E-4524/2016 - Abteilung V - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren) - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dubl...
Karar Dilini Çevir:
E-4524/2016 - Abteilung V - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren) - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dubl...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung V
E-4524/2016



Ur t e i l vom 8 . Augu s t 2 0 1 6
Besetzung
Richter Daniel Willisegger (Vorsitz),
Richter Fulvio Haeveli, Richterin Christa Luterbacher,
Gerichtsschreiber Michal Koebel.

Parteien

A._______, geboren am (…),
Irak,
vertreten durch lic. iur. Serif Altunakar, Rechtsberatung, (…),
Beschwerdeführerin,


gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung
(Dublin-Verfahren);
Verfügung des SEM vom 6. Juli 2016 / N (…).



E-4524/2016
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Sachverhalt:
A.
Die Beschwerdeführerin suchte am 25. Mai 2016 in der Schweiz um Asyl
nach. Am 31. Mai 2016 fand die Befragung zur Person statt und es wurde
das rechtliche Gehör zum Gesundheitszustand sowie zur Zuständigkeit
Bulgariens und zur Wegweisung dorthin gewährt.
B.
Gestützt auf die europäische Fingerabdruck-Datenbank (Asylgesuch am
28. April 2016 in Bulgarien) ersuchte das SEM die bulgarischen Behörden
am 17. Juni 2016 um Übernahme; diese nahmen innert Frist keine Stel-
lung.
C.
Mit Verfügung vom 6. Juli 2016 trat das SEM auf das Asylgesuch nicht ein,
verfügte die Wegweisung nach Bulgarien und beauftragte den zuständigen
Kanton mit dem Vollzug der Wegweisung.
D.
Mit Eingabe vom 21. Juli 2016 reichte die Beschwerdeführerin unter Bei-
lage zweier Kurzberichte zur allgemeinen Lage der Flüchtlinge in Bulgarien
(Die Welt und Pro Asyl, beide April 2015) beim Bundesverwaltungsgericht
Beschwerde ein und beantragte, es sei die Verfügung des SEM vom 6. Juli
2016 aufzuheben, auf ihr Asylgesuch einzutreten und der Beschwerde auf-
schiebende Wirkung zu erteilen. In prozessualer Hinsicht sei auf die Erhe-
bung eines Verfahrenskostenvorschusses zu verzichten.
E.
Die vorinstanzlichen Akten gingen am 25. Juli 2016 beim Bundesverwal-
tungsgericht ein.
F.
Mit Verfügung vom 28. Juli 2016 setzte der zuständige Instruktionsrichter
gestützt auf Art. 56 VwVG den Vollzug der Überstellung per sofort einst-
weilen aus.

