Juni 2005 zur
Kenntnisnahme zukommen und gab ihm Gelegenheit, sich zu den dar-
in enthaltenen Feststellungen zu äussern.
K.e Mit Eingabe vom 29. Juli 2005 führte der Beschwerdeführer aus,
die türkische Polizei habe ihm noch vor der ersten Befragung durch
das UNHCR mitgeteilt, dass er das Land verlassen müsse. Als der
UNHCR-Vertreter anlässlich der ersten Befragung davon erfahren
habe, sei die Befragung auf eine Dauer von 25 Minuten verkürzt wor-
Seite 12
E-7028/2006
den und das Asylgesuch des Beschwerdeführers sei gestützt auf diese
Kurzbefragung abgelehnt worden. Die Möglichkeit einer Unterstellung
von regimegegnerischen Ansichten aufgrund der Verhaftung seines
Bruders sowie seines Asylaufenthaltes und -antrages sei nicht geprüft
worden. Zwar habe der Beschwerdeführer Widerspruch eingelegt. Die
vom UNHCR erwähnte Einladung zu einem zweiten Befragungstermin
habe er jedoch nie erhalten. Er habe vielmehr auf Weisung der türki-
schen Behörden das Land verlassen müssen.
L.
L.a Am 16. März 2005 lud die ARK die Vorinstanz ein, zum allfälligen
Vorliegen eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalles im Sinne
des damals geltenden Asylgesetzes Stellung zu nehmen.
L.b Mit Vernehmlassung vom 6. Mai 2005 erachtete das BFM eine
schwerwiegende persönliche Notlage in Bezug auf den Beschwerde-
führer nicht als gegeben. Insbesondere genügten der fünfmonatige
Deutschkurs und der ebenfalls fünfmonatige Kurs in der Hotellerie
nicht zur Annahme einer besonders engen Beziehung zur Schweiz im
Sinne der anzuwendenden Bestimmungen.
L.c Mit Zwischenverfügung vom 12. Mai 2005 gab der Instruktionsrich-
ter dem Beschwerdeführer Kenntnis von der Vernehmlassung und dem
entsprechenden Antrag des Migrationsamt des Kantons Aargau und
gewährte ihm das rechtliche Gehör.
L.d Mit Replik vom 2. Juni 2005 liess der Beschwerdeführer insbeson-
dere festhalten, dass er trotz seiner guten Ausbildung noch keine Ar-
beitsstelle gefunden habe sei nicht ihm anzulasten, sondern der
schwierigen Arbeitsmarktsituation betreffend Asylsuchende. Insgesamt
sei er gut in der Schweiz integriert, und ein Vollzug der Wegweisung
würde eine schwerwiegende persönliche Härte im Sinne der gesetzli-
chen Bestimmungen bedeuten. Mit seiner Eingabe reichte er verschie-
dene Beweismittel, insbesondere betreffend seine Bemühungen zur
Integration in der Schweiz ein.
M.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2007 teilte der zuständige Instruktionsrichter
dem Beschwerdeführer mit, das Beschwerdeverfahren sei per 1. Januar
2007 vom Bundesverwaltungsgericht übernommen worden.
Seite 13
E-7028/2006
N.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2007 und vom 29. Januar 2008 beantwor-
tete der Instruktionsrichter des Bundesverwaltungsgerichtes Anfragen
des Beschwerdeführers vom 20. Juni 2007 beziehungsweise vom 18.
Januar 2008 zum Verfahrensstand.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsge-
richt Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgeset-
zes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG,
SR 172.021). Das BFM (vormals BFF) gehört zu den Behörden nach
Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsge-
richts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art.
32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zu-
ständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und ent-
scheidet in diesem Bereich endgültig (Art. 105 des Asylgesetzes vom
26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesge-
richtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Das Bundesverwaltungsgericht hat am 1. Januar 2007 die Beurtei-
lung der bei der ARK hängigen Rechtsmittel übernommen. Das neue
Verfahrensrecht ist anwendbar (vgl. Art. 53 Abs. 2 VGG). Das Verfah-
ren richtet sich nach dem VwVG und dem BGG, soweit das Asylgesetz
nichts anderes bestimmt (Art. 6 AsylG).
1.3 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht (Art. 50 und
52 VwVG). Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz
teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders be-
rührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung bezie-
hungsweise Änderung, womit er zur Einreichung der Beschwerde legi-
timiert ist (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
Seite 14
E-7028/2006
3.
3.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen
grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person aner-
kannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt
wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu ei-
ner bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen An-
schauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete
Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte
Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder Frei-
heit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck
bewirken (Art. 3 AsylG).
3.2 Nach Lehre und Rechtsprechung erfüllt eine asylsuchende Person
die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG, wenn sie Nach-
teile von bestimmter Intensität mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und
in absehbarer Zukunft begründeterweise befürchten muss, welche ihr
gezielt und aufgrund bestimmter Verfolgungsmotive zugefügt zu wer-
den drohen und vor denen sie keinen ausreichenden staatlichen
Schutz erwarten kann (vgl. BVGE 2007/31 E. 5.2 f. und 2008/4 E. 5 so-
wie die vom Bundesverwaltungsgericht fortgeführte Rechtsprechung
der ARK in Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen
Asylrekurskommission [EMARK] 1995 Nr. 2 E. 3a, 2006 Nr. 18 E. 7-10
und Nr. 32 E. 8.7).
3.3 Massgeblich für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft nach
Art. 3 AsylG ist nicht die Situation im Zeitpunkt der Ausreise, sondern
die Situation im Zeitpunkt des Asylentscheides, wobei allerdings erlit-
tene Verfolgung oder begründete Furcht vor Verfolgung im Zeitpunkt
der Ausreise Hinweis auf weiterbestehende Gefährdung sein kann
(BVGE 2008/4 E.5.4 mit weiteren Hinweisen).
Eine asylsuchende Person ist aber auch dann als Flüchtling anzuer-
kennen, wenn sie erst aufgrund von Ereignissen nach ihrer Ausreise
im Falle einer Rückkehr in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat in flücht-
lingsrechtlich relevanter Weise verfolgt würde. Zu unterscheiden ist da-
bei zwischen objektiven und subjektiven Nachfluchtgründen. Objektive
Nachfluchtgründe liegen vor, wenn äussere Umstände, auf welche die
asylsuchende Person keinen Einfluss nehmen konnte, zur drohenden
Verfolgung führen; der von einer Verfolgung bedrohten Person ist in
solchen Fällen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und Asyl zu
gewähren. Subjektive Nachfluchtgründe sind gemäss Art. 54 AsylG
Seite 15
E-7028/2006
dann anzunehmen, wenn eine asylsuchende Person erst durch die un-
erlaubte Ausreise aus dem Heimat- oder Herkunftsstaat oder wegen
ihres Verhaltens nach der Ausreise eine Verfolgung im Sinne von Art. 3
AsylG zu befürchten hat. Als subjektive Nachfluchtgründe können ins-
besondere ein illegales Verlassen des Heimatstaates (sog. Republik-
flucht) oder die Einreichung eines Asylgesuchs im Ausland sowie eine
politische Betätigung im Exil darstellen, sofern sie die Gefahr einer zu-
künftigen Verfolgung begründen. Personen mit subjektiven Nachflucht-
gründen erhalten zwar kein Asyl, werden jedoch als Flüchtlinge vorläu-
fig aufgenommen. Eine Person, die sich darauf beruft, dass durch ihr
Verhalten nach der Ausreise aus dem Heimat- oder Herkunftsstaat -
insbesondere durch politische Exilaktivitäten - eine Gefährdungssitua-
tion erst geschaffen worden ist, hat begründeten Anlass zur Furcht vor
künftiger Verfolgung, wenn davon auszugehen ist, sie würde aufgrund
dieser im Heimat- oder Herkunftsstaat bekannt gewordenen Aktivitäten
bei einer Rückkehr mit erheblicher Wahrscheinlichkeit in flüchtlings-
rechtlich relevanter Weise verfolgt (vgl. EMARK 2006 Nr. 1 E. 6.1 S. 10;
2000 Nr. 16 E. 5A S. 141 f.). Die vom Gesetzgeber bezweckte Bestim-
mung subjektiver Nachfluchtgründe als Asylausschlussgrund verbietet
ein Addieren solcher Gründe mit Fluchtgründen vor der Ausreise aus
dem Heimat- oder Herkunftsstaat, die für sich allein nicht zur Anerken-
nung der Flüchtlingseigenschaft ausreichen (vgl. EMARK 1995 Nr. 7 E.
7b und 8).
4.
4.1 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachwei-
sen oder zumindest glaubhaft machen. Sie ist glaubhaft gemacht, wenn
die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in
wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich
sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälsch-
te oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
4.2 Grundsätzlich sind Vorbringen dann glaubhaft, wenn sie genügend
substanziiert, in sich schlüssig und plausibel sind; sie dürfen sich nicht
in vagen Schilderungen erschöpfen, in wesentlichen Punkten nicht wi-
dersprüchlich sein oder der inneren Logik entbehren und auch nicht
den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung widersprechen. Darü-
ber hinaus muss die asylsuchende Person persönlich glaubwürdig er-
scheinen, was insbesondere dann nicht der Fall ist, wenn sie ihre Vor-
bringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abstützt, aber
Seite 16
E-7028/2006
auch dann, wenn sie wichtige Tatsachen unterdrückt oder bewusst
falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens Vorbringen auswechselt oder
unbegründet nachschiebt, mangelndes Interesse am Verfahren zeigt
oder die nötige Mitwirkung verweigert. Glaubhaftmachung bedeutet
ferner - im Gegensatze zum strikten Beweis - ein reduziertes Beweis-
mass und lässt durchaus Raum für gewisse Einwände und Zweifel an
den Vorbringen des Gesuchstellers. Eine Behauptung gilt bereits als
glaubhaft gemacht, wenn der Richter von ihrer Wahrheit nicht völlig
überzeugt ist, sie aber überwiegend für wahr hält, obwohl nicht alle
Zweifel beseitigt sind. Für die Glaubhaftmachung reicht es demgegen-
über nicht aus, wenn der Inhalt der Vorbringen zwar möglich ist, aber
in Würdigung der gesamten Aspekte wesentliche und überwiegende
Umstände gegen die vorgebrachte Sachverhaltsdarstellung sprechen.
Entscheidend ist im Sinne einer Gesamtwürdigung, ob die Gründe, die
für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen
oder nicht; dabei ist auf eine objektivierte Sichtweise abzustellen (vgl.
die zutreffende Rechtsprechung der ARK in EMARK 2005 Nr. 21 E. 6.1
mit weiteren Hinweisen).
5.
5.1 Was die Ereignisse vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus
Libyen betrifft, so geht das Bundesamt in tatsächlicher Hinsicht davon
aus, er habe freundschaftliche Beziehungen zu Leuten mit Verbindun-
gen zur „Jabhat Inakaz Watania“-Gruppierung gepflegt und sei deswe-
gen während seiner Studienzeit fünf bis sechs Mal von Sicherheitsleu-
ten verhört worden. Nach seiner Distanzierung vom Umfeld dieser
Gruppierung habe er sich islamistisch ausgerichteten Oppositions-
gruppierungen zugewandt, sei jedoch keiner solchen Bewegung beige-
treten. Er habe sich aber mit Mitgliedern getroffen und sie hätten über
die Grundsätze des Islams und über den Umgang der libyschen Re-
gierung mit dem Islam gesprochen. Im Januar 1992 sei er deswegen
an der Universität von Angehörigen des Sicherheitsdienstes festge-
nommen, an einen unbekannten Ort gebracht und verhört worden, wo-
bei er nach seinen Kontakten zu Islamisten gefragt worden sei. Nach
vier bis fünf Stunden sei er freigelassen worden, weil die Behörden
kein belastendes Material gefunden hätten. Er habe sich aber schrift-
lich verpflichten müssen, keine Kontakte zu Personen zu pflegen, wel-
che den Behörden verdächtig schienen. Nach seiner Freilassung habe
er sich versteckt.
Seite 17
E-7028/2006
5.1.1 Zu Recht qualifiziert das BFF diese geltend gemachten Eingriffe
als nicht asylrelevant, weil es ihnen an Intensität mangle, um als ernst-
hafte Nachteile im Sinne von Art. 3 AsylG gelten zu können (vgl. die
heute noch geltende Rechtsprechung der ARK in EMARK 2005 Nr. 17
E. 6.2, 2000 Nr. 17 E. 11b). Auf Beschwerdestufe führt der Rekurrent
aus, aufgrund der erlittenen Nachteile und vor dem Hintergrund liby-
scher Verhältnisse sei er in seinem Heimatstaat einem unerträglichen
psychischen Druck im Sinne von Art. 3 Abs. 2 AsylG ausgesetzt gewe-
sen. Zwar sollen mit dem Begriff des unerträglichen psychischen
Drucks auch staatliche Massnahmen erfasst werden, die sich nicht un-
mittelbar gegen die Rechtsgüter Leib, Leben oder Freiheit richten. Aus-
gangspunkt, um einen unerträglichen psychischen Druck bejahen zu
können, stellen in der Regel konkrete staatliche Eingriffe dar, die effek-
tiv stattgefunden haben. Vorliegend vermögen aber die vom Beschwer-
deführer geschilderten Massnahmen auch in einer Gesamtwürdigung
nicht zur Annahme zu führen, sie hätten ihm ein menschenwürdiges
Leben in Libyen verunmöglicht, wie dies zur Annahme eines unerträg-
lichen psychischen Druckes erforderlich wäre. Denn die staatlichen
Verfolgungsmassnahmen müssten in einer objektivierten Betrachtung
als derart intensiv erscheinen, dass dem Beschwerdeführer ein weite-
rer Verbleib in ihrem Heimatstaat objektiv nicht mehr zugemutet wer-
den könnte; ausschlaggebend ist mit anderen Worten nicht, wie die
betroffene Person die Situation subjektiv erlebt hat, sondern ob auf-
grund der tatsächlichen Situation für Aussenstehende nachvollziehbar
ist, dass der psychische Druck unerträglich geworden ist (vgl. EMARK
2005 Nr. 21 E. 10.3.1, 1996 Nr. 30, E. 4d mit weiteren Hinweisen). Dies
ist offensichtlich vorliegend nicht der Fall, selbst wenn das Gericht
nicht davon ausgeht, die aussenpolitische Öffnung Libyens im Verlaufe
der letzten Jahre habe auch innenpolitisch, im Speziellen in Bezug auf
die prekäre Menschenrechtslage, eine entscheidende Verbesserung
bewirkt (vgl. dazu unten E. 8.2.2). Schliesslich lassen die Umstände
vermuten, bei der Ausreise des Beschwerdeführers aus Libyen seien
weniger die nun geltend gemachten Asylgründe im Vordergrund ge-
standen als vielmehr das geplante Studium in Saudi-Arabien. Solche
Umstände sieht das Gericht etwa darin, dass der Beschwerdeführer
bereits einige Zeit vor seiner Ausreise mit Personen aus Saudi-Arabien
Kontakt gehabt habe, welche ihm offenbar zu einem Visum zwecks
Studienaufenthalt dort verholfen haben, und dass er - trotz seiner gel-
tend gemachten Angst vor einer Festnahme - Libyen mit seinen eige-
nen, echten Papieren verlassen hat. Diesbezüglich ist im Übrigen er-
wähnenswert, dass der Beschwerdeführer anerkanntermassen noch
Seite 18
E-7028/2006
im Juli 1991 das Dokument hat behördlich verlängern lassen (Stempel
auf Seite 4 des Passes).
5.1.2 Zwar hat das BFF angesichts der festgestellten mangelnden
Asylrelevanz ausdrücklich darauf verzichtet, auf allfällige Unglaubhaf-
tigkeitselemente in den Vorbringen des Beschwerdeführers einzuge-
hen. Ergänzend kann hier immerhin festgehalten werden, dass an der
Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht unerhebliche Zweifel
bestehen, welche sich gerade auch aus Aussagen zu den geltend ge-
machten Ereignissen in Libyen vor seiner Ausreise ergeben. So hatte
der Beschwerdeführer etwa anlässlich der summarischen Befragung
eine einzige Untersuchung, nämlich diejenige durch das Revolutions-
kommittee beziehungsweise den Geheimdienst, erwähnt. Er hatte an-
gegeben, sie habe zwischen dem 1. und 5. Januar 1992 stattgefunden.
Bis zu seiner Ausreise einen Monat später habe er keine Probleme
mehr gehabt und - was auffällt - vorher auch nicht (A1/4 f.). Weder er-
wähnt er im Zusammenhang mit der Anhaltung im Januar 1992, wie er
dies später tut, dass er in einem Auto vom Universitätsgelände an ei-
nen unbekannten Ort gebracht worden sei, wo das Verhör stattgefun-
den habe, noch verliert er ein Wort zu den später geltend gemachten
fünf- bis sechsmaligen Befragungen durch den Sicherheitsdienst der
Universität. Die Zweifel werden genährt durch die Auskunft des
UNHCR vom 21. Juni 2005. Die Organisation führt darin aus, der
Beschwerdeführer habe zu seinen Asylgründen in der Türkei geltend
gemacht, er sei während seiner Studienzeit (1988 - 1991) aufgrund
seiner fehlenden Teilnahme an durch den Staat organisierten Treffen
für Studenten mehrmals verhört und misshandelt worden. In seiner
Stellungnahme vom 29. Juli 2005 verzichtet der Beschwerdeführer
darauf, sich zu den vom UNHCR genannten, seinen eigenen Angaben
krass widersprechenden Asylgründen zu äussern.
5.1.3 Zusammenfassend ist im Sinne eines Zwischenergebnisses fest-
zuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht zwar erhebliche Zweifel
an der Glaubhaftigkeit der vom Beschwerdeführer vorgebrachten, in
Libyen erlittenen Benachteiligungen und schon deswegen der - daraus
abgeleiten - Suche der libyschen Behörden nach ihm im Zeitpunkt sei-
ner Ausreise aus seinem Heimatstaat hegt. Für einen Entscheid in der
vorliegenden Sache kann allerdings die Glaubhaftigkeit dahingestellt
bleiben, weil das BFF ungeachtet davon zu Recht zum Schluss ge-
kommen ist, die geltend gemachten Benachteiligungen seien weder im
Einzelnen noch in einer Gesamtbetrachtung asylrelevant. Es ist mithin
Seite 19
E-7028/2006
nicht davon auszugehen, der Beschwerdeführer sei deswegen im
Zeitpunkt der Ausreise von den libyschen Behörden gesucht worden,
zumal dem Beschwerdeführer laut seinen Angaben nichts habe
nachgewiesen werden können und die Befragungen keine weiteren
Konsequenzen gehabt hätten. Zudem hätten die Massnahmen nicht
den Beschwerdeführer im Besonderen betroffen, sondern es habe sich
um allgemeine Untersuchungen an der Universität gehandelt (A1/4 f.,
A17/7 ff.).
5.1.4 Das Gericht geht des Weiteren mit der Vorinstanz darin einig,
dass der Umstand der legalen Ausreise gegen eine Suche der liby-
schen Behörde nach dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Ausreise
spricht, will er doch mit seinen gültigen Papieren Libyen auf dem Luft-
weg verlassen haben. Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrschein-
lichkeit anzunehmen, dass ihm dies angesichts der rigorosen und
mehrfachen Sicherheitskontrollen am Flughafen nicht gelungen wäre,
hätten ihn die libyschen Behörden tatsächlich im Visier gehabt, zumal
im Zeitpunkt seiner Ausreise das Wirtschaftsembargo in Kraft, und das
Personenaufkommen am Flughafen entsprechend überschaubar, war.
Das nicht näher konkretisierte und einzig anlässlich der kantonalen
Anhörung vorgebrachte Argument, er habe Personen am Flughafen
gekannt, welche ihm die Ausreise erleichtert hätten, vermag an dieser
Einschätzung nichts zu ändern.
