E-5164/2007 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 29. Jun...
Karar Dilini Çevir:
E-5164/2007 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 29. Jun...
Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung V
E-5164/2007
Urteil vom 12. April 2011
Besetzung Richterin Regula Schenker Senn (Vorsitz),
Richter Hans Schürch, Richter Jean-Pierre Monnet,
Gerichtsschreiberin Anna Poschung.
Parteien A._______, geboren am (…),
Türkei,
vertreten durch (…),
Berner Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not,
(…),
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM
vom 29. Juni 2007 / N (…).
E-5164/2007
Seite 2
Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer reichte am 19. Januar 2005 auf der
Schweizerischen Vertretung in Damaskus (Syrien) ein Asylgesuch ein,
welches er damit begründete, wegen seines Engagements für die Halkin
Demokrasi Partisi (Partei der Demokratie des Volkes, HADEP) und die
Zeitschriften "Özgür Halk" und "Ülkede Gündem" seit dem Jahr 1996
mehr als sechs Mal in Polizeigewahrsam genommen und dabei schwer
misshandelt worden zu sein. In der Folge sei er im Jahr 1997 angeklagt
worden, Plakate der HADEP aufgehängt zu haben. Im Mai 1998 sei er in
B._______ unter dem Verdacht der Unterstützung einer illegalen
Organisation drei Monate inhaftiert und dabei mit dem Tod bedroht und
gefoltert worden.
Mit Entscheid vom 4. März 2005 verweigerte das BFM dem Beschwerdeführer die Einreise in die Schweiz
und lehnte das Asylgesuch ab. Gegen diese Verfügung erhob der Beschwerdeführer am 6. Mai 2005 durch
seine vormalige Rechtsvertreterin Beschwerde bei der damaligen Schweizerische Asylrekurskommission
(ARK). Am 16. Juli 2006 gelangte der Beschwerdeführer illegal in die Schweiz und ersuchte am 24. Juli
2006 im Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) C._______ um Asyl, worauf die ARK die Beschwerde
am 18. September 2006 abschrieb.
B.
Anlässlich der summarischen Befragung vom 29. August 2006 im EVZ
C._______ und der einlässlichen Anhörung zu den Asylgründen durch
den Kanton am 7. Februar 2007 hielt der Beschwerdeführer an seinen
Asylgründen vom 19. Januar 2005 fest und machte ergänzend im
Wesentlichen Folgendes geltend:
Er sei kurdischer Ethnie, stamme aus D._______ (Provinz Bingöl) und habe von 1989 bis im Juli 1999 mit
seinen Eltern und Geschwistern in Istanbul gelebt. Aufgrund seiner Schwierigkeiten und der psychischen
Belastung in der Türkei habe er das Land im Juli 1999 mit Unterstützung der Arbeiterpartei Kurdistans
(Partiya Karkerên Kurdistan, PKK) in Richtung Iran verlassen. Nach seiner Ankunft im Iran sei er von der
PKK in den Irak gebracht worden, wo er bis im Jahr 2004 in verschiedenen nordirakischen Ortschaften für
die PKK Presse- und Propagandaarbeit geleistet habe. Infolge von Unstimmigkeiten zwischen der
Patriotischen Union Kurdistans (Yeketî Niştîmanî Kurdistan, PUK) und der PKK sei er im August 2000
inhaftiert und im Dezember desselben Jahres wieder entlassen worden. Im Juli 2004 habe er sich der
Demokratischen Partei Kurdistans (Partîya Demokrata Kurdistan, KDP) gestellt und sei in ein
geschlossenes Militärlager nach Dohuk (Nordirak) geschickt worden, womit seine Tätigkeiten für die PKK
beendet gewesen seien. Um sich ausserhalb des Militärlagers bewegen zu dürfen, hätte er entweder der
KDP als Kämpfer beitreten oder einen Garanten stellen müssen. Garanten habe er keinen gefunden, da
Kurden aus der Türkei bei der Bevölkerung im Gebiet der KDP unbeliebt seien, nachdem KDP-Mitglieder
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von der PKK umgebracht worden seien. Der KDP als Kämpfer beizutreten habe er nicht gewollt. Mit Hilfe
seines Vaters, welcher für ihn gebürgt habe, sei er schliesslich nach Syrien gelangt, wo er auf der
schweizerischen Vertretung sein erstes Asylgesuch eingereicht habe. Im September 2005 habe er Syrien
verlassen und sei beim Versuch, illegal zurück in den Irak zu gelangen, von den Peschmerga (bewaffnete
Einheiten der KDP und der PUK) festgenommen, zurück nach Dohuk gebracht und dort inhaftiert worden.
Sein Vater sei im Oktober 2005 wiederum dorthin gekommen und habe garantiert, dass er (der
Beschwerdeführer) nicht im Irak bleibe, worauf er aus der Haft entlassen worden sei. Er habe den Irak mit
einem gefälschten türkischen Pass verlassen und sei via den Iran und Dubai nach Mauritius gelangt, wo er
festgenommen und in den Iran zurückgeschickt worden sei. Die iranischen Behörden hätten ihn den
irakischen Behörden übergeben, welche ihn erneut inhaftiert hätten. Er habe versucht, nach Dubai zu
gelangen, von wo er aber wiederum in den Nordirak zurückgeschickt worden sei. Nach einem weiteren
misslungenen Ausreiseversuch via Aserbaidschan, die Ukraine und den Iran sei es ihm schliesslich
gelungen, von Iran aus über Ägypten in die Schweiz einzureisen. In der Türkei werde er wegen
Mitgliedschaft bei einer illegalen Organisation gesucht; bei einer Verhaftung riskiere er eine lange
Gefängnisstrafe. Im Jahr 2005 habe die Polizei letztmals zu Hause nach ihm gesucht und seinem Vater
mitgeteilt, dass er (der Beschwerdeführer) militärdienstpflichtig sei. In Syrien habe er befürchtet, in die
Türkei ausgeliefert zu werden, und auch im Irak habe er nicht bleiben können, weshalb er um Asyl in der
Schweiz ersuche.
Im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens reichte der Beschwerdeführer in türkischer Sprache und mit
deutscher beziehungsweise französischer oder englischer Übersetzung folgende Dokumente zu den Akten:
Ein Urteil des Staatssicherheitsgerichts B._______ vom (…) 1998, ein Urteil des Zivilgerichts E._______
vom (…) 1998 sowie vom (…) 2000, einen Arztbericht der Türkischen Stiftung für Menschenrechte (Türkiye
İnsan Hakları Vakfı, TIHV) vom (…) 2005, ein Schreiben des Amtes des Hohen Flüchtlingskommissars der
Vereinten Nationen (UNHCR) in Syrien vom 19. Juli 2005, ein undatiertes Bestätigungsschreiben, ein
Antragsformular für die Ausstellung eines Nüfus, einen Auszug aus dem Familienregister sowie die
Abschrift eines Personalausweises vom 12. April 2007.
C.
Mit Verfügung vom 29. Juni 2007 – eröffnet am 30. Juni 2007 – stellte
das BFM fest, die Vorbringen des Beschwerdeführers genügten den
Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft nicht, und lehnte das
Asylgesuch ab. Gleichzeitig verfügte es die Wegweisung des
Beschwerdeführers aus der Schweiz und ordnete den
Wegweisungsvollzug an. Auf den detaillierten Inhalt wird, soweit
wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.
D.
Mit Beschwerdeeingabe vom 30. Juli 2007 beantragte der
Beschwerdeführer durch seinen damaligen Rechtsvertreter die
Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung, die Feststellung der
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Flüchtlingseigenschaft und die Gewährung von Asyl sowie eventualiter
die Gewährung der vorläufigen Aufnahme unter Feststellung der
Unzulässigkeit und Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges. In
prozessualer Hinsicht beantragte er die unentgeltliche Rechtspflege und
den Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses. Auf die
Begründung der Beschwerde und die eingereichten Beweismittel wird,
soweit wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.
E.
Mit Zwischenverfügung der vormals zuständigen Instruktionsrichterin vom
23. August 2007 wurde das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nach
Art. 65 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das
Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) infolge mutmasslicher
Aussichtslosigkeit der Beschwerdebegehren abgewiesen, und der
Beschwerdeführer wurde – unter Androhung eines
Nichteintretensentscheides im Unterlassungsfall – zur Bezahlung eines
Kostenvorschusses in der Höhe von Fr. 600.- aufgefordert. Am 30.
August 2007 wurde der eingeforderte Kostenvorschuss fristgerecht
geleistet.
F.
Mit Eingabe vom 26. Juni 2008 wurden Bestätigungsschreiben von (…)
vom 3. Mai 2008 und von (…) vom 21. August 2007 betreffend den
Aufenthalt des Beschwerdeführers im Lager Mahmur (Irak) zu den Akten
gereicht.
G.
Mit Schreiben vom 26. November 2008 ersuchte der Beschwerdeführer
um Auskunft betreffend den Verfahrensstand, welches am 10. Dezember
2008 durch die vormals zuständige Instruktionsrichterin beantwortet
wurde.
H.
Mit Zwischenverfügung vom 5. August 2010 forderte die unterzeichnende
Instruktionsrichterin den Beschwerdeführer auf, einen Bericht über allfällig
veränderte Verhältnisse unter Beilage vorhandener Beweismittel
einzureichen.
Mit Stellungnahme vom 16. August 2010 liess der Beschwerdeführer ein Schreiben der Berner Wirtschaft
(beco) vom 12. Januar 2010 sowie eine Kopie der Fürsorgebestätigung vom 19. August 2010 einreichen.
Auf den detaillierten Inhalt der Stellungnahme wird, soweit wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.
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Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1. Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
(VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden
gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM gehört zu den
Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des
Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme
im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht
ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und
entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig (Art. 105 des
Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1
des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem
BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6
AsylG).
1.3. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Der
Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist
durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein
schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise
Änderung; er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art.
105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 48 Abs. 1, 50 und 52 VwVG). Auf
die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und
die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3.