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Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung
von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und
entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel – wie auch vorliegend
– endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG [SR 142.31]). Die
Beschwerdeführerin ist als Verfügungsadressatin zur Beschwerdeführung
legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Be-
schwerde ist insoweit einzutreten (Art. 108 Abs. 2 AsylG und Art. 52
Abs. 1 VwVG).
2.
2.1 Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich
Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und
unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt
werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
2.2 Bei Beschwerden gegen einen Nichteintretensentscheid ist die Beur-
teilungskompetenz der Beschwerdeinstanz grundsätzlich auf die Frage be-
schränkt, ob die Vorinstanz bei vollständig und richtig festgestelltem Sach-
verhalt auf das Asylgesuch zu Recht oder Unrecht nicht eingetreten ist (vgl.
BVGE 2012/4 E. 2.2 m.w.H.). Soweit die Beschwerdeführerin beantragt, es
sei auf ihr Asylgesuch einzutreten, nimmt sie eine Erweiterung des Streit-
gegenstandes vor, was unzulässig ist. Auf die Beschwerde ist insoweit
nicht einzutreten.
3.
3.1 Gemäss Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG wird in der Regel auf Asylgesuche
nicht eingetreten, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen kön-
nen, der für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens
staatsvertraglich zuständig ist. Zur Bestimmung des staatsvertraglich zu-
ständigen Staates prüft das SEM die Zuständigkeitskriterien nach der Ver-
ordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestim-
mung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaats-
angehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags
auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. L 180/31 vom
29. Juni 2013 (nachfolgend Dublin-III-VO). Führt diese Prüfung zur Fest-
stellung, dass ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylgesuchs
zuständig ist, tritt das SEM, nachdem der betreffende Mitgliedstaat einer
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Überstellung oder Rücküberstellung zugestimmt hat – oder bei fingierter
Zustimmung – auf das Asylgesuch grundsätzlich nicht ein.
3.2 Die Schlussfolgerung der Vorinstanz ist weder in tatsächlicher noch in
rechtlicher Hinsicht zu beanstanden. Die Beschwerde zeigt nicht auf, in-
wiefern die Vorinstanz Bundesrecht verletzt oder den Sachverhalt fehler-
haft festgestellt haben soll. Solches ist auch nicht ersichtlich.
So bestätigt die Beschwerde selbst die Zuständigkeit Bulgariens (Be-
schwerde S. 4). Die Vorinstanz hat aufgrund des am 28. April 2016 in Bul-
garien gestellten Asylgesuchs zu Recht die Zuständigkeit Bulgariens er-
kannt und die bulgarischen Behörden – gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Bst. b
Dublin-III-VO – um Übernahme ersucht. Dass Bulgarien nicht ausdrücklich
Stellung genommen hat, bleibt ohne Bedeutung. Bereits mit Fristablauf
wird die Zustimmung fingiert. Bulgarien ist somit verpflichtet, die Personen
aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen
(Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO).
Sodann geht das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung
davon aus, dass es keine Gründe für die Annahme gibt, das Asylverfahren
und die Aufnahmebedingungen in Bulgarien wiesen systemische
Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO auf (statt vieler
Urteile des BVGer E-1210/2016 vom 2. März 2016; E-838/2016 vom
16. Februar 2016; E-8188/2015 vom 11. Februar 2016; D-197/2016 vom
19. Januar 2016 und D-7940/2015 vom 14. Januar 2016). Trotz gegentei-
liger Kritik („Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien“,
PRO ASYL, April 2015), liegen keine Anhaltspunkte vor, die eine Änderung
der Rechtsprechung nahelegen. In der Beschwerde werden solche auch
nicht dargetan.
Soweit die Beschwerdeführerin eine unmenschliche Behandlung befürch-
tet, erschöpfen sich ihre Vorbringen in nicht überprüfbaren persönlichen
Erlebnissen. Sie lassen den Schluss nicht zu, dass Bulgarien im vorliegen-
den Fall seine staatsvertraglichen Verpflichtungen missachten würde und
die Beschwerdeführenden einer menschenunwürdigen oder erniedrigen-
den Behandlung ausgesetzt wären (Art. 3 EMRK). Bulgarien ist Signatar-
staat der EMRK, des Übereinkommens gegen Folter und andere grau-
same, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK,
SR 0.105) und des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge
(FK, SR 0.142.30) sowie des Zusatzprotokolls der FK vom 31. Januar 1967
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(SR 0.142.301). Ferner gelten auch in Bulgarien die Richtlinien des Euro-
päischen Parlaments und Rats 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 betreffend
gemeinsames Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des inter-
nationalen Schutzes (sog. Verfahrensrichtlinie) sowie die Richtlinie
2013/33/EU vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Auf-
nahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (sog. Aufnah-
merichtlinie).
Schliesslich liegen auch keine Umstände vor, die einen – nach Ermessen
zu beurteilenden – Selbsteintritt aus humanitären Gründen im Rahmen der
Souveränitätsklausel (Art. 29a Abs. 3 Asylverordnung 1 [AsylV 1,
SR 142.311] i.V.m. Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO) rechtfertigten. Die
Vorinstanz ist zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten. Die Überstel-
lung nach Bulgarien als zuständigen Dublin-Staat verletzt kein Recht.
4.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt und auch sonst nicht zu beanstanden ist
(Art. 106 AsylG und Art. 49 VwVG). Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit
darauf eizutreten ist.
Mit vorliegendem Urteil fällt der am 28. Juli 2016 verfügte Vollzugsstopp
dahin und ist der Antrag betreffend aufschiebende Wirkung gegenstands-
los geworden.
5.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten von Fr. 600.– (Art. 1–
3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädi-
gungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE], SR 173.320.2) der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Mit dem vorlie-
genden Urteil ist der Antrag auf Verzicht der Erhebung eines Kostenvor-
schusses gegenstandslos geworden.
(Dispositiv nächste Seite)

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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eizutreten ist.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.– werden der Beschwerdeführerin aufer-
legt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten
der Gerichtskasse zu überweisen.
3.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die zuständige
kantonale Behörde.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Daniel Willisegger Michal Koebel


Versand: