E-5341/2007 - Abteilung V - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung - Nichteintreten
Karar Dilini Çevir:
E-5341/2007 - Abteilung V - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung - Nichteintreten
Abtei lung V
E-5341/2007
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 7 . M ä r z 2 0 0 8
Richter Markus König (Vorsitz),
Richterin Regula Schenker Senn,
Richter François Badoud,
Gerichtsschreiberin Mareile Lettau.
A._______, geboren _______, Elfenbeinküste,
vertreten durch Patrik Fischer, Thurgauer Rechts-
beratungsstelle für Asylsuchende, _______,
_______,
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern
Vorinstanz.
Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung; Ver-
fügung des BFM vom 2. August 2007 / N _______.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
E-5341/2007
Sachverhalt:
A.
Der aus der Region B._______ stammende Beschwerdeführer der
Ethnie Bété verliess seinen Heimatstaat gemäss eigenen Angaben
von Abidjan aus am 1. Juni 2007 und reiste mit einem gefälschten
französischen Reisepass auf dem Luftweg nach Rom und von dort aus
mit der Bahn am 2. Juni 2007 in die Schweiz ein, wo er am 4. Juni
2007 im Empfangs- und Verfahrenszentrum C._______ ein Asylgesuch
stellte.
Am 7. Juni 2007 wurde der Beschwerdeführer im Empfangs- und Ver-
fahrenszentrum C._______ summarisch befragt und gleichentags ein-
lässlich direkt durch das BFM gemäss Art. 29 Abs. 4 des Asylgesetzes
vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) angehört.
Der Beschwerdeführer machte zur Begründung seines Asylgesuches
im Wesentlichen geltend, er stamme aus dem Dorf D._______ in der
Region B._______, wo er zur Grundschule gegangen sei. Nach einem
Jahr in B._______ sei die Familie im Jahr 2001 in den Norden nach
E._______ gegangen, da sein Vater als Polizeioffizier dorthin versetzt
worden sei. Dort sei er nicht mehr zur Schule gegangen. Sein Vater sei
F._______ in einem Krankenhaus in G._______ an Krebs gestorben.
Er habe zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester in
E._______ gelebt. Seine Mutter habe als Händlerin auf dem Markt
Waren verkauft, wohin er sie jeweils begleitet habe. Eines Tages sei in
Abwesenheit seiner Schwester eine Gruppe von etwa zehn
bewaffneten Rebellen in ihr Haus eingedrungen. Die Rebellen hätten
angefangen, sie zu misshandeln und seine Mutter zu vergewaltigen.
Sie hätten vom Beschwerdeführer verlangt, seine Mutter ebenfalls zu
vergewaltigen. Als sich der Beschwerdeführer geweigert habe, sei ihm
gedroht worden, er könne nur am Leben bleiben, wenn er seine Mutter
töte. Seine Mutter habe ihn ermutigt, dies zu tun, damit er am Leben
bleibe. Der Beschwerdeführer habe daraufhin seine Mutter getötet und
sich anschliessend den Rebellen angeschlossen. Er sei aus
Verzweiflung dem Rebellenchef gefolgt, da seine Mutter die einzige
Person gewesen sei, die er noch gehabt habe. Er habe wie die
anderen Gruppenmitglieder einen Pakt unterschreiben müssen, in
welchem er sich verpflichtet habe, bei der Gruppe zu bleiben. Ihnen
sei nach den Kämpfen die Integration der Rebellen in die Armee und
in die Gesellschaft in Aussicht gestellt worden. Die Aussicht auf einen
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Platz in der Gesellschaft habe seinen Entschluss, sich den Rebellen
anzuschliessen, unterstützt. Er habe töten müssen, um zu überleben.
Nach zwei Tage in E._______, wo sie Familien, die nicht zur
Volksgruppe der F._______ gehört hätten, zwangsweise für die
Rebellion rekrutiert und Widerstandleistende umgebracht hätten, sei er
seinem Rebellenchef und der Gruppe nach G._______ gefolgt. Bei
H._______ sei es zu Zusammenstössen gekommen. Er habe danach
unter anderem in B._______, I._______ und in J._______ gekämpft
und sei in die Leibgarde seines Rebellenchefs aufgenommen worden,
wo er die Funktion eines Spions innegegehabt habe. Nach dem Tod
seines Chefs im Jahr 2004 habe er einem anderen Rebellenchef
gedient, für den er Wachdienst geleistet und Schutzgelder erpresst
habe. Er werde gesucht, da man ihn töten wolle. Der Chef seiner
Gruppe habe seinem Chef, dem Schlüsselchef der Rebellion, die
Namen der Gruppenmitglieder weitergegeben. Dieser oberste Chef
habe viele Männer, auch ausserhalb des Landes, umbringen lassen,
die sich von der Rebellion losgesagt hätten. Er habe Angst gehabt,
ebenfalls umgebracht zu werden. Der Beschwerdeführer werde aber
auch von seiten der Armee und der jetzigen Regierung gesucht. Er
werde aus der Stadt B._______ verfolgt, da er mit Informationen an
die Rebellen diesen geholfen habe, die Stadt einzunehmen und sich
später an der Entführung eines Generals beteiligt habe. Als sich die
Rebellenbewegung aufgelöst habe, habe er fliehen können. Zunächst
habe er in seinem Heimatdorf D._______ Zuflucht gesucht, wo er bis
Ende Mai 2006 geblieben sei. Im Mai 2006 bis Ende Mai 2007 habe er
sich im Lager seines Gossvaters, zwanzig Kilometer von D._______
entfernt, im Busch versteckt, da er vernommen habe, dass ihn die
Gendarmerie suche. Vom Lager seines Grossvaters sei er im
Lastwagen eines Händlers versteckt nach Abidjan gereist. Er habe
etwa eine Woche in Abidjan bei dem Händler gewohnt, bis er mit Hilfe
dessen Bruder, der ihn bis nach Rom begleitet habe, ausgereist sei.
B.
Der Beschwerdeführer reichte bei der Empfangsstellenbefragung die
Kopie eines Zivilstandsregisterauszugs, ausgestellt am 1. Februar
2000 in B._______, zu den Akten.
C.
Mit Verfügung vom 2. August 2007 – eröffnet gleichentags – trat das
BFM gestützt auf Art. 32 Abs. 2 Bst. a und Art. 32 Abs. 3 des Asylge-
setzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) auf das Asylgesuch des
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Beschwerdeführers nicht ein und verfügte die Wegweisung sowie de-
ren Vollzug. Zur Begründung des Nichteintretens auf das Asylgesuch
hielt die Vorinstanz zusammenfassend fest, der Beschwerdeführer
habe innert 48 Stunden nach Gesuchseinreichung keine Reise- oder
Identitätspapiere abgegeben und keine entschuldbaren Gründe dafür
glaubhaft gemacht, er erfülle zudem die Flüchtlingseigenschaft
gemäss Art. 3 und 7 AsylG nicht, und zusätzliche Abklärungen zur
Feststellung der Flüchtlingseigenschaft oder eines Wegweisungsvoll-
zugshindernisses seien angesichts der teilweise unrealistischen und
realitätsfremden Vorbringen nicht erforderlich.
D.
Mit Beschwerde durch seinen Rechtsvertreter an das Bundesverwal-
tungsgericht vom 9. August 2007 beantragte der Beschwerdeführer im
Wesentlichen, die angefochtene Verfügung aufzuheben und zur mate-
riellen Prüfung des Asylgesuchs an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Eventualiter sei die Flüchtlingseigenschaft festzustellen und dem Be-
schwerdeführer Asyl zu gewähren, subeventualiter die Unzulässigkeit
beziehungsweise Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs festzu-
stellen und die vorläufige Aufnahme anzuordnen. Es sei ihm die unent-
geltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 des Verwaltungs-
verfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021) zu
gewähren und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzich-
ten. Ferner sei jeglicher Datentransfer mit den heimatlichen Behörden
zu unterlassen; falls ein solcher bereits stattgefunden habe, seien die
Akten dem Beschwerdeführer vorzulegen.
Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend, vorliegend seien
entschuldbare Gründe für das Nichteinreichen eines Identitätsdoku-
ments zu bejahen, da der Beschwerdeführer in beiden Befragungen
angegeben habe, nie ein Identitätsdokument bessen zu haben und bei
der Empfangsstellenbefagung ausgesagt habe, in dieser Sache seinen
Onkel (dessen Telefonnummer er mitgeteilt habe) angerufen zu haben.
Dieser habe ihn informiert, er könne dem Beschwerdeführer kein Aus-
weis mit Foto beschaffen, da nach der Rechtslage der Elfenbeinküste
hierfür die Ausweise der Eltern vorgelegt werden müssten. Auf diese
Aussage habe sich der Beschwerdeführer als Rechtsunkundiger ver-
lassen müssen. Mit dem Hinweis auf die angebliche Unglaubhaftigkeit
eines Vorbringens könne dass BFM die Plausibilität des Entschuldi-
gungsgrunds nicht in Frage stellen. Dem Beschwerdeführer, der bei
der Ermordung seiner Mutter erst 15 Jahre alt gewesen und mithin
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nach dem Recht der Elfenbeinküste gar nicht zum Besitz eines Identi-
tätspapiers befugt gewesen sei, habe nicht die Möglichkeit besessen,
sich ein Identitätsdokument zu beschaffen.
Im Übrigen müssten die Bestimmungen von Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG
und Art. 32 Abs. 3 Bst. b AsylG völkerrechtskonform ausgelegt werden,
um bei Hinweisen auf Verfolgung, welche sich nicht als offensichtlich
haltlos erwiesen, einzutreten. Den Ausführungen des Beschwerdefüh-
rers seien eindeutig nicht haltlose Hinweise auf Verfolgung zu entneh-
men. Die Vorinstanz durch habe ihre materielle Auseinandersetzung
mit den Vorbringen demonstriert, dass sie diese nicht als offensichtlich
haltlos erachte. Entgegen den Ansichten des BFM sei es glaubhaft,
dass der Beschwerdeführer als Kindersoldat eine verantwortungsvolle
Position in der Rebellengruppe innegehabt und sich nach dem trauma-
tisierenden Tod der Mutter den Rebellen angeschlossen habe. Die
Schilderungen der Rebellenaktivitäten seien reich an Details und die
Rückkehr in sein Heimatdorf nachvollziehbar.
E.
Mit Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Au-
gust 2007 bestätigte der zuständige Instruktionsrichter die Berechti-
gung des Beschwerdeführers zur Anwesenheit in der Schweiz bis zum
Abschluss des Verfahrens, verzichtete auf die Erhebung eines Kosten-
vorschusses und verschob den Entscheid über das Gesuch um Ge-
währung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1
VwVG auf einen späteren Zeitpunkt. Gleichzeitig wurde das BFM zur
Vernehmlassung eingeladen.
F.
Mit Eingabe vom 18. August 2007 (Poststempel) reichte der Rechts-
vertreter des Beschwerdeführers eine Beschwerdeergänzung mit aus
dem Französischen ins Deutsche übersetzen Zitaten des Beschwerde-
führers zu seinem ehemaligen Rebellendasein und der Rebellenbewe-
gung zu den Akten, die der Beschwerdeführer anlässlich eines in der
Rechtsberatungsstelle geführten Beratungsgespräches geäussert
habe.
G.
In seiner Vernehmlassung vom 27. August 2007 führt das BFM aus, in
seiner Verfügung habe es mit der nötigen Transparenz und Begrün-
dungsdichte dargelegt, weshalb der Beschwerdeführer die Flüchtlings-
eigenschaft nicht erfülle. Die in der Beschwerdeergänzung nachge-
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reichte Dokumentation angeblichen Insiderwissens vermöge an der
Unglaubhaftigkeit der Vorbringen nichts zu ändern, da es sich nur um
nachgeschobene Allgemeinplätze handle. Im Übrigen werde
vollumfänglich an den Erwägungen der Verfügung vom 2. August 2007
festgehalten und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
H.
Mit Zwischenverfügung vom 6. September 2007 wurde der Beschwer-
deführer unter Fristansetzung zur Einreichung einer Stellungnahme
zur Vernehmlassung des BFM eingeladen.
I.
Mit fristgerechter Replik vom 20. September 2007 (Poststempel)
machte der Beschwerdeführer geltend, auch nach dem Grundsatzur-
teil des Bundesverwaltungsgerichtes BVGE 2007/8 daran festzuhalten,
die Vorinstanz habe vorliegend zu Unrecht einen Nichteintretensent-
scheid gefällt, da sie nicht im Summarverfahren habe feststellen kön-
nen, dass die Flüchtlingseigenschaft offenkundig fehle beziehungswei-
se Vollzugshindernisse offenkundig nicht vorlägen. Hierzu habe das
BFM ausweislich des Entscheides „zusätzliche Anklärungen jeglicher
Art“ benötigt beziehungsweise eine ganz „einlässliche Begründung“.
Die Begründungsdichte des Entscheides hätte zu einem materiellen
Entscheid gezwungen. Aus einer Gesamtschau ergäbe sich, dass das
BFM mit seinem Entscheid selber aufgezeigt habe, dass weitere Ab-
klärungen notwendig gewesen seien.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni
2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, sofern keine Aus-
nahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als Vorinstanzen gelten die in
Art. 33 und 34 VGG genannten Behörden. Dazu gehören Verfügungen
des BFM gestützt auf das AsylG; das Bundesverwaltungsgericht
entscheidet in diesem Bereich endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d
Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG,
SR 173.110]).
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1.2 Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrich-
tige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachver-
halts und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1
AsylG).
1.3 Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingereicht. Der Be-
schwerdeführer ist durch die angefochtene Verfügung berührt und hat
ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise
Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert
(Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1, 50 und 52 VwVG). Auf die Be-
schwerde ist einzutreten.
1.4 Die vorliegend zu beurteilende Beschwerde richtet sich gegen
eine Verfügung, laut deren Dispositiv (Ziffer 1) das BFM auf das Asyl-
gesuch des Beschwerdeführers nicht eingetreten ist. Die Verfügung
bildet als Anfechtungsgegenstand in der Bundesverwaltungsrechts-
pflege den äusseren Rahmen, innerhalb welchem die Parteien der
Rechtsmittelinstanz ein Rechtsverhältnis zur Beurteilung unterbreiten
können. Der durch die Parteibegehren definierte Streitgegenstand darf
nicht über den Anfechtungsgegenstand hinaus reichen. Gegenstand
des Beschwerdeverfahrens kann grundsätzlich nur sein, was Gegen-
stand des erstinstanzlichen Verfahrens war oder nach richtiger Geset-
zesauslegung hätte sein sollen (vgl. CHRISTOPH AUER, Streitgegenstand
und Rügeprinzip im Spannungsfeld der verwaltungsrechtlichen Pro-
zessmaximen, Bern 1997, S. 63; ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, Verwal-
tungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zü-
rich 1998, S. 149). Werden Nichteintretensentscheide, mit denen es
das BFM der Form nach ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begrün-
detheit hin zu überprüfen (Art. 32-35 AsylG), mit Beschwerde ange-
fochten, so ist dementsprechend einzig zu beurteilen, ob die Vorins-
tanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist. Die Beurtei-
lungskompetenz der Beschwerdeinstanz ist mit anderen Worten darauf
beschränkt, im Fall der Begründetheit des Rechtsmittels die angefoch-
tene Verfügung aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an
die Vorinstanz zurückzuweisen (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen
der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2004 Nr. 34
E. 2.1. S. 240 f.).
Mit der am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Modifikation des Nicht-
eintretenstatbestands von Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG und mit Abs. 3
AsylG hat der Gesetzgeber ein Summarverfahren geschaffen, in wel-
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chem über das Bestehen beziehungsweise Nichtbestehen der Flücht-
lingseigenschaft abschliessend materiell zu entscheiden ist, soweit
dies im Rahmen einer summarischen Prüfung möglich ist (vgl. BVGE
2007/8 insbes. E. 5.6.5). Dementsprechend ist im Be-
schwerdeverfahren auch die Flüchtlingseigenschaft Prozessgegen-
stand (vgl. BVGE a.a.O. E. 2.1).
Nicht beschränkt ist die Beurteilungszuständigkeit des Bundesverwal-
tungsgerichts zudem in der Frage der Wegweisung und deren Voll-
zugs, weil das BFM sich diesbezüglich gemäss Art. 44 Abs. 2 AsylG in
Verbindung mit dem Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die
Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) materiell zur Sache
zu äussern hat.
2. Gemäss Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG wird auf ein Asylgesuch nicht
eingetreten, wenn Asylsuchende den Behörden nicht innerhalb von 48
Stunden nach Einreichung des Gesuchs Reise- oder Identitätspapiere
abgeben. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn Asylsu-
chende glaubhaft machen können, sie seien dazu aus entschuldbaren
Gründen nicht in der Lage (Art. 32 Abs. 3 Bst. a AsylG), oder wenn auf
Grund der Anhörung sowie gestützt auf Art. 3 und 7 AsylG die Flücht-
lingseigenschaft festgestellt wird (Art. 32 Abs. 3 Bst. b AsylG), oder
wenn sich auf Grund der Anhörung die Notwendigkeit zusätzlicher Ab-
klärungen zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft oder eines Weg-
weisungsvollzugshindernisses ergibt (Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG).
3. Vorliegend ist das BFM zu Unrecht auf das Asylgesuch nach Art. 32
Abs. 2 Bst. a AsylG nicht eingetreten, weil zusätzliche Abklärungen be-
ziehungsweise eine einlässliche Begründung zum Fehlen von Wegwei-
sungsvollzugshindernissen nach Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG (vgl.
BVGE 2007/8 E.5.6) vorzunehmen gewesen wären:
3.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar
oder nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsver-
hältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Auf-
nahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG).
Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und
Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat
auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt
und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete
Gefährdung festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AuG –
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die vorläufige Aufnahme zu gewähren (vgl. Botschaft zum Bundesge-
setz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002, BBl
2002 3818).
3.2 Das BFM hat in seiner Verfügung geltend gemacht, aufgrund der
Mitwirkungspflichtverletzung des Beschwerdeführers könne die Zumut-
barkeit des Wegweisungsvollzuges nach Abidjan nicht beurteilt wer-
den. Dieser Einschätzung kann das Bundesverwaltungsgericht nicht
zustimmen.
Das BFM befolgt offenbar grundsätzlich die Praxis, dass bei der Elfen-
beinküste ein Wegweisungsvollzug in bestimmte Regionen des Nor-
dens des Landes als generell unzumutbar erachtet wird; bei aus sol-
chen Gebieten stammenden Beschwerdeführern wird abgeklärt, ob
eine innerstaatliche Wohnsitzalternative in Abidjan individuell zumut-
bar ist. Eine solche Prüfung wurde vorliegend aber unter Hinweis auf
die angebliche Mitwirkungspflichtverletzung nicht vorgenommen.
3.3 Die bezüglich Wegweisungshindernissen grundsätzlich bestehen-
de Untersuchungspflicht der Asylbehörden findet ihre Grenze zwar tat-
sächlich an der Mitwirkungspflicht der asylsuchenden Person (Art. 8
AsylG), die im Übrigen auch die Substanziierungslast trägt (Art. 7
AsylG); aus diesen Gründen kann ein Asylsuchender, der durch die
Verheimlichung seiner Nationalität den Asylbehörden verunmöglicht,
sinnvoll zu prüfen, ob ihm im tatsächlichen Heimat- oder Herkunfts-
staat Gefahr droht, unter diesen von ihm selbst herbeigeführten Um-
ständen nach Treu und Glauben nicht von den Asylbehörden erwarten,
nach allfälligen Wegweisungsvollzugshindernissen in hypothetischen
Heimat- oder Herkunftsländern zu forschen (vgl. etwa WALTER KÄLIN,
Grundriss des Asylverfahrens, Basel/Frankfurt a.M. 1990, S. 262 f.).
Vielmehr hat der Beschwerdeführer in diesen Fällen die Folgen seiner
mangelhaften Mitwirkung zu tragen, indem bei solchem Verhalten an-
genommen werden kann, seiner Rückschiebung stünden keine Voll-
zugshindernisse entgegen.
3.4 Vorliegend ist allerdings eine derart grobe Mitwirkungspflichtverlet-
zung, welche das BFM von der Prüfung von Wegweisungsvollzugshin-
dernissen entbinden würde, offensichtlich nicht gegeben. Der Be-
schwerdeführer hat zudem ein seine Herkunft aus der Region
B._______ bestätigendes Beweismittel, die Kopie eines
Zivilstandsregisterauszugs, zu den Akten gereicht, dessen
Authentizität von der Vorinstanz nicht angezweifelt worden ist. Aus der
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Verfügung des BFM (vgl. Seite 2 der Verfügung, oben) geht sodann
hervor, dass die Vorinstanz die Herkunftsregion B._______ nicht in
Frage gestellt wird. Das Gleiche gilt offenbar auch bezüglich der
Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers, wonach er lediglich
eine Woche vor seiner Ausreise in Abidjan untergetaucht sei (vgl. Seite
4 der Verfügung).
3.5 Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass sich zusätzliche Ab-
klärungen und eine einlässliche inhaltliche Prüfung der Zumutbarkeit
des Wegweisungsvollzuges – hinsichtlich der geltend gemachten Hei-
matregion im Westen des Landes oder der Aufenthaltsalternative der
Region Abidjan – aufdrängen. Die Prüfung der Vorbringen des Be-
schwerdeführers im Rahmen eines Nichteintretensentscheids nach
Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG bleibt damit ausgeschlossen. Andere Nicht-
eintretenstatbestände sind bei der vorliegenden Aktenlage prima vista
nicht verwirklicht.
Die Vorinstanz ist daher zu Unrecht auf das Asylgesuch des Be-
schwerdeführers nicht eingetreten und hat damit Bundesrecht verletzt.
Ob der Beschwerdeführer für das Nichteinreichen rechtsgenüglicher
Identitätsdokumente entschuldbare Gründe (im Sinne von Art. 32
Abs. 3 Bst. a AsylG) glaubhaft machen konnte, kann bei diesem Ver-
fahrensausgang offen bleiben.
3.6 Bezüglich des beantragten Unterlassens des Transfers von Per-
sonendaten des Beschwerdeführers besteht keine Veranlassung für
Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Art. 97 Abs. 1
und 2 AsylG).
4.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde gutzuhei-
ssen, die Verfügung vom 2. August 2007 aufzuheben und die Sache
zur Weiterführung des Asylverfahrens an die Vorinstanz zurückzuwei-
sen.
5.
5.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind dem Beschwerdeführer
keine Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG), womit das Gesuch
um Erlass der Verfahrenskosten (im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG)
gegenstandslos wird.
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5.2 Dem Beschwerdeführer ist angesichts des Obsiegens im Be-
schwerdeverfahren in Anwendung von Art. 64 Abs. 1 VwVG eine Par-
teientschädigung für die ihm erwachsenen notwendigen Vertretungs-
kosten zuzusprechen (vgl. Art. 7 des Reglements vom 11. Dezember
2006 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwal-
tungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der Rechtsvertreter des Be-
schwerdeführers hat keine Kostennote eingereicht (vgl. Art. 14 Abs. 1
VGKE). Nachdem der Parteiaufwand im vorliegenden Verfahren zuver-
lässig abgeschätzt werden kann, ist die Parteientschädigung - welche
vom BFM zu entrichten ist - von Amtes wegen auf Fr. 800.-- (inkl. Aus-
lagen) festzulegen (vgl. Art. 14 Abs. 2 VGKE).
(Dispositiv nächste Seite)
Seite 11
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
2.
Die Verfügung des BFM vom 2. August 2007 wird aufgehoben. Die Sa-
che wird zur Weiterführung des Asylverfahrens an das BFM zurückge-
wiesen.
3.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
4.
Das BFM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer für das Verfahren
vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von
Fr. 800.-- (inklusive Auslagen) zu entrichten.
5.
Dieses Urteil geht an:
- den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (Einschreiben)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt und Rückkehrförderung, mit den Ak-
ten Ref.-Nr. N _______ (per Kurier; in Kopie)
- _______ (in Kopie)
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Markus König Mareile Lettau
Versand:
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