E-5064/2008 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Vollzug der Wegweisung (Wiedererwägung); Verfügung...
Karar Dilini Çevir:
E-5064/2008 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Vollzug der Wegweisung (Wiedererwägung); Verfügung...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung V
E-5064/2008


U r t e i l v o m 5 . A p r i l 2 0 1 2
Besetzung

Richterin Muriel Beck Kadima (Vorsitz),
Richter Pietro Angeli-Busi, Richterin Christa Luterbacher,
Gerichtsschreiberin Tu-Binh Truong.
Parteien

A._______, geboren am (…),
B._______, geboren am (…),
Kosovo,
beide vertreten durch Dr. iur. Jean-Pierre Bloch, Advokat,
(…),
Beschwerdeführende,


gegen

Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz

Gegenstand

Vollzug der Wegweisung (Wiedererwägung); Verfügung des
BFM vom 2. Juli 2008 / N (…).


E-5064/2008
Seite 2
Sachverhalt:
A.
Die Beschwerdeführenden – Angehörige der ethnischen Minderheit der
Gorani aus C._______, D._______ (Kosovo) – haben eigenen Angaben
zufolge am 15. April 2002 ihre Heimat verlassen und sind am 21. April
2002 in die Schweiz gelangt, wo sie am 25. April 2002 ein Asylgesuch
einreichten, welches vom BFM mit Verfügung vom 8. Januar 2003 auf-
grund fehlender Asylrelevanz der Vorbringen abgelehnt wurde, wobei die
Wegweisung sowie deren Vollzug angeordnet wurden. Die dagegen er-
hobene Beschwerde wurde mit Urteil der vormals zuständigen Schweize-
rischen Asylrekurskommission (ARK) vom 24. Dezember 2004 abge-
schrieben, nachdem diese mit Erklärung der Beschwerdeführenden vom
7. September 2004 zurückgezogen worden war.
B.
Die Beschwerdeführenden liessen durch ihren Rechtsvertreter am
21. April 2008 beim BFM aufgrund der veränderten politischen Situation
im Kosovo sowie, weil das Haus der Beschwerdeführenden im Kosovo
zerstört worden sei, ein Wiedererwägungsgesuch einreichen. Für diese
Vorbringen wurden keine Beweismittel eingereicht.
C.
Das BFM erhob im Wiedererwägungsverfahren mit Zwischenverfügung
vom 8. Mai 2008 einen Gebührenvorschuss, welcher von den Beschwer-
deführenden fristgerecht bezahlt wurde. Ferner forderte es die Be-
schwerdeführenden am 6. Juni 2008 auf, ihre Rechtsbegehren näher zu
bezeichnen und ihre Begründung zu ergänzen.
D.
Dieser Aufforderung kamen die Beschwerdeführenden durch ihre Eingabe
vom 16. Juni 2008 nach, indem sie ihre Begehren dahingehend präzisier-
ten, dass ihnen die vorläufige Aufnahme zu erteilen sei. Ferner gaben sie
ergänzend als Hindernis für eine Rückkehr nach Kosovo die aktuelle Si-
tuation der Gorani an, da Personen albanischer Ethnie Angehörige der
Gorani hassen würden, dies v.a. deshalb, da diese – wie im Falle des Be-
schwerdeführers – während des Krieges gezwungen worden seien, in der
serbischen Armee die Waffen zu ergreifen. Zudem habe sich die Lage der
Gorani seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo (im Februar 2008)
verschlechtert. Auch diese Vorbringen belegten die Beschwerdeführen-
den nicht.
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Seite 3
E.
Das BFM wies mit Verfügung vom 2. Juli 2008 – eröffnet am 3. Juli 2008
– das Wiedererwägungsgesuch der Beschwerdeführenden ab und stellte
fest, die Verfügung vom 8. Januar 2003 sei rechtskräftig und vollstreckbar
und einer allfälligen Beschwerde komme keine aufschiebende Wirkung
zu. Den abweisenden Entscheid begründete es im Wesentlichen damit,
dass im Kosovo weder eine Situation allgemeiner Gewalt vorliegen noch
individuelle Gründe gegen die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs
sprechen würden.
Auf die ausführliche Begründung wird, soweit entscheidwesentlich, in den
Erwägungen eingegangen.
F.
Die Beschwerdeführenden erhoben gegen diesen Entscheid am
4. August 2008 (Poststempel) beim Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerde und beantragten darin, es sei unter Feststellung der Unzumut-
barkeit des Wegweisungsvollzugs die angefochtene Verfügung aufzuhe-
ben und ihnen die vorläufige Aufnahme zu erteilen. In verfahrensrechtli-
cher Hinsicht suchten sie um die Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung der Beschwerde beziehungsweise um die vorläufige Aussetzung
des Wegweisungsvollzugs nach.
Auf die Begründung wird, soweit entscheidwesentlich, in den Erwägun-
gen eingegangen.
G.
Das Bundesverwaltungsgericht setzte mit Zwischenverfügung vom 7. Au-
gust 2008 den Wegweisungsvollzug aus und erhob einen Kostenvor-
schuss, welcher von den Beschwerdeführenden fristgerecht bezahlt wur-
de.
H.
Mit Verfügung vom 27. August 2008 lud das Bundesverwaltungsgericht
die Vorinstanz zur Vernehmlassung ein.
Mit Vernehmlassung vom 9. September 2008 beantragte das BFM die
Abweisung der Beschwerde, da diese keine neuen erheblichen Tatsachen
oder Beweismittel enthalten würde, welche eine Änderung seines Stand-
punktes rechtfertigen könnten, und verwies auf seine Erwägungen, an
denen es vollumfänglich festhalte.
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Seite 4
Angesichts der Tatsache, dass sich das BFM nicht weiter mit der Be-
schwerdebegründung auseinandersetzte und sich die Beschwerdefüh-
renden im Rahmen von Art. 32 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021)
hätten äussern können, wird die Vernehmlassung den Beschwerdefüh-
renden mit vorliegendem Urteil zur Kenntnis gebracht.


Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1. Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
(VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden
gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM gehört zu den Behörden
nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungs-
gerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von
Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zu-
ständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet
auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Ausliefe-
rungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Per-
son Schutz sucht (Art. 105 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG,
SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Eine solche Ausnahme liegt nicht vor,
weshalb das Bundesverwaltungsgericht vorliegend endgültig entscheidet.
1.2. Darunter fallen auch Verfügungen, mit denen das BFM (vgl. Art. 33
Bst. d VGG) ein Gesuch um Wiedererwägung eines rechtskräftigen Ent-
scheides betreffend den Vollzug einer angeordneten Wegweisung abge-
wiesen hat.
1.3. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Die
Beschwerdeführenden haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilge-
nommen, sind durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und
haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungswei-
se Änderung. Sie sind daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert
(Art. 105 und Art. 108 Abs. 1 AsylG, Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 VwVG).
Auf die Beschwerde ist einzutreten.
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Seite 5
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und
die Unangemessenheit gerügt werden (vgl. Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3.
Die Wiedererwägung im Verwaltungsverfahren ist ein gesetzlich nicht ge-
regelter Rechtsbehelf, auf dessen Behandlung durch die verfügende Be-
hörde grundsätzlich kein Anspruch besteht. Gemäss herrschender Lehre
und ständiger Praxis des Bundesgerichts wird jedoch aus Art. 29 der
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April
1999 (BV, SR 101) unter bestimmten Voraussetzungen ein verfassungs-
mässiger Anspruch auf Wiedererwägung abgeleitet (vgl. BGE 127 I 133
E. 6 S. 137 f. mit weiteren Hinweisen). Danach ist auf ein Wiedererwä-
gungsgesuch einzutreten, wenn sich der rechtserhebliche Sachverhalt
seit dem ursprünglichen Entscheid beziehungsweise seit dem Urteil der
mit Beschwerde angerufenen Rechtsmittelinstanz in wesentlicher Weise
verändert hat und mithin die ursprüngliche (fehlerfreie) Verfügung an
nachträglich eingetretene Veränderungen der Sachlage anzupassen ist.
Sodann können auch Revisionsgründe einen Anspruch auf Wiedererwä-
gung begründen, sofern sie sich auf eine in materielle Rechtskraft er-
wachsene Verfügung beziehen, die entweder unangefochten geblieben
oder deren Beschwerdeverfahren mit einem formellen Prozessurteil ab-
geschlossen worden ist. Ein solchermassen als qualifiziertes Wiederer-
wägungsgesuch zu bezeichnendes Rechtsmittel ist grundsätzlich nach
den Regeln des Revisionsverfahrens zu behandeln (vgl. Entscheidungen
und Mitteilungen der ARK [EMARK] 2003 Nr. 17 E. 2.a S. 103 f., mit wei-
teren Hinweisen).
4.
Die Beschwerdeführenden haben in ihrer Eingabe vom 16. Juni 2008 und
auf Beschwerdeebene lediglich die vorläufige Aufnahme beantragt, und
damit zum Ausdruck gebracht, dass sie einzig betreffend die Frage des
Wegweisungsvollzugs eine Neubeurteilung der Verfügung vom 8. Januar
2003 begehren. Vorliegend wird die Prüfung somit auf das Vorhandensein
allfälliger Vollzugshindernisse beschränkt.
5.
5.1. Die Vorinstanz hat den Anspruch der Beschwerdeführenden auf Be-
handlung des Wiedererwägungsgesuchs nicht in Abrede gestellt und ist
auf das Wiedererwägungsgesuch eingetreten.
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Sie weist es indessen unter Hinweis auf die Praxis des Bundesverwal-
