E-425/2009 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung vom 22. Dezember 20...
Karar Dilini Çevir:
E-425/2009 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung vom 22. Dezember 20...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung V
E-425/2009


U r t e i l v o m 2 7 . S e p t e m b e r 2 0 1 2
Besetzung

Richterin Muriel Beck Kadima (Vorsitz),
Richter Fulvio Häfeli, Richterin Emilia Antonioni,
Gerichtsschreiberin Mareile Lettau.
Parteien

A._______, geboren am (…),
dessen Ehefrau
B._______, geboren am (…),
und deren gemeinsame Kinder
C._______, geboren am (…),
D._______, geboren am (…),
E._______, geboren am (…),
Syrien,
alle vertreten durch Peter Frei, Rechtsanwalt,
(…)
Beschwerdeführende,


Gegen

Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Asyl und Wegweisung; Verfügung vom
22. Dezember 2008 / N (…).


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Sachverhalt:
A.
Die kurdischen Beschwerdeführenden aus F._______ (Provinz Al Hasa-
kah) verliessen ihr Heimatland eigenen Angaben gemäss am 25. Dezem-
ber 2007 mit Hilfe eines Schleppers über die Türkei und reisten am 4.
Februar 2008 in die Schweiz ein, wo sie gleichentags im (…) ein Asylge-
such stellten.

Zur Begründung führte der Beschwerdeführer in der summarischen Be-
fragung vom 25. Februar 2008 und in der eingehenden Anhörung vom
13. März 2008 aus, er sei Sympathisant der Yekiti-Partei (Einheitspartei
der Kurden in Syrien), sein Vater und sein Bruder K. seien Mitglieder die-
ser Partei, K. sei zudem Parteiverantwortlicher in G._______ gewesen. K.
sei bei einer Demonstration am 26. Juni 2003 festgenommen worden und
zwei Jahre in Haft gewesen. Ende Februar 2006/Anfang März 2006 sei er
in den Nordirak geflohen, wo er sich heute noch aufhalte. Der Beschwer-
deführer sei am 14. März 2004 in G._______ nach der Teilnahme an De-
monstrationen im Zusammenhang mit den Unruhen in Kamishli festge-
nommen worden, so auch sein Vater und zwei seiner Brüder. Er sei für
zwei Monate und 17 Tage im Gefängnis gewesen, wo er auch misshan-
delt und aus Mangel an Beweisen freigelassen worden sei. Anfang April
2006 habe er bei den Behörden erscheinen und unterschreiben müssen,
dass er in Zukunft nicht mehr an Veranstaltungen teilnehmen werde. Da-
bei sei er erneut festgenommen worden, diesmal wegen seines Bruders
K.. Die Behörden hätten auf ihn einzuwirken versucht, K. dazu zu brin-
gen, aus dem Irak zurückzukehren. Sein Bruder hätte im Internet regime-
kritische Berichte veröffentlicht. Er sei zehn Tage inhaftiert gewesen und
habe den Behörden bei der Entlassung schriftlich versichern müssen,
nicht mehr an Kundgebungen teilzunehmen. Während des Gefängnis-
aufenthaltes sei er geschlagen und beschimpft worden. Auch aus der
zweiten Haft sei er aus Mangel an Beweisen freigelassen worden. Anfang
Oktober 2007 habe er erneut schriftlich zusichern müssen, nicht mehr re-
gimekritische Veranstaltungen zu besuchen. Am 16. Dezember 2007 ha-
be er an einer kurdischen Demonstration teilgenommen. Diese sei von
Armee und Polizei aufgelöst worden und er sei zusammen mit anderen
Demonstrationsteilnehmern auf einen Lastwagen verfrachtet und ausser-
halb G._______ ausgesetzt worden. Die syrischen Behörden seien dar-
aufhin am Morgen des 17. Dezember 2007 bei ihm zu Hause erschienen
und hätten von seiner Ehefrau bei einer Hausdurchsuchung seinen Auf-
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enthaltsort wissen wollen. Die Beschwerdeführerin sei anschliessend zu
seinem Bruder S. gegangen, welcher ihn telefonisch über den Vorfall in-
formiert habe. Am 18. Dezember 2007 habe sein Bruder S. sie mit den
beiden in Syrien geborenen Kindern zum Beschwerdeführer in das Dorf
H._______ ausserhalb G._______ gebracht, in welchem sich der Be-
schwerdeführer versteckt habe. Von dort aus seien sie per Pkw mit Zwi-
schenstopp beim Schiegervater an die syrische Grenze zur Türkei gefah-
ren. Diese hätten sie am 25. Dezember 2007 zu Fuss passiert und sich
etwa einen Monat in der Türkei aufgehalten. Anschliessend seien sie von
dort in Begleitung eines Schleppers und mit gefälschten Reisedokumen-
ten in ein ihnen unbekanntes Land geflogen, wo sie nach einer mehr-
stündigen Autofahrt von der Polizei aufgegriffen und mit dem Zug nach
I._______ geschickt worden seien. Sie seien auf der Zugfahrt von einem
Freund von K. begleitet worden. Den Flug aus der Türkei habe der in der
Türkei lebende Schwager des Beschwerdeführers finanziert.
Die Beschwerdeführerin machte keine eigenen Asylgründe geltend, son-
dern berief sich auf die des Ehemannes.
B.
Am (…) wurde die Tochter der Beschwerdeführenden, E._______, gebo-
ren.
C.
Mit Schreiben vom 17. September 2008 ersuchte das BFM die Schweize-
rische Botschaft in Syrien um Abklärung der Fragen, ob die Beschwerde-
führenden syrische Reisepässe besässen, ob sie Syrien legal verlassen
hätten und ob sie durch die syrischen Behörden gesucht würden.
D.
Mit Antwortschreiben vom 17. November 2008 teilte die Botschaft dem
BFM mit, Abklärungen ihres Vertrauensanwalts hätten ergeben, dass der
Beschwerdeführer einen syrischen Reisepass besässe, ebenso die bei-
den älteren Kinder. Der Beschwerdeführer und die beiden älteren Kinder
hätten Syrien in Richtung J._______ am 21. Januar 2008 verlassen. Ge-
gen die Beschwerdeführenden liege nichts vor.
E.
Mit Zwischenverfügung vom 25. November 2008 erteilte das BFM den
Beschwerdeführenden in Bezug auf die genannten Abklärungsergebnisse
das rechtliche Gehör.
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Seite 4
F.
Mit Eingabe an das BFM vom 12. Dezember 2008 nahmen die Be-
schwerdeführenden durch ihren Rechtsvertreter zu den Abklärungen der
Botschaft Stellung. Dabei brachten sie ihre Befürchtung eines erhöhten
Verfolgungsrisikos als Folge der Abklärungen durch die hinzugezogenen
Vertrauensanwälte zum Ausdruck, da diese direkte Beziehungen zu den
Sicherheitsorganen des Staates pflegten. Als Folge dessen sei auch der
Wahrheitsgehalt der beschafften Informationen anzuzweifeln. Der Be-
schwerdeführer sei mit den Kindern von G._______ aus mit Hilfe eines
Schleppers am 21. Januar 2008 nach K._______ geflogen. Die Schlepper
würden von der syrischen Regierung gedeckt, da sie in deren Interessen
handelten. Der Schlepper habe die ganze Familie mit Reisepässen aus-
gestattet und bis zum Einstieg ins Flugzeug begleitet. Die Beschwerde-
führenden könnten keine Angaben über die Reisepässe machen, da sie
diese nie gesehen hätten. Sie seien von K._______ aus in ein ihnen un-
bekanntes Land weitergeflogen. Auf Anraten ihres Schleppers hätten sie
falsche Angaben zum Reiseweg gemacht. Der Beschwerdeführer würde
wegen seiner politischen Aktivitäten und der unbewilligten Ausreise ge-
sucht, die syrischen Behörden würden aber nie eine politische Verfolgung
der eigenen Staatsbürger offenlegen. Es sei im Interesse der syrischen
Regierung, syrische Kurden nach Europa ausreisen zu lassen.
Die Beschwerdeführenden legten als Beweismittel für die Haft des Bru-
ders K. des Beschwerdeführers fremdsprachige unübersetzte Kopien bei,
welche Teile des Gerichtsurteils gegen den Bruder K. darstellten, und ei-
ne englische Übersetzung eines "Statements" des Bruders an das "(…)"
vom 30. Januar 2006, sowie die Kopie einer Bestätigung vom UNHCR
vom 8. November 2006 über die Registrierung des Bruders K. in
L._______ als Asylbewerber. Ferner lagen ein unübersetzter fremdspra-
chiger Syrien-Bericht von Amnesty-International aus dem Jahr 2005 bei,
sowie Fotoausdrucke, Internetberichte und CD-Roms zur Bestätigung des
exilpolitischen Engagements des Beschwerdeführers. Dieser sei in der
Schweiz Mitglied der Yekiti-Partei geworden. Er habe wegen seines exil-
politischen Engagements und wegen des Risikos einer Reflexverfolgung
wegen seines Bruders K. bei einer Rückkehr in den Heimatstaat mit asyl-
relevanter Verfolgung zu rechnen.
G.
Mit Verfügung vom 22. Dezember 2008 – eröffnet am 23. Dezember 2008
– lehnte das BFM die Asylgesuche der Beschwerdeführenden ab und
ordnete deren Wegweisung aus der Schweiz sowie den Wegweisungs-
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vollzug an. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus,
die Vorbringen der Beschwerdeführenden würden den Anforderungen an
die Glaubhaftigkeit gemäss Art. 7 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998
(AsylG, SR 142.31) und an die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 3 AsylG
nicht genügen. Hinsichtlich der exilpolitischen Aktivitäten des Beschwer-
deführers argumentierte das BFM, die von diesem vorgebrachten Tätig-
keiten wiesen nicht eine derartige Qualität auf, dass sie von den syri-
schen Geheimdienstorganen wahrgenommen würden und asylrelevante
Verfolgung nach sich ziehen würden. Auch der Beitritt des Beschwerde-
führers zur Yekiti-Partei vermöge daran nichts zu ändern.
H.
Mit Eingabe vom 21. Januar 2009 legten die Beschwerdeführenden durch
ihren Rechtsvertreter gegen die Verfügung des BFM beim Bundesverwal-
tungsgericht Beschwerde ein. Dabei beantragten sie die Aufhebung der
angefochtenen Verfügung, die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft
und die Gewährung von Asyl, eventualiter die Feststellung der Unzuläs-
sigkeit beziehungsweise der Unzumutbarkeit des Vollzugs der Wegwei-
sung. In prozessualer Hinsicht ersuchten sie um Gewährung der unent-
geltlichen Prozessführung gemäss Art. 65 Abs. 1 und Abs. 2 des Bundes-
gesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren
(VwVG, SR 172.021). Mit der Eingabe reichten die Beschwerdeführenden
neben einer Fürsorgebestätigung vom 12. Januar 2009 ein übersetztes
Bestätigungsschreiben vom 16. Dezember 2008 eines in Frankreich an-
erkannten kurdischen Flüchtlings aus Syrien über die politischen Aktivitä-
ten des Beschwerdeführers sowie die seiner Brüder und seines Vaters
ein, zudem mehrere Beweismittel über die exilpolitischen Aktivitäten des
Beschwerdeführers (Bestätigung der (…) vom 13. Januar 2009, Flugblät-
ter sowie im Internet veröffentlichte Fotos von Protestkundgebungen in
der Schweiz, auf denen der Beschwerdeführer zu sehen sei).
Auf die Begründung der Beschwerde sowie den Inhalt des eingereichten
Beweismittels wird, soweit für den Entscheid wesentlich, in den Erwägun-
gen eingegangen.
I.
Mit Eingabe vom 27. Januar 2009 reichten die Beschwerdeführenden ein
Referenzschreiben der "Kurdischen Yekiti-Partei in Syrien, Schweizer
Sektion" vom 22. Januar 2009 ein.
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J.
Mit Schreiben vom 28. Januar 2009 gaben die Beschwerdeführenden ei-
ne DVD sowie ein Flugblatt zu den Akten, welche sich auf eine Kundge-
bung der (…) und der die (…) in M._______ im Dezember 2008 bezögen,
an welcher der Beschwerdeführer teilgenommen habe.
K.
Mit Zwischenverfügung vom 30. Januar 2009 hiess die zuständige In-
struktionsrichterin das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Pro-
zessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG gut, verzichtete auf die
Erhebung eines Kostenvorschusses und wies gleichzeitig das Gesuch um
unentgeltliche Rechtsverbeiständigung nach Art. 65 Abs. 2 VwVG ab. Zu-
dem wurde die Vorinstanz zur Vernehmlassung eingeladen.
L.
Mit Vernehmlassung vom 12. Februar 2008 hielt das BFM vollumfänglich
an seinen Erwägungen fest und beantragte die Abweisung der Be-
schwerde. Dabei erwog es hinsichtlich der exilpolitischen Aktivitäten des
Beschwerdeführers, diese würden auch unter Würdigung der eingereich-
ten Beweismittel keine Furcht vor Verfolgung begründen.
M.
Am 27. März 2009 replizierten die Beschwerdeführenden. Hinsichtlich
des exilpolitischen Engagement des Beschwerdeführers wurde entgeg-
net, dieses sei intensiv, die Opposition werde von den syrischen Behör-
den auch im Ausland ausgespäht und es sei den Beschwerdeführenden
nicht anzulasten, dass sie die neuen Besuche der syrischen Behörden
beim Onkel nicht belegen könnten. Auch sei darauf hinzuweisen, dass die
Teilnahme des Beschwerdeführers an der Kundgebung in M._______ im
Dezember 2008, welche bis zum (…) geführt habe, sicherlich vom syri-
schen Geheimdienst aufgezeichnet worden sei. Der Replik lagen weitere
Beweismittel zu seinem exilpolitischen Engagement bei (Flugblätter und
Fotos von Kundgebungen syrischer Kurden).
N.
Im Verlauf des Verfahrens reichten die Beschwerdeführenden weitere
Beweismittel zu den Akten:
– am 12. August 2009 Kopien von drei im Internet veröffentlichten
Nachrufen (samt deutscher Übersetzung) auf den im (…) verstorbe-
nen Vater des Beschwerdeführers als bekannten Yekiti-Aktivisten
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– am 22. Februar 2010 eine Kopie einer vom Beschwerdeführer einge-
holten polizeilichen Bewilligung für eine Kundgebung vom (…) in
M._______ sowie ein hierbei verteiltes Flugblatt der Yekiti-Partei/
Schweiz
– am 23. Juli 2010 zwei Bestätigungsschreiben von Yekiti-Partei-
Vertretern (eines mit deutscher Übersetzung, das andere auf Eng-
lisch), mit welchen das Engagement für die Yekiti-Partei und die Ge-
fährdung des Beschwerdeführers in Syrien belegt werden solle
– am 4. Oktober 2010 eine an den Beschwerdeführer gerichtete Einla-
dung der (…) für eine Veranstaltung in Deutschland am (…) und ein
Referenzschreiben eines Bekannten des Beschwerdeführers (auf
Deutsch) vom 3. Oktober 2010 über die politischen Aktivitäten des
Beschwerdeführers in Syrien
– am 16. Juni 2011 zum Beleg des Engagements des Beschwerdefüh-
rers und seiner Funktion in der Yekiti-Partei Flugblätter und im Internet
veröffentlichte Berichte, auf welchen dieser gut zu sehen sei, von sy-
risch-kurdischen Veranstaltungen in der Schweiz im Zeitraum vom
30. September 2009 bis 16. Februar 2011 sowie ein Bestätigungs-
schreiben der (…) vom 20. April 2011 über dessen Mitgliedschaft im
(…) der Partei
O.
Mit Verfügung vom 11. Juli 2011 forderte die Instruktionsrichterin das BFM
unter Hinweis auf die nach dem BFM-Entscheid eingereichten weiteren
Beweismittel zu den exilpolitischen Aktivitäten des Beschwerdeführers
und auf die aktuelle Entwicklung der politischen und menschenrechtlichen
Lage in Syrien auf, eine ergänzende Vernehmlassung einzureichen.
P.
Mit Verfügung vom 14. Juli 2011 hob das BFM nach Würdigung aller Um-
stände, insbesondere des exilpolitischen Engagements des Beschwerde-
führers im Zusammenhang mit der aktuellen Lage in Syrien, die Ziffern 1,
4 und 5 der angefochtenen Verfügung vom 22. Dezember 2008 auf, stell-
te gestützt auf Art. 54 AsylG die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerde-
führers fest und erkannte gestützt auf den Grundsatz der Einheit der Fa-
milie die Beschwerdeführerin und die Kinder ebenfalls als Flüchtlinge an.
Gleichzeitig wurde wegen Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs die
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vorläufige Aufnahme der Beschwerdeführenden in der Schweiz angeord-
net.
Q.
Angesichts dessen wurden die Beschwerdeführenden mit Instruktionsver-
fügung vom 20. Juli 2011 angefragt, ob sie an der Beschwerde festhiel-
ten, soweit sie nicht hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft und den Voll-
zug der Wegweisung gegenstandslos geworden sei. Zudem wurde der
Rechtsvertreter aufgefordert, eine detaillierte Kostennote einzureichen.
R.
Mit Eingabe des Rechtsvertreters vom 27. Juli 2011 teilten die Beschwer-
deführenden mit, sie hielten an ihrer Beschwerde fest. Gleichzeitig wurde
eine Kostennote eingereicht.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
(VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden
gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM gehört zu den Behörden
nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungs-
gerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von
Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zu-
ständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet
auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Ausliefe-
rungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Per-
son Schutz sucht (Art. 105; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsge-
setzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Eine solche Ausnahme im
Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundes-
verwaltungsgericht endgültig entscheidet.
1.2 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem
BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6
AsylG).
1.3 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Die
Beschwerdeführenden haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilge-
nommen, sind durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und
haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungswei-
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se Änderung. Sie sind daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert
(Art. 105 und Art. 108 Abs. 1 AsylG, Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 VwVG).
Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und
die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3.
Prüfungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind nur noch Asylge-
währung und Wegweisung aller Beschwerdeführenden sowie die originä-
re Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin und der gemeinsamen
Kinder, nachdem das BFM mit Verfügung vom 14. Juli 2011 seinen Ent-
scheid vom 22. Dezember 2008 – soweit dieser sich auf die Flüchtlings-
eigenschaft und den Vollzug der Wegweisung bezog – teilweise in Wie-
dererwägung gezogen hat, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerde-
führers festgestellt, wegen des Grundsatzes der Einheit der Familie auch
die restliche Familie als Flüchtlinge (derivativ) gestützt auf Art. 51 Abs. 1
AsylG anerkannt und die Beschwerdeführenden wegen Unzulässigkeit
des Wegweisungsvollzugs vorläufig in der Schweiz aufgenommen hat.
Dadurch wurde die Beschwerde in Bezug auf die originäre Flüchtlingsei-
genschaft des Beschwerdeführers sowie die derivative Flüchtlingseigen-
schaft der restlichen Familienmitglieder und den Wegweisungsvollzug
gegenstandslos.
4.
4.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grund-
sätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im
Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationali-
tät, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer
politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder
begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als
ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des
Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen
psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist
Rechnung zu tragen (Art. 3 AsylG).

4.2 Der Beschwerdeführerin und den gemeinsamen Kinder wurde ge-
stützt auf Art. 51 Abs. 1 AsylG die Flüchtlingseigenschaft sogenannt deri-
vativ anerkannt. In Berücksichtigung von Art. 37 der Asylverordnung 1
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vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (AsylV 1, SR 142.311) ist im
Folgenden zu prüfen, ob sie die Flüchtlingseigenschaft selbstständig in
sogenannt originärer Weise erfüllen.
4.3 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen
oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die
Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für ge-
geben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentli-
chen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den
Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder ver-
fälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
5.
5.1 Das BFM brachte in seiner Verfügung vom 22. Dezember 2008 vor,
die geschilderte Ausreise ohne Papiere beziehungsweise mit gefälschten
Papieren sei angesichts der Ergebnisse der Botschaftsabklärung als tat-
sachenwidrig einzustufen. Vielmehr seien die Beschwerdeführenden im
Besitz von Reisepässen, die ihnen im Jahr (…) ausgestellt worden seien.
Auch habe sich die vermeintliche illegale Ausreise über die Türkei als un-
wahr herausgestellt, der Beschwerdeführer sei stattdessen zu einem an-
deren als dem genannten Datum behördlich kontrolliert statt illegal nach
J._______ ausgereist. Auch der Ausreisegrund, der Beschwerdeführer
werde von den Behörden gesucht, widerspreche dem Abklärungsergeb-
nis, wonach nichts gegen diesen vorläge. Die Behauptung der Beschwer-
deführenden, wegen der Abklärungsmassnahme der Vertrauensanwälte
einem erhöhten Verfolgungsrisiko ausgesetzt zu sein, müsse als reine
Schutzbehauptung eingestuft werden. Auch die weiteren Ausführungen in
der Stellungnahme zur Botschaftsabklärung betreffend Reisepässen und
Reiseumständen seien nicht nachvollziehbar. Es sei demnach unglaub-
haft, dass die Beschwerdeführenden das Land verlassen hätten, weil der
Beschwerdeführer dort seitens der Behörden gesucht werde. Auch vor
dem Hintergrund der im Jahr (…) erfolgten Ausstellung der Reisepässe
sei es realitätsfremd, dass dieser im Jahr 2006 inhaftiert worden sei und
im Oktober 2007 mehrfach bei den Behörden, welche auch sein Haus
durchsucht hätten, habe vorstellig werden müssen. Der Umstand, dass
den Beschwerdeführenden in dem Zeitraum gemäss Abklärungsergebnis
Reisepässe ausgestellt worden seien, sei als klares Indiz dafür zu werten,
dass sie aus Sicht der Behörden als unbescholten gelten würden. Auch
sei es unlogisch, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2006 wegen seines
Bruders festgenommen und von ihm verlangt worden sei, er solle diesen
den Behörden ausliefern. Schliesslich hat der Bruder doch gemäss den
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Angaben des Beschwerdeführers zu dem Zeitpunkt seine zweijährige
Haftstrafe, die er im Juni 2003 nach Verurteilung angetreten sein soll, be-
reits verbüsst und ist aus der Haft entlassen. Allein der Umstand, dass er
zuvor aus Syrien ausgereist sein soll, vermöge daran nichts zu ändern.
Auch sei es nicht nachvollziehbar, dass die Behörden den Beschwerde-
führer nach zehn Tagen wieder freigelassen haben sollen, angeblich aus
Mangel an Beweisen gegen ihn, wenn er doch wegen seines Bruders
festgenommen worden sein soll. Angesichts der realitätsfremden Aussa-
gen des Beschwerdeführers und angesichts der Abklärungsergebnisse
der Botschaft sei somit nicht glaubhaft, dass er in den Jahren 2006 und
2007 in der vorgebrachten Weise verfolgt und schikaniert worden sei.
Auch am Wahrheitsgehalt der übrigen Aussagen sei somit zu zweifeln,
dies auch deswegen, weil der Beschwerdeführer hinsichtlich der Umstän-
de der damals mit ihm zusammen festgenommenen Familienangehörigen
widersprüchliche Aussagen gemacht habe. Die Festnahme im Jahr 2004
stelle überdies ein abgeschlossenes Ereignis dar ohne genügend engen
Kausalzusammenhang zu der später erfolgten Ausreise, da sie ohne wei-
tere strafrechtliche Folgen geblieben sei. Sie sei daher nicht asylrelevant.
Auch sei nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer bei seiner
Rückkehr Reflexverfolgungsmassnahmen ausgesetzt werde. Er habe
zwar angegeben, er sei wegen seines Bruders mehrfach vorgeladen und
einmal festgenommen worden. Auch sei er wegen seiner eigenen politi-
schen Aktivitäten bei einer Veranstaltung im Dezember 2007 von den Be-
hörden gesucht worden. Diese Vorbringen seien aber, wie bereits ausge-
führt, als unglaubhaft einzustufen. Auch komme Reflexverfolgung in Sy-
rien zwar vor, vorliegend bestehe aber kein Grund zur Annahme, der Be-
schwerdeführer würde wegen seines Bruders zur Rechenschaft herange-
zogen, da dieser doch bereits seine Haftstrafe nach der Verurteilung im
Jahr 2003 verbüsst haben soll. Reflexverfolgung für den Beschwerdefüh-
rer als Folge von Fahndungsmassnahmen der Behörden in Bezug auf
den Bruder sei also nicht anzunehmen. In Bezug auf die Aktivitäten sei-
nes Vaters habe er keine Verfolgungsmassnahmen geltend gemacht, was
impliziere, dass er auch zukünftig keine Verfolgung zu befürchten habe,
zumal der Vater nach Aussage des Beschwerdeführers keine Tätigkeiten
mehr ausübe. In seiner Vernehmlassung wiederholte das BFM, ange-
sichts des Abklärungsergebnisses der Schweizerischen Vertretung in
Damaskus, es liege nichts gegen die Beschwerdeführenden vor, sei an
der behaupteten Gefährdung zu zweifeln. Die vorgebrachte Kritik an den
Auskünften der Vertretung entbehrten überdies jeder Grundlage.
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5.2 Nach Auffassung des Beschwerdeführers hat das BFM die allgemeine
Lage der Kurden in Syrien und deren staatliche Repressionen nicht aus-
reichend berücksichtigt. Hierbei wies er auf einen Bericht der Schweizeri-
schen Flüchtlingshilfe zur aktuellen Entwicklung in Syrien vom 20. August
2008 hin. Seine Schilderungen seien als detailreich und differenziert ein-
zustufen und damit glaubhaft, auch seine Glaubwürdigkeit sei gegeben.
Er stamme aus einer kurdisch politisch aktiven Familie. Es sei offensicht-
lich, dass die vor Ort getätigten Abklärungen durch Vertrauensanwälte ein
erhöhtes Verfolgungsrisiko für ihn bewirken könnten, da davon auszuge-
hen sei, dass die Vertrauensanwälte nicht unabhängig von der staatlichen
Verwaltung arbeiten könnten. Daraus folge auch, dass die Abklärungser-
gebnisse der Vertrauensanwälte bei Weitergabe der Personalien erwar-
tungsgemäss falsche Informationen enthalten würden. Vorliegend seien
die Personalien des Beschwerdeführers an den Vertrauensanwalt weiter-
gegeben worden. Die syrische Regierung würde aber nie gegenüber ei-
nem Drittstaat anerkennen, dass der eigene Staatsbürger aus politischen
Gründen verfolgt werde. Es bestünden daher Zweifel am Abklärungser-
gebnis, wonach er nicht behördlich gesucht werde. Zumal die Beschwer-
deführerin auf dem gleichen Weg zusammen mit den anderen Familien-
angehörigen ausgereist sei, aber in der Botschaftsabklärung nicht als Be-
sitzerin eines Passes genannt werde. Dies zeige, dass die Botschaftsin-
formationen mit Vorsicht zu geniessen seien. Selbst bei Annahme einer
behördlich kontrollierten Ausreise sei aber ein erhebliches Verfolgungsri-
siko nicht auszuschliessen. Eine erfolgreiche Bestechung mit Hilfe eines
Schleppers liege auf der Hand. Auch erscheine es möglich, dass der
Schlepper über Blanko-Pässe aus dem Jahr (…) verfügt habe. Hinsicht-
lich der gegen den Beschwerdeführer gerichteten Reflexverfolgung be-
rücksichtige das BFM nicht, dass der Bruder K. an der Universität in
L._______ weiterhin gegen die syrischen Behörden politisch aktiv sei und
innerhalb der kurdischen Opposition weiterhin bekannt sei. Dies lege der
Bericht von amnesty international nahe. Auch habe die Beschwerdeführe-
rin berichtet, dass ihr Haus jedes Mal nach der Veröffentlichung eines Ar-
tikels im Internet durch ihren Schwager von den Sicherheitskräften aufge-
sucht worden sei. Auch ein der Beschwerde beigelegtes Bestätigungs-
schreiben eines in Frankreich anerkannten kurdischen Flüchtlings aus
Syrien beweise unter anderem die Gefahr der Reflexverfolgung für den
Beschwerdeführer. Überdies halte der Beschwerdeführer daran fest, dass
er kurz nach der Festnahme von seinem mit ihm zusammen festgenom-
menen Vater sowie Bruder getrennt worden sei. Dies entspreche seinen
Aussagen und jenen der Beschwerdeführerin, sowie dem üblichen Vor-
gehen der Sicherheitskräfte, Verwandte im Polizeigewahrsam zu trennen.
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Die Festnahme und Inhaftierung aus dem Jahr 2004 stelle kein abge-
schlossenes, isoliertes Geschehen dar, sondern müsse zumindest als er-
littene Vorverfolgung berücksichtigt werden angesichts dessen, dass er
auch damals als Mitglied einer politisch aktiven Familie behelligt und in
der Haft misshandelt worden sei. Es bestehe vor dem Hintergrund der
anhaltenden politischen Aktivitäten des Bruders K. gegen die syrische
Regierung für den Beschwerdeführer die Gefahr von Reflexverfolgung.

6.
6.1 Auch das Bundesverwaltungsgericht kommt zum Schluss, dass die
Beschwerdeführenden keine asylrechtlich relevante Verfolgung durch die
syrischen Behörden glaubhaft machen konnten und somit die Flücht-
lingseigenschaft im Sinne des Art. 3 AsylG nicht erfüllen. Die Entgegnun-
gen in der Rechtsmitteleingabe vermögen die vorinstanzlichen Erwägun-
gen nicht zu entkräften.

6.2 Grundsätzlich sind Vorbringen dann glaubhaft gemacht, wenn sie ge-
nügend substantiiert, in sich schlüssig und plausibel sind. Sie dürfen sich
nicht in vagen Schilderungen erschöpfen, in wesentlichen Punkten nicht
widersprüchlich sein, der inneren Logik entbehren oder den Tatsachen
oder der allgemeinen Erfahrung widersprechen. Darüber hinaus muss der
Gesuchsteller persönlich glaubwürdig erscheinen, was insbesondere
dann nicht der Fall ist, wenn er wichtige Tatsachen unterdrückt oder be-
wusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens Vorbringen auswechselt,
steigert oder unbegründet nachschiebt oder die nötige Mitwirkung am
Verfahren verweigert. Glaubhaftmachung bedeutet ferner – im Gegensatz
zum strikten Beweis – ein reduziertes Beweismass und lässt durchaus
Raum für gewisse Einwände und Zweifel an den Vorbringen des Ge-
suchstellers. Entscheidend ist, ob die Gründe, welche für die Richtigkeit
der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist
auf eine objektivierte Sichtweise abzustellen (vgl. BVGE 2010/57 E.2.2f.;
EMARK 2005 Nr. 21 E. 6.1).
6.3 Auffällig sind zahlreiche Widersprüche und Unstimmigkeiten in den
Aussagen des Beschwerdeführers.
So sagte er beispielsweise in der Erstbefragung aus, er sei im Jahr 1995
von F._______ nach G._______ gezogen (vgl. act. A1, S. 1, 2), in der ein-
lässlichen Anhörung gab er jedoch zu Protokoll, im Jahr 1990 zusammen
mit seinem Bruder nach G._______ gegangen zu sein, lediglich der Rest
der Familie sei erst im Jahr 1995 nachgezogen (vgl. act. A19, S. 2).
E-425/2009
Seite 14
Auch widerspricht er sich hinsichtlich seines politischen Engagements. Er
gibt an, er sei Sympathisant (vgl.act. A19, S.2) und will beispielsweise an
der Demonstration vom 16. Dezember 2007 als einfacher Teilnehmer ge-
wesen sein (vgl act. A1, S. 5). In der Bundesbefragung ist jedoch zugleich
auch die Rede davon, er habe darüber hinaus Kundgebungen und De-
monstrationen organisiert (vgl. act. A19, S.2, 3), beispielsweise eine Ver-
anstaltung vom 5. Oktober 2007, bei welcher er Flugblätter verteilt und
Transparente bei sich deponiert habe (vgl. act. A19, S.2). Auf Nachfrage
räumt er dann jedoch wieder ein, selber nie eine Kundgebung organisiert,
sondern lediglich seinen Bekanntenkreis über die Daten informiert zu ha-
ben, so auch hinsichtlich der Veranstaltung vom 16. Dezember 2007 (vgl.
act. A19, S. 3). Auf den Widerspruch hinsichtlich des Ausmasses seines
Engagements beziehungsweise der blossen Teilnahme an Kundgebun-
gen angesprochen, erklärt er daraufhin wenig überzeugend, er habe in
seiner Sprache einen Fehler gemacht (vgl. act. A19, S. 3).
Auffällig ist, dass er in der Erstbefragung nicht erwähnt, er habe bei den
Behörden erscheinen und schriftlich zusichern müssen, nicht mehr an
Veranstaltungen teilzunehmen, so erwähnt er dies weder für den April
2006, als er beim Behördengang verhaftet worden sei, noch für den Ok-
tober 2007 (vgl. aber act. A19, S. 4, 7). Diesbezüglich gibt er nur zu Pro-
tokoll, dass die Sicherheitskräfte im April 2006 zu ihm nach Hause ge-
gangen seien, nicht, dass er bei den Behörden habe erscheinen müssen
(vgl. act. A1, S. 5, 6).
Unstimmig sind zudem die Aussagen bezüglich seiner Verhaftung im
März 2004. So erwähnt er in der Erstbefragung nicht, dass sein Vater und
zwei seiner Brüder mit ihm zusammen im März 2004 festgenommen wor-
den seien (vgl. act. A1, S. 5, A19, S. 4, 8). Auch bezüglich des Ortes der
Verhaftung widerspricht er sich, da er in der Bundesanhörung zuerst zu
Protokoll gibt, er sei zu Hause (vgl. act. A19, S. 4), später jedoch, er sei
bei seinem Vater verhaftet worden (vgl. act. A19, S. 5, 8).
Auch bezüglich der Ereignisse im Dezember 2007 widerspricht er sich.
