E-5067/2014 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 7. Augu...
Karar Dilini Çevir:
E-5067/2014 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 7. Augu...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung V
E-5067/2014


Ur t e i l vom 2 4 . M a i 2 0 1 6
Besetzung

Richter Markus König (Vorsitz),
Richter Hans Schürch, Richter François Badoud,
Gerichtsschreiber Nicholas Swain.
Parteien

A._______, geboren am (…),
B._______, geboren am (…),
Iran,
amtlich verbeiständet durch
lic. iur. Urs Ebnöther, Rechtsanwalt,
Beschwerdeführende,


gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM; zuvor Bundesamt für
Migration, BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 7. August 2014 / N (…).


E-5067/2014
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Sachverhalt:
A.
Die Beschwerdeführenden reisten gemäss ihrer Darstellung am (…) Juni
2012 in die Schweiz ein und stellten gleichentags im Empfangs- und
Verfahrenszentrum (EVZ) Basel Asylgesuche. Am 16. Juli 2012 fanden die
Befragungen zur Person (BzP) im EVZ und am 2. Juni 2014 die Anhörun-
gen zu den Asylgründen gemäss Art. 29 Abs. 1 AsylG (SR 142.31) statt.
B.
B.a Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines Asylgesuchs im
Wesentlichen vor, er sei kurdischer Ethnie, sunnitischen Glaubens und
stamme aus C._______. Seine Familie gehöre dem sunnitischen Der-
wisch-Orden der Naqschbandi an und habe seit langem führende Funktio-
nen in diesem bekleidet. Sein Vater sei (…) dieses Ordens und habe als
Gastgeber vieler Versammlungen gewirkt. Er selber habe seinen Vater re-
gelmässig an diese Versammlungen begleitet und koordinierende und or-
ganisatorische Aufgaben übernommen. Insbesondere habe er den Kontakt
zu Ordensmitgliedern im Irak und in Syrien gepflegt. Er sei wegen seiner
Glaubenszugehörigkeit dreimal zusammen mit seinem Vater festgenom-
men worden. Das erste Mal seien sie im Jahr (…) verhaftet worden, wobei
er mit (…) verletzt und (…) oder (…) Tage lang im Gefängnis (…) festge-
halten worden sei. Im Jahre (…) seien er, sein Vater sowie weitere Glau-
bensbrüder anlässlich einer religiösen Versammlung der Naqschbandi in
der Stadt D._______ festgenommen worden. Bei dieser Festnahme seien
ihm Verletzungen am (…) zugefügt worden. Nachdem er und sein Vater
eine Erklärung unterzeichnet hätten, wonach sie anerkennen würden, kein
Recht auf die Durchführung von Derwisch-Versammlungen zu haben, und
sie sich ausserdem verpflichtet hätten, für Versammlungen von mehr als
drei Personen eine behördliche Bewilligung einzuholen, seien sie (…) wie-
der freigelassen worden. Im Monat (…) seien er und sein Vater während
eines religiösen Anlasses in D._______ erneut festgenommen worden. Bei
einem anschliessenden Verhör sei er geschlagen worden, wobei ihm mit
einem Faustschlag (…) gebrochen worden sei. Nach (…)-tägiger Haft, in
welcher er noch mehrmals verhört worden sei, sei er freigelassen worden,
verbunden mit einer durch die Staatsanwaltschaft ausgesprochenen
schriftlichen Auflage, keine Versammlungen der Naqschbandi mehr zu or-
ganisieren oder zu besuchen. Für den Fall eines Verstosses gegen diese
Auflage sei ihm und seinem Vater eine Haftstrafe von (…) Monaten bis zu
(…) Jahren angedroht worden. Er habe im Allgemeinen als "Boxsack" für
seinen Vater herhalten müssen; denn die Behörden hätten seinen Vater
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wegen dessen Alter und Bekanntheitsgrad weniger hart angefasst als ihn.
Trotz der ihnen gemachten Auflagen hätten er und sein Vater aber weiter-
hin Veranstaltungen der Derwische durchgeführt. Sie hätten bemerkt, dass
sie überwacht würden, und sein Vater sei nach der Festnahme im Jahre
(…) mehrmals zu Kontrollzwecken vorgeladen worden. Das letzte Mal
habe er am (…) in E._______ an einer Derwisch-Versammlung teilgenom-
men. Bei dieser Gelegenheit seien die Sicherheitskräfte wiederum einge-
schritten und hätten viele Teilnehmer festgenommen. Er selber habe je-
doch vom Versammlungsort fliehen können, und habe sich in der Folge bei
einem Freund seiner Familie in E._______ versteckt. Weil er im Falle einer
erneuten Verhaftung eine harte Bestrafung befürchtet habe, habe er sich
zur Ausreise entschlossen. Sein Freund habe ihn in Verbindung zu einem
Schlepper gebracht, welcher die Ausreise von ihm und seiner Ehefrau or-
ganisiert habe. Sie hätten sich in F._______ getroffen, seien vom Schlep-
per an die Grenze zur Türkei gebracht und nach illegalem Grenzübertritt
am (…) Juni 2012 von dort durch einen anderen Schlepper nach Istanbul
gebracht worden. Einige Tage darauf seien sie in einem Lastwagen ver-
steckt in die Schweiz gebracht worden.
Nach seiner Ausreise sei sein Vater für (…) Monate inhaftiert worden. Der
Druck gegen ihre Gemeinschaft habe sich noch erhöht; die iranischen Be-
hörden würden nun auch schiitische Derwische verfolgen. Im Übrigen sei
er (…) Monate nach seiner Ausreise zu einer Haftstrafe von (…) Jahren
verurteilt worden. Sein Vater habe das Urteil am Sitz des Gerichts einsehen
können, jedoch sei ihm nicht erlaubt worden, eine Kopie des Entscheids
anzufertigen. Derartige Gerichtsurteile würden den Verurteilten nicht aus-
gehändigt, damit sie keine Belege für erlittene Menschenrechtsverletzun-
gen in der Hand hätten. Möglicherweise würde er im Falle einer Rückkehr
auch wegen illegaler Ausreise oder wegen des im Ausland gestellten Asyl-
gesuchs angeklagt.
B.b Die Beschwerdeführerin brachte vor, sie sei nur wegen der Probleme
ihres Ehemannes ausgereist. Nach der Versammlung vom (…) hätten Ver-
treter der Behörden sie ein- oder zweimal zu Hause aufgesucht und sie
nach dem Aufenthaltsort ihres Ehemannes gefragt, wobei ihr mit einer
Festnahme gedroht worden sei. Ansonsten habe sie selber keine Prob-
leme mit den Behörden gehabt. Im Übrigen bestätigte sie im Wesentlichen
die Vorbringen ihres Ehemannes betreffend dessen Verhaftungen und die
Umstände der gemeinsamen Ausreise.
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B.c Zum Beleg ihrer Vorbringen reichten die Beschwerdeführenden nebst
Identitätspapieren (Identitätsausweise [Shenasnameh], Identitätskarten,
Eheschein) eine den Beschwerdeführer betreffende Vorladung des
(…)-Gerichts in D._______ vom (…), diverse Fotos der Spuren der vom
Beschwerdeführer erlittenen Verletzungen, einen Ausdruck eines Wikipe-
dia-Artikels über die Naqschbandi sowie mehrere Unterstützungsschreiben
ein.
C.
Mit (am 11. August 2014 eröffneter) Verfügung vom 7. August 2014 stellte
das SEM fest, die Beschwerdeführenden würden die Flüchtlingseigen-
schaft nicht erfüllen, wies ihre Asylgesuche ab und ordnete die Wegwei-
sung aus der Schweiz sowie den Vollzug an.
D.
Mit Eingabe ihrer Rechtsvertretung vom 10. September 2014 erhoben die
Beschwerdeführenden Beschwerde gegen die vorinstanzliche Verfügung
und beantragten, diese sei vollumfänglich aufzuheben und die Sache zur
Feststellung des korrekten Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuwei-
sen; eventualiter sei ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und
Asyl zu gewähren, subeventualiter die Unzulässigkeit und Unzumutbarkeit
des Wegweisungsvollzugs festzustellen und die vorläufige Aufnahme an-
zuordnen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchten sie um Gewährung
der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung, unter Beiordnung
ihres Rechtsvertreters als unentgeltlichen Rechtsbeistand, sowie um Ver-
zicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.
E.
Mit Instruktionsverfügung vom 23. September 2014 stellte der Instruktions-
richter fest, über die Gesuche um unentgeltliche Prozessführung und Ver-
beiständung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG und Art. 110a Abs. 1 AsylG [SR
142.31] werde zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens befunden und
verzichtete vorderhand auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.
Gleichzeitig wurde die Vorinstanz zur Einreichung einer Vernehmlassung
eingeladen.
F.
Das SEM hielt in seiner Vernehmlassung vom 8. Oktober 2014 an seiner
Verfügung fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
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Die Vernehmlassung wurde den Beschwerdeführenden mit Zuschrift vom
13. Oktober 2014 zur Kenntnis gebracht.
G.