tungsgerichts (Urteil E-7139/2006 vom 11. April 2008, E. 7.2) mit der Be-
gründung ab, dass im Kosovo keine Situation allgemeiner Gewalt herr-
sche, welche für die Beschwerdeführenden eine konkrete Gefährdung im
Sinne von Art. 83 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005
über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) darstellen
würde. Ferner habe sich die Sicherheitslage der slawischen Muslime in
den letzten Jahren weiterhin verbessert und könne als stabil bezeichnet
werden. Auch nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo sei es sei-
tens der Kosovo-Albaner weder zu Ausschreitungen gekommen noch
seien Übergriffe auf Minderheiten oder andere Vorfälle bekannt gewor-
den. Slawische Muslime aus dem Bezirk D._______, welche angeblich in
der jugoslawischen Armee Kriegsdienst geleistet hätten, würden zudem
kein erhöhtes Gefährdungspotential aufweisen. Schliesslich hätten die
Beschwerdeführenden auch im vorangegangenen Verfahren nie geltend
gemacht, persönlich von konkreten Vorfällen betroffen gewesen zu sein.
Ferner würden keine individuellen Gründe gegen die Zumutbarkeit des
Wegweisungsvollzugs sprechen. Der Beschwerdeführer verfüge über ei-
ne abgeschlossene Schul- und Berufsbildung als [Berufsgattung] und ha-
be entsprechende Berufserfahrung. Ausserdem könnten die Beschwerde-
führenden von ihren beiden Söhnen, welche in der Schweiz arbeiten wür-
den, finanzielle Unterstützung erwarten. Für die Beschwerdeführenden
bestehe ferner die Möglichkeit, sich in dieser Hinsicht angesichts der in
ihrem Kulturkreis bestehenden Familienstrukturen bei Bedarf an ihre wei-
teren Verwandten zu wenden. In Berücksichtigung aller dieser Umstände
erweise sich der Wegweisungsvollzug in den Kosovo somit als zumutbar.
Zusammenfassend würden keine Gründe vorliegen, welche die Rechts-
kraft der Verfügung vom 8. Januar 2003 beseitigen könnten, weshalb das
Wiedererwägungsgesuch abzuweisen sei.
5.2. Dem halten die Beschwerdeführenden durch ihren Rechtsvertreter in
der Beschwerde im Wesentlichen entgegen, die Einschätzung der Vorin-
stanz zur Gefährdungssituation im Kosovo im Allgemeinen und zur Situa-
tion der Gorani im Speziellen sei zu "optimistisch" ausgefallen. Im Gegen-
teil seien insbesondere "abtrünnige" Personen – d.h. solche, welche in
der jugoslawischen/serbischen Armee gedient hätten – tagtäglich schwe-
ren Angriffen ausgesetzt. Die Beschwerdeführenden hätten sich konkre-
ten gegen sie gerichteten Vorkommnissen nur durch rechtzeitige Flucht
entziehen können. Zudem würde die Tatsache, dass der Beschwerdefüh-
rer ausgebildeter [Berufsgattung] sei, ihm in einem Land wie Kosovo – wo
die Menschen dringendere Besorgnisse hätten als sich [Waren] zu kaufen
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– kaum zum Vorteil gereichen. Schliesslich sei es einfacher für die beiden
Söhne, ihre Eltern finanziell zu unterstützen, wenn diese sich in der
Schweiz aufhalten würden. Die Situation der Gorani sei im Allgemeinen
katastrophal bzw. unerträglich; sie würden keine Arbeit finden sowie das
Opfer von Anfeindungen sein. Zur Untermauerung dessen verweisen die
Beschwerdeführenden zudem in ihrer Beschwerde pauschal auf die in
den Beschwerdeverfahrensdossiers der beiden Söhne (E-1842/2007 und
E-1843/2007) befindlichen Sachverhaltsdarstellungen und Beweismittel.
5.3. Das Bundesverwaltungsgericht kommt nach eingehender Prüfung
der Akten zum Schluss, dass die Vorinstanz aus nachfolgenden Gründen
in ihrem Entscheid zu bestätigen ist.
5.3.1. Die Verfügung vom 8. Januar 2003 ist mit dem Entscheid der ARK
vom 24. Dezember 2004 in Rechtskraft erwachsen. Die Beschwerdefüh-
renden hätten somit wiedererwägungsweise lediglich wegen des angeb-
lich nach diesem Datum stattgefundenen Abrisses des Hauses im Kosovo
sowie der geltend gemachten verschlechterten Situation der Gorani seit
der Unabhängigkeit des Kosovo im Jahre 2008 von der Vorinstanz gehört
werden sollen, denn nur diese Vorbringen stellen nachträglich entstande-
ne Vollzugshindernisse dar. Das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei
als ehemaliger Angehöriger der "serbischen" Streitkräfte besonders ge-
fährdet, hätten die Beschwerdeführenden hingegen zweifellos bereits
während des ordentlichen Verfahren geltend machen können – was sie
indessen unterlassen haben –, womit es nicht als "neue Tatsache" – im
Sinne des analog beizuziehenden Revisionsgrundes von Art. 66 Abs. 2
Bst. a VwVG – gelten kann, weshalb darauf nicht einzutreten gewesen
wäre.
5.3.2. Dessen ungeachtet hat die Vorinstanz indessen in ihrer Verfügung
richtigerweise erwogen, dass im Kosovo keine Situation allgemeiner Ge-
walt herrsche. Das Bundesverwaltungsgericht schliesst sich dieser Ein-
schätzung an, weshalb für die Beschwerdeführenden keine konkrete Ge-
fährdung im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AuG festzustellen ist (zur aktuellen
Situation vgl. das zur Publikation vorgesehene Urteil D-6827/2010 vom
2. Mai 2011 E. 8.4).
5.3.3. Es bleibt zu prüfen, ob allenfalls die Situation der Beschwerdefüh-
renden im Speziellen auf individuelle Vollzugshindernisse schliessen
lässt.
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Die Beschwerdeführenden gehören der Minderheit der slawischen Mus-
lime und innerhalb dieser der Untergruppe der Gorani an. Was die allge-
meine Lage der slawischen Muslime betrifft, so wurde ihnen im Vergleich
zu den Angehörigen der Ethnien der Roma, Ashkali und "Ägypter" und
den Kosovo-Serben schon immer eine höhere Toleranz entgegenge-
bracht. In Bezug auf die albanischsprachigen Roma, Ashkali und "Ägyp-
ter" wurde in EMARK 2006 Nr. 10 festgehalten, ein Vollzug der Wegwei-
sung in den Kosovo sei unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich
zumutbar. Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Vollziehbarkeit ei-
ner Wegweisung äusserte sich die ARK in EMARK 2002 Nr. 22 zur Situa-
tion der slawischen Muslime (Bosniaken, Gorani und Torbesh) im Kosovo.
Die dort vorgenommene Einschätzung, nämlich dass ein Vollzug der
Wegweisung der Angehörigen dieser Ethnien in die Bezirke Dragash,
Prizren, Gjakove oder Pej zumutbar sei, wenn diese Personen ihren letz-
ten Wohnsitz in einem dieser Bezirke hatten, wird vom Bundesverwal-
tungsgericht auch heute noch als richtig angesehen. Darüber hinaus ist
im Übrigen aufgrund der verbesserten Lage davon auszugehen, dass im
heutigen Zeitpunkt ein Vollzug der Wegweisung für slawische Muslime in
den gesamten Kosovo (ausgenommen den Bezirk Mitrovica) zumutbar
ist, sofern bestimmte Kriterien – wie berufliche Ausbildung, Bestehen ei-
nes sozialen Netzes, Strukturhilfe, Gefährdung aufgrund mit den Serben
geleisteten Militärdienstes – individuell überprüft wurden. Insgesamt ist
festzuhalten, dass sich die Lage für die slawischen Muslime gegenüber
derjenigen, wie sie dem erwähnten Entscheid zu Grunde lag, noch ver-
bessert hat und sich insbesondere im Vergleich zur Lage anderer Min-
derheiten im Kosovo als noch sicherer erweist (vgl. BVGE D-6827/2010
vom 2. Mai 2011 E. 8.6, mit weiteren Hinweisen). Weiter ist zu bemerken,
dass die sozioökonomische Situation der Gorani nach wie vor relativ gut
ist; insbesondere im Fastfood- und Süsswarengeschäft tätige Familienun-
ternehmen stellen hierbei die hauptsächliche Einkommensquelle der Go-
rani dar (Organization for Security and Cooperation in Europe [OSCE],
Kosovo Communities Profiles: Gorani, 2010, S. 4,
, besucht am 24.2.2012). Die Be-
schwerdeführenden stammen aus der Gemeinde D._______ respektive
der zu ihr gehörenden Ortschaft C._______. Laut dem Gericht zur Verfü-
gung stehenden Informationen ist die Gemeinde D._______ bekannt für
ihre ethnische Vielfalt und bestehende relative Toleranz der einzelnen
Ethnien untereinander (OSCE, Municipal Profiles: Profile of D._______,
September 2009, , besucht am
24.2.2012).
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Seite 9
Vor diesem beschriebenen Hintergrund kommt das Gericht zum Schluss,
dass die vorinstanzlichen Erwägungen zu den individuellen Gründen der
Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs vollumfänglich zu bestätigen
sind, umso mehr, weil die Beschwerdeschrift keine substantiierten Ent-
gegnungen enthält. Dem pauschalen Hinweis auf die in den Beschwer-
dedossiers der beiden Söhne befindlichen Beweismittel kommt insofern
keine Relevanz zu, als dass es aufgrund der Mitwirkungspflicht gemäss
Art. 8 Abs. 1 Bst. d AsylG den Beschwerdeführenden obliegt, allfällige
Beweismittel zu bezeichnen, unverzüglich einzureichen oder, soweit dies
zumutbar erscheint, sich darum zu bemühen, sie innerhalb einer ange-
messenen Frist zu beschaffen. So erweist sich zudem unter anderem
auch das Argument der mangelnden wirtschaftlichen Relevanz der [Be-
rufsgattung]-Ausbildung des Beschwerdeführers angesichts des Vorge-
sagten als nicht stichhaltig. Der Einwand, die in der Schweiz ansässigen
Söhne könnten die Beschwerdeführenden finanziell besser unterstützen,
wenn diese in der Schweiz wohnhaft sind, erweist sich unter dem Ge-
sichtspunkt der Beurteilung der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs
in den Kosovo als irrelevant. Dasselbe gilt auch für die geltend gemachte
Zerstörung des Hauses im Kosovo, denn, selbst wenn man annehmen
würde, dass die Beschwerdeführenden tatsächlich über keine eigene Un-
terkunft mehr im Kosovo verfügen würden, ist es für die Mehrheit der
Rückkehrer möglich, zwischenzeitlich bei Familienangehörigen oder Be-
kannten unterzukommen (vgl. FIORENZA KUTHAN, Schweizerische Flücht-
lingshilfe [SFH], Kosovo: le rapatriement des minorités roms, ashkalies,
égyptiennes, Bern 1. März 2012, S. 14), und einem Wiederaufbau des
Hauses würde ferner nichts im Wege stehen, da die Erwerbsaussichten
des Beschwerdeführers intakt sind, die Söhne sie finanziell dabei unter-
stützen und die Beschwerdeführenden allenfalls eine entsprechende
Rückkehrhilfe beantragen könnten (vgl. Art. 62 ff. der Asylverordnung 2
vom 11. August 1999 über Finanzierungsfragen [AsylV2, SR 142.312]).
Eine Rückkehr in ihre Herkunftsregion ist den Beschwerdeführenden so-
mit grundsätzlich zuzumuten. Selbst wenn gewisse Schikanen seitens
Angehöriger der albanischen Ethnie nicht völlig ausgeschlossen werden
können, so reicht dies nicht, um den Vollzug als unzumutbar zu qualifizie-
ren.
5.4. Folglich liegen keine Gründe vor, die den Wegweisungsvollzug als
unzumutbar erscheinen lassen. Nach dem Gesagten fällt eine Anordnung
der vorläufigen Aufnahme ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4
AuG).
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Seite 10
6.
Somit ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht
verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und vollständig fest-
stellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die Beschwerde ist nach dem
Gesagten abzuweisen und die Verfügung der Vorinstanz zu bestätigen.
7.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten den
Beschwerdeführenden aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf ins-
gesamt Fr. 1200.- festzusetzen (Art. 1 – 3 des Reglements vom 21. Feb-
ruar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwal-
tungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Dieser Betrag ist mit dem am
20. August 2008 geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 600.- zu verrech-
nen, womit noch Fr. 600.- zu zahlen bleiben.

(Dispositiv nächste Seite)

E-5064/2008
Seite 11
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 1'200.- werden den Beschwerdeführenden
auferlegt. Dieser Betrag ist mit dem bereits geleisteten Kostenvorschuss
von Fr. 600.- zu verrechnen, womit Fr. 600.- innert 30 Tagen ab Versand
des Urteils zu Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen sind.
3.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführenden, das BFM und die zu-
ständige kantonale Behörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Muriel Beck Kadima Tu-Binh Truong


Versand: