E-4617/2011 - Abteilung V - Asylgesuch aus dem Ausland und Einreisebewilligung - Asylgesuch aus dem Ausland und Einreisebewilligung...
Bundesve rwa l t ungsge r i ch t
T r i buna l adm in i s t r a t i f f édé ra l
T r i buna l e ammin i s t r a t i vo f ede ra l e
T r i buna l adm in i s t r a t i v f ede ra l
Abteilung V
E4617/2011
U r t e i l v om 2 9 . S ep t embe r 2 0 1 1
Besetzung Richterin Muriel Beck Kadima (Vorsitz),
Richter Hans Schürch, Richterin Emilia Antonioni,
Gerichtsschreiberin Patricia Petermann Loewe.
Parteien A._______, geboren am (…),
Eritrea,
handelnd durch (…),
und
vertreten durch lic. iur. LL. M. Tarig Hassan,
Advokatur Kanonengasse, (…),
Beschwerdeführerin,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand Asylgesuch aus dem Ausland und Einreisebewilligung;
Verfügung des BFM vom 28. Juli 2011 / N (…).
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Sachverhalt:
A.
Am 22. Juni 2010 stellte die minderjährige Beschwerdeführerin über den
Rechtsvertreter ihrer Mutter, die durch einen Entscheid des BFM vom
29. August 2008 in der Schweiz wegen unzumutbarem
Wegweisungsvollzugs vorläufig genommen wurde, ein Gesuch um
Einreise in die Schweiz und um Asylgewährung. Dabei machte sie im
Wesentlichen geltend, sie habe Eritrea aufgrund der politischen Situation
und des fehlenden sozialen und familiären Netzes – ihr Vater sei im Jahr
2001 verstorben und ihr Bruder seit seiner Desertion im Jahr 2006
verschwunden – verlassen und befinde sich nun – vorübergehend – im
Sudan bei entfernten Verwandten. Unter Berücksichtigung des
Familienlebens, der frauenspezifischen Problematik und des Kindeswohls
könne der Beschwerdeführerin ein Leben im Drittstaat nicht zugemutet
werden.
B.
Mit Zwischenverfügung vom 15. Juli 2010 informierte das BFM den
Rechtsvertreter, dass die Schweizer Botschaft in Khartum aus
kapazitätsmässigen Gründen nicht in der Lage sei, Befragungen von
Asylsuchenden durchzuführen. Daher erhalte er einen Fragebogen mit
der Bitte, diesen möglichst genau und konkret zu beantworten. Bei
unbenutztem Fristablauf werde das BFM aufgrund der Aktenlage
entscheiden.
C.
Am 20. August 2010 ersuchte der Rechtsvertreter die Vorinstanz um eine
Erstreckung der Frist bis zum 3. September 2010.
D.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2011 informierte der Rechtsvertreter das BFM,
dass die Beschwerdeführerin, welche zwischenzeitlich von ihrem Onkel
väterlicherseits nach Eritrea zurückgeführt worden sei – weshalb er mit
Schreiben vom 3. September 2010 das BFM um Sistierung des
Verfahrens gebeten habe –, sich nun wieder im Sudan befinde. Sie halte
sich im Flüchtlingscamp B._______ im Osten Sudans auf und sei im
Besitz eines Flüchtlingsausweises. Die Vorinstanz werde mit diesem
Schreiben gebeten, das Gesuch vom 22. Juni 2010 wiederaufzunehmen.
In der Beilage fand sich ein Brief der Mutter der Beschwerdeführerin, mit
welchem sie insbesondere auf die schwierige Situation, die im
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Flüchtlingscamp vorherrsche, hinwies. In letzter Zeit sei es zu vielen
Entführungen aus dem Lager B._______ (vor allem von Frauen und
Kindern) Richtung Sinai, bzw. Israel, gekommen. Sie habe auch schon
aus dem Lager Drohanrufe erhalten, dass ihrer Tochter etwas Schlimmes
angetan werde, wenn sie (die Mutter) nicht Geld schicke.
E.
Mit Verfügung vom 28. Juli 2011 – eröffnet am 29. Juli 2011 bewilligte
das BFM die Einreise der Beschwerdeführerin in Schweiz nicht und
lehnte das Asylgesuch ab. Im Wesentlichen wurde dieser Entscheid
damit begründet, dass sie keine ernstzunehmenden Schwierigkeiten mit
den eritreischen Behörden gehabt habe, da sie ihre Heimat wegen eines
fehlenden sozialen und familiären Netzes verlassen habe. Ferner sei es
ihr zuzumuten, vorderhand im Sudan zu verbleiben, wo offensichtlich
entfernte Verwandte leben würden. Im Weiteren wies es darauf hin, dass
der Rechtsvertreter den am 15. Juli 2010 zugestellten Fragebogen
unbeantwortet liess.
F.
Am 22. August 2011 (Poststempel) reichte die Mutter der
Beschwerdeführerin gegen diese Verfügung beim
Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde ein. Sie beantragte, dass die
vorinstanzliche Verfügung aufzuheben sei und dass ihrer Tochter zwecks
Prüfung ihres Asylgesuchs die Einreise in die Schweiz zu bewilligen sei;
eventualiter sei das Gesuch zur Abklärung des gesamten Sachverhalts
an das BFM zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht sei auf die
Bezahlung der Verfahrenskosten sowie auf die Erhebung eines
Kostenvorschusses zu verzichten.
Die Mutter der Beschwerdeführerin begründete ihre Beschwerde im
Wesentlichen mit der bevorstehenden Einberufung ihrer Tochter ins
eritreische Militär und der prekären Situation, die in sudanesischen
Flüchtlingslagern vorherrsche. Vor allem minderjährige Kinder seien
infolge der knappen Nahrung und medizinischen Versorgung gefährdet.
Hinzu komme die Gefahr der Entführung zwecks Lösegelderpressung
insbesondere dann, wenn Angehörige im Ausland lebten, und der
sexuellen Ausbeutung von Kindern.
G.
Mit Verfügung vom 30. August 2011 wies das Bundesverwaltungsgericht
das Gesuch der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1
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des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das
Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) mangels Bedürftigkeit ab und
verzichtete auf einem Kostenvorschuss.
Das BFM wurde gleichzeitig zu einer Stellungnahme eingeladen (Art. 57
Abs. 1 VwVG). Insbesondere wurde die Vorinstanz gebeten, sich
hinsichtlich der Situation der minderjährigen Beschwerdeführerin, die
alleine in einem Flüchtlingslager im Sudan lebe, zu äussern. Auch sei auf
ihre individuelle Lage Bezug zu nehmen, die sie bei einer möglichen
Rückkehr nach Eritrea antreffen könnte.
H.
Mit Eingabe vom 29. August 2011 (Eingang Bundesverwaltungsgericht:
30. August 2011) reichte auch der Rechtsvertreter (innerhalb der
Beschwerdefrist) namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin eine
Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Diese wurde als
Beschwerdeergänzung entgegengenommen. Dabei wurde zusätzlich zu
den Begehren der Eingabe vom 22. August 2011 beantragt, in der Person
des Unterzeichnenden sei der Beschwerdeführerin ein unentgeltlicher
Rechtsbeistand zu stellen.
Ergänzend zu den Ausführungen über die Gefahr der
Beschwerdeführerin, die ihr in Eritrea und im Sudan drohe, wurde in
materieller Hinsicht ausgeführt, dass sie – wie zu keinem anderen Staat –
durch die Anwesenheit ihrer Mutter eine besondere Beziehungsnähe zur
Schweiz habe. In formeller Hinsicht wurde darüber hinaus gerügt, die
Beschwerdeführerin sei nicht wie vorgeschrieben von der
schweizerischen Botschaft in Khartum befragt worden; entgegen der
Meinung der Vorinstanz liege in casu kein Ausnahmegrund von dieser
Regel vor. Dieser Mangel stelle eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
dar, weshalb der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Sache
eventualiter zur Durchführung einer Anhörung an das BFM
zurückzuweisen sei.
I.
Im Rahmen der Vernehmlassung vom 1. September 2011 wies das BFM
darauf hin, dass erhebliche Zweifel über eine Rückkehr der
Beschwerdeführerin nach Eritrea im August 2010, um einige Monate
später wieder auszureisen, bestehen würden. Weiter bemerkte es, dass
ein Gesuch um Familienzusammenführung (Art. 85 Abs. 7 des
Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und
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Ausländer [AuG, SR 142.20] i.V.m. Art. 74 der Verordnung vom
24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit
[VZAE, SR 142.201]) – nachdem die erforderliche Frist von drei Jahren
abgelaufen sei – bei der zuständigen kantonalen Behörde einzureichen
sei.
Die Stellungnahme wurde am 8. September 2011 dem Rechtsvertreter
der Beschwerdeführerin zur Kenntnisnahme zugesandt.
J.
Mit Instruktionsverfügung vom 16. September 2011 wies das
Bundesverwaltungsgericht das Gesuch um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 2 VwVG ab.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1. Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
(VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden
gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM gehört zu den
Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des
Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme
im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht
ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und
entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen
eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die
beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d
Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG,
SR 173.110]).
1.2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem
BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6
AsylG).
1.3. Der Umstand, dass das betreffende Gesuch nicht bei einer
schweizerischen Vertretung, sondern direkt beim BFM eingereicht wurde,
ist nicht massgebend (vgl. für die in dieser Hinsicht weiterhin Geltung
beanspruchende Praxis der Schweizerischen Asylrekurskommission
[ARK] die Feststellungen in Entscheidungen und Mitteilungen der
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Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1997 Nr. 15 E. 2b, die
sich zwar auf den damaligen Art. 13a AsylG beziehen, jedoch auch nach
geltendem Asylgesetz massgeblich bleiben).
