E-4764/2009 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 22. Jun...
Karar Dilini Çevir:
E-4764/2009 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 22. Jun...
Bundesve rwa l t ungsge r i ch t
T r i buna l   adm in i s t r a t i f   f édé ra l
T r i buna l e   ammin i s t r a t i vo   f ede ra l e
T r i buna l   adm in i s t r a t i v   f ede ra l
   
Abteilung V
E­4764/2009
U r t e i l   v om   3 .   F e b r u a r   2 0 1 2  
Besetzung Richter Markus König (Vorsitz), Richterin Gabriela Freihofer, 
Richterin Regula Schenker Senn,
Gerichtsschreiberin Eveline Chastonay.
Parteien A._______,
Türkei,  
vertreten durch lic. iur. Serif Altunakar, Rechtsberatung, 
(…),
Beschwerdeführer, 
gegen
Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,   
Vorinstanz. 
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des BFM vom 22. Juni 2009 / N (…).
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Sachverhalt:
A. 
Der Beschwerdeführer – ein Kurde aus der Provinz B._______ – verliess 
den Heimatstaat eigenen Angaben zufolge am 3. Juli 2008, gelangte über 
ihm unbekannte Staaten am 8. Juli 2008 illegal in die Schweiz und stellte 
hier gleichentags ein Asylgesuch. Am 10. Juli 2008 wurde er durch das 
Bundesamt  im  Empfangs­  und  Verfahrenszentrum  (EVZ)  Kreuzlingen 
summarisch  und  am  21.  Juli  2008  eingehend  zu  seinen  Asylgründen 
befragt.
Der Beschwerdeführer machte dabei im Wesentlichen geltend, er sei mit 
anderen  Kurden  am  (…)  2008  in  B._______  anlässlich  des  (…) 
festgenommen  worden,  wobei  die  Polizei  bei  ihm  eine  an  der 
Kundgebung verteilte Ausgabe der Zeitschrift "Özgür Halk" sichergestellt 
habe. Er sei während der Haft verhört, dabei gefoltert und unter weiteren 
Drohungen  zu  Spitzeltätigkeiten  aufgefordert  worden.  Um  seine 
Freilassung zu erlangen, habe der Beschwerdeführer  diesem Vorschlag 
zugestimmt.  So  sei  er  nach  drei  Tagen  Haft  freigekommen,  jedoch 
weiterhin  von  den Behörden  beschattet  und  insgesamt  etwa  dreimal  zu 
Hause  aufgesucht  worden.  Zudem  habe  ein  Spitzel  in  seinem Dorf  die 
Kurdische Arbeiterpartei  (PKK) über die geplanten Spitzeltätigkeiten des 
Beschwerdeführers  in  Kenntnis  gesetzt.  Um  der  behördlichen 
Beschattung und der Verfolgung durch die PKK zu entkommen, habe er 
sich  im  Wald  versteckt.  Etwa  nach  einem  Monat  habe  er  nach 
Rücksprache  mit  seiner  Familie  realisiert,  dass  sich  die  Situation  nicht 
ändern  würde  und  habe  sich  daher  zur  Ausreise  entschlossen.  Er  sei 
zunächst  mit  einem  Lastwagen  nach  Istanbul  und  von  dort  über 
verschiedene Staaten in die Schweiz gereist.
Ausser  der  (…)  Teilnahme  an  (…)  sei  er  politisch  nicht  aktiv  gewesen. 
Allerdings  habe  er  keinen  Militärdienst  leisten  wollen,  zumal  er  dann 
gegen  die  eigenen  Landsleute  im  kurdischen  Gebiet  zum  Einsatz 
gekommen wäre, er aber nicht als Kurde gegen Kurden kämpfen wolle.
Zum Beleg seiner Identität reichte der Beschwerdeführer seinen Nüfus zu 
den Akten.
B. 
Mit Verfügung  vom 22.  Juni  2009 – eröffnet  am 24.  Juni  2009 –  lehnte 
das  BFM  das  Asylgesuch  des  Beschwerdeführers  ab,  verfügte  die 
Wegweisung aus der Schweiz und ordnete deren Vollzug an. 
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C. 