3.1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen
grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat
oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion,
Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder
wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt
sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu
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werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des
Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen
unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen
Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen (Art. 3 AsylG).
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig
begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf
gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
4.
4.1. Die Vorinstanz führte zur Begründung ihres Entscheides aus, die
vom Beschwerdeführer geltend gemachte Suche nach ihm in der Türkei
sei als durch nichts belegte Behauptung zu bewerten. Gemäss den ins
Recht gelegten Beweismitteln wie den drei Urteilen aus den Jahren 1998
und 2000 sowie der undatierten Bestätigung des Anwalts sei in der Türkei
weder ein Verfahren gegen ihn hängig noch ein Strafvollzug ausstehend.
Zudem habe er sich bezüglich der angeblich wegen des Militärdienstes
erfolgten Suche widersprochen, indem er einmal angegeben habe, er sei
mittels einer schriftlichen Vorladung gesucht worden, während er ein
andermal gesagt habe, dies sei lediglich mündlich geschehen. Ferner
bestünde bei der vorliegenden Aktenlage kein Grund zur Annahme, dass
die türkischen Behörden etwas über seine angeblichen Tätigkeiten für die
PKK im Irak gewusst hätten. Dies werde durch den Umstand erhärtet,
dass diese zudem auch bezweifelt werden müssten, da es beispielsweise
doch zumindest erstaunlich sei, dass er jahrelang für die PKK im Irak
Pressearbeit geleistet haben wolle und die PKK für seinen
Lebensunterhalt aufgekommen sei, ohne dass er Mitglied der PKK
gewesen sei. Ferner habe er sich zu seinen angeblichen politischen
Tätigkeiten in der Türkei widersprochen, indem er vor der
Kantonsbehörde einmal angegeben habe, er sei dort für keine bestimmte
Partei tätig gewesen, vor der gleichen Behörden an anderer Stelle wie
auch in seinem in Syrien eingereichten Asylgesuch sowie in der
Beschwerde vom 6. Mai 2005 aber gesagt habe, er sei für die HADEP
tätig gewesen und habe für diese sogar als Journalist gearbeitet. Die
nicht abschliessend aufgezählten Ungereimtheiten in zentralen Bereichen
würden zum Schluss führen, dass die Vorbringen des Beschwerdeführers
unglaubhaft seien und den Anforderungen von Art. 7 AsylG nicht
genügten. Zudem führte die Vorinstanz aus, die Vorbringen des
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Beschwerdeführers würden auch den Anforderungen an die
Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nicht standhalten. Gemäss
konstanter schweizerischer Asylpraxis setze der Begriff der
Flüchtlingseigenschaft einen in zeitlicher und sachlicher Hinsicht
genügend engen Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht
voraus. Die Festnahmen durch die türkischen Behörden bis im Mai 1998
und die damit verbundenen angeblichen Misshandlungen würden zu weit
zurückliegen, um noch als Anlass für die Ausreise beurteilt zu werden,
womit auch der Bericht der TIHV vom (…) über die angeblich anlässlich
der Festnahme im Mai 1998 erlittenen Misshandlungen keine
asylrelevante Verfolgung zu belegen vermöchte. Dies treffe ebenfalls für
das Dokument des UNHCR zu, da dieses keine Hinweise auf eine
tatsächliche Verfolgung des Beschwerdeführers enthalte und lediglich
bestätige, dass er beim UNHCR ein Asylgesuch eingereicht habe. Die
weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers wie die angeblichen
Schwierigkeiten im Irak würden sich ausschliesslich auf eine Verfolgung
durch die irakischen Behörden und somit auf Verfolgung in einem
Drittstaat beziehen, der er sich durch Wegzug in sein Heimatland
entziehen könne. Der Beschwerdeführer erfülle demzufolge die
Flüchtlingseigenschaft nicht, weshalb das Asylgesuch abzulehnen sei.
Den Vollzug der Wegweisung erachtete das BFM als zulässig, zumutbar
und möglich.
4.2. Der Beschwerdeführer hält in seiner Rechtsmitteleingabe vorab fest,
die Vorinstanz habe die Frage nach der Möglichkeit eines dauerhaften
Aufenthaltes im Irak oder einem anderen Drittstaat nicht weiter verfolgt
und sich in der angefochtenen Verfügung lediglich mit der Verfolgung
durch den Heimatstaat beziehungsweise der Wegweisung in denselben
beschäftigt, weshalb davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer
in keinem Drittstaat dauernden und sicheren Aufenthalt finden könne.
Betreffend dem Vorhalt der Vorinstanz, bei der vom Beschwerdeführer
geltend gemachten polizeilichen Suche nach ihm in der Türkei handle es
sich um eine durch nichts belegte Behauptung, wendet er ein, die
Argumentation der Vorinstanz greife zu kurz. Er sei bereits als
sechzehnjähriger Schüler das erste Mal festgenommen worden; sein
linkes Trommelfell sei bei diesem Vorfall nachhaltig geschädigt worden.
In der Folge sei er weitere Male festgenommen, bedroht, gefoltert und
unter anderem der Mitgliedschaft bei der PKK angeklagt worden. Nach
einem dreimonatigen Gefängnisaufenthalt habe er sich gezwungen
gesehen, die TIHV um psychologische und medizinische Hilfe zu
ersuchen. Aufgrund dieser persönlichen Erfahrungen, welche von der
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Vorinstanz nicht bezweifelt würden, müsse das Vorliegen einer
subjektiven Furcht bejaht werden. In objektiver Hinsicht seien ebenfalls
genügend konkrete Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass er im Falle
einer Rückkehr mit erheblicher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft
staatlichen Verfolgungsmassnahmen im Sinne von Art. 3 AsylG
ausgesetzt würde. Vor seiner Ausreise in den Irak sei er bereits unter
dem Verdacht von PKK-Aktivitäten inhaftiert gewesen, weshalb im Falle
einer Rückkehr mit einer Verhaftung durch die türkischen Behörden sowie
mit Verhören unter menschenrechtswidriger Behandlung und Folter zu
rechnen sei. Weiter habe er durch seine illegale Ausreise und den
mehrjährigen Auslandaufenthalt Tatsachen geschaffen, die bei den
türkischen Behörden unweigerlich den Verdacht aufkommen lassen
würden, er habe seine staatsfeindliche Tätigkeit im Ausland fortgesetzt.
Im Übrigen könne nicht ausgeschlossen werden, dass der türkische Staat
aufgrund von (erzwungenen) Zeugenaussagen heute über die
Informationen betreffend den Beschwerdeführer verfüge, die dem Gericht
anlässlich der Ende der neunziger Jahre geführten Prozesse noch gefehlt
hätten. Gewichtiger Anhaltspunkt sei letztlich die Tatsache, dass der
Beschwerdeführer aus einer politisch aktiven Familie stamme, die unter
besonderer Beobachtung stehen dürfte. Seine Mutter arbeite für die (…),
eine kurdische Tageszeitung; sein Vater weise eine rege Reisetätigkeit in
kurdische Gebiete ausserhalb der Türkei auf. Eine seiner Schwestern,
(…), habe aufgrund ihrer journalistischen Tätigkeit für die Zeitung (…) im
Jahr 2002 aus der Türkei fliehen müssen und sei in der Folge in der
Schweiz als Flüchtling anerkannt worden. In diesem Zusammenhang sei
auch an Reflexverfolgung zu denken, was in casu jedoch ungeprüft
geblieben sei. Die Familie des Beschwerdeführers habe sich auf eine Art
und Weise exponiert, die es objektiv wahrscheinlich erscheinen lasse,
dass er zukünftiger Verfolgung ausgesetzt würde. Dem Vorwurf der
Unglaubhaftigkeit seiner Vorbringen hält er entgegen, er habe anlässlich
der kantonalen Anhörung nachvollziehbar erklärt, wie es zu einem
allfälligen Missverständnis betreffend die – mündliche oder schriftliche –
Vorladung zum Militärdienst gekommen sei. Vor dem Hintergrund seiner
ansonsten sehr substantiierten und in sich schlüssigen Aussagen
erscheine dieser angebliche Widerspruch nicht gewichtig genug, um
damit seine Glaubwürdigkeit ernsthaft zu erschüttern. Weiter sei die von
der Vorinstanz aufgeworfene Frage, ob er tatsächlich für die PKK im Irak
tätig gewesen sei, von theoretischem Interesse, weil die türkischen
Behörden auch blosse Sympathisanten der Mitgliedschaft verdächtigen
und verfolgen würden. Gemäss Statuten der PKK sei Mitglied, wer
Entscheidkompetenz habe. Dies habe auf ihn nicht zugetroffen, er sei
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jedoch für die PKK in einem bestimmten Aufgabengebiet tätig gewesen,
sprich habe Arbeit geleistet, während die PKK im Gegenzug seine
Existenz gesichert habe. Als aktiver "Angestellter" der PKK sei er mehr
als ein blosser Sympathisant, aber weniger als ein vereidigtes Mitglied mit
Entscheidkompetenz und Befehlsgewalt gewesen. Der angebliche
Widerspruch zu seinen Tätigkeiten für eine politische Partei sei mit der
Befragungstechnik – einer thematischen Einengung – zu erklären. Zum
Vorhalt des fehlenden Kausalzusammenhangs zwischen der Festnahme
und den Misshandlungen im Jahr 1998 und seiner Flucht wendet er ein,
eine isolierte Betrachtung sei nicht angebracht. Dieser Vorfall sei vielmehr
kausal gewesen für das anschliessende Verlassen des Heimatlandes und
die Absetzung ins benachbarte Ausland. Die drohende künftige
Verfolgung in der Türkei sei als logische Fortsetzung jener früheren
Verfolgung zu betrachten. Zusammenfassend hält er fest, er habe seine
Fluchtgründe glaubhaft geschildert; seine Furcht vor zukünftiger
Verfolgung sei sowohl aus subjektiver als auch objektiver Sicht
begründet.
Mit der Beschwerde wurden drei Fotos, welche in der Zeitspanne von 1999 bis 2004 entstanden seien und
den Beschwerdeführer "in den Bergen" respektive im Irak zeigten, sowie ein Referenzschreiben von (…)
vom 23. Juli 2007 inklusive Übersetzung zu den Akten gereicht.
5.
5.1. Die Vorinstanz hat den Vorbringen des Beschwerdeführers einerseits
die Glaubhaftigkeit abgesprochen und andererseits – soweit die geltend
gemachten Festnahmen durch die türkischen Behörden bis zum Mai
1998 und die damit verbundenen Misshandlungen betreffend – deren
flüchtlingsrechtliche Relevanz verneint. Das Bundesverwaltungsgericht
kommt wie nachfolgend dargelegt zum Schluss, dass die Vorbringen des
Beschwerdeführers in ihrer Gesamtheit den Anforderungen an die
Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nicht zu genügen vermögen,
weshalb sich eine eingehende Glaubhaftigkeitsprüfung nach Art. 7 AsylG
erübrigt.
5.2. Die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG erfüllt eine
asylsuchende Person nach Lehre und Rechtsprechung dann, wenn sie
Nachteile von bestimmter Intensität erlitten hat beziehungsweise mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft
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begründeterweise befürchten muss, welche ihr gezielt und aufgrund
bestimmter Verfolgungsmotive durch Organe des Heimatstaates oder
durch nichtstaatliche Akteure zugefügt worden sind beziehungsweise
zugefügt zu werden drohen (vgl. Entscheide des Schweizerischen
Bundesverwaltungsgerichts [BVGE] 2008/4 E. 5.2 S. 37; Entscheidungen
und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK]
2006 Nr. 18 E. 7 und 8 S. 190 ff., EMARK 2005 Nr. 21 E. 7 S. 193).
Aufgrund der Subsidiarität des flüchtlingsrechtlichen Schutzes setzt die
Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausserdem voraus, dass die
betroffene Person in ihrem Heimatland keinen ausreichenden Schutz
finden kann (vgl. BVGE 2008/12 E. 7.2.6.2 S. 174 f., BVGE 2008/4 E. 5.2
S. 37 f.; EMARK 2006 Nr. 18 E. 10 S. 201 ff., EMARK 2005 Nr. 21 E. 7.3
S. 194 und E. 11.1 S. 201 f.). Ausgangspunkt für die Beurteilung der
Flüchtlingseigenschaft ist die Frage nach der im Zeitpunkt der Ausreise
vorhandenen Verfolgung oder begründeten Furcht vor einer solchen. Die
Situation im Zeitpunkt des Asylentscheides ist jedoch im Rahmen der
Prüfung nach der Aktualität der Verfolgungsfurcht ebenfalls wesentlich.
Veränderungen der objektiven Situation im Heimatstaat zwischen
Ausreise und Asylentscheid sind deshalb zugunsten und zulasten der das
Asylgesuch stellenden Person zu berücksichtigen (vgl. BVGE 2008/4 E.
5.4 S. 38 f.; EMARK 2000 Nr. 2 E. 8a S. 20; WALTER STÖCKLI, Asyl, in:
Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], Ausländerrecht,
Basel/Bern/Lausanne 2009, Rz. 11.17 und 11.18).
5.3. Vorab ist festzuhalten, dass sich die Prüfung des Vorliegens von
begründeter Furcht vor Verfolgung – wie in der Rechtsmitteleingabe zu
Recht vermerkt – auf mögliche Verfolgungsmassnahmen durch den
türkischen Staat beschränkt.
5.4. Begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 AsylG
liegt vor, wenn konkreter Anlass zur Annahme besteht, letztere hätte sich
– aus der Sicht im Zeitpunkt der Ausreise – mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zeit verwirklicht beziehungsweise
werde sich – auch aus heutiger Sicht – mit ebensolcher
Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft verwirklichen. Dabei genügt es
nicht, dass diese Furcht lediglich mit Vorkommnissen oder Umständen,
die sich früher oder später möglicherweise ereignen könnten, begründet
wird. Ob in einem bestimmten Fall eine solche Wahrscheinlichkeit
besteht, ist aufgrund einer objektivierten Betrachtungsweise zu
beurteilen. Es müssen damit hinreichende Anhaltspunkte für eine
konkrete Bedrohung vorhanden sein, die bei jedem Menschen in
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vergleichbarer Lage Furcht vor Verfolgung und damit den Entschluss zur
Flucht hervorrufen würden. Dennoch ist für die Bestimmung der
begründeten Furcht nicht allein massgebend, was ein hypothetischer
Durchschnittsmensch in derselben Situation empfinden würde. Diese rein
objektive Betrachtungsweise ist zusätzlich durch das von der betroffenen
Person bereits Erlebte und das Wissen um Konsequenzen in
vergleichbaren Fällen zu ergänzen. Wer bereits staatlichen
Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt war, hat objektive Gründe für eine
ausgeprägtere (subjektive) Furcht. Die subjektive Furcht ist diesfalls
bereits dann begründet, wenn sie zwar diejenige eines in der gleichen
Situation befindlichen Durchschnittsmenschen übersteigt, aber trotzdem
nachvollziehbar bleibt (vgl. EMARK 2005 Nr. 21 E. 7.1 S. 193, mit
weiteren Hinweisen). Die erlittene Verfolgung beziehungsweise die
begründete Furcht vor künftiger Verfolgung muss zudem sachlich und
zeitlich kausal für die Ausreise aus dem Heimatstaat und grundsätzlich
auch im Zeitpunkt des Asylentscheids noch aktuell sein (EMARK 1996
Nr. 29 E. 2b, S. 299; 1995 Nr. 5 E. 6a S. 43). Im Übrigen muss
feststehen, dass die von einer Verfolgung bedrohte asylsuchende Person
über keine innerstaatliche Fluchtalternative verfügt (vgl. EMARK 1996 Nr.
1 E. 5b und c, S. 5 – 7).
5.5. Das Bundesverwaltungsgericht teilt die Einschätzung der Vorinstanz,
dass die geltend gemachten Vorbringen bis zum Mai 1998 und die
während der Haft von Ende Mai bis anfangs August 1998 erlittenen
Misshandlungen nicht direkt fluchtauslösend waren, zumal keine
plausible objektiven und subjektiven Gründe ersichtlich sind, welche die
zeitlich verzögerte Ausreise des Beschwerdeführers aus der Türkei im
Juli 1999 erklärbar machen würden. Folglich muss der zeitliche
Kausalzusammenhang zwischen der geltend gemachten
Verfolgungshandlung und der Flucht und somit die flüchtlingsrechtliche
Relevanz dieser Vorbringen verneint werden. Aufgrund des Erlebten
scheint es nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer allenfalls
subjektive Furcht vor zukünftiger Verfolgung empfindet. Hingegen lässt
sich diese Furcht entgegen der in der Beschwerdeeingabe vertretenen
Auffassung in objektiver Hinsicht nicht bekräftigen. Die im
vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Beweismittel bezüglich der
geltend gemachten, gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfahren
vermögen keine konkreten Umstände zu begründen, die auf eine
unmittelbar oder in absehbarer Zukunft drohende Verfolgung hinweisen
würden. So lässt sich dem Urteil des Staatssicherheitsgerichts B._______
vom (…) 1998 vielmehr entnehmen, dass der Beschwerdeführer zwar der
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"Unterstützung der terroristischen Organisation PKK" angeklagt wurde,
das zuständige Gericht hingegen die Freilassung des Beschwerdeführers
verlangte und er gleichentags aus der Haft entlassen wurde. Ein weiteres
gegen den Beschwerdeführer gerichtetes Verfahren wegen illegalem
Aufhängen von Plakaten wurde mit Urteil des Zivilgerichts E._______
vom (…) 2000 aufgrund Verjährung eingestellt. Folglich ist nicht davon
auszugehen, dass seitens der türkischen Behörden ein weiteres
Verfolgungsinteresse besteht, weshalb objektiv begründete Furcht des
Beschwerdeführers vor zukünftiger Verfolgung verneint werden muss.
Diese Schlussfolgerung wird dadurch erhärtet, dass der
Beschwerdeführer auf Beschwerdeebene eingeräumt hat, seiner Familie
in der Türkei sei es nicht möglich, an einen Haftbefehl zu gelangen, der
angeblich auf den Beschwerdeführer ausgestellt worden war (vgl.
Stellungnahme vom 16. August 2010 S. 1). Im Übrigen sind den Akten –
wie von der Vorinstanz zu Recht erwogen – auch keine Hinweise zu
entnehmen, dass die geltend gemachten (journalistischen) Tätigkeiten
des Beschwerdeführers im Irak für die PKK das Verfolgungsinteresse der
türkischen Behörden geweckt haben könnten.
5.6. Der Beschwerdeführer rügt in seiner Beschwerdeeingabe, die
Vorinstanz habe es unterlassen, die Gefahr einer Reflexverfolgung
aufgrund seiner in der Schweiz wohnhaften, als Flüchtling anerkannten
Schwester (…) zu prüfen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der
Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren nie eine
Reflexverfolgung geltend gemacht hat, weshalb dieses Vorbringen als
nachgeschoben zu beurteilen ist. Im Weiteren leben die Eltern und zwei
Schwestern des Beschwerdeführers nach wie vor in der Türkei (vgl. vor-
instanzliche Akten B1/10 S. 3 F12), weshalb davon auszugehen ist, dass
diese wegen ihrer in der Schweiz lebenden Tochter beziehungsweise
Schwester nichts zu befürchten haben. Jedenfalls sind den Akten keine
Hinweise zu entnehmen, und der Beschwerdeführer hat im
vorinstanzlichen Verfahren auch nicht geltend gemacht, dass seine in der
Türkei verbliebenen Familienangehörigen aufgrund der politischen
Tätigkeiten seiner Schwester behördlicherseits behelligt worden wären,
womit keine Anhaltspunkte für eine Reflexverfolgung vorliegen.
5.7. Soweit der Beschwerdeführer rügt, er habe durch seine illegale
Ausreise und den mehrjährigen Auslandaufenthalt Tatsachen geschaffen,
die bei den türkischen Behörden den Verdacht aufkommen lassen
würden, er habe seine staatsfeindliche Tätigkeit im Ausland fortgesetzt,
ist festzuhalten, dass türkische Staatsbürger bei einer Einreise in die
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Türkei zwar oftmals routinemässig überprüft werden, insbesondere wenn
sie sich längere Zeit im Ausland aufgehalten haben oder illegal ausgereist
sind. Dabei haben insbesondere Rückkehrer, die wie der
Beschwerdeführer mit linkslastigen Kreisen in Verbindung gebracht
werden, mit einer erhöhten Gefährdung zu rechnen (vgl. EMARK 2005
Nr. 21 E. 11.2 S. 202). Vorliegend besteht jedoch kein Grund zur
Annahme, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Türkei
abgesehen von einer routinemässigen Kontrolle weitergehenden
behördlichen Massnahmen ausgesetzt wäre, zumal - wie oben dargelegt
- in der Türkei nichts gegen den Beschwerdeführer vorliegt, und er auch
keine Reflexverfolgung zu befürchten hat.
5.8. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der
Beschwerdeführer auch aus dem Umstand, in der Türkei den Militärdienst
noch nicht geleistet zu haben (vgl. B1/10 S. 7 sowie B18/22 S. 6), nichts
zu seinen Gunsten ableiten kann. Gemäss konstanter Praxis stellen
allfällige strafrechtliche Konsequenzen wegen Refraktion bei einer
Rückkehr ins Heimatland grundsätzlich keine Verfolgung im Sinne des
Asylgesetzes dar. Es ist ein legitimes Recht jedes Staates, seine Bürger
zum Militärdienst einzuberufen, weshalb strafrechtliche oder
disziplinarische Massnahmen bei Pflichtverletzungen grundsätzlich nicht
als politisch motivierte oder menschenrechtswidrige
Verfolgungsmassnahmen zu betrachten sind (vgl. EMARK 2006 Nr. 3 E.
4.2 S. 31 f., mit weiteren Hinweisen). Wehrpflichtige Männer werden in
der Türkei aufgrund der Staatsangehörigkeit und ihres Jahrgangs für das
Militär aufgeboten, ohne dass dieser Verpflichtung eine asylrechtlich
relevante Verfolgungsabsicht des Staates zugrunde liegen würde. Die
Wahrscheinlichkeit, dass kurdische Soldaten während des
obligatorischen Militärdienstes gegen Angehörige ihrer eigenen Ethnie
eingesetzt werden, ist sehr gering, und es kann jedenfalls
ausgeschlossen werden, dass dies auf systematische Weise geschieht.
Eine allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung wäre
vorliegend als legitime staatliche Massnahme zur Durchsetzung einer
staatsbürgerlichen Pflicht und damit als asylrechtlich nicht relevant zu
charakterisieren. Bisher wurde nicht bekannt, dass kurdische Refraktäre
ihrer Ethnie oder ihres Gewissens wegen im Sinne eines "Malus" generell
strengere Strafen zu gewärtigen hätten als Refraktäre türkischer Ethnie.
Nachdem sich die vom Beschwerdeführer allenfalls zu erwartenden
strafrechtlichen Sanktionen als nicht relevant im Sinne des Asylgesetzes
erweisen (vgl. dazu EMARK 2004 Nr. 2 S. 12 ff.), liegt auch in dieser
Hinsicht keine objektiv begründete Furcht vor zukünftiger Verfolgung vor.
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5.9. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer
nicht gelungen ist, eine objektiv begründete Furcht vor ihm in naher
Zukunft drohender asylrechtlich relevanter Verfolgung nachzuweisen oder
zumindest glaubhaft zu machen, weshalb er die Voraussetzungen zur
Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt. Es erübrigt sich, auf
die weiteren Ausführungen in der Beschwerde und die eingereichten
Beweismittel näher einzugehen, da sie an vorliegender Würdigung nichts
zu ändern vermögen. Die Vorinstanz hat das Asylgesuch des
Beschwerdeführers demnach zu Recht abgelehnt.
6.
6.1. Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht
ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und
ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit
der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
6.2. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche
Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer
solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44
Abs. 1 AsylG; EMARK 2001 Nr. 21).
7.
7.1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder
nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach
den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von
Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bundesgesetzes
vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG,
SR 142.20]).
7.2. Bezüglich der Geltendmachung von Wegweisungshindernissen gilt
gemäss ständiger Praxis des Bundesverwaltungsgerichts und seiner
Vorgängerorganisation, der ARK, der gleiche Beweisstandard wie bei der
Flüchtlingseigenschaft, das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte
Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl.
WALTER STÖCKLI, Asyl, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser, Ausländerrecht,
2. Auflage, Basel 2009, Rz. 11.148).
7.3.
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7.3.1. Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche
Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des
Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat
entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG). So darf keine Person in irgendeiner
Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr
Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG
gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches
Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33
Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]). Gemäss Art. 25 Abs. 3 der
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April
1999 (BV, SR 101), Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984
gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende
Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 der
Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte
und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) darf niemand der Folter oder
unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen
werden.
7.3.2. Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend
darauf hin, dass der Grundsatz der Nichtrückschiebung nur Personen
schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es dem
Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche
Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann das in Art. 5
AsylG verankerte Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulements im
vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine Wegweisung des
Beschwerdeführers in die Türkei ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5
AsylG rechtmässig. Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des
Beschwerdeführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für
den Fall einer Rückkehr in die Türkei dort mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen
Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss Praxis des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener
des UN-Anti-Folterausschusses müsste er eine konkrete Gefahr ("real
risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer
Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde
(vgl. EGMR, [Grosse Kammer], Saadi gegen Italien, Urteil vom 28.
Februar 2008, Beschwerde Nr. 37201/06, §§ 124-127, mit weiteren
Hinweisen). Auch die allgemeine Menschenrechtssituation in der Türkei
lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht als
unzulässig erscheinen.
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7.3.3. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im
Sinne der asyl- als auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
7.4.
7.4.1. Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen
und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder
Herkunftsstaat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg,
allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind.
Wird konkrete Gefährdung festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83
Abs. 7 AuG – die vorläufige Aufnahme zu gewähren (vgl. Botschaft zum
Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März
2002, BBl 2002 3818).
7.4.2. Weder die allgemeine Lage in der Türkei noch die persönliche
Situation des Beschwerdeführers lassen auf eine konkrete Gefährdung
schliessen. Angesichts der heutigen Lage in der Türkei kann nicht von
einer Situation allgemeiner Gewalt oder von kriegerischen oder
bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen gesprochen werden, welche für den
Beschwerdeführer bei einer Rückkehr eine konkrete Gefährdung
darstellen würden. Sodann bestehen auch keine Hinweise, dass der
Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Türkei in eine konkrete,
seine Existenz bedrohende Situation geraten könnte. Seine Eltern und
zwei in der Türkei verbliebenen Schwestern leben gemäss Akten in
Istanbul, womit er sich auf ein familiäres Beziehungsnetz stützen kann.
Zudem hat er in der Türkei das Gymnasium abgeschlossen und in der
Schweiz ein einjähriges Vorstudium zwecks Vorbereitung eines
Hochschulstudiums absolviert, weshalb davon auszugehen ist, dass er
sich in der Türkei in den Arbeitsmarkt wird integrieren können. Angesichts
dieser Umstände kann der Vollzug der Wegweisung trotz langjähriger
Landesabwesenheit des Beschwerdeführers entgegen der in der
Rechtsmitteleingabe vertretenen Auffassung somit auch als zumutbar
bezeichnet werden. Was die auf Beschwerdeebene geltend gemachte
fortgeschrittene Entfremdung vom Heimatland anbelangt, ist festzuhalten,
dass die langjährige Landesabwesenheit unter dem Aspekt der
Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs vorliegend keinen Grund bildet,
welcher gegen einen Wegweisungsvollzug sprechen würde. Der
Beschwerdeführer hat seine Kindheit und Adoleszenz bis zum
neunzehnten Lebensjahr – mithin seine prägenden Lebensjahre – in der
Türkei verbracht, weshalb es für ihn zumutbar ist, in seinen gewohnten
Kultur- und Lebenskreis zurückzukehren. Von einer über das übliche
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Mass hinausgehenden Entwurzelung ist vorliegend nicht auszugehen.
Vollständigkeitshalber ist darauf hinzuweisen, dass gemäss Art. 14 Abs. 2
AsylG der Zuweisungskanton mit Zustimmung des Bundesamts eine
Aufenthaltsbewilligung erteilen kann, wenn sich die betroffene Person seit
Einreichung des Asylgesuches mindestens fünf Jahre in der Schweiz
aufgehalten hat und wegen der fortgeschrittenen Integration ein
schwerwiegender persönlicher Härtefall vorliegt. Es steht dem
Beschwerdeführer auch nach Abschluss des vorliegenden
Beschwerdeverfahrens frei, sich in dieser Sache an die kantonale
Migrationsbehörde zu wenden.
7.4.3. Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung
sowohl aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage in der Türkei als auch
in individueller Hinsicht als zumutbar.
7.5. Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der
zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr
notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (Art. 8 Abs. 4 AsylG),
weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist
(Art. 83 Abs. 2 AuG).
7.6. Insgesamt ist die durch die Vorinstanz verfügte Wegweisung zu be-
stätigen. Die Vorinstanz hat deren Vollzug zu Recht als zulässig,
zumutbar und möglich erachtet. Nach dem Gesagten fällt eine Anordnung
der vorläufigen Aufnahme ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AuG).
8.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und
vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die
Beschwerde ist abzuweisen.
9.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem
Beschwerdeführer (Art. 63 Abs. 1 und 5 VwVG) aufzuerlegen, auf
insgesamt Fr. 600.- festzusetzen (Art. 1-3 des Reglements vom 21.
Februar über die Kosten und Entschädigungen vor dem
Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) und mit dem am 30.
August 2007 in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss zu
verrechnen.
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt und mit dem in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss
verrechnet.
3.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die
zuständige kantonale Behörde.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Regula Schenker Senn Anna Poschung
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