E-4420/2016 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des SEM vom 8. Juli...
Karar Dilini Çevir:
E-4420/2016 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des SEM vom 8. Juli...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung V
E-4420/2016



Ur t e i l vom 1 5 . Augu s t 2 0 1 6
Besetzung
Einzelrichter Daniel Willisegger,
mit Zustimmung von Richter Hans Schürch;
Gerichtsschreiber Michal Koebel.

Parteien

A._______, geboren am (…),
Serbien,
vertreten durch MLaw Lukas Marty,
Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende - Testbetrieb
VZ Zürich,
Beschwerdeführer,


gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 8. Juli 2016 / N (…).



E-4420/2016
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Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer suchte am 2. Juni 2016 im Empfangs- und Verfah-
renszentrum (EVZ) Basel um Asyl nach. Am 6. Juni 2016 wurde ihm mit-
geteilt, dass er per Zufallsprinzip der Testphase des Verfahrenszentrums
Zürich zugewiesen worden sei. Am 7. Juni 2016 wurden seine Personalien
aufgenommen und am 13. Juni 2016 erfolgte das beratende Vorgespräch.
Anlässlich der darauf folgenden Befragung vom 21. Juni 2016 machte er
im Wesentlichen geltend, er sei vom serbischen Geheimdienst angeheuert
worden, um eine Tschetnik-Organisation zu bespitzeln. Diese Organisation
– der er beigetreten sei – habe ihn für Anschläge ausgewählt, deren Pläne
er dem Geheimdienst weitergeleitet habe. Da die Organisation dies erfah-
ren habe, sei der Anschlag kurzfristig abgesagt und er gesucht worden.
B.
Am 5. Juli 2016 reichte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ein
Ausstandsbegehren gegen den zuständigen Fachspezialisten des SEM
ein.
C.
Am 6. Juli 2016 gab das SEM dem Beschwerdeführer Gelegenheit, sich
zum Entscheidentwurf zu äussern. Die Stellungnahme erfolgte mit Schrei-
ben vom 7. Juli 2016.
D.
Mit Verfügung vom 8 Juli 2016 stellte das SEM fest, der Beschwerdeführer
erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte das Asylgesuch ab, verfügte
die Wegweisung aus der Schweiz, ordnete deren Vollzug an und wies das
Ausstandsbegehren ab.
E.
Mit Eingabe vom 18. Juli 2016 reichte der Beschwerdeführer beim Bundes-
verwaltungsgericht Beschwerde ein und beantragte, es sei die angefoch-
tene Verfügung aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zu-
rückzuweisen. In prozessualer Hinsicht sei die unentgeltliche Prozessfüh-
rung zu gewähren und insbesondere von der Erhebung eines Kostenvor-
schusses abzusehen.
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Seite 3
F.
Mit Instruktionsverfügung vom 21. Juli 2016 lud der zuständige Instrukti-
onsrichter das SEM zur Vernehmlassung ein, welche mit Schreiben vom
29. Juli 2016 fristgerecht beantwortet wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurtei-
lung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig
und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel – wie auch vorlie-
gend – endgültig (vgl. Art. 83 Bst d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG [SR 142.31]).
1.2 Aufgrund der Zuweisung des Beschwerdeführers in die Testphase des
Verfahrenszentrums Zürich kommt die Verordnung vom 4. September
2013 über die Durchführung von Testphasen zu den Beschleunigungs-
massnahmen im Asylbereich (TestV, SR 142.318.1) zur Anwendung (Art. 1
und Art. 4 Abs. 1 TestV).
1.3 Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Beschwerdefüh-
rung legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die frist- und formgerecht eingereichte
Beschwerde ist einzutreten (Art. 112 Abs. 3 AsylG i.V.m. Art. 38 TestV und
Art. 52 Abs. 1 VwVG).
2.
2.1 Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht sowie die un-
richtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachver-
halts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
2.2 Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im
Verfahren einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten
Richters (Art. 111 Bst. e AsylG), ohne Weiterungen und mit summarischer
Begründung zu behandeln (Art. 111a Abs. 1 und 2 AsylG).
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3.
3.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der Ausstandspflicht. For-
mell-rechtlich sei über ein Ausstandsbegehren mit selbstständig anfecht-
barer Zwischenverfügung zu entscheiden. Materiell-rechtlich stützt er sich
auf den Ausstandsgrund der Befangenheit und bringt vor, der Sachbear-
beiter habe bei der Befragung eine neutrale Haltung vermissen lassen,
weshalb das Recht auf ein faires Verfahren verletzt sei.
3.2 Gemäss Art. 10 Abs. 1 VwVG treten Personen, die eine Verfügung zu
treffen oder vorzubereiten haben, in den Ausstand, wenn sie aus anderen
Gründen – als persönliches Interesse in der Sache (Bst. a), Ehe, Partner-
schaft, Lebensgemeinschaft (Bst. b), Verwandtschaft oder Verschwäge-
rung (Bst. bbis) oder Vertreter einer Partei (Bst. c) – in der Sache befangen
sein könnten (Bst. d). Art. 10 Abs. 2 VwVG bestimmt, dass die Aufsichts-
behörde oder die Kollegialbehörde unter Ausschluss des betreffenden Mit-
glieds entscheidet, wenn der Ausstand streitig ist. Die Bestimmung enthält
ebenso wenig eine Vorschrift für die Entscheidungsform wie Art. 45 VwVG,
wonach gegen selbstständig eröffnete Zwischenverfügungen über Aus-
standsbegehren die Beschwerde zulässig ist (Abs. 1) und diese Verfügun-
gen später nicht mehr angefochten werden können (Abs. 2). Aus dieser
Bestimmung ergibt sich nur, dass eine Zwischenverfügung über das Aus-
standsbegehren unter Verwirkungslast angefochten werden muss, wenn
eine selbstständig eröffnete Zwischenverfügung erlassen wird (UHL-
MANN/WÄLLE-BÄR in: Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz,
2016, Art. 45 N 18 S. 922: "sofern sie selbständig eröffnet wurde"). Zwar
ist es sinnvoll, über ein Ausstandsbegehren sofort zu entscheiden, weil die
Behörde sonst Gefahr läuft, dass auch der Endentscheid aufgehoben wird
(vgl. BGE 132 V 93 E. 6.2), doch das Gesetz gibt keinen Anspruch auf
Erlass einer selbstständig eröffneten Zwischenverfügung über Ausstands-
begehren. Das stimmt mit dem Grundsatz überein, dass die Verfahrenslei-
tung Sache der Behörden ist. Kommt hinzu, dass im Testphasenbetrieb
dem Beschleunigungsgebot ein besonders grosses Gewicht zukommt und
die Partei keinen Nachteil erleidet, wenn sie den Ausstandentscheid zu-
sammen mit dem Endentscheid anficht. Entgegen der Beschwerde haben
die direkten Vorgesetzten über den Ausstand entschieden, was auch nicht
zu beanstanden ist (BREITENMOSER/FEDAIL a. a. O. Art. 10 N 115 S. 217).
3.3 Nach Art. 29 Abs. 1 BV sind Amtspersonen zum Ausstand verpflichtet,
wenn Umstände vorliegen, die nach objektiven Gesichtspunkten geeignet
sind, den Anschein der Befangenheit zu erwecken (BGE 127 I 196 E. 2b);
auf die subjektive Empfindung einer Partei ist nicht abzustellen
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(BGE 140 III 221 E. 4.1). Bei Ausstandsbegehren gegen Verwaltungsbe-
hörden ist freilich den jeweiligen konkreten Verhältnissen in besonderem
Masse Rechnung zu tragen (BGE 125 I 209 E. 8a). Nach der Rechtspre-
chung haben nicht-richterliche Amtspersonen im Wesentlichen nur dann in
den Ausstand zu treten, wenn sie an der zu behandelnden Sache ein per-
sönliches Interesse haben, zu einem früheren Zeitpunkt gegenüber der
Partei ihre persönliche Geringschätzung oder Abneigung zum Ausdruck
gebracht haben oder wenn ihnen Verfahrens- oder Ermessensfehler unter-
laufen sind, die nach ihrer Natur oder wegen ihrer aussergewöhnlichen
Häufung besonders schwer wiegen und auf eine gravierende Verletzung
ihrer Amtspflichten gegenüber dem Betroffenen hinauslaufen (Urteil des
BGer 2C_36/2010 vom 14. Juni 2010 E. 3.3 mit zahlreichen Hinweisen).
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Haltung des Sachbearbeiters sei von
Anfang an von grossem Misstrauen geprägt. Er habe Zweifel geäussert,
Aussagen für nicht plausibel gehalten und sei misstrauisch gewesen. Nach
der Mittagspause habe er die Möglichkeit gegeben, Fragen zu stellen, was
für die Rechtsvertretung überraschend gewesen sei.
Die Akten enthalten indes keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Sach-
bearbeiter habe jemals seine Geringschätzung oder Abneigung zum Aus-
druck gebracht. Eine konkrete Aussage für eine solche Annahme vermag
denn auch der Beschwerdeführer nicht zu nennen. Art und Aufbau der Be-
fragung sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie lassen den Schluss nicht
zu, dem Sachbearbeiter seien Verfahrens- oder Ermessensfehler unterlau-
fen, und schon gar nicht auf eine Amtspflichtverletzung. Damit liegen keine
Umstände vor, die objektiv geeignet wären, den Anschein der Befangenheit
zu erwecken. Die Rüge ist unbegründet, weshalb offen bleiben kann, ob
das Ausstandsbegehren allenfalls zu spät gestellt wurde.
4.
4.1 Die Flüchtlingseigenschaft muss nachweisen oder zumindest glaubhaft
machen, wer um Asyl nachsucht (Art. 7 AsylG). Glaubhaft gemacht ist die
Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwie-
gender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbeson-
dere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in
sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massge-
blich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden
(Art. 7 AsylG). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anforderungen an
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das Glaubhaftmachen der Vorbringen in einem publizierten Entscheid dar-
gelegt und folgt dabei ständiger Praxis. Darauf kann hier verwiesen werden
(BVGE 2010/57 E. 2.2 und 2.3).
4.2 Der Bundesrat bezeichnet Staaten, in denen Sicherheit vor Verfolgung
besteht, als sichere Heimat- oder Herkunftsstaaten (Art. 6a Abs. 2 Bst. a
AsylG).
4.3 Die Vorinstanz geht zutreffend von fehlender Asylrelevanz aus. Die Be-
schwerde zeigt nicht auf, inwiefern die angefochtene Verfügung Bundes-
recht verletzen oder den Sachverhalt fehlerhaft feststellen soll. Solches ist
auch nicht ersichtlich.
So hat die Vorinstanz richtig erkannt, dass Serbien seit dem Beschluss vom
6. März 2009 (in Kraft seit 1. April 2009) zu den verfolgungssicheren Län-
dern (sog. "Safe Country") gehört. Insofern gilt die Regelvermutung, dass
in Serbien keine asylrelevante staatliche Verfolgung stattfindet und Schutz
vor nichtstaatlicher Verfolgung gewährleistet ist, womit sich weitere Abklä-
rungen grundsätzlich erübrigen (Art. 40 AsylG i. V. m. Art. 6a Abs. 2 Bst. a
AsylG).
Sodann wird in der Verfügung einlässlich dargelegt, dass und weshalb die
Aussagen des Beschwerdeführers überwiegend unglaubhaft ausgefallen
sind. Um Wiederholungen zu vermeiden, ist auf die Ausführungen der Vo-
rinstanz zu verweisen. Sie hat den Sachverhalt korrekt festgestellt.
Schliesslich wird in der Beschwerde zur Hauptfrage lediglich erklärt, es sei
„gut vorstellbar“, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Spitzeltätig-
keiten nicht einfach so zur Polizei habe gehen können (Beschwerde S. 9).
Diese Erklärung genügt indes nicht, um die Regelvermutung umzustossen
beziehungsweise eine asylrelevante Verfolgung in einem "Safe Country"
zu begründen. Ferner ist sie unvereinbar mit der Erklärung anlässlich der
Befragung, er habe die Polizei nicht kontaktiert, weil diese in Serbien erst
einschreite, wenn bereits etwas passiert sei (SEM-Akten, A20, S. 18). Im
Übrigen will der Beschwerdeführer Informationen für „den Staat“ gesam-
melt haben, der folglich erst recht schutzwillig sein sollte (z. B. SEM-Akten,
A20, S. 18). Schliesslich kann er nicht plausibel erklären, weshalb er trotz
der angeblichen Gefahr und Angst Serbien nicht unverzüglich verlassen
hat (SEM-Akten, A20, S. 18). Um Wiederholungen zu vermeiden ist auch
an dieser Stelle auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz zu ver-
wiesen, die zu Recht das Asylgesuch abgelehnt hat.
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Seite 7
5.
5.1 Gemäss Art. 44 AsylG verfügt das SEM in der Regel die Wegweisung
aus der Schweiz, wenn es das Asylgesuch ablehnt oder darauf nicht ein-
tritt. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche
Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer sol-
chen (vgl. BVGE 2009/50 E. 9). Die Wegweisung wurde zu Recht ange-
ordnet.
5.2 Es sind den Akten und der Rechtsmitteleingabe keine Anhaltspunkte
zu entnehmen, die einen anderen Schluss in Bezug auf die verfügte Weg-
weisung zuliessen. Die Vorinstanz hat zutreffend die Wegweisung nach
Serbien geprüft und kommt folgerichtig zum Schluss, dass der Vollzug der
Wegweisung im vorliegenden Fall zulässig, zumutbar und möglich ist. Es
ist auch in Bezug auf die medizinischen Beschwerden der Vorinstanz bei-
zupflichten, dass der Beschwerdeführer im Heimatstaat bereits Zugang zu
den notwendigen medizinischen Einrichtungen und zu adäquater Behand-
lung hatte und auch haben wird. Etwas anderes ist der Beschwerde auch
nicht zu entnehmen. Die Anordnung einer vorläufigen Aufnahme fällt aus-
ser Betracht (Art. 83 Abs. 1 AuG).
6.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt und auch sonst nicht zu beanstanden ist
(Art. 106 AsylG und Art. 49 VwVG). Die Beschwerde ist abzuweisen.
7.
7.1 Der Beschwerdeführer beantragt die Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG. Aufgrund der vorstehenden
Erwägungen ergibt sich, dass seine Begehren als aussichtslos zu gelten
haben. Damit ist eine der kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen nicht
gegeben, weshalb dem Gesuch nicht stattzugeben ist.
7.2 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten von Fr. 600.–
(Art. 1–3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Ent-
schädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE], SR 173.320.2)
dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Mit dem vor-
liegenden Urteil ist der Antrag auf Verzicht der Erhebung eines Kostenvor-
schusses gegenstandslos geworden.
(Dispositiv nächste Seite)

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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.– werden dem Beschwerdeführer aufer-
legt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zu Gunsten
der Gerichtskasse zu überweisen.
3.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige
kantonale Behörde.

Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:

Daniel Willisegger Michal Koebel


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