Mit Eingabe vom 24. Juli 2009  liess der Beschwerdeführer durch seinen 
Rechtsvertreter  beim  Bundesverwaltungsgericht  gegen  die 
vorinstanzliche  Verfügung  Beschwerde  einreichen.  Er  beantragte,  die 
Verfügung  vom  22.  Juni  2009  sei  aufzuheben,  seine 
Flüchtlingseigenschaft  sei  festzustellen  und  ihm  sei  Asyl  zu  gewähren; 
eventualiter  sei  die  Unzulässigkeit,  allenfalls  Unzumutbarkeit  des 
Wegweisungsvollzugs  festzustellen  und  als  Folge  davon  die  vorläufige 
Aufnahme  anzuordnen;  auf  die  Erhebung  eines  Kostenvorschusses  sei 
zu  verzichten. Mit  der  Beschwerde wurden  unter  anderem Berichte  zur 
Menschenrechts­  und  Sicherheitslage  in  der  Türkei  zu  den  Akten 
gereicht.
D. 
Mit  Zwischenverfügung  vom  7.  August  2009  verfügte  der 
Instruktionsrichter,  der  Beschwerdeführer  könne  den  Ausgang  des 
Beschwerdeverfahrens  in  der  Schweiz  abwarten  und  verzichtete 
antragsgemäss auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.
E. 
Am 7. März  2011 wurde  die  Beschwerde  der  Vorinstanz  zugestellt  und 
diese zum Einreichen einer Vernehmlassung aufgefordert. 
Das  BFM  hielt  in  seiner  Stellungnahme  vom  10.  März  2011 
vollumfänglich  an  seinen  Ausführungen  fest  und  beantragte  die 
Abweisung der Beschwerde. Die vorinstanzliche Vernehmlassung wurde 
dem Beschwerdeführer am 11. März 2011 zur Kenntnis gebracht.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1. 
1.1. Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 
(VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden 
gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 
1968  über  das  Verwaltungsverfahren  (VwVG,  SR 172.021).  Das  BFM 
gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz 
des  Bundesverwaltungsgerichts.  Eine  das  Sachgebiet  betreffende 
Ausnahme  im  Sinne  von  Art. 32  VGG  liegt  nicht  vor.  Das 
Bundesverwaltungsgericht  ist  daher  zuständig  für  die  Beurteilung  der 
vorliegenden  Beschwerde  und  entscheidet  auf  dem  Gebiet  des  Asyls 
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endgültig,  ausser  bei  Vorliegen  eines  Auslieferungsersuchens  des 
Staates,  vor  welchem  die  beschwerdeführende  Person  Schutz  sucht 
(Art. 105 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]; Art. 83 
Bst. d  Ziff. 1  des  Bundesgerichtsgesetzes  vom  17. Juni  2005  [BGG, 
SR 173.110]).
1.2. Das  Verfahren  richtet  sich  nach  dem  VwVG,  dem  VGG  und  dem 
BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 
AsylG).
1.3.  Die  Beschwerde  ist  frist­  und  formgerecht  eingereicht.  Der 
Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist 
durch  die  angefochtene  Verfügung  besonders  berührt  und  hat  ein 
schutzwürdiges  Interesse  an  deren  Aufhebung  beziehungsweise 
Änderung.  Er  ist  daher  zur  Einreichung  der  Beschwerde  legitimiert 
(Art. 105 und Art. 108 Abs. 1 AsylG, Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 VwVG). 
Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. 
Mit  Beschwerde  kann  die  Verletzung  von  Bundesrecht,  die  unrichtige 
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und 
die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3. 
3.1.  Gemäss  Art. 2  Abs. 1  AsylG  gewährt  die  Schweiz  Flüchtlingen 
grundsätzlich  Asyl.  Flüchtlinge  sind  Personen,  die  in  ihrem Heimatstaat 
oder  im Land,  in dem sie zuletzt wohnten, wegen  ihrer Rasse, Religion, 
Nationalität,  Zugehörigkeit  zu  einer  bestimmten  sozialen  Gruppe  oder 
wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt 
sind  oder  begründete  Furcht  haben,  solchen  Nachteilen  ausgesetzt  zu 
werden. Als  ernsthafte Nachteile  gelten  namentlich  die Gefährdung  des 
Leibes,  des  Lebens  oder  der  Freiheit  sowie  Massnahmen,  die  einen 
unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 AsylG).
3.2.  Wer  um  Asyl  nachsucht,  muss  die  Flüchtlingseigenschaft 
nachweisen  oder  zumindest  glaubhaft  machen.  Diese  ist  glaubhaft 
gemacht,  wenn  die  Behörde  ihr  Vorhandensein  mit  überwiegender 
Wahrscheinlichkeit  für  gegeben  hält.  Unglaubhaft  sind  insbesondere 
Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich 
widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich 
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auf  gefälschte  oder  verfälschte  Beweismittel  abgestützt  werden  (Art. 7 
AsylG).
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4. 
4.1. Die Vorinstanz führte in ihrer Begründung aus, der Beschwerdeführer 
sei  nicht  in  der  Lage  gewesen,  die  während  der  angeblich  dreitägigen 
Inhaftierung erlebten verschiedenen Verhöre sowie den Tagesablauf und 
weitere  Geschehnisse  in  diesem  Zeitraum  anschaulich  und 
nachvollziehbar  zu  schildern;  seine  diesbezüglichen  Aussagen  seien 
"sehr  schemenhaft und unsubstanziiert" ausgefallen. Weiter  könne nicht 
geglaubt  werden,  dass  das  Militär  ihn  zwar  zu  Spitzeldiensten 
aufgefordert,  dabei  aber  keine  zeitlichen  Rahmenbedingungen  gestellt 
haben solle. Unglaubhaft seien auch die Angaben ausgefallen, wonach er 
von  seinem  Versteck  im  Wald  aus  zwei  in  Zivil  gekleidete  Polizisten – 
diese seien zum dritten Mal zu seinem Haus gegangen – als solche habe 
erkennen  können,  zumal  er  in  diesem  Zusammenhang  weitere 
widersprüchliche  Angaben  gemacht  habe.  Schliesslich  seien  seine 
Schilderungen  auch  in  zeitlicher Hinsicht widersprüchlich  geblieben  und 
könnten nicht geglaubt werden.
Soweit  der  Beschwerdeführer  geltend  gemacht  habe,  nicht  in  den 
Militärdienst einrücken und als Kurde gegen Kurden kämpfen zu wollen, 
sei  festzuhalten, dass eine allfällige anstehende Dienstpflicht allein nicht 
asylrelevant  sei.  Ausserdem  habe  er  auch  hier  nur  vage  Angaben 
machen  können  und  sei  beispielsweise  auch  nicht  konkret  über  eine 
tatsächlich bevorstehende Einberufung informiert gewesen. 
Insgesamt  würden  die  Asylvorbringen  des  Beschwerdeführers  den 
Anforderungen  an  die  Glaubhaftigkeit  nicht  standhalten,  weshalb  deren 
flüchtlingsrechtliche Relevanz nicht geprüft werden müsse.
4.2.  Auf  Beschwerdeebene  hält  der  Beschwerdeführer  an  der 
Glaubhaftigkeit seiner Asylgründe fest.  In seiner Wohnregion B._______ 
tobe der Krieg zwischen den  türkischen Sicherheitskräften und der PKK 
seit  1984 am heftigsten. Die ganze Zivilbevölkerung  leide darunter,  und 
immer wieder würden Leute verschwinden. Er stamme aus einer Familie, 
die  den  Behörden  als  "terroristenfreundlich"  bekannt  sei.  Zahlreiche 
seiner Verwandten  seien aufgrund  ihrer politischen Aktivitäten entweder 
im  Gefängnis  gewesen  oder  im  Ausland  als  Flüchtlinge  anerkannt 
worden.  Er  sei  bei  (…)  am  (…)  2008  festgenommen  worden.  Dabei 
hätten  die  Sicherheitsbeamten  erfahren,  wer  er  sei  und  aus  welcher 
Gegend  er  stamme.  Entgegen  den  Ausführungen  der  Vorinstanz  gehe 
aus  seinen  protokollierten  Angaben  klar  hervor,  dass  er  während  der 
dreitägigen Inhaftierung verhört und misshandelt worden sei, zumal in der 
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Türkei  bekanntermassen  nach  wie  vor  gefoltert  werde  und  die 
Menschenrechte  zunehmend  verletzt  würden.  Er  habe  nachvollziehbar 
geschildert,  dass  man  ihn  nur  mit  der  Auflage  der  Spitzeltätigkeiten 
freigelassen  habe.  Aus  seinen  Ausführungen  werde  deutlich,  dass  er 
aufgrund seiner ethnischen Herkunft und seiner politischen Aktivitäten  in 
Gefahr  geraten  sei.  Bezüglich  des  anstehenden  Militärdiensts  sei 
festzuhalten,  dass  dieser  nicht  der  Hauptgrund  seiner  Flucht  gewesen 
sei;  die  diesbezüglichen  Ausführungen  des  BFM  seien  mithin  nicht 
zutreffend.
4.3.  Das  Bundesverwaltungsgericht  kommt  in  Würdigung  der 
vorliegenden Aktenlage zum Schluss, dass die wesentlichen Vorbringen 
des  Beschwerdeführers  den  Anforderungen  an  das  Glaubhaftmachen 
eines asylrelevanten Sachverhalts nicht genügen.
4.3.1. Der  Beschwerdeführer  hat  bei  der  ersten  Befragung  angegeben, 
abgesehen von der Festnahme (…)  im (…) 2008 sei er nie  in Haft oder 
vor Gericht gewesen (vgl. Protokoll EVZ S. 9). Bei der Befragung durch 
das BFM erklärte er demgegenüber, er sei ab dem Jahr 2000 wiederholt 
auf  den  Polizeiposten mitgenommen  und  dort  jeweils  ein  bis  drei  Tage 
lang festgehalten worden (vgl. Protokoll Anhörung zu den Asylgründen S. 
12  f.).  Damit  entstehen  erste  Zweifel  am  Aussageverhalten  des 
Beschwerdeführers. 
4.3.2. Hinsichtlich der geltend gemachten dreitägigen Festnahme im (…) 
2008  ist  festzustellen,  dass  diese  Schilderungen  in  ihrer  Gesamtheit  in 
der  Tat  wenig  anschaulich  und  detailliert  wirken  und  teilweise  eine 
persönliche Betroffenheit des Beschwerdeführers nicht erkennen  lassen. 
Die protokollierten Aussagen sind auch sonst durch einen Mangel an so 
genannten  Realitätskennzeichen  geprägt,  weshalb  die  dreitägigen 
Inhaftierung  respektive  die  in  diesem  Zeitraum  angeblich  erfolgten 
Verhöre und Misshandlungen nicht glaubhaft erscheinen. 
4.3.3. Dass  die  geltend  gemachte  Festnahme  und  Freilassung  im  (…) 
2008 nicht in der geschilderten Form erfolgt sein kann, wird zudem durch 
die widersprüchlichen Aussagen im Zusammenhang mit der behaupteten 
Anwerbung  zu  Spitzeltätigkeiten  bestätigt:  So  hat  das  Bundesamt 
zutreffend  festgestellt,  dass  dem  Beschwerdeführer  in  diesem 
Zusammenhang  vermutungsweise  in  irgendeiner  Form  zeitliche 
Bedingungen  für  das  Liefern  von  Informationen  gesetzt  worden  wären; 
nicht  glaubhaft  erscheint  jedenfalls  die  Aussage,  das  Militär  habe  ihm 
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gesagt,  er  könne  seine  Spitzeltätigkeiten  aufnehmen,  wenn  er  die  Zeit 
dazu  finde  (vgl.  Protokoll  Anhörung  zu  den  Asylgründen  S.  9).  Folglich 
entstehen  auch  entsprechende  Zweifel  an  den  dreimaligen 
Kontrollaktionen  der  Polizei  nach  seiner  Haftentlassung,  zumal  die 
diesbezüglichen  Schilderungen  ihrerseits  inhaltliche  und  zeitliche 
Widersprüche  aufweisen:  Bei  der  Erstbefragung  hatte  der 
Beschwerdeführer  dargelegt,  es  seien  stets  dieselben Personen  in  Zivil 
nach Hause gekommen, wobei er sie nicht gezählt habe; beim letzten Mal 
habe  er  zwei  Personen  gesehen,  aber  es  habe  noch  "andere  herum" 
gehabt;  diese  Beiden  hätten  sich  erkundigt,  wann  er  sich  "der 
Organisation"  anschliessen  werde  (vgl.  Protokoll  EVZ  S.  8),  was  den 
Schluss nahelegt, der Beschwerdeführer sei diesen Personen persönlich 
gegenüber  gestanden  und  habe  ihnen  Auskunft  gegeben.  Dem 
gegenüber  hat  er  bei  der  folgenden  Befragung  diese  Kontrollen  im 
Wesentlichen wie folgt geschildert: Nachdem die Polizisten das erste Mal 
gekommen  seien,  sei  er  in  den  Wald  gegangen,  von  den  weiteren 
Kontrollen habe er  von  seiner Familie erfahren  (vgl. Protokoll Anhörung 
zu den Asylgründen S. 9); er habe bei der dritten Kontrolle die Polizisten 
vom Wald aus gesehen, als diese sich dem Dorf genähert hätten und auf 
sein Haus zugegangen seien  (vgl. a.a.O. S. 10). Weiter erklärte er hier, 
es  habe  sich  um  Zivilpolizei  gehandelt,  diese  habe  "Kleider  wie 
Dorfbewohner" (vgl. a.a.O. S. 5) angezogen, um sich vor der Guerilla zu 
schützen.  Diese  Aussagen  lassen  sich  mit  denjenigen  im 
Empfangszentrum  nicht  in  Einklang  bringen.  Darüber  hinaus  ist  nicht 
nachvollziehbar,  wie  der  Beschwerdeführer  –  aus  der  Distanz  seines 
Waldverstecks heraus – Personen in Dorfbekleidung als Polizisten in Zivil 
hätte identifizieren können.
In  zeitlicher  Hinsicht  schilderte  der  Beschwerdeführer  die  drei 
polizeilichen  Kontrollen  folgendermassen:  Er  soll  am  (…)  2008  für  drei 
Tage,  damit  bis  zum  (…)  2008  inhaftiert  gewesen  sein.  Zwei  Wochen 
nach der Entlassung, folglich etwa am (…) 2008, sei die Polizei das erste 
Mal nach Hause gekommen. Die folgenden beiden Kontrollbesuche seien 
je  in  wöchentlichem  Abstand  erfolgt  (vgl.  Protokoll  Anhörung  zu  den 
Asylgründen S. 10); damit wäre die zweite Kontrolle etwa (…) 2008 und 
die  letzte  um  den  (…)  2008  erfolgt.  Der  Beschwerdeführer  gab  dabei 
weiter an, er habe den Wald am (…) 2008, eine Woche nach dem letzten 
Besuch  der  Polizei,  verlassen  (vgl.  Protokoll  Anhörung  zu  den 
Asylgründen  S.  10).  Demzufolge  hätte  die  Polizei  etwa  am  (…)  2008 
letztmals bei  ihm vorgesprochen.  Insgesamt  lassen sich diese Angaben 
auch in zeitlicher Hinsicht nicht in einen stimmigen Rahmen bringen. 
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4.4. 
4.4.1.  Auf  Beschwerdeebene  erwähnt  der  Beschwerdeführer 
verschiedene  Verwandte  (Cousins,  Cousine  und  Onkel),  die  politisch 
aktiv und verfolgt gewesen seien (vgl. Beschwerde S. 4); er macht damit 
implizit die Gefahr einer so genannten Reflex­ oder Anschlussverfolgung 
geltend.
In  diesem Zusammenhang  ist  festzustellen,  dass  der Beschwerdeführer 
bei  den  Anhörungen  keine  politisch  aktiven  Verwandten  erwähnt  oder 
geltend  gemacht  hat,  je  wegen  politischen  Tätigkeiten  von 
Familienangehörigen  selber  persönliche  Probleme  mit  den  Behörden 
bekommen zu haben. 
Bezüglich der vom Beschwerdeführer erwähnten Brüder C._______ und 
D._______, die  in der Schweiz  leben sollen  (vgl. Protokoll Anhörung zu 
den  Asylgründen  S.  3),  ist  nach  Durchsicht  der  entsprechenden 
Asyldossiers  N  (…)  und  N  (…)  festzuhalten,  dass  die  vormalige 
Schweizerische  Asylrekurskommission  (ARK)  bei  beiden  –  am  27.  Juli 
2000  respektive  am  13.  Juni  2003  –  das  Fehlen  der 
Flüchtlingseigenschaft rechtskräftig festgestellt und das Asylverfahren mit 
einem negativen Entscheid abgeschlossen hatte.