1.4. Die Beschwerde ist frist und formgerecht eingereicht. Die
Beschwerdeführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen,
ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein
schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung bzw. Änderung; sie ist
daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108
Abs. 1 AsylG, Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist
einzutreten.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und
die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3.
Das BFM bewilligt Asylsuchenden die Einreise in die Schweiz zur
Abklärung des Sachverhalts, wenn ihnen nicht zugemutet werden kann,
im Wohnsitz oder Aufenthaltsstaat zu bleiben oder in einen anderen
Staat auszureisen (Art. 20 Abs. 2 AsylG). Die Voraussetzungen für die
Erteilung einer Einreisebewilligung sind grundsätzlich restriktiv
umschrieben. Den Asylbehörden kommt dabei ein weiter
Ermessensspielraum zu. Neben der erforderlichen Gefährdung im Sinne
von Art. 3 AsylG sind namentlich die Beziehungsnähe zur Schweiz und
zu anderen Staaten, die Möglichkeit und objektive Zumutbarkeit einer
anderweitigen Schutzsuche sowie die voraussichtlichen Eingliederungs
und Assimilationsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Ausschlaggebend
ist mit anderen Worten die Schutzbedürftigkeit der betreffenden Person,
d.h. die Beantwortung der Fragen, ob eine Gefährdung im Sinne von
Art. 3 AsylG glaubhaft erscheint und der Verbleib am Aufenthaltsort für
die Dauer der Sachverhaltsabklärung zugemutet werden kann, bzw. ob
der betreffenden Person – ohne nähere Prüfung einer allfälligen
Gefährdung im Sinne von Art. 3 AsylG – zuzumuten ist, sich in einem
anderen Staat um Aufnahme zu bemühen (vgl. EMARK 1997 Nr. 15 E. 2;
2004 Nr. 21 E. 2; 2004 Nr. 20 E. 3b).
4.
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4.1. Es gilt im vorliegenden Verfahren vorab zu klären, ob – wie vom
Rechtsvertreter gerügt – das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin
verletzt wurde. Gerügt wird, dass das BFM das vorgeschriebene
Verfahren bei Asylgesuchen aus dem Ausland (Art. 20 AsylG i.V.m.
Art. 10 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über
Verfahrensfragen [AsylV 1, SR 142.311]) falsch gehandhabt (vgl. E. 4.2)
und seine Begründungspflicht verletzt habe (vgl. E. 4.3). Ferner wird zu
prüfen sein, ob die Vorinstanz den Sachverhalt richtig festgestellt hat (vgl.
E. 4.4).
Das Bundesverwaltungsgericht stellt an dieser Stelle fest, dass der von
der beschwerdeführenden Partei erwähnte Antrag um Sistierung des
Verfahrens vom 3. September 2010 (vgl. Schreiben vom 26. Juli 2011)
sich nicht bei den Akten der Vorinstanz befindet. Ferner fehlt das
Aktenstück A7 (Formular Ausweiserfassung) im Dossier der Vorinstanz.
Hingegen ist die Eingabe des Rechtsvertreters vom 26. Juli 2011 weder
im Aktenverzeichnis aufgeführt noch paginiert (vgl. dazu das zur
Publikation vorgesehene Urteil des Bundesgerichts 2C_327/2010 vom
19. Mai 2011 E. 3.2 mit weiteren Hinweisen).
4.2. Gemäss Art. 10 Abs. 1 AsylV 1 führt die schweizerische Vertretung
im Ausland mit der asylsuchenden Person in der Regel eine Befragung
durch. Davon kann abgewichen werden, wenn eine Anhörung faktisch,
aus organisatorischen oder kapazitätsmässigen Gründen unmöglich ist.
In diesem Fall muss die asylsuchende Person mittels eines
individualisierten und konkretisierten Schreibens aufgefordert werden,
ihre Gründe für das Asylgesuch schriftlich einzureichen. Ist der
Sachverhalt schon aufgrund des eingereichten Asylgesuchs entscheidreif
erstellt, kann sich eine persönliche Befragung ebenfalls erübrigen. Beim
Abweichen von der Regel, eine Befragung durchzuführen, ist das BFM
gehalten, dies in der Verfügung zu begründen. Zeichnet sich ein
negativer Entscheid ab, ist der asylsuchenden Person diesbezüglich das
rechtliche Gehör zu gewähren (BVGE 2007/30 E. 5.2 ff.).
Das Bundesverwaltungsgericht kann sich der Meinung des
Rechtsvertreters, die von der Vorinstanz angeführten Gründe für einen
Verzicht einer Befragung würden für einen Ausnahmetatbestand nicht
ausreichen, nicht anschliessen. Das Bundesamt hat mit der
Zwischenverfügung vom 15. Juli 2010 ausgeführt, weshalb – gemäss
einem beigelegten Schreiben der Schweizer Botschaft in Khartum vom
23. März 2010 – die Vertretung bis auf Weiteres aus kapazitätsmässigen
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Gründen nicht in der Lage sei, die Befragungen von Asylsuchenden
durchzuführen. Unter dem Hinweis auf die Mitwirkungspflicht der
Beschwerdeführerin (Art. 8 AsylG) wurde in der gleichen Verfügung der
Rechtsvertreter aufgefordert, die aufgelisteten Fragen möglichst genau
und konkret zu beantworten. Diese Fragestellungen decken sämtliche für
die Beurteilung des Asylgesuchs aus dem Ausland notwendigen Aspekte
ab, namentlich den Aufenthalt in Eritrea, Familienangehörige/Verwandte
in Drittstaaten, Ereignisse, die zur Ausreise aus Eritrea führten und den
Aufenthalt im Sudan. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist
folglich abzulehnen.
Hingegen gilt es festzustellen, dass das Bundesamt dennoch das
rechtliche Gehör im Sinne von Art. 30 VwVG verletzt hat, indem es der
Ankündigung in seiner Verfügung vom 15. Juli 2010, es werde der
Beschwerdeführerin im Falle einer negativen Verfügung Gelegenheit
einräumen, sich abschliessend dazu zu äussern (vgl. auch BVGE
2007/30 E. 5.8), nicht nachgekommen ist.
4.3. Weiter gilt es zu prüfen, ob das BFM die Begründungspflicht verletzt
hat. Die Pflicht der Behörde zur Begründung von Verfügungen wird in
Art. 35 Abs. 1 VwVG festgehalten (vgl. dazu FELIX UHLMANN/ALEXANDRA
SCHWANK, in: Bernhard Waldmann/Philippe Weissenberger [Hrsg.],
Praxiskommentar VwVG, Zürich 2009, Art. 35 N. 10 ff.; LORENZ
KNEUBÜHLER, in: Christoph Auer/Markus Müller/Benjamin Schindler
[Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren
[VwVG], Zürich/St. Gallen 2008, Art. 35 N. 4 ff.). Die Begründungspflicht
gewährleistet dem Verfügungsadressaten, wirksam Beschwerde zu
führen, und verhindert, dass sich die Behörden von unsachgemässen
Motiven leiten lassen (vgl. EMARK 2006 Nr. 4 E. 5). Dies bedeutet, dass
das BFM in seiner Verfügung darzulegen hat, weshalb es der betroffenen
Person kein Asyl gewährt und sie nicht einreisen lässt. Ausnahmsweise
kann gemäss Art. 35 Abs. 3 VwVG darauf verzichtet werden, wenn die
Behörde den Begehren der Parteien voll entspricht.
Die Begründungsdichte richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls
(ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, Verwaltungsverfahren und
Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, N. 355), d.h.
dem Verfügungsgegenstand, den Verfahrensumständen und den
Interessen des Betroffenen, wobei bei schwerwiegenden Eingriffen in die
rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen – und um solche geht
es bei der Frage des Asyls – eine sorgfältige Begründung verlangt wird
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(BVGE 2008/47 E. 3.2; EMARK 2006 Nr. 24 E. 5.1 mit weiteren
Hinweisen).
Im vorliegenden Fall ist der Vorwurf der unzureichenden Begründung der
vorinstanzlichen Verfügung als erfüllt zu betrachten. Es wurde – nach
einem grossen theoretischen Teil – lediglich festgestellt, dass die
Beschwerdeführerin ihre Heimat wegen eines fehlenden sozialen und
familiären Netzes verlassen habe, weshalb keine Gefahr für sie bestehe.
Dabei wurde unterlassen, sich bezüglich der Minderjährigkeit, ihrer Rolle
als alleinstehende junge Frau und des Umstandes, dass ihr Bruder
desertiert habe, zu äussern. Hinsichtlich der Situation im Sudan
informierte das BFM in einem Satz, es sei der Beschwerdeführerin
zuzumuten, vorderhand im Sudan zu verbleiben, wo offensichtlich
Verwandte leben würden. Angesichts der hohen persönlichen Interessen
der Beschwerdeführerin ist die Verfügung vom 28. Juli 2011 als
ungenügend begründet zu betrachten.
4.4. Die Asylbehörden sind verpflichtet, unter Mitwirkung der
asylsuchenden Person (Art. 8 AsylG), den rechtserheblichen Sachverhalt
von Amtes wegen vollständig und richtig festzustellen (Art. 6 AsylG i.V.m.
Art. 12 und Art. 32 VwVG). Das BFM ist demgemäss verpflichtet, die für
das Verfahren erforderlichen Sachverhaltsunterlagen zu beschaffen und
darüber ordnungsgemäss Beweis zu führen. Ferner hat sie die
rechtsrelevanten Umstände abzuklären (PATRICK L. KRAUSKOPF/KATRIN
EMMENEGGER, in: Bernhard Waldmann/Philippe Weissenberger [Hrsg.],
Praxiskommentar VwVG, Zürich 2009, Art. 12 N. 21 ff.). Aus Art. 8 Abs. 1
Bst. d AsylG ergibt sich die Berechtigung der Asylsuchenden, Beweise
anzubieten, die die Behörde grundsätzlich im Rahmen der Gewährung
des rechtlichen Gehörs zu würdigen hat, bevor sie verfügt (vgl. EMARK
2004 Nr. 16 E. 7a).
Wie bereits festgestellt wurde, hat sich das BFM nicht zur mutmasslichen
Minderjährigkeit geäussert. In allen Dokumenten der Vorinstanz wie auch
im Zentralen MigrationsinformationsSystem (ZEMIS) wurde als
Geburtsjahr der Beschwerdeführerin das Jahr 1977 erwähnt. Dies obwohl
das Asylgesuch vom 22. Juni 2010 wie auch die weiteren Eingaben
seitens des Rechtsvertreters als Geburtstag der Beschwerdeführerin den
2. Juni 1997 angaben. Auch hat die Mutter im Rahmen ihrer
summarischen Befragung vom 9. Oktober 2006 ausgeführt, dass ihre
Töchter im Jahr 1997 geboren worden seien (A1, S. 3). Nach diesen
Ausführungen ist festzustellen, dass der Vorinstanz einen offenkundigen
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Fehler unterlief, indem sie einen falschen Jahrgang der
Beschwerdeführerin registrierte. Der rechtserhebliche Sachverhalt wurde
demgemäss vom BFM nicht richtig festgestellt.
4.5. Bei einer Rechtsverletzung formeller Natur wird der vorinstanzliche
Entscheid grundsätzlich aufgehoben. Allerdings besteht auch unter
gewissen Umständen die Möglichkeit der Heilung eines derartigen
Verfahrensmangels (ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, a.a.O., N. 131). Es
stellt sich daher die Frage, ob die vorgängig festgestellte Verletzung
geheilt werden kann oder zur Kassation der angefochtenen Verfügung
führen muss. Gemäss Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 61
Abs. 1 VwVG darf eine Kassation und Rückweisung an die Vorinstanz nur
ausnahmsweise erfolgen, so etwa, wenn weitere Tatsachen festgestellt
werden müssen und ein umfassendes Beweisverfahren durchzuführen ist
(vgl. EMARK 1995 Nr. 6 E. 3d; ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, a.a.O.,
N. 694). Massgebende Kriterien sind daher im Wesentlichen die Schwere
und die Anzahl der Verfahrensfehler, die Spruchreife des Falles, die
Möglichkeit, das allenfalls zu Unrecht verweigerte rechtliche Gehör auf
Beschwerdestufe zu gewähren sowie die Kognition des Gerichts (vgl.
EMARK 2004 Nr. 38 E. 7.1 mit weiteren Hinweisen).
Vorliegend ist die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie
die mangelhafte Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts als
schwerwiegenden Mangel und zu erachten, der kein Versehen, sondern
das Resultat gehäufter unsorgfältiger Verfahrensführung darstellt (vgl.
EMARK 2004 Nr. 28 E. 7e). Dies gilt insbesondere für die unterlassene
Beachtung der zentralen Minderjährigkeit der Beschwerdeführerin. Von
daher gesehen wäre in casu eine Kassation und eine Rückweisung an
die Vorinstanz angebracht, um eine formell korrekte Durchführung des
Verfahrens vor erster Instanz zu erreichen.
Aus prozessökonomischen Gründen hat der Gesetzgeber die
Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich
reformatorisch ausgestaltet. Im vorliegenden Fall ist von einem
minderjährigen Mädchen aus Eritrea auszugehen, das sich alleine in
einem Flüchtlingslager im Osten Sudans befindet. Aufgrund dieser
aussergewöhnlichen Umstände, die eine dringliche Entscheidfindung und
keinen formalistischen Leerlauf erfordern, und der vollen Kognition des
Bundesverwaltungsgerichts entscheidet es in dieser Sache selbst (vgl.
dazu BGE 133 I 201 E. 2.2 mit weiteren Hinweisen).
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Seite 11
5.
5.1. Es ist nachfolgend zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin bei einer
Rückkehr in ihr Heimatland Eritrea einer Gefährdung im Sinne von Art. 3
AsylG ausgesetzt wäre.
5.2. Das BFM führte diesbezüglich in seiner ablehnenden Verfügung aus,
die Beschwerdeführerin sei in Eritrea nicht gefährdet, da sie ihre Heimat
wegen eines fehlenden sozialen und familiären Netzes verlassen habe.
5.3. Die Beschwerdeführerin hielt dem entgegen, es drohe ihr in
absehbarer Zukunft den Einzug ins eritreische Militär. Weiter sei bekannt,
dass Familienangehörige von Deserteuren systematisch verhaftet,
befragt und in Beugehaft genommen werden würden. Zudem sei darauf
hinzuweisen, dass alleinstehende Frauen wie die Beschwerdeführerin
besonders gefährdet seien.
5.4. Gemäss der massgebenden Rechtsprechung ist eine Furcht vor
einer Bestrafung wegen Dienstverweigerung oder Desertion begründet,
wenn die betroffene Person in einem konkreten Kontakt zu den
Militärbehörden stand, aus dem erkennbar ist, dass die Person rekrutiert
werden soll (beispielsweise ein Marschbefehl, vgl. EMARK 2006 Nr. 3
E. 4.10). Von einer solchen Kontaktaufnahme seitens des eritreischen
Militärs ist den Akten nichts zu entnehmen.
5.5. Weiter gilt es zu untersuchen, ob die Beschwerdeführerin aus den
Umständen, dass ihr Bruder mutmasslich aus der eritreischen Armee
desertiert habe, bzw. dass ihre Mutter ausser Landes geflüchtet ist, eine
begründete Furcht hat, ernsthaften Nachteilen ausgesetzt zu sein. In
seiner rechtskräftigen Verfügung vom 29. August 2008 betreffend das
Asylgesuch der Mutter der Beschwerdeführerin führte das BFM aus, es
sei nicht glaubhaft, dass sie aus Eritrea ausgereist sei, weil sie wegen der
Desertion eines Sohnes Verfolgungsmassnahmen zu befürchten habe.
Implizit wird hingegen offengelassen, ob die Desertion des Sohnes an
und für sich glaubhaft sei. Es muss auch im vorliegenden Fall nicht
abschliessend beurteilt werden, ob hinsichtlich der Desertion des Bruders
tatsächlich im Zeitpunkt der Ausreise eine asylrechtlich relevante
Gefährdung für die Beschwerdeführerin bestand.
Doch erscheint es vorliegend nicht abwegig, insbesondere angesichts der
Tatsache, dass eritreische Behörden oftmals auch harte Sanktionen
gegen nahe Angehörige von illegal ausgereisten Personen – wie in casu
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Seite 12
die Mutter (vgl. deren Anhörungsprotokoll vom 7. Januar 2008 A12 S. 9)
– verhängen, von einer begründeten Furcht der Beschwerdeführerin vor
einer drohenden Reflexverfolgung auszugehen. Hinzu kommt, dass
gemäss verschiedenen Lageberichten zu Eritrea Angehörige von im
Ausland lebenden Dissidenten, Wehrdienstpflichtigen und Deserteuren
oder Personen, welche die von Eritreern im Ausland erhobene
zweiprozentige Einkommenssteuer nicht bezahlt haben, von den
Sicherheitsorganen befragt und häufig inhaftiert werden, damit sie den
Aufenthaltsort der gesuchten Person Preis geben (vgl. US Department of
State, 2010 Human Rights Report, Eritrea, 8. April 2011; UNHCR,
Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of
Asylumseekers from Eritrea, 20. April 2011, S. 17 f.; ALEXANDRA GEISER,
Schweizerische Flüchtlingshilfe [SFH], Eritrea Update vom Februar 2010,
8. Februar 2010, S. 14).
Diese Indizien genügen, um eine allfällige Gefährdung der
Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Eritrea im Sinne von Art. 3
AsylG prima facie als glaubhaft erscheinen zu lassen.
5.6. Eine illegale Ausreise aus Eritrea kann ebenfalls staatliche
Sanktionen nach sich ziehen, da dies als Zeichen politischer Opposition
gegen den Staat gewertet wird. Gemäss der "Proclamation No. 24/1992",
welche die Ein und Ausreise nach und von Eritrea regelt – ist ein legales
Verlassen des Landes nur mit einem gültigen Reisepass und einem
zusätzlichen Ausreisevisum möglich (vgl. Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts D3892/2008 vom 6. April 2010 E. 5.3.2).
Verschiedene Quellen berichten, dass schon Kindern – bevor sie mit
18 Jahren ins Militär eingezogen werden – die Ausreise aus Eritrea
verweigert werde, da viele Jugendliche wegen der bevorstehenden
Dienstpflicht ausser Landes fliehen würden. Teilweise wird berichtet, dass
Kinder ab dem elften Lebensjahr kein Ausreisevisum erhalten
(ALEXANDRA GEISER, Eritrea: Familiennachzug über den Sudan in die
Schweiz, SFH [Schweizerische Flüchtlingshilfe, Hrsg.], Bern, Juni 2011,
S. 4). Andere Quellen erwähnen, dass Kindern mit 14 Jahren das
Ausreisevisa verweigert werde (UNHCR, UNHCR Eligibility Guidelines for
Assesing the international Protection Needs of AsylumSeekers from
Eritrea, April 2011, S. 17).
Unter der Annahme, dass die Beschwerdeführerin erst 14jährig ist (vgl.
auch die Kopie des mutmasslichen Flüchtlingsausweises als Beilage in
der Eingabe vom 22. und vom 29. August 2011), muss davon
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ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin ihren Heimatstaat
illegal verlassen hat. Dies wäre ein subjektiver Nachfluchtgrund im Sinne
von Art. 54 AsylG, d.h. die betroffene Person würde, wäre sie bereits in
der Schweiz, als Flüchtling vorläufig aufgenommen werden. Die
Wegweisung würde indes bestehen bleiben. Nach neuer Rechtsprechung
ist allerdings Personen, die sich im Ausland befinden die Einreise in die
Schweiz zur Abklärung des Sachverhalts nicht zu bewilligen, wenn sie –
wären sie in der Schweiz – trotz allfälliger Anerkennung als Flüchtling aus
der Schweiz weggewiesen würden (vgl. das zur Publikation vorgesehene
Urteil des Bundesverwaltungsgericht E8127/2008 vom 12. Mai 2011
E. 7). Ob diese Rechtsprechung auch auf vorliegenden Fall anwendbar
wäre, kann – angesichts des Ausgangs des vorliegenden Verfahrens –
folglich offen gelassen werden.
6.
6.1. Als nächstes ist zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin im Sudan den
Schutz eines Drittstaates geniesst und ihr zuzumuten ist, dort zu
verbleiben (Art. 52 Abs. 2 AsylG), weshalb ihr diesfalls das Asyl
verweigert würde und sie folglich keine Einreisebewilligung erhalten
könnte. Die Regelvermutung, das Stellen eines Asylgesuchs aus einem
Drittstaat sei mit bereits gefundenem Schutz gleichzusetzen, woraus die
Zumutbarkeit des Verbleibs in jenem Land folgt, ist allerdings keineswegs
unumstösslich, wie sich aus Art. 52 Abs. 2 AsylG erschliesst. Diese Norm
trifft bezeichnenderweise keine Unterscheidung zwischen Asylgesuchen
aus dem Herkunftsland der asylsuchenden Person und solchen, die aus
einem Drittstaat gestellt werden. Demnach ist es zwar sachgerecht, bei
einem Gesuch aus einem Drittstaat in bestimmter Hinsicht höhere
Anforderungen in Bezug auf die Zumutbarkeit der Zufluchtnahme in
einem anderen Staat als der Schweiz zu stellen. Dies gilt insbesondere
unter dem Aspekt, dass davon auszugehen ist, die betroffene Person
habe bereits Schutz vor der fluchtauslösenden Verfolgung gefunden.
Andererseits wird aus Art. 52 Abs. 2 AsylG auch deutlich, dass die
zuständigen Asylbehörden auch bei Asylgesuchen aus einem solchen
Drittstaat eine Abwägung der Zumutbarkeit der Zufluchtnahme in eben
diesem (oder auch einem anderen) Land vorzunehmen haben. Bei dieser
Abwägung bildet die besondere Beziehungsnähe der asylsuchenden
Person zur Schweiz ein zentrales, wenn auch nicht das einzige Kriterium.
Dabei gilt die generelle Feststellung, es lasse sich nicht allgemein
festlegen, unter welchen Voraussetzungen die Zumutbarkeit der
Bemühung um Aufnahme in einem anderen Staat zu verneinen ist, auch
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für das spezifische Kriterium der Beziehungsnähe. Diesbezüglich ist an
dieser Stelle lediglich (aber immerhin) festzuhalten, dass die
Beziehungsnähe im Sinne des Zumutbarkeitskriteriums von Art. 52 Abs. 2
AsylG nicht mit den Voraussetzungen des Familienasyls in Bezug auf den
Verwandtschaftsgrad nach Art. 51 AsylG gleichzusetzen ist. Eine
Beschränkung auf die Kernfamilie ist schon insofern nicht angebracht, als
von der asylsuchenden Person die Glaubhaftmachung einer eigenen
asylrelevanten Verfolgungssituation verlangt wird und der
verwandtschaftliche Beziehungsgrad somit lediglich ein
Abwägungskriterium unter anderen bildet. Im Übrigen ist nicht
ausgeschlossen, dass gegebenenfalls auch aus anderen Gründen als
aufgrund einer Verwandtschaft zu hier lebenden Personen eine enge
Beziehung zur Schweiz anzunehmen sein könnte (vgl. EMARK 2004
Nr. 21 E. 4b.aa).
6.2. Das BFM führte knapp aus, es sei der Beschwerdeführerin
zuzumuten, vorderhand im Sudan zu verbleiben, wo offensichtlich
entfernte Verwandte leben würden.
6.3. Dem wurde entgegengehalten, es drohe ihr aus ihrem derzeitigen
Aufenthaltsort Camp B.___ eine zwangsweise Deportation nach Eritrea
oder auf die SinaiHalbinsel, um später Verwandte erpressen zu können.
Ferner sei die dortige Situation aus ernährungstechnischer und
medizinischer Hinsicht äusserst prekär. Für junge Mädchen bestehe
ferner die Gefahr des sexuellen Missbrauchs.
6.4. Gemäss den Angaben der Mutter und des Rechtsvertreters verfügt
die Beschwerdeführerin über kein soziales Netz im Sudan, bzw. im
Flüchtlingscamp, wo sie sich derzeit alleine aufhält. Es besteht für die
Minderjährige zu diesem Staat auch keine besonders kulturelle und
sprachliche Verbindung. Im vorliegenden Fall bildet ferner das
Kindeswohl einen Gesichtspunkt von gewichtiger Bedeutung, weshalb
Art. 52 Abs. 2 AsylG im Lichte von Art. 3 des Übereinkommens vom
20. November 1989 über die Rechte des Kindes (SR 0.107)
völkerrechtskonform auszulegen ist. Dabei sind nicht nur die materiellen
Bedürfnisse wie Ernährung zu berücksichtigen, auch ist die Nähe zur in
der Schweiz lebenden Mutter für den Entwicklungsprozess und für die
Stabilität des Mädchens von zentraler Bedeutung. Zu berücksichtigen ist
darüber hinaus, dass der Sudan die Flüchtlingskonvention zwar
unterzeichnet hat, aber in der Praxis keinen zuverlässigen Schutz vor
Rückschiebung in Verfolgerstaaten gewährt und Flüchtlinge – vor allem
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diejenigen, die im Osten Sudans leben – in vielfacher Hinsicht
diskriminiert (ALEXANDRA GEISER, a.a.O., S. 2 f.; ALEXANDRA GEISER,
Eritrea: Entführungen im Sudan, SFH [Schweizerische Flüchtlingshilfe,
Hrsg.], Bern, Mai 2011, S. 4 f. mit weiteren Hinweisen; U.S. Department
of State, 2010 Human Rights Report: Sudan, April 2011). Obwohl nicht
klar gesagt werden kann, wie gross die Gefahr einer Verschleppung
tatsächlich ist, muss in casu darauf hingewiesen werden, das die
Beschwerdeführerin – was als auffälliges persönliches Merkmal
bezeichnet werden kann – ein minderjähriges Mädchen ist, das ohne
Bezugspersonen in einem Camp lebt. Folglich könnte sie sich nicht nur
gegen eine Entführung nicht wehren, es würde auch niemanden geben,
der sie vermissen oder vor der Gefahr der sexuellen Ausbeutung
beschützen würde. Weiter scheinen die entfernten Verwandten der
Beschwerdeführerin, die offensichtlich im Sudan leben und bei welchen
sie während ihres ersten Aufenthaltes habe wohnen dürfen, ihr aufgrund
ihres Verbleibens im Flüchtlingslager nicht den nötigen Schutz gewähren
zu können oder zu wollen.
6.5. Im Gegensatz zum Sudan besteht für die Beschwerdeführerin eine
viel engere Beziehung zur Schweiz, wo ihre Mutter seit fünf Jahren lebt
und seit dem 29. August 2008 über eine vorläufige Aufnahme verfügt.
Aus den Akten ist auch ersichtlich, dass die Mutter derzeit erwerbstätig
ist. Der Vater ist gemäss den Akten im Jahr 2001 verstorben. Angesicht
dieser engen Beziehung zur Schweiz ist es demnach angebracht, ihr die
Einreise in die Schweiz zu gestatten. Dies umso mehr, als die
Beschwerdeführerin nach Ablauf der dreijährigen Wartefrist ohnehin um
Aufnahme in der Schweiz gemäss Art. 85 Abs. 7 AuG ersuchen kann.
7.
In Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles ergibt sich, dass
die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt und der
rechtserhebliche Sachverhalt unrichtig festgestellt wurde. Die
Beschwerde ist nach dem Gesagten gutzuheissen, die Verfügung des
BFM vom 28. Juli 2011 aufzuheben und das Bundesamt anzuweisen, der
Beschwerdeführerin die Einreise in die Schweiz zwecks Durchführung
des ordentlichen Asylverfahrens zu bewilligen.
8.
8.1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Verfahrenskosten
aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG).
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9. Sodann ist der Beschwerdeführerin angesichts ihres Obsiegens in
Anwendung von Art. 64 VwVG und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom
21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem
Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) eine Entschädigung für
die notwendigerweise erwachsenen Parteikosten zuzusprechen.
Vorliegend hat der Rechtsvertreter keine Kostennote eingereicht. Die
Entschädigung ist daher aufgrund der Akten (Art. 14 Abs. 2 in fine VGKE)
unter Berücksichtigung der massgeblichen Bemessungsfaktoren auf
Fr. 900. (inkl. Auslangen und Mehrwertsteuer) festzusetzen. Das BFM ist
anzuweisen, der Beschwerdeführerin diesen Betrag als
Parteientschädigung für das Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht auszurichten.
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen.
2.
Die Verfügung des BFM vom 28. Juli 2011 wird aufgehoben und das BFM
wird angewiesen, der Beschwerdeführerin die Einreise in die Schweiz
zwecks Durchführung des ordentlichen Asylverfahrens zu bewilligen.
3.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
4.
Das BFM wird angewiesen, der Beschwerdeführerin eine
Parteientschädigung von Fr. 900. (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer)
zu entrichten.
5.
Dieses Urteil geht an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin und
das BFM.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Muriel Beck Kadima Patricia Petermann Loewe
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