Mit Instruktionsverfügung vom 10. Dezember 2014 hiess der Instruktions-
richter die Gesuche um unentgeltliche Prozessführung und Verbeistän-
dung gut und ordnete den Beschwerdeführenden ihren bisherigen Rechts-
vertreter, Rechtsanwalt Urs Ebnöther, als amtlichen Rechtsbeistand bei.
H.
Mit Eingabe vom 23. März 2015 reichte der Rechtsbeistand der Beschwer-
deführenden eine Honorarnote zu den Akten.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den
Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesver-
waltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne
von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher
zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entschei-
det auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslie-
ferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Per-
son Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche
Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb
das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.
1.2 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG,
soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
1.3 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Die Beschwer-
deführenden haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, sind
durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und haben ein
schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Ände-
rung. Sie sind daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105
und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die
Beschwerde ist einzutreten.
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2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich
Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und
unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt
werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3.
3.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grund-
sätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im
Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationali-
tät, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer
politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder be-
gründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3
Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung
des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen
unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
3.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen
oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die
Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für ge-
geben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen
Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsa-
chen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte
Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
4.
4.1 Das SEM stellte sich zur Begründung seiner Verfügung auf den Stand-
punkt, die Asylvorbringen der Beschwerdeführenden seien unstimmig und
daher als unglaubhaft zu erachten. Der Beschwerdeführer habe unter-
schiedliche Angaben gemacht zur Dauer seiner Inhaftierung im Jahre (…)
sowie zur Frage, ob sein Vater Versammlungen der Derwische selber or-
ganisiert habe oder nicht. Seine Aussage, sein Vater sei nach seiner Aus-
reise festgenommen, verhört und zu einer Haftstrafe von (…) oder (…) Mo-
naten verurteilt worden, stehe im Widerspruch zu seiner Darstellung an-
lässlich derselben Anhörung, der Vater sei von den Behörden wegen sei-
nes Bekanntheitsgrades nicht unter Druck gesetzt worden. Im Weiteren
habe der Beschwerdeführer bei der Befragung zur Person seine Ausreise
mit der Furcht vor eine vierten Verhaftung begründet, wogegen er anläss-
lich der Anhörung ausgeführt habe, er habe sich dem Versuch, ihn bei ei-
nem Treffen seiner Gemeinschaft vom (…) zu verhaften, durch die Flucht
entziehen können. Ferner habe er keinerlei Beweismittel für die drei von
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ihm geltend gemachten Inhaftierungen eingereicht. Insbesondere habe er
nach seiner Darstellung bei der Freilassung im Jahre (…) eine schriftliche
Auflage der Staatsanwaltschaft erhalten, welche er indessen nicht zu den
Akten gereicht habe. Demnach habe er seine diesbezüglichen Vorbringen
zu wenig substanziiert. Die Aussage der Beschwerdeführerin, die Behör-
den hätten zwei oder mehr Male zu Hause nach ihrem Mann gesucht und
ihr Angst gemacht, sei als nachgeschoben zu erachten, habe sie doch bei
der Befragung zur Person ausgesagt, keine Probleme gehabt zu haben.
Die von den Beschwerdeführenden eingereichten Beweismittel vermöch-
ten die genannten Unstimmigkeiten nicht aufzulösen. Die Gerichtsvorla-
dung des (…)-Gerichts in D._______ liege nur in Form einer Kopie vor, und
solche Dokumente seien leicht käuflich. In Anbetracht der Unglaubhaf-
tigkeit der Asylvorbringen des Beschwerdeführers würden zudem keine
Hinweise dafür vorliegen, dass er sich wegen des "Vorwurfs gegen die öf-
fentliche Sicherheit des Landes" melden müsste. Die Fotos, auf denen
Spuren von Körperverletzungen des Beschwerdeführers abgebildet seien,
vermöchten die Unstimmigkeiten in seinen Vorbringen nicht aufzulösen.
Aus diesen Gründen würden die Asylvorbringen der Beschwerdeführenden
den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit gemäss Art. 7 AsylG nicht stand-
halten. Die asylrechtliche Relevanz der Angaben müsse demnach nicht ge-
prüft werden. Demzufolge würden die Beschwerdeführenden die Flücht-
lingseigenschaft nicht erfüllen.
4.2 Die Beschwerdeführenden führten zur Begründung ihrer Beschwerde
aus, die Vorinstanz habe ihre Vorbringen zu Unrecht als unglaubhaft er-
achtet.
4.2.1 Die Aussagen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Dauer der ers-
ten Inhaftierung würden ausreichend übereinstimmen. Er habe anlässlich
der Befragung zur Person erklärt, es handle sich um eine ungefähre Zeit-
angabe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass dieses Ereignis rund (…)
Jahre zurückliege. Er habe die dabei erlittenen Verletzungen gut beschrei-
ben können und sie mit Fotos belegt. Die Beschwerdeführerin habe diesen
Vorfall übereinstimmend geschildert.
4.2.2 Auch in seinen Aussagen betreffend die Organisation der Derwisch-
Versammlungen sei kein Widerspruch ersichtlich. Sein Vater habe jeweils
als Gastgeber gewirkt, die Versammlungen aber nicht selber organisiert; er
habe die Funktion seines Vaters als Gastgeber denn auch mehrmals er-
wähnt. Seine Aussagen hinsichtlich des Vorgehens der Behörden gegen
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ihn und seinen Vater seien so zu verstehen, dass er jeweils schwerere kör-
perliche Übergriffe habe erdulden müssen als sein Vater, was aber nicht
bedeute, dass sein Vater nicht inhaftiert und schlecht behandelt worden
wäre. Nach dem Amtsantritt von Präsident Ahmadinejad im Jahre 2005
habe sich die Situation verschlechtert. Die Vorfälle, bei denen sein Vater
ebenfalls hart angefasst worden sei, hätten sich in der Folgezeit ereignet.
4.2.3 Dass er den Vorfall in E._______ anlässlich der Befragung zur Per-
son nicht erwähnt habe, sei durchaus plausibel, weil er die ihm gestellten
Fragen nur knapp habe beantworten dürfen und keine Zeit und keinen
Raum gehabt habe, frei über dieses Ereignis zu erzählen. Es liege kein
Widerspruch zu seinen diesbezüglichen Ausführungen bei der Anhörung
vor.
4.2.4 Entgegen der Annahme des SEM sei ihm bei der Entlassung aus der
Haft im Jahre (…) kein schriftliches Dokument ausgehändigt worden. Er
habe ein solches unterzeichnen müssen, habe aber keine Kopie davon er-
halten. Die iranischen Behörden würden häufig keine schriftlichen Verfü-
gungen betreffend Inhaftierungen oder Verurteilungen aushändigen, damit
die Betroffenen keine Belege für Menschenrechtsverletzungen in der Hand
hätten. Das Bundesverwaltungsgericht habe denn auch im Leitentscheid
BVGE 2009/28 festgehalten, die Leistungen des iranischen Justizsystems
seien miserabel. Diese Einschätzung sei in neueren Urteilen bestätigt wor-
den. Es könne ihnen daher nicht angelastet werden, dass sie keine weite-
ren Beweismittel hätten beschaffen können.
4.2.5 Die Beschwerdeführerin habe anlässlich der Befragung zur Person
zu Protokoll gegeben, sie habe selber keine Probleme gehabt, sondern sei
wegen der Probleme ihres Ehemanns geflohen. Die bei der Anhörung ge-
schilderten Behördenbesuche stünden in direktem Zusammenhang mit
den Problemen des Beschwerdeführers, und sie habe keine Gelegenheit
gehabt, diese anlässlich der BzP zu erwähnen.
4.2.6 Die eingereichte Gerichtsvorladung weise einen Originalstempel so-
wie eine Originalunterschrift auf. Der pauschale Verweis des SEM auf die
Käuflichkeit derartiger Dokumente sei in Anbetracht der glaubhaft gemach-
ten Verfolgungsgefahr nicht stichhaltig; es müssten Fälschungshinweise
benannt oder es müsse eine genauere Prüfung des Dokuments im Rah-
men einer Botschaftsabklärung durchgeführt werden.
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4.2.7 Die Vorinstanz habe die Beweisregeln gemäss Art. 7 AsylG zu streng
gehandhabt und dem herabgesetzten Beweisanforderungen nicht hinrei-
chend Rechnung getragen. Es verbiete sich ein allzu schematisches Vor-
gehen, und die Aussagen anlässlich der BzP dürften nur mit Zurückhaltung
zum Vergleich herangezogen werden. Sie hätten beide die Verfolgung
durch die iranischen Behörden mehrmals übereinstimmend mit unter-
schiedlichen Worten geschildert, was als Realkennzeichen zu bewerten
sei.
4.2.8 Der Beschwerdeführer habe detaillierte, konkrete und nachvollzieh-
bare Aussagen gemacht, insbesondere zu der Behandlung während seiner
Haft im Jahr (…) und zu seiner Flucht im Jahr (…). Das SEM sei auf seine
detaillierte Darstellung in keiner Weise eingegangen, habe die zum Beleg
des Sachverhalts eingereichten Fotos nicht beachtet und damit den Sach-
verhalt völlig einseitig gewürdigt.
4.2.9 Sie hätten glaubhaft dargelegt, dass der Beschwerdeführer wegen
der Ausübung seines Glaubens von den iranischen Behörden inhaftiert und
in seiner körperlichen Integrität verletzt worden sei. Dass Derwische (Sufis)
im Iran verfolgt würden sei durch Berichte verschiedener Quellen belegt.
Er sei als Sohn eines Derwischs mit leitender Funktion zumindest von Re-
flexverfolgung betroffen.
4.2.10 Die Sache sei ans SEM zurückzuweisen zur Prüfung der Asylrele-
vanz. Falls der Sachverhalt als genügend abgeklärt erachtet werde, sei
ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Wegweisungsvollzug
sei auch als unzulässig zu erachten, weil ein "real risk" einer gemäss
Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung bestehe. Zudem sei gemäss Art. 3
des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere
grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
(FoK, SR 0.105) die Auslieferung in ein Land, in welchem Folter drohe,
verboten.
5.
5.1 Grundsätzlich sind Vorbringen dann glaubhaft gemacht, wenn sie ge-
nügend substanziiert, in sich schlüssig und plausibel sind. Sie dürfen sich
nicht in vagen Schilderungen erschöpfen, in wesentlichen Punkten nicht
widersprüchlich sein, der inneren Logik entbehren oder den Tatsachen o-
der der allgemeinen Erfahrung widersprechen. Darüber hinaus muss der
Gesuchsteller persönlich glaubwürdig erscheinen, was insbesondere dann
nicht der Fall ist, wenn er wichtige Tatsachen unterdrückt oder bewusst
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Seite 10
falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens Vorbringen auswechselt, steigert
oder unbegründet nachschiebt oder die nötige Mitwirkung am Verfahren
verweigert. Glaubhaftmachen bedeutet ferner – im Gegensatz zum strikten
Beweis – ein reduziertes Beweismass und lässt durchaus Raum für ge-
wisse Einwände und Zweifel an den Vorbringen des Gesuchstellers. Ent-
scheidend ist, ob die Gründe, welche für die Richtigkeit der Sachverhalts-
darstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist auf eine objekti-
vierte Sichtweise abzustellen (vgl. BVGE 2010/57 E. 2.2 und 2.3; Entschei-
dungen und Mitteilungen der vormaligen Schweizerischen Asylrekurskom-
mission [EMARK] 2005 Nr. 21 E. 6.1 S. 190 f.).
5.2 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze der Glaubhaftigkeitsprüfung
gelangt das Gericht zum Schluss, dass die Beschwerdeführenden mit ihren
Ausführungen in der Beschwerdeschrift die von der Vorinstanz gerügten
Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend auszuräumen vermö-
gen, soweit diese nicht ohnehin als unwesentlich zu bezeichnen sind.
5.2.1 Die Abweichung in den Aussagen des Beschwerdeführers zur Dauer
seiner Inhaftierung im Jahre (…) (BzP: […] Tage; Anhörung: […] bis
[…] Tage) ist nur geringfügig. Seine nicht sehr präzisen Angaben zur Haft-
dauer anlässlich der Anhörung vom 2. Juni 2014 sind zudem angesichts
der Tatsache nachvollziehbar, dass dieses Ereignis in jenem Zeitpunkt be-
reits rund (…) Jahre zurücklag.
5.2.2 Anlässlich der Anhörung verneinte der Beschwerdeführer zunächst
die Frage, ob sein Vater selber Versammlungen der Derwische organisiert
habe, bemerkte zugleich aber, die Versammlungen seien von dessen An-
hängern "auf den Namen" seines Vaters organisiert worden (vgl. Akten
SEM A16, S. 5 F30). Im Folgenden führte der Beschwerdeführer aus, sein
Vater sei "Gastgeber" mancher Versammlungen der Naqschbandi gewe-
sen und er selber habe auch zu den Organisatoren gehört (vgl. A16 F31
und F32). In diesen Aussagen ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz
kein wesentlicher Widerspruch zu erblicken. Die genannte Rolle des Vaters
als "Gastgeber" dieser Versammlungen lässt nicht notwendigerweise da-
rauf schliessen, dass er auch für deren Organisation verantwortlich war.
Vielmehr erscheint durchaus plausibel, dass er als Verantwortlicher und
Leiter gewisser Versammlungen auftrat, die Organisation aber von ande-
ren Ordensangehörigen übernommen wurde.