4.4.2.  Hinsichtlich  des  Militärdiensts  gibt  der  Beschwerdeführer  auf 
Beschwerdeebene  an,  dies  sei  nicht  der Hauptgrund  für  das  Verlassen 
des Heimatstaates gewesen. Davon ist Kenntnis zu nehmen.
Dessen  ungeachtet  ist  darauf  hinzuweisen,  dass  die  Türkei  die 
allgemeine Wehrdienstpflicht  kennt  und  dabei  eine  allfällige  Bestrafung 
wegen  Nichtleistens  des  Militärdienstes,  Wehrdienstverweigerung  oder 
Desertion  grundsätzlich  als  legitime  staatliche  Massnahme  zur 
Durchsetzung einer staatsbürgerlichen Pflicht zu beurteilen wäre. Zudem 
ist  gemäss  Erkenntnissen  des  Gerichts  die Wahrscheinlichkeit  als  sehr 
gering einzustufen, dass kurdische Soldaten während des obligatorischen 
Militärdiensts  in  Krisenregionen  gegen  Angehörige  der  eigenen  Ethnie 
eingesetzt werden könnten. Die allenfalls zu erwartenden strafrechtlichen 
Konsequenzen aus einer Militärdienstverweigerung wären daher nicht als 
relevant im Sinn des Asylgesetzes zu beurteilen, mithin würde auch unter 
diesem  Blickwinkel  keine  objektiv  begründete  Furcht  vor  Verfolgung 
vorliegen.
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4.4.3. Soweit  der  Beschwerdeführer  Nachteile  geltend  macht,  die  er  in 
der  Heimatregion  aufgrund  seiner  Zugehörigkeit  zur  kurdischen 
Volksgruppe  immer  wieder  erlebt  habe,  erweisen  sich  diese  schon 
aufgrund  der  Intensität  solcher  Erlebnisse  als  nicht  asylrelevant;  die 
schweizerischen  Asylbehörden  verneinen  in  konstanter  Praxis  das 
Vorliegen  einer  so  genannten  Kollektivverfolgung  von  Kurden  aus  der 
Türkei  (vgl. bereits Entscheidungen und Mitteilungen der ARK  [EMARK] 
1993 Nr. 20 E. 3.a).
4.5.  In  Würdigung  der  gesamten  vorliegenden  Akten  kommt  das 
Bundesverwaltungsgericht  zum  Schluss,  dass  der  Beschwerdeführer 
keine  Gründe  nach  Art.  3  AsylG  nachweisen  oder  glaubhaft  machen 
konnte. Die Vorinstanz hat das Asylgesuch damit zu Recht abgelehnt.
5. 
5.1. Lehnt  das Bundesamt  das Asylgesuch  ab  oder  tritt  es  darauf  nicht 
ein,  so  verfügt  es  in  der  Regel  die Wegweisung  aus  der  Schweiz  und 
ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit 
der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
5.2. Der Beschwerdeführer  verfügt weder  über  eine  ausländerrechtliche 
Aufenthaltsbewilligung  noch  über  einen  Anspruch  auf  Erteilung  einer 
solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 
Abs. 1 AsylG; vgl. BVGE 2009/50 E. 9).
6. 
6.1.  Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder 
nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach 
den  gesetzlichen  Bestimmungen  über  die  vorläufige  Aufnahme  von 
Ausländern  (Art. 44  Abs. 2  AsylG;  Art. 83  Abs. 1  des  Bundesgesetzes 
vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer  [AuG, 
SR 142.20]).
Bezüglich  der  Geltendmachung  von  Wegweisungshindernissen  gilt 
gemäss  ständiger  Praxis  des  Bundesverwaltungsgerichts  und  seiner 
Vorgängerorganisation  ARK  der  gleiche  Beweisstandard  wie  bei  der 
Flüchtlingseigenschaft, das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte 
Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. 
WALTER  STÖCKLI,  Asyl,  in:  Uebersax/Rudin/Hugi  Yar/Geiser  [Hrsg.], 
Ausländerrecht, 2. Aufl., Basel 2009, Rz. 11.148).
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6.2. Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen 
der  Schweiz  einer Weiterreise  der  Ausländerin  oder  des  Ausländers  in 
den  Heimat­,  Herkunfts­  oder  einen  Drittstaat  entgegenstehen  (Art.  83 
Abs. 3 AuG).
6.2.1. So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land 
gezwungen  werden,  in  dem  ihr  Leib,  ihr  Leben  oder  ihre  Freiheit  aus 
einem  Grund  nach  Art. 3  Abs. 1  AsylG  gefährdet  ist  oder  in  dem  sie 
Gefahr  läuft,  zur  Ausreise  in  ein  solches  Land  gezwungen  zu  werden 
(Art. 5  Abs. 1  AsylG;  vgl.  ebenso  Art. 33  Abs. 1  des  Abkommens  vom 
28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).
Gemäss  Art. 25  Abs. 3  der  Bundesverfassung  der  Schweizerischen 
Eidgenossenschaft  vom  18. April  1999  (BV,  SR 101),  Art. 3  des 
Übereinkommens  vom  10. Dezember  1984  gegen  Folter  und  andere 
grausame,  unmenschliche  oder  erniedrigende  Behandlung  oder  Strafe 
(FoK,  SR  0.105)  und  der  Praxis  zu  Art. 3  der  Konvention  vom 
4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten 
(EMRK,  SR 0.101)  darf  niemand  der  Folter  oder  unmenschlicher  oder 
erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
6.2.2. Die  Vorinstanz  wies  in  ihrer  angefochtenen  Verfügung  zutreffend 
darauf hin, dass das Prinzip des  flüchtlingsrechtlichen Non­Refoulement 
nur Personen schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es dem 
Beschwerdeführer  nicht  gelungen  ist,  eine  asylrechtlich  erhebliche 
Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann der  in Art. 5 
AsylG  verankerte  Grundsatz  der  Nichtrückschiebung  im  vorliegenden 
Verfahren  keine  Anwendung  finden.  Eine  Rückkehr  des 
Beschwerdeführers  in  den  Heimatstaat  ist  demnach  unter  dem  Aspekt 
von Art. 5 AsylG rechtmässig.
Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers 
noch  aus  den  Akten  Anhaltspunkte  dafür,  dass  er  für  den  Fall  einer 
Ausschaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit 
einer  nach  Art. 3  EMRK  oder  Art. 1  FoK  verbotenen  Strafe  oder 
Behandlung  ausgesetzt  wäre.  Gemäss  Praxis  des  Europäischen 
Gerichtshofes  für  Menschenrechte  (EGMR)  sowie  jener  des  UN­Anti­
Folterausschusses  müsste  der  Beschwerdeführer  eine  konkrete  Gefahr 
("real  risk")  nachweisen  oder  glaubhaft machen,  dass  ihm  im Fall  einer 
Rückschiebung  Folter  oder  unmenschliche  Behandlung  drohen  würde 
(vgl.  EGMR  [Grosse  Kammer],  Saadi  gegen  Italien,  Urteil  vom 
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28. Februar  2008,  Beschwerde  Nr. 37201/06,  §§ 124­127,  mit  weiteren 
Hinweisen).  Auch  die  allgemeine  Menschenrechtssituation  im 
Heimatstaat  lässt  den  Wegweisungsvollzug  zum  heutigen  Zeitpunkt 
klarerweise nicht als unzulässig erscheinen. Nach dem Gesagten ist der 
Vollzug  der  Wegweisung  sowohl  im  Sinne  der  asyl­  als  auch  der 
völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
6.3.    Gemäss  Art. 83  Abs. 4  AuG  kann  der  Vollzug  für  Ausländerinnen 
und  Ausländer  unzumutbar  sein,  wenn  sie  im  Heimat­  oder 
Herkunftsstaat  auf  Grund  von  Situationen  wie  Krieg,  Bürgerkrieg, 
allgemeiner  Gewalt  und  medizinischer  Notlage  konkret  gefährdet  sind. 
Wird  eine  konkrete  Gefährdung  festgestellt,  ist  –  unter  Vorbehalt  von 
Art. 83 Abs. 7 AuG – die vorläufige Aufnahme zu gewähren.
6.3.1. Eine  solche  Situation,  welche  den  Beschwerdeführer  als Gewalt­ 
oder  De­facto­Flüchtling  qualifizieren  würde,  liegt  nicht  vor,  zumal 
gemäss  konstanter  Praxis  mit  Bezug  auf  die  südöstlichen  Provinzen  in 
der Türkei  seit  vielen Jahren nicht  von einer generellen Unzumutbarkeit 
des  Wegweisungsvollzugs  ausgegangen  wird.  An  dieser  Feststellung 
vermögen  auch  die  mit  der  Beschwerde  eingereichten  Berichte  zur 
Menschenrechts­ und Sicherheitslage nichts zu ändern.
6.3.2.  Individuelle, über die allgemeine Situation hinausgehende Gründe 
für  eine  Unzumutbarkeit  des  Vollzugs  hat  der  Beschwerdeführer  in  der 
Rechtsmitteleingabe  nicht  konkret  aufgezeigt.  So  ist  aufgrund  der 
Angaben  des  Beschwerdeführers  festzuhalten,  dass  er  aus  B._______ 
stammt,  wo  die  Eltern  ein Haus  besitzen  (wie  auch  in  E._______).  Die 
Schulen hat er  in E._______ mit  dem Berufsgymnasium abgeschlossen 
und in der Folge in der Landwirtschaft gearbeitet. Seiner Familie geht es 
finanziell gut, sie hat auch seine Ausreise finanziert. Seine Eltern und die 
Mehrheit  der  Geschwister  leben  weiterhin  in  E._______.  Er  erwähnte 
zudem eine Schwester und einen Onkel in F._______. 
Es  ist  dem  jungen  und  –  soweit  aus  den  Akten  ersichtlich  –  gesunden 
Beschwerdeführer  zuzumuten,  allenfalls  anfänglich  mit  Hilfe  der 
Familienangehörigen, im Heimatland wieder Fuss zu fassen und sich eine 
Existenz aufzubauen.
6.3.3.  Nach  dem  Gesagten  erweist  sich  der  Vollzug  der  Wegweisung 
auch als zumutbar.
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6.4.  Schliesslich  obliegt  es  dem  Beschwerdeführer,  sich  bei  der 
zuständigen  Vertretung  des  Heimatstaates  die  für  eine  Rückkehr 
notwendigen  Reisedokumente  zu  beschaffen  (vgl.  Art. 8  Abs. 4  AsylG 
und  dazu  auch  BVGE 2008/34  E. 12  S. 513­515),  weshalb  der  Vollzug 
der  Wegweisung  auch  als  möglich  zu  bezeichnen  ist  (Art. 83  Abs. 2 
AuG).
6.5. Zusammenfassend  hat  die  Vorinstanz  den Wegweisungsvollzug  zu 
Recht als zulässig, zumutbar und möglich erachtet. Nach dem Gesagten 
fällt  eine  Anordnung  der  vorläufigen  Aufnahme  ausser  Betracht  (Art. 83 
Abs. 1­4 AuG).
7. 
Aus  diesen  Erwägungen  ergibt  sich,  dass  die  angefochtene  Verfügung 
Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und 
vollständig  feststellt  und  angemessen  ist  (Art. 106  AsylG).  Die 
Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen.
8. 
Bei  diesem  Ausgang  des  Verfahrens  sind  die  Kosten  dem 
Beschwerdeführer  aufzuerlegen  (Art. 63  Abs. 1  VwVG)  und  auf 
insgesamt  Fr. 600.–  festzusetzen  (Art.  1­3  des  Reglements  vom  21. 
Februar  2008  über  die  Kosten  und  Entschädigungen  vor  dem 
Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. 
Die  Verfahrenskosten  von  Fr. 600.–  werden  dem  Beschwerdeführer 
auferlegt.  Dieser  Betrag  ist  innert  30  Tagen  ab  Versand  des  Urteils 
zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
3. 
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die kantonale 
Migrationsbehörde.
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Markus König Eveline Chastonay
Versand: