E-5867/2010 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 16. Jul...
Karar Dilini Çevir:
E-5867/2010 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 16. Jul...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung V
E-5867/2010


U r t e i l v o m 3 . O k t o b e r 2 0 1 2
Besetzung

Richterin Muriel Beck Kadima (Vorsitz),
Richter François Badoud,
Richterin Gabriela Freihofer,
Gerichtsschreiberin Alexandra Püntener.
Parteien

A._______,
und deren Sohn
B._______,
Türkei,
beide vertreten durch lic. iur. Nicole Hohl, Advokatin,
Beschwerdeführende,


gegen

Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Asyl und Wegweisung;
Verfügung des BFM vom 16. Juli 2010 / N (…).


E-5867/2010
Seite 2
Sachverhalt:
A.
A.a Die Beschwerdeführerin, suchte für sich und ihren Sohn B._______
erstmals am 13. Juni 2007 in der Schweiz um Asyl nach. Zur Begründung
führte sie im Wesentlichen aus, sie sei eine Kurdin aus Karahmanmaras.
Sie habe zusammen mit ihrem Ehemann im Jahre 1992 die Zeitschrift
(…) herausgegeben und Berichte, insbesondere über Dichter, verfasst.
Deswegen seien sie von den türkischen Behörden behelligt worden. Die
Polizei habe ihr Büro in Mersin durchsucht, worauf sie dieses im Jahre
1994 hätten schliessen müssen. Seither sei die Zeitschrift von anderen
Personen herausgegeben worden. Ihr Ehemann habe weiterhin Artikel
geschrieben und deswegen von rechtsgerichteten Personen Drohbriefe
erhalten. Er habe zudem als Dichter mehrere Bücher geschrieben. Gegen
ihn und weitere Personen sei wegen Teilnahme an einer Kundgebung der
Lehrergewerkschaft ein Verfahren eingeleitet worden. An seinem Arbeits-
platz als Lehrer habe er jedoch keine Probleme gehabt. Am 21. März
2003 sei die Beschwerdeführerin wegen Teilnahme an einer Newroz-
Feier von der Polizei festgenommen und auf dem Posten festgehalten
worden. Man habe sie dank der Intervention ihres Anwaltes nach 24
Stunden ohne Auflagen wieder freigelassen. Am 1. Mai 2005 sei sie er-
neut nebst zahlreichen weiteren Personen festgenommen und u.a. über
ihre Geschwister im Ausland befragt und nach 24 Stunden wiederum oh-
ne Auflagen freigelassen worden. Seither hätten sie und ihr Ehemann
wiederholt anonyme Briefe erhalten, worauf die Beschwerdeführerin bei
der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet habe. Am 2. November 2006 sei
sie auf dem Weg von der Schule ihres Sohnes von vier Männern ohne
Warnung geschlagen und am Ohr verletzt worden. Die herbeigerufene
Polizei habe sie verhört. Danach habe sie telefonische und schriftliche
Drohungen erhalten. Sie habe sich daher aus Angst um ihr Leben ent-
schlossen, eine gewisse Zeit zu ihren Eltern nach Istanbul zu ziehen. Ihr
Ehemann habe vergeblich einen Antrag gestellt, um in Istanbul als Lehrer
arbeiten zu können. Schliesslich sei sie zusammen mit ihrem gehbehin-
derten Kind ausgereist.
A.b Das BFM lehnte das Asylgesuch mit Verfügung vom 21. Dezember
2007 ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug
an. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die geltend gemach-
ten Verfolgungsvorbringen genügten den Anforderungen an die Flücht-
lingseigenschaft nicht. Die dagegen erhobene Beschwerde vom
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4. Februar 2008 wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom
21. April 2010 ab.
B.
Mit auf den 9. November 2009 (Eingang BFM: 7. Juni 2010) bzw. 4. Juni
2010 datierten Eingaben stellten die Beschwerdeführenden durch ihre
Rechtsvertreterin ein zweites Asylgesuch. Gleichzeitig wurde um vorsorg-
liche Aussetzung des Wegweisungsvollzugs sowie um unentgeltliche
Verbeiständung ersucht. Im schriftlichen Asylgesuch wurden im Wesentli-
chen dieselben Gründe angeführt wie beim ersten Asylgesuch. Zudem
wurde geltend gemacht, die Beschwerdeführerin betätige sich seit ihrer
Einreise in die Schweiz regelmässig als kritische Schriftstellerin. So habe
sie für verschiedene Zeitungen staatskritische Texte verfasst und auch im
Internet veröffentlicht, was dem professionell arbeitenden türkischen Ge-
heimdienst bekannt sein dürfte. Es sei eine notorische Tatsache, dass
jegliche staatskritische Äusserungen in der Türkei zu Verurteilungen füh-
ren könnten, wobei die Beschwerdeführerin nicht mit einem fairen Verfah-
ren rechnen könne. Zudem habe sie von ihrem getrennt lebenden Ehe-
mann erfahren, dass die Drohungen ihm gegenüber zugenommen hätten.
Gestützt auf ihre frühere Gewalterfahrung und der von ihrem Hausarzt di-
agnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung habe sie begründete
Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung. Anfang 2010 habe ihr Ehe-
mann die Scheidung eingereicht. Weiter sei bezüglich ihres Sohnes mit
einer weiteren Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu rech-
nen, wenn die erforderlichen Therapien in der Türkei nicht gewährleistet
wären. Gemäss einem Schreiben des Staatsanwaltes vom (…) 2010 sei
das wegen eines Angriffs auf die Beschwerdeführerin vom November
2006 eingeleitete Verfahren weiterhin hängig.
Zur Untermauerung ihrer Anliegen reichte die Beschwerdeführerin mehre-
re Beweismittel ein, darunter:
– undatiertes Schreiben von C._______ und Anwalt D._______
betreffend Trennung/Scheidung,
– zwei Schreiben des Kantonsspitals E._______ vom 19. März 2010
und vom 7. Mai 2010 betreffend B._______,
– ärztlicher Bericht von Dr. med. F._______ vom 5. Mai 2010 betreffend
beide Beschwerdeführenden,
– fremdsprachiges Schreiben der Staatsanwaltschaft G._______ vom
(…) 2010,
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– diverse fremdsprachige Referenzschreiben von Schriftstellern samt
deutscher Übersetzung,
– zwei Schreiben der Heilpädagogischen Schule (HPS) in E._______
vom (…) und (…) Mai 2010,
– Referenzschreiben eines kurdischen Vereins vom (…) 2010,
– ein Internetausdruck.
C.
Das BFM sistierte am 9. Juni 2010 den Vollzug der Wegweisung und wies
das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ab.
D.
Am 12. Juli 2010 wurden die Beschwerdeführenden durch das BFM direkt
angehört.
Die Beschwerdeführerin machte dabei geltend, sie sei anlässlich der Un-
tersuchungshaft vom 1. Mai 2005 vergewaltigt worden, was sie bisher
niemandem habe erzählen können. Deswegen sei ihre Ehe am Ende. Sie
habe seit einem Jahr schwere Depressionen und nehme deswegen Me-
dikamente. Wegen ihrer persönlichen Situation sei sie zurzeit nicht in der
Lage, sich schriftstellerisch zu betätigen.
Der Sohn B._______ machte keine eigenen Asylgründe geltend.
E.
Das BFM stellte mit Verfügung vom 16. Juli 2010 – eröffnet am 19. Juli
2010 – fest, die Beschwerdeführenden erfüllten die Flüchtlingseigen-
schaft nicht und lehnte die Asylgesuche ab. Gleichzeitig ordnete es die
Wegweisung der Beschwerdeführenden aus der Schweiz an. Die Vorin-
stanz begründete ihre Verfügung im Wesentlichen damit, dass die geltend
gemachten subjektiven Nachfluchtgründe den Anforderungen an die
Flüchtlingseigenschaft nicht standhalten würden. Den Vollzug der Weg-
weisung in die Türkei befand die Vorinstanz für zulässig, zumutbar und
möglich.
F.
Mit Eingabe vom 18. August 2010 an das Bundesverwaltungsgericht be-
antragten die Beschwerdeführenden durch ihre Rechtsvertreterin die Auf-
hebung der Verfügungen des BFM vom 16. Juli 2010 sowie vom
21. Dezember 2007 und die Gewährung von Asyl. Eventualiter seien die
Verfügungen des BFM vom 16. Juli 2010 sowie vom 21. Dezember 2007
im Wegweisungspunkt aufzuheben und die Beschwerdeführenden in der
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Schweiz vorläufig aufzunehmen. Subeventualiter sei die Verfügung des
BFM vom 16. Juli 2010 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde
um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unter Beiordnung der
Unterzeichnenden als unentgeltliche Rechtsbeiständin ersucht. Auf die
Begründung im Einzelnen wird, soweit wesentlich, in den nachfolgenden
Erwägungen eingegangen. Gleichzeitig wurden die folgenden Beweismit-
tel eingereicht:
– elf im Internet veröffentlichte Berichte der Beschwerdeführerin mit
teilweiser deutscher Übersetzung,
– Auszug aus dem Internet betr. Petition für verhaftete kurdische
Politiker und Journalisten,
– Türkei Report von Amnesty International 2010,
– zwei Berichte der "Reporter ohne Grenzen" vom 11. März 2010 und
19. Mai 2010.
G.
Mit verfahrensleitender Verfügung der damals zuständigen Instruktions-
richterin des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. August 2010 wurde das
Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65
Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968
(VwVG, SR 172.021) auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen. Auf die Er-
hebung eines Kostenvorschusses wurde verzichtet. Das Gesuch um Ge-
währung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes wurde abgewiesen.
H.
Die Vorinstanz beantragte in ihrer Vernehmlassung vom 9. September
2010 die Abweisung der Beschwerde. Diese wurde den Beschwerdefüh-
renden am 14. September 2010 zur Kenntnis zugestellt.
I.
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 22. Mai 2012 erhielten die Be-
schwerdeführenden vor Abschluss des Verfahrens Gelegenheit, allfällige
Ergänzungen zu machen und Beweismittel einzureichen. Gleichzeitig
wurden sie aufgefordert, aktuelle Arzt- und Therapieberichte sowie eine
Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht einzureichen.
J.
Am 26. Juni 2012 reichten die Beschwerdeführenden eine Ergänzung ein.
Gleichzeitig wurden eine (gemeinsame) ärztliche Entbindungserklärung
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sowie betreffend die Beschwerdeführerin ein Arztbericht des Kantonsspi-
tals E._______ vom 1. Juni 2010, zwei Arztberichte des Ambulatoriums
E._______ vom 13. August 2010 und 4. Oktober 2010, drei Arztberichte
von Dr. med. F._______ vom 27. Mai 2012, 7. Juni 2012 und 13. Juni
2012 und betreffend B._______ einen Bericht der HPS in E._______ vom
7. Juni 2012 samt Förderbericht und Lernbericht, Arztberichte des Kan-
tonsspitals E._______ vom 9. April 2010, 29. November 2010,
10. Dezember 2010, 14. Juni 2011, 25. Januar 2012, 13. Februar 2012
und 25. Mai 2012 zu den Akten gereicht. Bezüglich des Inhalts der Stel-
lungnahme wird, soweit wesentlich, in den nachfolgenden Erwägungen
eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
(VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden
gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM gehört zu den Behörden
nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungs-
gerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von
Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zu-
ständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet
auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Ausliefe-
rungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Per-
son Schutz sucht (Art. 105 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG,
SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Eine solche Ausnahme im Sinne von
Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwal-
tungsgericht endgültig entscheidet.
1.2 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem
BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6
AsylG).
1.3 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Die
Beschwerdeführenden haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilge-
nommen, sind durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und
haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungswei-
se Änderung. Sie sind daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert
(Art. 108 Abs. 1 und Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 48 Abs. 1
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sowie Art. 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist, vorbehältlich E. 1.5 hienach
einzutreten.
1.4 Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und
die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
1.5 Soweit in der Beschwerdeeingabe die Aufhebung der vorinstanzlichen
Verfügung vom 21. Dezember 2007 aus dem ersten Asylverfahren bean-
tragt wird, ist festzustellen, dass diese mit Urteil des Bundesverwaltungs-
gerichts vom 21. April 2010 rechtskräftig geworden ist und daher nicht
Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist, weshalb auf
diesen Antrag nicht einzutreten ist.
2.
2.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grund-
sätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im
Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationali-
tät, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer
politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder
begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als
ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des
Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen
psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist
Rechnung zu tragen (Art. 3 AsylG).
2.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen
oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die
Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für ge-
geben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentli-
chen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den
Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder ver-
fälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
3.
3.1 Die Vorinstanz begründete ihren ablehnenden Entscheid vom 16. Juli
2010 im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführerin sei es im Rahmen
ihres ersten Asylverfahrens nicht gelungen nachzuweisen oder glaubhaft
zu machen, dass sie in ihrer Heimat ernsthafte Nachteile erlitten habe
oder im Falle ihrer Rückkehr befürchten müsste. Die im zweiten Asylge-
such eingereichten Referenzschreiben würden daran nichts ändern, da
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diese weitgehend identischen Wortlautes seien und sich insbesondere
auf Ereignisse in den 1990er Jahren beziehen würden. Sie seien als Ge-
fälligkeitsschreiben zu bezeichnen. Auch falle auf, dass sie sehr allge-
mein ausgefallen seien. Es bestehe somit kein Anlass zur Annahme, die
Beschwerdeführerin sei vor dem Verlassen ihres Heimatstaates als re-
gimefeindliche Person oder politische Aktivistin registriert worden. Dem-
zufolge sei auch nicht davon auszugehen, dass sie nach ihrer Ankunft in
der Schweiz unter spezieller Beobachtung seitens der türkischen Behör-
den gestanden habe. Weiter habe die Beschwerdeführerin nur rudimentä-
re Kenntnisse zum eigentlichen Kerngehalt des zweiten Asylgesuches
gehabt. Bezeichnenderweise habe sie festgehalten, dieselben Gründe zu
haben wie im ersten Asylgesuch. Zudem sei sie offensichtlich nicht im
Bilde über die angeblichen zunehmenden Drohungen gegen ihren Ehe-
mann. Es könne ausgeschlossen werden, dass diese vom Geheimdienst
ausgehen würden. Es sei realitätsfremd, dass der Geheimdienst eine
Person seit 1992 bedrohe, sich diese Drohungen seit dem Umzug nach
Izmir 1998/1999 vermehrt und nun nochmals zugenommen hätten, ohne
dass dies jemals ernsthafte Konsequenzen gehabt hätte, zumal der
Ehemann gleichzeitig seit Jahren als Staatsbeamter angestellt sei und mit
seinen angeblich unerwünschten Publikationen weiterfahre. Zwar seien
einige Verfahren gegen den Ehemann eingeleitet worden. In den bisher
abgeschlossenen Verfahren sei er jedoch freigesprochen worden.
Schliesslich habe die Beschwerdeführerin anlässlich der Anhörung beim
BFM erstmals vorgebracht, während der Untersuchungshaft von 2005 in
der Türkei vergewaltigt worden zu sein. Abgesehen davon, dass sie dies
im Rahmen des ersten Asylgesuchs noch abgestritten habe, könne mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass poli-
tisch unbescholtene Bürgerinnen bei Massenverhaftungen von Vergewal-
tigungen betroffen seien. Zudem seien die Schilderungen der Beschwer-
deführerin stereotyp und äusserst unsubstanziiert ausgefallen. Sie liessen
die vertiefende Substanz sowie eine authentische und erlebnisgeprägte
Nacherzählung vermissen. Sie würden jegliche Realitätsmerkmale ent-
behren, wie sie von einer Person erwartet werden dürften, welche selbst
Erlebtes wiedergebe. Dadurch würden sich erhebliche Zweifel an der
Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin und dem Wahrheitsgehalt ihrer
Vorbringen ergeben. Es könne jedoch darauf verzichtet werden, näher
auf die Unglaubhaftigkeitselemente einzugehen. Selbst wenn es im Jahre
2005 zu Übergriffen gekommen sein sollte, so habe die Beschwerdefüh-
rerin die Türkei erst zwei Jahre nach diesem angeblichen Vorfall und aus
einem anderen Grund verlassen, womit der Kausalzusammenhang nicht
gegeben wäre. Im Weiteren hielt die Vorinstanz fest, den Aussagen der
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Beschwerdeführerin und den eingereichten Unterlagen könne nichts ent-
nommen werden, wonach sie sich in der Schweiz regelmässig als staats-
kritische Schriftstellerin betätige. Ausser einem Artikel in der Zeitschrift
(…) im Jahre 2007 und sieben bis acht Artikeln im Internet wolle die Be-
schwerdeführerin "keine grossen Sachen" und in jüngster Zeit nichts ver-
fasst haben. Weitergehende politische Aktivitäten habe sie nicht geltend
gemacht. Aus ihren Aussagen müsse insgesamt geschlossen werden,
dass sie sich nie besonders exponiert habe. Es könne daher nicht von ei-
ner regelmässigen staatskritischen schriftstellerischen Tätigkeit gespro-
chen werden. Einfache Exilaktivitäten lösten grundsätzlich kein beachtli-
ches Risiko politischer Verfolgung bei einer Rückkehr in die Türkei aus.
Den geschilderten und dokumentierten exilpolitischen Tätigkeiten der Be-
schwerdeführerin könne auch kein Exponierungsgrad entnommen wer-
den, der zu allfälligen Verfolgungsmassnahmen durch den türkischen
Staat führen könne. Die Beschwerdeführerin sei ihren Aussagen zufolge
auch nie angeklagt oder verurteilt worden, und es gebe keine Anhalts-
punkte dafür, dass dies bevorstehen würde. Zudem sei es in den letzten
Jahren in wegen Pressedelikten eröffneten Strafverfahren in vielen Fällen
zu Freisprüchen gekommen oder seien nur bedingte Freiheitsstrafen oder
Bussen ausgesprochen worden, dies insbesondere bei Personen wie der
Beschwerdeführerin, die politisch oder schriftstellerisch nicht profiliert sei-
en. Selbst wenn gegen die Beschwerdeführerin ein Verfahren eröffnet
und dieses zu einer Verurteilung führen würde, könne davon ausgegan-
gen werden, dass sie ein allfälliges Strafverfahren bis zum rechtskräftigen
Abschluss in Freiheit abwarten könne. Die von der Beschwerdeführerin
geschilderten Aktivitäten würden nicht den Eindruck erwecken, dass sie
eine Person sei, die über klar definierte oppositionspolitische Vorstellun-
gen und über ein persönliches Agitationspotenzial verfüge, welches zu
einer Gefahr für die Türkei werden könnte. Es müsse daher davon aus-
gegangen werden, dass die türkischen Behörden – sollten sie von diesen
Aktivitäten überhaupt Notiz genommen haben – über das Differenzie-
rungsvermögen verfügen würden, dies zu erkennen. Es dürfte auch den
türkischen Behörden bekannt sein, dass viele türkische Emigranten aus
vorwiegend wirtschaftlichen Gründen versuchen würden, sich in Europa
und speziell auch in der Schweiz vor oder nach Abschluss ihres Asylver-
fahrens ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erwirken, indem sie regime-
kritischen Aktivitäten nachgehen würden.
3.2 In der Beschwerdeschrift wird dazu eingewendet, die Beschwerdefüh-
rerin habe mehrere Artikel verfasst, die im Internet publiziert worden sei-
en. Dabei habe sie den türkischen Staat und dessen Kurdenpolitik kriti-
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siert. Zudem habe sie bei einer Petition mitgewirkt, welche die Freilas-
sung verhafteter kurdischer Politiker und Schriftsteller in der Türkei forde-
re. Sie habe nie grosse Sachen geschrieben, d.h. keine Bücher oder lan-
ge Gedichtbände. Gemäss einem Bericht von Amnesty International (ai)
von 2010 seien Schriftsteller, Journalisten, kurdischstämmige politische
Aktivisten sowie Menschenrechtler häufig Ziel strafrechtlicher Verfahren,
wobei oft Freiheitsstrafen verhängt würden. Auch in den Berichten von
"Reporter ohne Grenzen" vom 11. März 2010 und 19. Mai 2010 sei über
das Vorgehen der türkischen Behörden gegen kritische Personen ge-
schrieben worden. Für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht kein
Asyl gewähren sollte, seien die Beschwerdeführenden wegen Undurch-
führbarkeit des Vollzugs der Wegweisung in der Schweiz vorläufig aufzu-
nehmen. Die Beschwerdeführerin wäre aufgrund der Trennung von ihrem
Ehemann im Falle einer Rückkehr in die Türkei alleinstehend mit einem
behinderten Kind. Zudem leide sie an einer posttraumatischen Belas-
tungsstörung mit Depressionen und einer Angsterkrankung. Ursache da-
für sei der Übergriff vom 2. November 2006 auf sie. Zudem sei sie anläss-
lich der Festnahmen vom März 2003 und 1. Mai 2005 Opfer sexueller Be-
lästigungen gewesen. Ihr Aussageverhalten spreche dafür, dass sie diese
tatsächlich erlebt habe. Überdies habe sie bereits anlässlich der Anhö-
rung vom 3. Oktober 2007 angegeben, sie habe psychische Probleme.
Die Behandlung einer Traumatisierung sei nur an einem sicheren Ort
möglich. Im Falle einer Wegweisung müsse mit einer Verschlimmerung
des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin gerechnet werden.
Der Beschwerdeschrift liegen ferner verschiedene von der Beschwerde-
führerin verfasste und im Internet veröffentlichte Artikel bei, in denen sie
sich kritisch zur türkischen Regierung äussert (vgl. E. 5.3 hienach).
3.3 In ihrer Ergänzung vom 26. Juni 2012 macht die Beschwerdeführerin
geltend, sie leide nach wie vor an psychischen Problemen.
4.
4.1
Vorliegend gelangt das Bundesverwaltungsgericht nach Prüfung der Ak-
ten zum Schluss, dass die Vorinstanz die Asylgesuche der Beschwerde-
führenden zu Recht abgewiesen hat. Sie hat den Sachverhalt entgegen
der pauschalen Rüge genügend abgeklärt und in ihrem Entscheid die
Gründe aufgeführt, welche auf die fehlende Glaubhaftigkeit der Vorbrin-
gen und die fehlende Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführenden
schliessen lassen.
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Seite 11
4.2 In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist festzustellen, dass es der
Beschwerdeführerin im Rahmen ihres ersten Asylverfahrens nicht gelun-
gen ist, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, in ihrer Heimat ernst-
hafte Nachteile erlitten zu haben oder im Falle einer Rückkehr befürchten
zu müssen. So wurde im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
21. April 2010 festgestellt, die geschilderten Probleme der Beschwerde-
führerin und ihres Ehemannes wegen Herausgabe der Zeitschrift (…)
zwischen 1992 bis 1994 hätten zu weit zurückgelegen, um den erforderli-
chen Kausalzusammenhang mit der erfolgten Ausreise herzustellen. Zu-
dem wurde darauf hingewiesen, dass den Aussagen der Beschwerdefüh-
rerin nichts entnommen werden könne, wonach sie sich besonders expo-
niert hätte. Sie habe weder einer politischen Partei angehört noch habe
sie seither Probleme mit den türkischen Behörden gehabt. Überdies ist an
dieser Stelle wie bereits im Urteil vom 21. April 2010 festgestellt worden
ist, anzumerken, dass die Beschwerdeführerin Ende 2006 ihren Reise-
pass verlängern liess und ihre Ausreise am 16. Mai 2007 legal erfolgt ist.
Dies spricht gegen ein von den türkischen Behörden ausgehendes Ver-
folgungsinteresse an der Beschwerdeführerin, das im vorliegenden zwei-
ten Verfahren von Relevanz hätte sein können. Schliesslich machte die
Beschwerdeführerin anlässlich der Anhörung durch das Bundesamt vom
12. Juli 2010 dieselben Gründe wie im ersten Asylgesuch geltend (vgl.
Akte B8, S. 3). Angesprochen auf den Inhalt des von ihrer Rechtsvertrete-
rin eingereichten schriftlichen (zweiten) Asylgesuches vom 4. Juni 2010
vermochte sie bloss oberflächliche Angaben zu machen. Jedenfalls hatte
sie über die darin erwähnten angeblich weiter zunehmenden Drohungen
gegen ihren Ehemann, der ihr davon berichtet habe, keine Kenntnis (vgl.
a.a.O., S. 5 f.). Im Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass sich der (ge-
trennte) Ehemann weiterhin in der Türkei aufhält und als Staatsbeamter
arbeitet, wobei er weiterhin Artikel publiziere (vgl. a.a.O., S. 6). Daraus
kann der Schluss gezogen werden, dass die insbesondere gegen ihn ge-
richteten Drohungen, welche angeblich noch zugenommen haben sollen
(vgl. hievor), offensichtlich nicht derart schwer wiegen, als dass sie ihn
zur Ausreise bewogen hätten. Daran vermag auch der Umstand, wonach
noch Verfahren gegen ihn hängig sein sollen, nichts zu ändern, zumal er
in den bisher abgeschlossenen Verfahren jeweils freigesprochen worden
sein soll (vgl. a.a.O., S. 5). Folglich ist auch nicht von einer deswegen
drohenden Reflexverfolgung der Beschwerdeführenden auszugehen.
4.3 Die Beschwerdeführerin macht zur Begründung ihres zweiten Asylge-
suches schliesslich geltend, sie habe sich in der Schweiz exilpolitisch be-
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Seite 12
tätigt und erfülle aus diesem Grund (subjektive Nachfluchtgründe) die
Flüchtlingseigenschaft.
4.3.1 Wer sich darauf beruft, dass durch sein Verhalten nach der Ausreise
aus dem Heimat- oder Herkunftsstaat – insbesondere durch politische
Exilaktivitäten – eine Gefährdungssituation erst geschaffen worden ist,
sich somit auf das Vorliegen subjektiver Nachfluchtgründe (Art. 54 AsylG)
beruft, hat begründeten Anlass zur Furcht vor künftiger Verfolgung, wenn
der Heimat- oder Herkunftsstaat mit erheblicher Wahrscheinlichkeit von
den Aktivitäten im Ausland erfahren hat und die Person deshalb bei einer
Rückkehr in flüchtlingsrechtlich relevanter Weise verfolgt würde (BVGE
2009/29 E. 5.1 S. 376 f., BVGE 2009/28 E. 7.1 S. 352, Entscheidungen
und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK]
2006 Nr. 1 E. 6.1 S. 10; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien
zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Genf 1993, Ziff. 94 ff.). Sub-
jektive Nachfluchtgründe begründen zwar die Flüchtlingseigenschaft im
Sinne von Art. 3 AsylG, führen jedoch gemäss Art. 54 AsylG zum Aus-
schluss des Asyls, unabhängig davon, ob sie missbräuchlich oder nicht
missbräuchlich gesetzt wurden. Stattdessen werden Personen, welche
subjektive Nachfluchtgründe nachweisen oder glaubhaft machen können,
als Flüchtlinge vorläufig aufgenommen (vgl. BVGE 2009/28 E. 7.1 S. 352,
mit weiteren Hinweisen).
4.3.2 Gemäss den vorliegenden Akten hat sich die Beschwerdeführerin
seit ihrer Einreise in die Schweiz als Mitglied in kurdischen Kulturvereinen
betätigt und in der Zeitung (…) von (…) ein Interview gegeben (vgl. erstes
Asylverfahren). Im zweiten Asylverfahren führte sie zudem aus, sie habe
im Rahmen ihrer schriftstellerischen Tätigkeit staatskritische und politi-
sche Texte verfasst, die bei einer Wegweisung in die Türkei mit grosser
Wahrscheinlichkeit zu einer Gefährdung führen würden. Gleichzeitig un-
termauerte sie dies mit verschiedenen Referenzschreiben und einigen
von ihr verfassten und im Internet veröffentlichten undatierten Artikeln
(vgl. Sachverhalt Bst. B und F).
4.3.3 Entsprechend den hievor gemachten Feststellungen vermochte die
Beschwerdeführerin eine Vorverfolgung weder nachzuweisen noch
glaubhaft zu machen. Daher steht fest, dass sie vor dem Verlassen ihres
Heimatstaates nicht als regimefeindliche Person ins Blickfeld der türki-
schen Behörden geraten ist und entsprechend jedenfalls nicht als staats-
feindliche Politaktivistin registriert war.
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Seite 13
Aus der im erstinstanzlichen Verfahren und insbesondere auf Beschwer-
deebene eingereichten Dokumentation kann der (teilweisen) deutschen
Übersetzung entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin ver-
schiedene Artikel verfasst und diese u.a. im Internet veröffentlicht hat.
Dabei handelt es sich um Texte, in denen die Beschwerdeführerin den
türkischen Staat und dessen Kurdenpolitik kritisierte. In einem Artikel rief
sie zu zivilem Ungehorsam gegen den türkischen Staat auf. In einem wei-
teren Artikel erhob sie Anklage, wonach in der Türkei noch immer Kinder
getötet, verhaftet und gefoltert würden. Zudem warf sie der Türkei in an-
deren Artikeln vor, ein Polizeistaat zu sein respektive einen solchen er-
richten zu wollen (vgl. Akte B1 und Beschwerdeschrift, Beilagen 1 – 11).
Ferner hat die Beschwerdeführerin bei einer Petition mitgewirkt, welche
die Freilassung verhafteter Politiker und Schriftsteller in der Türkei gefor-
dert hat. Im Petitionstext wird die Türkei wegen Unterdrückung der Kur-
den massiv kritisiert (vgl. Beschwerdeschrift, Beilage 12). Die Beschwer-
deführerin macht geltend, sie habe zwar eher kurze Texte verfasst, diese
seien jedoch äusserst kritisch, weshalb sie bei einer Wegweisung in die
Türkei wegen der dortigen Zensur und Unterdrückung der freien Mei-
nungsäusserung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit staatlicher Ver-
folgung wie auch mit Drohungen durch unbekannte Drittpersonen rech-
nen müsste.
Wie bereits im ersten Asylverfahren für die dort erwähnten exilpolitischen
Aktivitäten festgestellt worden ist, kann auch aus den im zweiten Asylver-
fahren angeführten Aktivitäten der Beschwerdeführerin, insbesondere
dem Verfassen von Artikeln und deren Veröffentlichung im Internet keine
begründete Furcht vor Verfolgung bei einer Rückkehr in die Türkei abge-
leitet werden. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht geltend gemacht,
sich in der Schweiz in einem hohen Mass in der Öffentlichkeit oder kurdi-
schen Separatistenorganisation zu engagieren, weshalb es unwahr-
scheinlich ist, dass die türkischen Behörden von den Exilaktivitäten der
Beschwerdeführerin überhaupt Kenntnis genommen haben. Indessen ist
davon auszugehen, dass sich die türkischen Geheimdienste auf die Er-
fassung von Personen konzentrieren, welche über die massentypischen
Erscheinungsformen exilpolitischer Proteste hinaus Funktionen wahr-
nehmen und/oder Aktivitäten entwickeln, die sie aus der Masse der mit
dem Regime Unzufriedenen herausheben und als ernsthafte und poten-
tiell gefährliche Regimegegner erscheinen lassen. Ein solches staatsge-
fährdendes exilpolitisches Engagement seitens der Beschwerdeführerin
lässt sich den Akten indessen nicht entnehmen. Schliesslich ist darauf
hinzuweisen, dass sich der von ihr getrennte Ehemann, der angeblich
E-5867/2010
Seite 14
ebenfalls weiterhin kritische Artikel verfasse, gemäss den Angaben der
Beschwerdeführerin nach wie vor in der Türkei aufhält und als Staatsbe-
amter arbeitet, womit seine Situation offenbar nicht derart schwierig ist.
An dieser Einschätzung vermag auch der Einwand der Beschwerdeführe-
rin, wonach es in der Türkei keine freie Meinungsäusserung gebe und
Dichter sowie Schriftsteller in der Türkei allgemein gefährdet seien, nichts
zu ändern.
4.4 Zusammenfassend ergibt sich, dass weder die geltend gemachten
exilpolitischen Aktivitäten nach der Rechtskraft des ersten Asylverfahrens
noch die angeblich in der Türkei ausgeübten Tätigkeiten des ehemaligen
Ehemannes geeignet sind, eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfol-
gungsfurcht zu begründen, weshalb die Beschwerdeführenden nicht als
Flüchtlinge anzuerkennen sind. Mithin ist nach dem Gesagten die Be-
schwerdeführenden betreffend nicht vom Vorliegen subjektiver Nach-
fluchtgründe im Sinne von Art. 54 AsylG auszugehen.
5.
Soweit die Beschwerdeführerin anlässlich der Befragung durch das Bun-
desamt (erstmals) vorbringt, während der Untersuchungshaft im Jahr
2005 vergewaltigt worden zu sein, lag dieser angebliche Vorfall im Zeit-
punkt der am 16. Mai 2007 erfolgten Ausreise bereits zwei Jahre zurück,
weshalb der Kausalzusammenhang in zeitlicher Hinsicht nicht mehr ge-
geben war. Daher muss dieses Vorbringen auch nicht revisionsrechtlich
geprüft werden und kann als asylrechtlich irrelevant bezeichnet werden.
6.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen erübrigt es sich, auf die weiteren
Ausführungen in der Beschwerde und die eingereichten Beweismittel ein-
zugehen, weil sie am Ergebnis nichts ändern. Die Vorinstanz hat aus die-
sem Grund zu Recht die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführen-
den verneint und ihre Asylgesuche abgelehnt.
7.
7.1 Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein,
so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet
den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der
Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
7.2 Die Beschwerdeführenden verfügen weder über eine ausländerrecht-
liche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer
E-5867/2010
Seite 15
solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (vgl.
BVGE 2009/50 E. 9 S. 733 m.H.a. EMARK 2001 Nr. 21).
8.
8.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder
nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach
den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Aus-
ländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom
16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG,
SR 142.20]).
Bezüglich der Geltendmachung von Wegweisungshindernissen gilt ge-
mäss ständiger Praxis des Bundesverwaltungsgerichts und seiner Vor-
gängerorganisation ARK der gleiche Beweisstandard wie bei der Flücht-
lingseigenschaft, das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Be-
weis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl.
WALTER STÖCKLI, Asyl, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], Aus-
länderrecht, 2. Aufl., Basel 2009, Rz. 11.148).
8.2 Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen
der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in
den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83
Abs. 3 AuG).
So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land ge-
zwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem
Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft,
zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1
AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über
die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).
Gemäss Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eid-
genossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), Art. 3 des Überein-
kommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame,
unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK,
SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 der Konvention vom 4. November
1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK,
SR 0.101) darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedri-
gender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend darauf
hin, dass der Grundsatz der Nichtrückschiebung nur Personen schützt,
E-5867/2010
Seite 16
die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es den Beschwerdeführenden
nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuwei-
sen oder glaubhaft zu machen, kann das in Art. 5 AsylG verankerte Prin-
zip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulements im vorliegenden Verfah-
ren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr der Beschwerdeführenden
in den Heimatstaat ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG recht-
mässig. Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen der Beschwer-
deführenden noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass sie für den
Fall einer Ausschaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahr-
scheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe
oder Behandlung ausgesetzt wären. Gemäss Praxis des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-
Folterausschusses müssten die Beschwerdeführenden eine konkrete Ge-
fahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihnen im Fall
einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen
würde (vgl. EGMR, [Grosse Kammer], Saadi gegen Italien, Urteil vom 28.
Februar 2008, Beschwerde Nr. 37201/06, §§ 124-127, mit weiteren Hin-
weisen). Auch die allgemeine Menschenrechtssituation in der Türkei, wo-
hin die Rückkehr der Beschwerdeführenden in Frage steht, lässt den
Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht als unzulässig er-
scheinen. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im
Sinne der asyl- als auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
8.3 Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und
Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat auf
Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und
medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefähr-
dung festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AuG – die vor-
läufige Aufnahme zu gewähren.
8.3.1 Zunächst ist festzustellen, dass bezüglich der allgemeinen Situation
in der Türkei keine Gründe ersichtlich sind, die den Vollzug der Wegwei-
sung dorthin als unzumutbar erscheinen lassen. Zudem herrscht in der
Türkei keine Situation allgemeiner Gewalt. Auch ist die dortige politische
Lage nicht dermassen angespannt, als dass eine Rückführung dorthin als
generell unzumutbar betrachtet werden müsste beziehungsweise Anlass
zur Annahme einer konkreten Gefährdung bestünde.
8.3.2 Im Folgenden ist zu prüfen, ob individuelle Gründe ersichtlich sind,
welche eine Rückkehr der Beschwerdeführenden in die Türkei als unzu-
mutbar erscheinen lassen würden.
E-5867/2010
Seite 17
8.3.3 Hinsichtlich der geltend gemachten gesundheitlichen Probleme der
Beschwerdeführenden ist vorab darauf hinzuweisen, dass aufgrund ge-
sundheitlicher Probleme eines abgewiesenen Asylsuchenden nur dann
auf Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs geschlossen werden
kann, wenn eine notwendige medizinische Behandlung im Heimatland
nicht zur Verfügung steht, und die Rückkehr zu einer raschen und le-
bensgefährdenden Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes der be-
troffenen Person führt. Dabei wird als wesentlich die allgemeine und drin-
gende medizinische Behandlung erachtet, welche zur Gewährleistung ei-
ner menschenwürdigen Existenz absolut notwendig ist. Unzumutbarkeit
liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn im Heimat- oder Herkunftsstaat eine
nicht dem schweizerischen Standard entsprechende medizinische Be-
handlung möglich ist. Wenn die notwendige Behandlung im Heimat- oder
Herkunftsstaat sichergestellt ist, so ist der Vollzug der Wegweisung als
zumutbar zu beurteilen (vgl. BVGE 2009/Z E. 9.3.2).
8.3.4 Zur Beurteilung der medizinischen Situation der Beschwerdefüh-
renden stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf die im Rahmen des
zweiten Asylgesuchs sowie die auf Beschwerdeebene eingereichten ärzt-
lichen Berichte.
8.3.4.1 Wie bereits im ersten Asylverfahren festgestellt worden ist, leidet
B._______ seit seiner Geburt an einer cerebralen Lähmung. Er ist in der
geistigen, verbalen, audiovisuellen, physiologischen und psychologischen
Entwicklung rückständig. Nachdem er bereits in der Türkei Therapien er-
hielt und am Schulunterricht teilgenommen hat, besucht er in der Schweiz
die Heilpädagogische Schule in E._______ (vgl. Urteil des Bundesverwal-
tungsgerichts E-715/2008 vom 21. April 2010). In den im vorliegenden
Beschwerdeverfahren eingereichten verschiedenen Arztberichten des
Kantonsspitals E._______ vom 9. April 2010, 29. November 2010,
10. Dezember 2010, 14. Juni 2011, 25. Januar 2012, 13. Februar 2012
und 25. Mai 2012 werden ihm eine spastische Diplegie, Status nach Bo-
toxinjektionen, kognitive Beeinträchtigung (IQ im SON-R: 55 Punkte),
Nondescensus testis beidseits, Status nach Frühgeburt mit periventrikulä-
rer Blutung attestiert. Im aktualisierten Arztbericht des Kantonsspitals vom
25. Mai 2012 wird ausgeführt, B._______ habe starke Abduktionsknick-
senkfüsse. Es sei schwierig die Füsse klinisch aufzurichten. Die angefer-
tigten Unterschenkelorthesen seien korrekt angefertigt. Eine Verlaufskon-
trolle sei in sechs Monaten geplant. Im ärztlichen Bericht von Dr. med.
F._______ vom 13. Juni 2012 wird festgestellt, B._______ benötige auf-
grund seines Geburtsgebrechens weiterhin regelmässige Therapie (Phy-
E-5867/2010
Seite 18
siotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Anpassung von Hilfsmitteln).
Für die Zeit nach seiner Schulzeit sei eine berufliche Ausbildung geplant.
Seine gesundheitliche Situation werde alle vier bis sechs Monate im Kan-
tonsspital E._______ neu beurteilt. Dabei hätten bereits gute Resultate
erzielt werden können: B._______ spreche fliessend und akzentfrei
Schweizer Mundart und Hochdeutsch, wobei er seiner Mutter als Dolmet-
scher behilflich sei. Damit könne er sein Leben als körperlich und geistig
Behinderter zusammen mit seiner Mutter in einem teilweise geschützten
Rahmen in der Schweiz organisieren. In einem Bericht der HPS
E._______ vom 7. Juni 2012 wird unter Beilage eines Förderberichts und
eines Lernberichts festgehalten, B._______ habe bedeutende Fortschritte
im Lebensbereich Bewegung, Mobilität sowie im Umgang mit Anforde-
rungen gemacht. Er sei in seiner unmittelbaren Wohnumgebung gut in-
tegriert. Für einen späteren Übertritt in eine weiterführende Institution
(z.B. Wohnheim für Beschäftigung) sei der weitere Schulbesuch an der
HPS wichtig. Die Beschwerdeführenden machen zudem geltend,
B._______ habe sich durch die Förderung in der HPS in E._______ sehr
gut integriert, was auch zu einer grösseren Selbständigkeit geführt habe.
Diese würde im Falle einer Rückkehr in die Türkei verloren gehen.
Dazu ist festzustellen, dass B._______ bei einer Rückkehr in die Türkei
auf die dort zur Verfügung stehende medizinische und therapeutische Inf-
rastruktur – die er bereits vor seiner Ausreise genutzt hat – zurückgreifen
kann, wobei ihm die in der Schweiz angeeigneten Fortschritte von Nutzen
sein werden. Auch ist davon auszugehen, dass er sich angesichts seiner
besonderen Beziehungsnähe/Betreuungssituation zu seiner Mutter wei-
terhin in seinem angestammten Sprach- und Kulturkreis zurechtfinden
wird, was ebenfalls positive Folgen auf seine Lebensumstände und seine
Gesundheit haben dürfte.
8.3.4.2 Was die gesundheitliche Situation der Beschwerdeführerin betrifft,
wurde in den auf Beschwerdeebene eingereichten ärztlichen Berichten
von Dr. med. F._______ vom 27. Mai 2012 und vom 7. Juni 2012 die be-
reits im erstinstanzlichen Verfahren gestellte Diagnose einer posttrauma-
tischen Belastungsstörung mit Depressionen und Angstkrankheit be-
stätigt. Deshalb sei sie seit 2008 in ärztlicher Behandlung und im Jahre
2010 bei Frau Dr. G._______, Psychiaterin, in psychotherapeutischer Be-
handlung gewesen. Seit dem letzten Bericht des behandelnden Arztes
vom 5. Mai 2010 hätten sich die psychischen Leiden durch die Einnahme
von Antidepressiva stabilisiert, so dass eine intensive und kostspielige
Therapie habe sistiert werden können. Kontrolluntersuchungen würden
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Seite 19
alle drei bis sechs Monate stattfinden. Die Beschwerdeführerin habe eine
traumaspezifische Behandlung im Ambulatorium für Folter- und Kriegsop-
fer in H._______ abgelehnt, da eine Wiederaufarbeitung der traumati-
schen Vergangenheit eine Reaktivierung der Ängste mit Albträumen und
Panikattacken hervorgerufen hätte.
Dazu ist festzuhalten, dass eine weitere Behandlung der Beschwerdefüh-
rerin in der Türkei aufgrund der dort vorhandenen medizinischen Versor-
gungslage gewährleistet ist, auch wenn diese möglicherweise nicht die-
selbe Qualität wie in der Schweiz aufweist. Schliesslich ist davon auszu-
gehen, dass die Beschwerdeführerin in der Türkei in ihrem angestamm-
ten Sprach- und Kulturkreis positive Folgen bei der Bewältigung ihrer
psychischen Probleme haben wird. Sie könnte sich dort gegenüber The-
rapeuten und Ärzten in ihrer Muttersprache ausdrücken und wäre nicht –
wie in der Schweiz – auf eine Übersetzung durch ihren Sohn B._______
angewiesen. Ausserdem leben in Istanbul ihr Eltern, Geschwister sowie
ihre Schwiegereltern und ihr getrennter Ehemann; letztere könnten – wie
bereits zu früheren Zeiten (vgl. A1, S. 3 und A10, S. 6) – bei der Betreu-
ung von B._______ ebenfalls einen Beitrag leisten. Aufgrund der in der
Türkei allgemein herrschenden starken Familienbande kann zudem da-
von ausgegangen werden, dass auch die weiteren in der Türkei verblie-
benen Familienangehörigen den Beschwerdeführenden im Falle ihrer
Rückkehr in die Türkei bei der Bewältigung allfälliger Anfangsschwierig-
keiten und der Organisation der ärztlichen Behandlung und insbesondere
der Betreuung von B._______ zur Seite stehen werden.
Schliesslich kann für die Zeit vor und während der Rückreise in die Türkei
einer allfälligen zeitweiligen Verschlechterung des psychischen Zustan-
des der Beschwerdeführerin medikamentös und mit einer angepassten
persönlichen Betreuung begegnet werden. Weiter kann die Beschwerde-
führerin für eine erste Zeit einen entsprechenden Medikamentenvorrat
mitnehmen.
8.3.4.3 Ohne die damit verbundenen Beeinträchtigung der Lebensqualität
zu verkennen, kann somit bei den vorliegenden gesundheitlichen Be-
schwerden beider Beschwerdeführenden insgesamt nicht auf eine kon-
krete Gefährdung in Form einer medizinischen Notlage nach dem Ver-
ständnis von Art. 83 Abs. 4 AuG geschlossen werden.
8.3.4.4 Überdies können die Beschwerdeführenden bei der Vorinstanz
unter Vorlage entsprechender Atteste medizinische Rückkehrhilfe bean-
E-5867/2010
Seite 20
tragen (Art. 93 Abs. 1 Bst. d AsylG i.V..m. Art. 75 der Asylverordnung 2
vom 11. August 1999 über Finanzierungsfragen [AsylV 2, SR 142.312]),
womit sie in einer ersten Phase nach ihrer Rückkehr hinsichtlich der Or-
ganisation der medizinischen Behandlung nicht vor unüberwindbare
Schwierigkeiten gestellt sind.
8.3.5 Dem Vollzug der Wegweisung stehen ferner keine anderen Hinder-
nisse entgegen, auch wenn die sozio-ökonomische Lage in der Türkei
nicht mit derjenigen in der Schweiz vergleichbar ist und die Beschwerde-
führenden aufgrund ihrer langen Landesabwesenheit in der Anfangspha-
se gewissen Schwierigkeiten ausgesetzt sein könnten. Immerhin verfügt
der getrennte Ehemann der Beschwerdeführerin und Vater von
B._______ als langjähriger Lehrer über ein regelmässiges Einkommen,
weshalb die Beschwerdeführenden bei einer Rückkehr in die Türkei auch
nicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten dürften. Nach dem Ge-
sagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung auch als zumutbar.
8.4 Schliesslich verfügt die Beschwerdeführerin über einen türkischen
Reisepass und – wie auch ihr Sohn – über eine Identitätskarte, weshalb
der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83
Abs. 2 AuG).
8.5 Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu
Recht als zulässig, zumutbar und möglich erachtet. Nach dem Gesagten
fällt eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme ausser Betracht (Art. 83
Abs. 1 – 4 AuG).
9.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und
vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die Beschwer-
de ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
10.
Bei diesem Ausgang des Beschwerdeverfahrens wären die Verfahrens-
kosten den Beschwerdeführenden aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 5
VwVG). Diese ersuchten mit ihrer Rechtsmitteleingabe vom 18. August
2010 um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, deren Prüfung mit
verfahrensleitender Verfügung der damals zuständigen Instruktionsrichte-
rin des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. August 2010 auf einen späte-
ren Zeitpunkt verwiesen wurde. Nachdem sich die Rechtsbegehren vor-
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Seite 21
liegend nicht als aussichtslos erwiesen haben und aufgrund der Akten
von der Bedürftigkeit der Beschwerdeführenden auszugehen ist, ist der
Antrag um Befreiung von den Verfahrenskosten (Art. 65 Abs. 1 VwVG)
gutzuheissen und die Beschwerdeführenden von deren Bezahlung zu be-
freien.



(Dispositiv nächste Seite)

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Seite 22
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, abgewiesen.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird gut-
geheissen. Auf die Erhebung von Verfahrenskosten wird verzichtet.
3.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführenden, das BFM und die zu-
ständige kantonale Behörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Muriel Beck Kadima Alexandra Püntener


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