5.2.3 Im Weiteren erweist sich auch der Vorwurf, der Beschwerdeführer
habe widersprüchliche Angaben zum Vorgehen der iranischen Behörden
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Seite 11
gegen seinen Vater gemacht, als nicht haltbar. Gemäss den protokollierten
Aussagen des Beschwerdeführers wurde sein Vater in den Jahren (…),(…)
und (…) jeweils zusammen mit ihm festgenommen (vgl. A16 S. 2 F6). Die
nicht weiter präzisierte Aussage, die Behörden hätten seinen Vater "nicht
unter Druck setzen wollen" (vgl. A16 S. 7 F45), steht hierzu nicht in offen-
kundigem Widerspruch, sondern ist durchaus vereinbar mit der Erklärung
in der Beschwerdeschrift, sein Vater sei zwar verhaftet, aber in geringerem
Ausmass misshandelt worden als der Beschwerdeführer selber. Auch ein
verstärktes Vorgehen der Behörden gegen den Vater nach der Ausreise
des Beschwerdeführers ist mit der zitierten Aussage vereinbar, zumal die-
ser sein Engagement für die Naqschbandi fortgeführt und damit gegen die
ihm auferlegten Auflagen verstossen haben dürfte.
5.2.4 Schliesslich ist auch der Vorhalt, der Beschwerdeführer habe wider-
sprüchliche Angaben zu dem fluchtauslösenden Vorfall vom (…) gemacht,
nicht gerechtfertigt. Seine entsprechenden Ausführungen anlässlich der
Anhörung, er habe sich dem behördlichen Zugriff bei einer Versammlung
der Naqschbandi entziehen können und sei aus Furcht vor den Konse-
quenzen im Falle einer erneuten Verhaftung ausgereist (vgl. A16 S. 10 f.),
stellen eine Ergänzung und Präzisierung seiner Schilderung bei der Befra-
gung zur Person dar, wo er angab, er sei ausgereist, weil er eine weitere
Festnahme befürchtet habe (vgl. A5 S. 7). Es kann hierin kein Widerspruch
erblickt werden. Die Knappheit der Angaben des Beschwerdeführers an-
lässlich der Befragung zur Person sind angesichts des summarischen Cha-
rakters dieser – gemäss Protokoll nur 50 Minuten dauernden – Anhörung
nachvollziehbar.
5.2.5 Es ist im Weiteren notorisch, dass die iranischen Behörden zuweilen,
insbesondere bei politischen Vergehen oder Pressevergehen, trotz ent-
sprechender Vorschriften keine schriftlichen Urteile oder andere Gerichts-
dokumente ausstellen (vgl. Immigration and Refugee Board of Canada.
Iran: The circumstances under which court summons and forfeiture docu-
ments are issued by courts; information on bail; the circumstances under
which notices of conviction are issued by the Islamic Revolutionary Court;
the prevalence of forged court documents, IRN 102981.E, 6 May 2009,
country,,IRBC,,IRN,,4b7cee7e1e,0. html,
abgerufen am 21. Oktober 2015; Iran Human Rights Documentation Cen-
ter, Behnam Daraeizadeh, Legal commentary: A Look at Criminal Proce-
dure in Iran, S. 15). Demnach erscheint die Argumentation in der Be-
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Seite 12
schwerdeschrift, die Behörden hätten dem Beschwerdeführer kein Doku-
ment betreffend die ihm im Rahmen der Inhaftierung im Jahre 2011 ge-
machten Auflagen ausgehändigt, nicht realitätsfremd.
5.2.6 Im Übrigen weisen die Ausführungen des Beschwerdeführers ‒ ins-
besondere soweit sie die Inhaftierungen in den Jahren (…) und (…) sowie
die Umstände der Flucht im Jahre (…) betreffen ‒ die zu erwartende Sub-
stanziiertheit und Detailliertheit auf und enthalten viele Realkennzeichen.
Sie sind mit den dem Gericht zur Verfügung stehenden Länderinformatio-
nen vereinbar und hinterlassen einen authentischen, lebensechten Ein-
druck. Zudem können die eingereichten Fotos, auch wenn sie keinen kla-
ren Hinweis auf die Ursache und die Urheber der damit dokumentierten
Verletzungen des Beschwerdeführers enthalten, als Indiz für die Glaubhaf-
tigkeit seiner Vorbringen gewertet werden.
5.2.7 Schliesslich finden sich nach Auffassung des Gerichts auch in den
Vorbringen der Beschwerdeführerin keine wesentlichen Ungereimtheiten.
Es trifft zwar zu, dass sie die anlässlich der Anhörung geschilderten Dro-
hungen durch Sicherheitsbeamte bei der Befragung zur Person nicht er-
wähnte, sondern vielmehr sagte, sie habe selber keine Probleme gehabt.
Immerhin hatte sie aber auch bei der Anhörung dargelegt, sie sei nur we-
gen der Probleme ihres Ehemanns ausgereist und wäre sonst im Iran ge-
blieben (vgl. A17 S. 4). In ihren diesbezüglichen Aussagen ist somit kein
wesentlicher Widerspruch zu erblicken. Ferner stimmen ihre Ausführungen
zum Engagement ihres Ehemanns und den von ihm durch die staatlichen
Organe erlittenen Repressalien mit dessen Angaben überein.
5.2.8 Zusammenfassend gelangt das Gericht zum Schluss, dass die Asyl-
vorbringen der Beschwerdeführenden als mit überwiegender Wahrschein-
lichkeit glaubhaft zu erachten sind.
5.3 Es ist demnach von folgendem, glaubhaft gemachtem Sachverhalt
auszugehen: Der Beschwerdeführer übernahm als Sohn eines spirituellen
Führers des Naqschbandi-Ordens organisatorische Aufgaben in dieser Ge-
meinschaft und nahm regelmässig an Versammlungen derselben teil. We-
gen dieses Engagements wurde er von den iranischen Behörden dreimal
zusammen mit seinem Vater festgenommen und misshandelt, und er
musste sich schriftlich verpflichten, seine Aktivitäten für diese Gemein-
schaft einzustellen. Anlässlich seiner letzten Festnahme im (…) wurde ihm
eine Haftstrafe von (…) Monaten bis zu (…) Jahren angedroht. Nachdem
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er sich einer weiteren Festnahme bei einer Versammlung der Naqschbandi
vom (…) nur knapp hatte entziehen können, entschloss er sich zur Flucht.
6.
6.1 Nach Lehre und Rechtsprechung erfüllt eine asylsuchende Person die
Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG, wenn sie Nachteile von
bestimmter Intensität erlitten hat, beziehungsweise solche mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft befürchten muss, sofern ihr
die Nachteile gezielt und aufgrund bestimmter, in Art. 3 Abs. 1 AsylG auf-
gezählter Verfolgungsmotive zugefügt worden sind, respektive zugefügt zu
werden drohen, und vor denen sie keinen ausreichenden staatlichen Schutz
erwarten kann (vgl. BVGE 2007/31 E. 5.2 f. und 2008/4 E. 5.2, je m.w.H.).
Eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne dieser Bestimmung liegt
vor, wenn ein konkreter Anlass zur Annahme besteht, Letztere hätte sich –
aus der Sicht im Zeitpunkt der Ausreise – mit beachtlicher Wahrscheinlich-
keit und in absehbarer Zeit verwirklicht oder werde sich – auch aus heutiger
Sicht – mit ebensolcher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft verwirk-
lichen. Es müssen demnach hinreichende Anhaltspunkte für eine konkrete
Bedrohung vorhanden sein, die bei jedem Menschen in vergleichbarer
Lage Furcht vor Verfolgung und damit den Entschluss zur Flucht hervorru-
fen würden. Aufgrund der Subsidiarität des flüchtlingsrechtlichen Schutzes
setzt die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausserdem voraus, dass
die betroffene Person in ihrem Heimat- oder Herkunftsstaat keinen ausrei-
chenden Schutz finden kann (vgl. BVGE 2011/51 E. 6, 2008/12 E. 7.2.6.2
und 2008/4 E. 5.2). Ausgangspunkt für die Beurteilung der Flüchtlingsei-
genschaft ist die Frage nach der im Zeitpunkt der Ausreise vorhandenen
Verfolgung oder begründeten Furcht vor einer solchen. Die Situation im
Zeitpunkt des Asylentscheides ist jedoch im Rahmen der Prüfung nach der
Aktualität der Verfolgungsfurcht ebenfalls wesentlich. Veränderungen der
objektiven Situation im Heimatstaat zwischen Ausreise und Asylentscheid
sind deshalb zugunsten und zulasten der das Asylgesuch stellenden Per-
son zu berücksichtigen (vgl. zum Ganzen BVGE 2011/51 E. 6 S. 1016 f.,
2011/50 E. 3.1.1 und 3.1.2 S. 996 ff, BVGE 2010/57 E. 2, BVGE 2008/34
E. 7.1 S. 507 f., BVGE 2008/12 E. 5.2 S. 154 f. 2008/4 E. 5.2 S. 37, jeweils
m.w.H.; WALTER STÖCKLI, Asyl, in: Peter Uebersax / Beat Rudin / Thomas
Hugi Yar / Thomas Geiser [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl., 2009, Rz. 11.17
und 11.18).
6.2 Der Beschwerdeführer hat durch die dreimaligen, jeweils mit körperli-
chen Misshandlungen verbundenen Festnahmen durch die iranischen Si-
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cherheitskräfte aufgrund seines Engagements für den Naqschbandi-Or-
dens in der Vergangenheit eine Gefährdung des Leibes sowie der Freiheit
wegen seiner Zugehörigkeit zu einem religiösen Orden – und damit aus
einem asylrechtlich relevanten Verfolgungsmotiv – erlitten. Es wurden ihm
demnach in seinem Heimatstaat gezielt ernsthafte Nachteile im Sinne von
Art. 3 AsylG zugefügt. Die Verfolgungsfurcht war im Zeitpunkt der Ausreise
aktuell, da die letzte Festnahme des Beschwerdeführers erst rund (…) Mo-
nate zurücklag und er sich zudem durch die Flucht einer vierten Festnahme
durch die Behörden entzog. Der Beschwerdeführer erfüllte somit im Zeit-
punkt der Ausreise aus dem Heimatstaat die Flüchtlingseigenschaft. Ange-
sichts der unveränderten Sicherheits- und Verfolgungslage im Iran ist zu-
dem davon auszugehen, dass er begründeterweise auch künftige Verfol-
gung zu befürchten hat (vgl. zur Regelvermutung, dass von erlittener, mit
der Ausreise in Kausalzusammenhang stehender Vorverfolgung ohne wei-
teres auf das Bestehen einer begründeten Furcht vor künftiger Verfolgung
zu schliessen ist: BVGE 2009/51 E. 4.2.5, mit weiteren Hinweisen). Hierfür
spricht auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer gemäss seinen
Aussagen nach der Ausreise in Abwesenheit zu einer Gefängnisstrafe von
(…) Jahren verurteilt wurde. Dass er hierfür keine Beweismittel eingereicht
hat, spricht vorliegend nicht gegen die Unglaubhaftigkeit dieses Vorbin-
gens (vgl. E. 5.2.5). Vielmehr erscheint es durchaus plausibel, dass gegen
ihn ein Strafverfahren eingereicht wurde, nachdem er sein Engagement für
die Naqschbandi trotz Androhung einer Haftstrafe weiterführte. Es ist da-
von auszugehen, dass er im Falle der Rückkehr in seinen Heimatstaat
schon aus diesem Grund von den Behörden festgenommen würde und
diese Haftstrafe antreten müsste.
6.3 Da die befürchteten Nachteile im Übrigen von den iranischen Sicher-
heitskräften ausgehen ist im vorliegenden Fall auch offensichtlich nicht
vom Bestehen einer sicheren innerstaatlichen Schutzalternative auszuge-
hen.
7.
7.1 Nach dem Gesagten ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer die
Voraussetzungen für die Zuerkennung der originären Flüchtlingseigen-
schaft im Sinne von Art. 3 AsylG erfüllt. Da den Akten keine Anhaltspunkte
zu entnehmen sind, die auf das Vorliegen von Ausschlussgründen im Sinne
von Art. 53 AsylG hindeuten, ist ihm in der Schweiz Asyl zu gewähren (vgl.
Art. 49 AsylG). Die erhobene Rüge der Verletzung von Bundesrecht er-
folgte zu Recht.
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7.2 Die Beschwerdeführerin, welche keine eigenen Asylgründe vorbrachte,
ist gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG in die ihrem Ehemann zuerkannte Flücht-
lingseigenschaft und das ihm gewährte Asyl einzubeziehen.
8.
Die Verfügung des BFM ist aufzuheben. Die Vorinstanz ist anzuweisen,
den Beschwerdeführenden in der Schweiz Asyl zu gewähren.
9.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten aufzuerlegen
(Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG).
10.
Den vertretenen Beschwerdeführenden ist angesichts ihres Obsiegens in
Anwendung von Art. 64 VwVG und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom
21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundes-
verwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) eine Entschädigung für die ihr
notwendigerweise erwachsenen Parteikosten zuzusprechen, respektive ist
das Honorar ihres amtlichen Rechtsbeistands, das unter Würdigung aller
Umstände auf der Grundlage der eingereichten Kostennote auf insgesamt
Fr. 2852.– (inkl. Auslagen und Mehrwertsteueranteil) festgesetzt werden
kann, dem SEM zur Entschädigung aufzuerlegen.


(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
2.
Die Verfügung des BFM vom 7. August 2014 wird aufgehoben. Das SEM
wird angewiesen, den Beschwerdeführenden in der Schweiz im Sinne der
Erwägungen Asyl zu gewähren.
3.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
4.
Das SEM wird angewiesen, das Honorar des amtlichen Rechtsbeistandes
von Fr. 2852.– als Parteientschädigung zu vergüten.
5.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführenden, das SEM und die kanto-
nale Migrationsbehörde

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:



Markus König Nicholas Swain