5.1.5 Des Weiteren ist aus der im Jahre 1995 erfolgten Passverlänge-
rung (Stempel auf Seite 5 des Passes und handschriftlicher Eintrag
des neuen Gültigkeitsdatum auf Seite 47) zu folgern, dass der Be-
schwerdeführer jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt von den libyschen
Behörde auch nicht gesucht wurde. Der Einwand, die Passverlänge-
rung im Jahre 1995 sei nicht auf legalem Weg erfolgt, vermag nichts
zu bewirken. Vorab fällt auf, dass dieser Einwand erstmals auf Be-
schwerdestufe und dort erst im Rahmen der Replik vom 13. Dezember
2002 gemacht wurde, also erst nachdem das BFF das Argument der
legalen Ausreise und späteren Passverlängerung als gewichtigen
Punkt, welcher gegen eine asylrelevante Gefährdung des Beschwer-
deführers spreche, erneut hervorgehoben hatte. Demgegenüber hatte
der Beschwerdeführer anlässlich der summarischen Befragung ange-
geben, dies sei sein erster und einziger Pass, er sei echt, er sei am
12. August 1986 ausgestellt worden und er sei bis am 9. August 1998
gültig. Auf die Frage, weshalb er ihn nicht nochmals habe verlängern
lassen, hatte er nur angegeben, diese Pässe seien in Libyen nicht
Seite 20
E-7028/2006
mehr im Umlauf, es gäbe neue (A1/3). Auch anlässlich der kantonalen
Anhörung hatte er mit keiner Silbe erwähnt, die Verlängerung aus dem
Jahre 1995 sei gefälscht, sondern nur, dass sein Pass abgelaufen sei
und er Angst habe, zwecks Verlängerung die libyschen Behörden auf-
zusuchen (A17/4). Dass er sich dabei, wie in der Replik vom 13. De-
zember 2002 dargestellt wird, auf die Verlängerung von 1991 bezogen
haben sollte, findet im Protokoll keinen Niederschlag und ist unglaub-
haft. Auch in der Beschwerdeeingabe reagierte er, wie erwähnt, noch
nicht mit dem Einwand der Fälschung, obwohl die Vorinstanz diesen
Umstand in ihrer Verfügung argumentativ verwendet hat. Die Überprü-
fung des Papiers durch das Urkundenlabor der Kantonspolizei Zürich
ergab hinsichtlich des Dokumentes keine objektiven Fälschungshin-
weise. Hinsichtlich der Verlängerungsstempel konnte das Labor keine
Inhaltsveränderungen feststellen, selbst wenn es darauf hinwies, dass
diesbezüglich kein schlüssiger Befund abgeleitet werden könne, da es
nicht hinreichende Kenntnisse über die Ausstellungsmodalitäten habe
und zudem über keine verbürgten authentischen Vergleichsstempelab-
drücke verfüge. Nach dem Gesagten sprechen gewichtige Indizien für
die Echtheit der im Jahre 1995 erfolgten Verlängerung, und der nach-
geschobene Einwand der Fälschung ist als unglaubhaft zu qualifizie-
ren.
5.1.6 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, dass er in Libyen
zur Zeit seiner Ausreise gesucht worden sei, lasse sich bereits daraus
ableiten, dass seine Freunde alle inhaftiert worden und verschwunden
seien; wäre er selbst nicht ausgereist, wäre es ihm ebenso ergangen.
Zwar nennt der Beschwerdeführer drei Namen seiner Freunde, belegt
aber in keiner Weise seine Behauptung. Zudem seien diese im Monat
vor seiner Ausreise - genauer: im Dezember 1991 - verhaftet worden
(A1/7). Wäre der Beschwerdeführer in irgendeiner Weise im Zusam-
menhang mit ihnen verdächtigt worden, wäre seine Festnahme von
Anfang Januar 1992 naheliegenderweise nicht ohne Folgen geblieben
und eine legale Ausreise im Februar 1992 kaum denkbar gewesen.
5.1.7 Soweit der Beschwerdeführer schliesslich geltend macht, die
Suche nach ihm sei auch deswegen hinreichend dargetan, weil sein
Bruder schliesslich an seiner Stelle als Geisel in Haft genommen wor-
den sei, ist zwar festzustellen, dass eine Überprüfung der vorinstanzli-
chen Verfügung in formeller Hinsicht diesbezüglich einen Mangel er-
gibt. Wohl hat das BFF dieses Vorbringen im Sachverhalt aufgenom-
men, jedoch vermag es mit dem allgemeinen Hinweis in den Erwägun-
Seite 21
E-7028/2006
gen, dass den Akten somit keine Hinweise zu entnehmen seien, die
auf eine wahrscheinliche zukünftige asylrelevante staatliche Verfol-
gung schliessen liessen, der Begründungspflicht diesbezüglich kaum
zu genügen. Immerhin hat die Vorinstanz auf Vernehmlassungsstufe,
wenn auch da wiederum äusserst knapp, zu erkennen gegeben, dass
sie das Vorbringen des Beschwerdeführers, sein Bruder sei seinetwe-
gen als Geisel verhaftet worden, nicht als glaubhaft erachtet. Sie hat
nämlich festgehalten, die vorgebrachten objektiven und subjektiven
Nachfluchtgründe - wobei das Vorbringen der Verhaftung seines Bru-
ders am 17. September 1995 als objektiver Nachfluchtgrund zu qualifi-
zieren ist - erschienen vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdefüh-
rer habe legal ausreisen können und sein Pass im Jahre 1995 verlän-
gert worden sei, konstruiert und nicht stichhaltig. Indem der Beschwer-
deführer zur Vernehmlassung ebenso hat Stellung nehmen können wie
zum bereits erwähnten Bericht des UNHCR (vgl. oben E. 5.1.2), worin
- in völligem Widerspruch zu den vom Beschwerdeführer im schweize-
rischen Asylverfahren geltend gemachten diesbezüglichen Vorbringen
- festgehalten wird, nach Aussagen des Beschwerdeführers anlässlich
seines Asylverfahrens in der Türkei sei sein Bruder E._______ im
Jahre 1996 in Libyen aufgrund seiner regimegegnerischen Ansichten
verhaftet worden, wobei er, der Beschwerdeführer, davon ausgehe,
sein Bruder habe sich einer illegalen politischen Organisation ange-
schlossen, darf dieser Mangel jedoch als geheilt zu betrachtet werden.
Ergänzend kann festgehalten werden, dass im Zusammenhang mit der
geltend gemachten Verhaftung seines Bruders weitere Unstimmigkei-
ten auffallen. So ist etwa im libyschen Kontext nicht nachvollziehbar,
warum die Sicherheitsbehörden den Aufwand betrieben hätten, in Ko-
operation mit der Lehranstalt den Bruder des Beschwerdeführers
durch die Prüfung fallen zu lassen, nur damit sie ihn anlässlich seines
Erscheinens zur Nachprüfung hätten festnehmen können, wie dies der
Vater des Beschwerdeführers in seinem Bestätigungsschreiben dar-
legt. Eigenartig wirkt auch die klare - und nicht etwa als Vermutung for-
mulierte - Aussage des Beschwerdeführers anlässlich der ersten Be-
fragung, auf die Frage, wo sein Bruder seit dem 17. September 1995
in Haft sei. Seine Antwort lautete ohne Umschweife: „In Tripolis Bou
Slim“ (A1/7). Ansonsten gab er, ebenso wie sein Vater in seiner Bestä-
tigung, stets an, seit seiner Verhaftung hätten sie keinerlei Informatio-
nen über ihn beziehungsweise er sei verhaftet worden, verschwunden
und mutmasslich ermordet worden; jedenfalls fehle seit seiner Verhaf-
tung jede Spur von ihm (A17/14, Beschwerdeeingabe, S. 3 f.). Aus
dem selben Grunde unstimmig wirkt denn auch die Aussage, sein Bru-
Seite 22
E-7028/2006
der sei als Geisel an seiner Stelle in Haft genommen worden, wird
doch nirgends klar, woraus der Beschwerdeführer dies ableitet, wobei
er sich diesbezüglich, wie erwähnt, im Asylverfahren in der Türkei of-
fenbar anders geäussert hat. Schliesslich ist nicht erkennbar, weshalb
die libyschen Behörden den Bruder des Beschwerdeführers erst drei
Jahre nach dessen Ausreise hätten als Geisel nehmen sollen, wenn er
doch angeblich bereits im Zeitpunkt der Ausreise verdächtigt wurde.
5.1.8 Auch mit den anderen zu den Akten gereichten Beweismitteln
vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun, dass er in asylrelevanter
Weise bereits bei seiner Ausreise aus Libyen gesucht worden sei. Ins-
besondere vermag er mit den Schreiben der LLHR vom 23. Oktober
2002 und vom 6. Januar 2005 nichts zu seinen Gunsten zu bewirken,
zumal nicht in überzeugender Weise dargetan wird, weshalb die dort
erwähnte Liste, worauf der Beschwerdeführer angeblich seit Jahren
als von den libyschen Behörden gesuchte Person figurieren solle, al-
lenfalls unter Abdeckung anderer Namen, nicht dem Gericht vorgelegt
werden kann.
5.2 Für die Zeit nach seiner Ausreise aus Libyen macht der Beschwer-
deführer geltend, aus dem Umstand, dass er in Saudi-Arabien das is-
lamische Rechtssystem studiert habe, der Tatsache, dass sein Bruder
und seine Freunde verhaftet worden seien und schliesslich seiner Aus-
reise aus Libyen resultiere eine asylrechtlich relevante Gefährdung.
5.2.1 Auch aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer in Saudi-
Arabien möglicherweise ein Scharia-Studium absolviert und abge-
schlossen haben mag (Unterlagen über das Studium und Abschluss-
dokumente wurden allerdings keine eingereicht und als Ort des Studi-
ums wird von ihm einmal Medina und einmal Mekka gesagt) und sich
dort mit Islamisten unterhalten habe, vermag er jedoch keine asyl-
rechtlich relevante Gefährdung seitens seines Heimatstaates abzulei-
ten. Bezeichnenderweise führt er das Interesse der saudi-arabischen
Behörden an seiner Ausweisung aus Saudi-Arabien zunächst auf de-
ren eigene Auffassung zurück, wonach er nicht als Agent tauge und
deswegen Saudi-Arabien nach seinem Studium sofort zu verlassen
habe (A1/5). Anlässlich der kantonalen Anhörung soll das im dritten
Jahr seines Studiums stattgefundene Gespräch auf Wunsch der liby-
schen Behörden stattgefunden haben, wobei auch der Grund, dass er
nach dem Studium Saudi-Arabien verlassen müsse, im entsprechen-
den Wunsch der libyschen Behörden liege (A17/13). Am - so oder an-
Seite 23
E-7028/2006
ders begründeten - ernsthaften Interesse der saudi-arabischen Behör-
den am Verlassen des Landes kommen schliesslich auch deshalb
Zweifel auf, weil der Beschwerdeführer nach Abschluss seines Studi-
ums offenbar noch mehrere Monate in Saudi-Arabien unbehelligt ge-
lebt hat, wobei ihm die Behörden schliesslich sogar bei der Ausreise
nach Syrien behilflich gewesen seien. Wenn der Beschwerdeführer
ausserdem in seiner Rechtsmitteleingabe geltend macht, seine
Kontakte in Saudi-Arabien seien den Spitzeln Libyens nicht verborgen
geblieben, müsste auch davon auszugehen sein, diese hätten
erfahren, dass der Beschwerdeführer eine von den Islamisten
entscheidend abweichende Meinung vertreten habe - er habe sich
nämlich vom Wahabitentum und dem Islamismus distanziert und sich
für Demokratie und Laizismus eingesetzt - und angeblich deswegen
auch von den saudi-arabischen Behörden nur bis zum Abschluss
seines Studiums im Lande geduldet worden sei. Schliesslich kann
erneut auf die im Juli des Jahres 1995, und somit fast zwei Jahre nach
Aufnahme des Studiums in Mekka oder Medina, legal erfolgte
Passverlängerung verwiesen werden.
Zusammenfassend vermag es der Beschwerdeführer auch nicht, aus
seinem Studium in Medina oder Mekka eine asylrechtlich relevante
Gefährdung abzuleiten, sei dies nun für sich alleine oder in Mitberück-
sichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer möglicherwei-
se vor seiner Ausreise mehrmals zu seinen Verbindungen zu politi-
schen und islamistischen Oppositionsbewegungen befragt worden ist.
5.2.2 Aus der geltend gemachten Verhaftung seiner Freunde leitet der
Beschwerdeführer nur insofern etwas ab, als er davon ausgeht, ihm
hätte dasselbe früher oder später passieren können, wäre er nicht
ausgereist (vgl. A1/7, A17/11). Diesbezüglich ist ihm aber das unter E.
5.1.6 Gesagte entgegenzuhalten. Bezeichnenderweise erwähnt der
Beschwerdeführer die behauptete Verhaftung seiner Freunde im Zu-
sammenhang mit den auf Beschwerdestufe geltend gemachten objek-
tiven Nachfluchtgründen nicht mehr.
5.2.3 Soweit der Beschwerdeführer aus der Verhaftung seines Bruders
eine ihn selbst treffende Gefährdung ableitet kann zunächst auf das
unter E. 5.1.7 Gesagte verwiesen werden, wo das Gericht zum
Schluss gekommen ist, die diesbezüglichen Vorbringen des Beschwer-
deführers seien nicht glaubhaft. Den als Gefälligkeitsschreiben zu
qualifizierenden Schreiben des Onkels und des Vaters des Beschwer-
Seite 24
E-7028/2006
deführers vermag aus naheliegenden Gründen kaum Beweiswert zu-
zukommen. Aber selbst wenn davon ausgegangen wird, sein Bruder
sei tatsächlich verhaftet worden, bleibt zufolge der widersprüchlichen
Schilderung unklar, was der Grund seiner Verhaftung war und wann
diese erfolgte. Demzufolge vermag der Beschwerdeführer aus einer
allfälligen Haft seines Bruders nichts zu seinen Gunsten abzuleiten.
Vor diesem Hintergrund vermag auch das nicht weiter konkretisierte
Vorbringen, inzwischen werde sein anderer Bruder Ali von den liby-
schen Behörden belästigt, nichts zu bewirken (A17/6).
5.2.4 Aus der Ausreise für sich alleine ergibt sich ebenfalls keine
flüchtlingsrechtlich relevante Gefährdung des Beschwerdeführers,
nachdem das Gericht zum Schluss kommt, er sei legal und mutmass-
lich zu Studienzwecken ausgereist. Gestützt wird diese Einschätzung
erneut durch den Umstand, dass die im Jahre 1995 erfolgte Passver-
längerung mutmasslich auf legale Weise erfolgte. Der Beschwerdefüh-
rer selbst leitet nichts Negatives aus dem Umstand ab, dass er im Zeit-
punkt seiner Ausreise den Militärdienst noch nicht absolviert hatte. Es
ist denn auch nicht davon auszugehen, auf Grund dessen seien ernst-
hafte Nachteile zu befürchten, zumal der Beschwerdeführer laut sei-
nen Angaben vom Militärdienst dispensiert worden sei (A17/5). Auch
sonst sind keine Hinweise dafür erkennbar, dass eine allfällige diesbe-
zügliche Sanktion die Voraussetzungen von Art. 3 AsylG erfüllen wür-
de (vgl. dazu EMARK 2006 Nr. 3 Erw. 4.7 f. mit weiteren Hinweisen).
5.2.5 Was den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Syrien (vom Ja-
nuar oder Februar 1998 bis März 1999) anbelangt, macht der Be-
schwerdeführer abgesehen von seiner Befürchtung, nach Libyen zu-
rückgeschickt zu werden, keine neuen Ereignisse geltend. Die Gefähr-
dung durch eine allfällige Ausweisung begründet er mit den bereits ge-
würdigten Vorbringen. Ebensolches gilt für seinen Aufenthalt in der
Türkei, wo er wiederum mit einer Rückschaffung nach Libyen habe
rechnen müssen. Es erübrigt sich demzufolge, näher auf die Zeitspan-
ne nach der geltend gemachten Ausreise aus Saudi-Arabien und der
Einreise in die Schweiz einzugehen zumal sich diesbezüglich erneut
Unstimmigkeiten ergeben, welche der Beschwerdeführer auch nach
Kenntnisnahme nicht ausräumt. So etwa im Zusammenhang mit dem
zeitlichen Ablauf des Asylverfahrens vor dem UNHCR: Während er im
schweizerischen Asylverfahren angegeben hatte, er habe im März
1999 in Ankara das Asylgesuch gestellt, welches drei Monate später,
im Juni 1999 abgelehnt worden sei (A1/6) führt das UNHCR aus, der
Seite 25
E-7028/2006
Beschwerdeführer sei im Juni 1999 zu seinen Asylgründen befragt und
sein Antrag sei im April 2000 abgelehnt worden. Auch diesbezüglich
verzichtete der Beschwerdeführer in der Stellungnahme vom 29. Juli
2005 auf eine Klärung.
5.3 Damit kann der Sachverhalt wie folgt rekapituliert werden, wobei
bei den zweifelhaften Angaben grundsätzlich von der für den Be-
schwerdeführer günstigeren Version ausgegangen wird:
Er hat an der Universität Fatih in Tripolis Wirtschaft studiert, mit Ange-
hörigen von politischen Oppositionsgruppierungen Diskussionen ge-
führt, Schriften entgegengenommen, gelesen und weitergegeben. In
diesem Zusammenhang ist er mehrmals von den Behörden befragt
worden, wobei ihm nichts nachgewiesen werden konnte und er jeweils
nach wenigen Stunden wieder entgelassen wurde.
Von der politischen Opposition hat er sich dann distanziert und der is-
lamistischen zugewandt; nicht aus religiöser Überzeugung, sondern
weil er ihr zutraute, etwas im Lande zu bewirken. Er war nie Mitglied
einer politischen oder islamistischen Oppositionsgruppierung. Er hat
mit Angehörigen von islamistischen Gruppierungen Diskussionen ge-
führt und mit einem Angestellten der saudi-arabischen Botschaft Kon-
takt gehabt, weswegen er einmal vom libyschen Sicherheitsdienst
während vier bis fünf Stunden befragt und dabei leicht geohrfeigt wur-
de. Bevor man ihn erneut freigelassen hat, musste er ein Papier unter-
zeichnen, worin ihm Haft angedroht wurde, wenn er in Zukunft negativ
auffallen würde. Freunde von ihm sind in Haft genommen worden.
Der Beschwerdeführer war auf Grund seines Studiums vom Militär-
dienst suspendiert und reiste im Februar 1992 legal - nachdem sein
Pass einige Monate zuvor verlängert worden war - nach Saudi-Arabi-
en. Dort hat er im Jahre 1994 in Mekka oder Medina das Studium der
Scharia aufgenommen und im Jahre 1997 beendet. Im Verlaufe des
Studiums hat er sich immer mehr vom Gedankengut der Wahabisten
und Islamisten distanziert und seine Meinung in Diskussionen auch
vertreten. Sein Pass wurde im Jahre 1995 um drei Jahre verlängert.
1996 ist er einmal von den saudi-arabischen Behörden befragt wor-
den, wobei ihm mitgeteilt wurde, er müsse Saudi-Arabien nach Ab-
schluss seines Studiums verlassen.
Die libyschen Behörden haben vom Studium des Beschwerdeführers
in Saudi-Arabien Kenntnis genommen, ebenso von seinen in diesem
Rahmen geführten Diskussionen mit Islamisten. Im Jahr 1995 oder
1996 ist sein Bruder E._______, aus unbekanntem Grund in Libyen
verhaftet worden.
Seite 26
E-7028/2006
Nach seiner Ausreise aus Saudi-Arabien hat sich der Beschwerdefüh-
rer während eines Jahres illegal in Syrien aufgehalten, bevor er von
dort illegal in die Türkei gelangt ist, wo er beim UNHCR ein Asylge-
such eingereicht hat, welches abgewiesen worden ist, woraufhin er in
die Schweiz gelangt ist.
5.4 Im Folgenden verbleibt zu prüfen, ob der Beschwerdeführer ge-
stützt auf den unter E. 5.3 zusammengefassten Sachverhalt begründe-
te Furcht vor künftiger Verfolgung hat. Eine solche Furcht wird nicht
schon begründet durch Vorkommnisse oder Umstände, die sich früher
oder später möglicherweise ereignen könnten, sondern erst, wenn
konkreter Anlass zur Annahme besteht, die Verfolgung werde mit be-
achtlicher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit geschehen.
Eine solchermassen begründete Furcht ist vorliegend nicht anzuneh-
men. Der Beschwerdeführer wurde vor seiner Ausreise aus Libyen
nicht konkret gesucht und es ist nicht davon auszugehen, mit seinem
Aufenthalt und dem allenfalls absolvierten Studium der Scharia in Sau-
di-Arabien sowie den in diesem Zusammenhang geführten Diskussio-
nen mit Islamisten habe der Beschwerdeführer nach seiner Ausreise
ein asylrechtlich relevantes Interesse der libyschen Behörden an ihm
geweckt. Auch mit einer allenfalls Mitte der 90er-Jahre erfolgten Ver-
haftung seines Bruders wäre nicht ein asylrechtlich relevanter objekti-
ver Nachfluchtgrund gesetzt, zumal nicht ersichtlich ist, inwiefern eine
solche mit dem Beschwerdeführer in Zusammenhang stehen sollte.
Insgesamt ist nicht davon auszugehen, der Beschwerdeführer werde
im heutigen Zeitpunkt in Libyen gesucht und hätte mit der erforderli-
chen erheblichen Wahrscheinlichkeit in Libyen ernsthafte Nachteile im
Sinne des Asylgesetzes zu befürchten. Zwar hätte er wohl bei einer
allfälligen Wiedereinreise mit einer eingehenden Befragung zu rech-
nen. Die ARK ist aber in einem Urteil aus dem Jahre 2003 zum
Schluss gekommen, dass abgewiesene Asylbewerber, welche nach Li-
byen zurückkehren, dort nicht allein aufgrund ihres Aufenthaltes im
westlichen Ausland einer systematischen Verfolgung im Sinne von Art.
3 AsylG ausgesetzt sind (vgl. EMARK 2003 Nr. 28). Diese Einschät-
zung erweist sich auch heute noch als grundsätzlich zutreffend. Ge-
mäss Kenntnissen des Gerichts, welche sich vorab auf von AI ausge-
wertete Erfahrungen stützen, werden anlässlich dieser Befragungen
nebst Kontrolle der Personalien des Zurückkehrenden seine Herkunft
und der Zweck seines Auslandaufenthaltes einer Überprüfung unterzo-
gen. Gemäss Einschätzung von AI ist davon auszugehen, dass die li-
Seite 27
E-7028/2006
byschen Behörden bei der Einreise am Flughafen Tripolis feststellen
können, ob die zurückkehrende Person legal oder illegal das Land ver-
lassen hat, wobei das Feststellen einer illegalen Ausreise die Sicher-
heitskräfte zu gezielteren Nachforschungen veranlassen könnte. Es
bestehen offenbar auch Anhaltspunkte dafür, dass dasselbe gilt, wenn
den Behörden bekannt wird, das der Rückkehrer im Ausland ein Asyl-
gesuch gestellt hat. Die Gefahr einer über die intensive Befragung hin-
ausgehenden menschenrechtswidrigen Behandlung wird offenbar
dann erheblich verstärkt, wenn der Zurückkehrende vor seiner Flucht
wegen oppositioneller Aktivitäten inhaftiert oder verdächtigt war und
sich einer Festnahme durch Flucht entzogen hat. Insbesondere schei-
ne eine mutmassliche Zugehörigkeit zu islamistischen Gruppierungen
ein verfolgungsauslösender Umstand zu sein. Wird ein Asylantrag ei-
nes Rückkehrers den libyschen Behörden bekannt, was offenbar trotz
Überprüfung des Rückkehrers nicht zwingend der Fall sein muss,
scheint gemäss dem vom Beschwerdeführer selbst eingereichten Gut-
achten des deutschen Orientinstitutes von Bedeutung zu sein, welche
Überzeugung des Beschwerdeführers dem Antrag zugrunde lag, wobei
das Risiko einer Menschenrechtsverletzung bei einer religiös begrün-
deten Oppositionshaltung wesentlich höher liege als bei einer säkular
begründeten. Schliesslich bestehe zwischen dem Grad des Engage-
ments des Rückkehrers in exiloppositionellen Gruppen und der Schär-
fe allfällig drohender Massnahmen ein Zusammenhang. Nachdem der
Beschwerdeführer vor seiner Ausreise weder aufgrund von oppositio-
nellen Aktivitäten inhaftiert gewesen war, noch sich einer Festnahme
aufgrund eines Verdachtes durch Flucht entzogen hat, sondern viel-
mehr legal ausgereist ist, um in Saudi-Arabien zu studieren, nachdem
er sich dort klar und auch für den nach Beschrieb des Beschwerdefüh-
rers sehr wachsamen libyschen Geheimdienst erkennbar von den Isla-
misten distanziert habe und nachdem er seither aktenkundig weder
mit säkularen noch mit islamistischen Oppositionsgruppierungen in
Verbindung stand beziehungsweise sich diesbezüglich engagierte, ver-
mag er aus dem alleinigen Umstand, dass die libyschen Behörden im
Rahmen einer Befragung bei seiner Rückkehr allenfalls von seinen
Asylgesuchen Kenntnis erhalten könnten, keine mit der erforderlichen
Wahrscheinlichkeit drohenden ernsthaften Nachteile darzutun. Eben-
sowenig gereicht die innere Einstellung des Beschwerdeführers ge-
genüber dem Regime Gaddafi für die Annahme einer begründeten
Furcht aus, zumal sich der Beschwerdeführer, wie erwähnt, wiederholt
sowohl von der politischen Opposition als auch - und insbesondere -
von den Islamisten distanziert habe.
Seite 28
E-7028/2006
Insgesamt besteht kein konkreter Anlass zur Annahme, nach einer all-
fälligen Wiedereinreise in Libyen wäre der Beschwerdeführer mit be-
achtlicher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit ernsthaften Nachtei-
len im Sinne von Art. 3 AsylG ausgesetzt.
6.
Auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde und in den Stellung-
nahmen zu den Vernehmlassungen sowie die eingereichten Beweis-
mittel einzugehen erübrigt sich, weil sie am Ergebnis nichts zu ändern
vermögen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es dem Be-
schwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrelevante Verfolgung im
Sinne von Art. 3 AsylG darzutun. Die Vorinstanz hat demzufolge die
Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Gewährung von Asyl
zu Recht verweigert.
7.
7.1 Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht
ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und
ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Ein-
heit der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
7.2 Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtli-
che Aufenthaltsbewilligung (Art. 32 a der Asylverordnung 1 vom
11. August 1999 über Verfahrensfragen [AsylV 1, SR 142.311]) noch
über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen (vgl. die sich weiter-
hin als zutreffend erweisende Rechtsprechung der ARK in EMARK
2001 Nr. 21). Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet.
8.
8.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar
oder nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsver-
hältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Auf-
nahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bun-
desgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und
Ausländer [AuG, SR 142.20]).
8.2
8.2.1 Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtun-
gen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Auslän-
ders in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenste-
hen (Art. 83 Abs. 3 AuG). So darf keine Person in irgendeiner Form zur
Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben
Seite 29
E-7028/2006
oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet
ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land
gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1
des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).
Gemäss Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), Art. 3 des Über-
einkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grau-
same, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
(FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 der Konvention vom 4. No-
vember 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(EMRK, SR 0.101) darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder
erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
8.2.2 Der Grundsatz der Nichtrückschiebung schützt nur Personen, die
die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es dem Beschwerdeführer nicht
gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuweisen
oder glaubhaft zu machen, geht im vorliegenden Verfahren mit der An-
ordnung des Vollzugs der Wegweisung keine Verletzung des flücht-
lingsrechtlichen Non-Refoulements einher. Eine Rückkehr des Be-
schwerdeführers in den Heimatstaat ist demnach unter dem Aspekt
von Art. 5 AsylG rechtmässig.
Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdefüh-
rers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall ei-
ner Ausschaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahr-
scheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen
Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss Praxis des Europäi-
schen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-
Anti-Folterausschusses müsste die Beschwerdeführerin eine konkrete
Gefahr („real risk“) nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihr im
Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung dro-
hen würde (vgl. EMARK 2001 Nr. 16 S. 122, mit weiteren Hinweisen;
EGMR, Bensaid gegen Grossbritannien, Urteil vom 6. Februar 2001,
Recueil des arrêts et décisions 2001-I, S. 327 ff.). Was die allgemeine
Menschenrechtslage in Libyen betrifft, so ist festzuhalten, dass sich
der Staat zwar aussenpolitisch in den letzten paar Jahren geöffnet hat
und die USA und EU begonnen haben, Beziehungen mit dem Land
aufzubauen. Dass solche Öffnungen wirtschaftlicher und politischer Art
auch immer wieder mit Rückschlägen verbunden sind, hängt wohl di-
Seite 30
E-7028/2006
rekt mit dem Charakter des unberechenbaren, willkürlich agierenden
und sich allmächtig gebärdenden Despoten Gaddafi zusammen. In-
nenpolitisch hat diese tendenzielle Öffnung allerdings noch nicht zu
wesentlichen Veränderungen geführt. Nach wie vor kommt es zu zahl-
reichen Menschenrechtsverletzungen in vielen Bereichen des politi-
schen und gesellschaftlichen Lebens. Weiterhin ist es schwierig, ge-
nauere Erkenntnisse zu gewinnen, da Libyen internationalen Men-
schenrechtsorganisationen und UN-Menschenrechtsgremien über lan-
ge Zeit den ungehinderten Zugang im Land verweigerte und auch heu-
te noch streng kontrolliert, was diese zu sehen bekommen sollen. Was
die politische und im Speziellen islamistische Opposition betrifft, ist
trotz des Umstands, dass im Verlaufe der letzten paar Jahre auch im-
mer wieder Häftlinge, die dem islamistischen Lager zugerechnet wur-
den - unter strengen Auflagen - freigelassen worden sind, nicht von ei-
ner grundsätzlichen Verbesserung der Lage auszugehen. Nach wie vor
wird jegliche Art von Opposition rigoros unterdrückt. Die Behörden ver-
fügen über umfassende Überwachungsmethoden, welche von diskre-
ter Beobachtung sensibler öffentlicher Orte (z.B. Moscheen) bis zur
Einsetzung von Spitzeln in engsten sozialen Netzen reicht (vgl. u.a.
„Qaddafis Libyen. Endlos stabil und reformresistent?“, Studie der Stif-
tung Wissenschaft und Politik [SWP], Isabelle Werenfels, März 2008;
Human Rights Watch, World Report 2007, January 2008; Operational
Guidance Note Libya, 9 October 2006; Freedom House, Libya 2007).
Trotz dieser massiven Defizite vermag der Beschwerdeführer kein „real
risk“ im oben umschriebenen Sinne darzutun, zumal, wie unter dem
Asylpunkt erläutert, nicht davon auszugehen ist, er werde von den liby-
schen Behörden der Zugehörigkeit zu politischen oder islamistischen
Oppositionsbewegungen verdächtigt. Der Beschwerdeführer hatte fer-
ner nicht geltend gemacht, er habe das Land verlassen, weil er einer
drohenden Strafe aufgrund einer Verletzung seiner Militärdienstpflicht
habe entgehen wollen. Zwar lassen sich nach Erkenntnissen des Ge-
richts betreffend Libyen kaum allgemein gültige Regelungen betreffend
die Militärdienstpflicht, Suspensionen davon oder allfällig drohende
Sanktionen ausmachen; hinsichtlich der Schwere solcher Sanktionen
hängt offenbar Vieles vom Offizier ab, der sie verhängt. Nachdem der
Beschwerdeführer laut eigenen Angaben aufgrund seines Studiums
vom Militärdienst dispensiert war, das Land legal verlassen hat und
heute (...)-jährig ist, ist nicht mit der geforderten beachtlichen Wahr-
scheinlichkeit davon auszugehen, er habe bei seiner Rückkehr nach
Libyen eine menschenrechtswidrige Behandlung zu befürchten, weil er
bisher den Militärdienst noch nicht absolviert hat.
Seite 31
E-7028/2006
8.2.3 Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im
Sinne der asyl- als auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
8.3
8.3.1 Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen
und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunfts-
staat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner
Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine
konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7
AuG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren (vgl. Botschaft zum Bun-
desgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002,
BBl 2002 3818).
8.3.2 Weder aus der allgemeinen Lage in Libyen, wo der Beschwerde-
führer in Tripolis über ein soziales Netz verfügt, noch aus individuellen
Begebenheiten ergeben sich Umstände, welche auf die Unzumutbar-
keit des Wegweisungsvollzugs hindeuten würden. Der Beschwerdefüh-
rer ist dort bei seiner Familie aufgewachsen, wo er bis zur Ausreise
gelebt hat. Laut seinen Angaben leben seine Eltern und vier Ge-
schwister nach wie vor dort. Der Beschwerdeführer ist aktenkundig ge-
sund und verfügt über eine umfassende Bildung. Wenn er bisher nicht
erwerbstätig war, hat dies seinen Angaben gemäss nur damit zu tun
gehabt, dass sich eine Erwerbstätigkeit aufgrund der guten finanziel-
len Verhältnisse seines Vaters nicht als notwendig erwiesen habe
(A17/4). Es ist nach dem Gesagten davon auszugehen, dass er nach
einer Rückkehr nach Tripolis in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht
wieder Fuss fassen kann. Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug
der Wegweisung auch als zumutbar.
8.4
8.4.1 Mit Inkrafttreten der vom 16. Dezember 2005 datierenden Asyl-
gesetzrevision am 1. Januar 2007 entfiel für die Asylbehörden des
Bundes die Möglichkeit, in Fällen einer schwerwiegenden persönlichen
Notlage eine vorläufige Aufnahme anzuordnen, sofern vier Jahre nach
Einreichen des Asylgesuch noch kein rechtskräftiger Entscheid ergan-
gen war (gemäss Art. 44 Abs. 3 aAsylG; Art. 14 Abs. 4bis aANAG). Zu-
folge dieser Gesetzesänderung (zur Gültigkeit des neuen Rechts für
hängige Verfahren vgl. Art. 1 der Übergangsbestimmungen zur Asylge-
setzänderung vom 16. Dezember 2005) kann der kantonale Bericht
vom 28. April 2005, die diesbezüglich negative Vernehmlassung der
Vorinstanz vom 6. Mai 2005 und die Stellungnahme des Beschwerde-
Seite 32
E-7028/2006
führers vom 2. Juni 2005 [(vgl. Sachverhalt L.), soweit den Tatbestand
der schwerwiegenden persönlichen Notlage betreffend] mangels Zu-
ständigkeit vom Bundesverwaltungsgericht nicht mehr gewürdigt wer-
den.
8.4.2 Gemäss Art. 14 Abs. 2 AsylG kann jedoch neu der Wohnkanton
bei Vorliegen eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalls mit Zu-
stimmung des Bundesamtes einer Person mit hängigem oder abgewie-
senem Asylgesuch, sofern die im Gesetz genannten Voraussetzungen
erfüllt sind, eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Es würde gemäss Art.
14 Abs. 3 AsylG diesfalls der zuständigen kantonalen Behörde oblie-
gen, dem Bundesamt den Willen, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu
machen, unverzüglich zu melden.
8.5 Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zu-
ständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwen-
digen Reisedokumente zu beschaffen (Art. 8 Abs. 4 AsylG), weshalb
der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art.
83 Abs. 2 AuG).
9.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig
und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die Be-
schwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen.
10.
10.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten grund-
sätzlich dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 5
VwVG). Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der un-
entgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG wurde
jedoch mit Zwischenverfügung vom 4. November 2002 gutgeheissen.
Nachdem auch im heutigen Zeitpunkt von der Bedürftigkeit des Be-
schwerdeführers auszugehen ist, ist kein Grund ersichtlich, darauf zu-
rückzukommen. Auf die Auferlegung von Verfahrenskosten ist demzu-
folge zu verzichten.
10.2 Eine Parteientschädigung ist nicht auszurichten (vgl. Art. 64
VwVG und Art. 7 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kos-
ten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE,
SR 173.320.2]).
Seite 33
E-7028/2006
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet.
4.
Dieses Urteil geht an:
- den Vertreter des Beschwerdeführers (Einschreiben; Beilagen:
Schulzeugnis vom 25. Juli 1995 im Original)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt und Rückkehrförderung, mit den Ak-
ten Ref.-Nr. N_______ (per Kurier)
- die kantonale Migrationsbehörde (in Kopie).
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Walter Stöckli Esther Karpathakis
Versand:
Seite 34