Es erschliesst sich nicht, wieso er nicht gleich auf der Demonstration ver-
haftet wurde, wo er nach Aussagen der eingehenden Anhörung doch mit
den anderen Demonstrationsteilnehmern auf einen Lastwagen verfrachtet
und fortgebracht worden sei, sondern erst am nächsten Tag (vgl. act. A19,
S.12). Auch verwundert es, dass er bei der Erstbefragung lediglich aus-
sagt, die Behörden hätten von seiner Anwesenheit erfahren, nicht, dass
er bereits am Tag der Demonstration aufgegriffen wurde (vgl. act. A1, S.
E-425/2009
Seite 15
5, A19, S. 12). Auch sagt er in der Erstbefragung nicht, dass die Behör-
den nach der Veranstaltung vom 16. Dezember 2007 auch bei seinem
Vater nach ihm gesucht hätten (vgl. act. A19, S. 13), nur, dass seine Frau
zum Bruder S. gegangen sei (vgl. act. A1, s. 5), der nach Angaben bei der
zweiten Befragung im Haus des Vaters wohnen soll (vgl. act. A19, S. 13).
Weiter bestehen in den Aussagen Widersprüche hinsichtlich der Dauer,
die er mit seinem Vater und seinen Brüdern nach der Verhaftung im März
2004 zusammen auf dem ersten Posten verbracht haben will, ist doch
erst die Rede davon, dass er eine Woche mit ihnen auf dem Posten ver-
bracht habe (vgl. act. A19, S. 5), später aber heisst es, sein Vater sei ei-
nen Tag nach der Festnahme freigelassen und er selbst (der Beschwer-
deführer) sei auf dem Posten gleich von seinem Vater und den Brüdern
getrennt worden (vgl. act. A19, S. 9). Auch verwundert es, dass der Be-
schwerdeführer als einfacher Yekiti-Sympathisant über zwei Monate in-
haftiert worden sein soll, sein Vater aber als ehemaliger Vorsitzender der
Partei für (…) (vgl.act. A1, S. 5) bereits nach einem Tag und auch die bei-
den Brüder bereits nach einer Woche schon freigelassen worden seien.
Unklar ist ferner, weshalb er nach der Verhaftung im April 2006 bereits
nach zehn Tagen freigelassen wurde, da er ja angeblich so lange fest-
gehalten werden sollte, bis sich sein noch immer im Irak aufhaltender
Bruder K. den Behörden stellen würde (vgl. act. A19, S. 8), zumal er bei
seiner ersten Verhaftung über zwei Monate inhaftiert worden sei (vgl. act.
A19, 10). Vor dem Hintergrund, dass es bei der Verhaftung um den Bru-
der K. gegangen sein soll, überzeugt es auch nicht, dass er angeblich
aus Mangel an Beweisen freigelassen worden sei (vgl. act. A1, S. 5) so-
wie gegen die schriftliche Versicherung, sich nie mehr an einer Kundge-
bung zu beteiligen (vgl. act. A19, S. 8).
Auch erstaunt, dass er sich nicht zu erinnern vermag, wo er sich wann
während seiner zweimonatigen Haft im Jahr 2004 befunden haben will
(vgl. act. A19, S. 8, 9). Auch weiss er nicht, um was für Posten es sich
handelte (vgl. act. A19, S. 9). Die Schilderung seiner zehntägigen Gefan-
genschaft im April 2006 ist überdies wenig detailreich und mangelt an
Realkennzeichen (vgl. act. A19, S. 10).
Divergierend sind die Aussagen hinsichtlich dessen, wann und aus wel-
chen Motiven die Behörden bereits vor der Demonstration im Dezember
2007 beim Beschwerdeführer zu Hause erschienen sein sollen. Nach den
Angaben der Erstbefragung seien mehrfach Beamte wegen des Bruders,
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Seite 16
nicht wegen des Beschwerdeführers, bei ihnen vorher erschienen (vgl.
act. A19, S. 6), später heisst es jedoch, die Hausdurchsuchungen, Zeit-
punkte könnten nicht genannt werden, seien im Oktober 2007 nach einer
Demonstration und generell nach Demonstrationen in G._______ erfolgt.
Die Beamten seien wegen der Suche nach Flugblättern gekommen, nicht
speziell wegen des Bruders (vgl. act. A19, S. 12).
6.4 Die Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Vorbringen werden durch das
Abklärungsergebnis der Schweizer Vertretung in Damaskus, wonach
nichts gegen die Beschwerdeführenden vorläge und sie in Syrien nicht
gesucht würden, gestützt. In diesem Zusammenhang ist in grundsätzli-
cher Hinsicht zunächst festzuhalten, dass es der Schweizerischen Bot-
schaft in Syrien über Verbindungsleute möglich ist, eine behördliche Su-
che festzustellen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-823/2009
vom 13. März 2009 E. 5.1).
Das Bundesverwaltungsgericht zweifelt praxisgemäss nicht an der Serio-
sität der Bemühungen der damit betrauten Person(en). In Anbetracht der
Struktur des syrischen Geheimdienstapparates können sich indessen ge-
gebenenfalls Zweifel daran ergeben, ob Ahndungsmassnahmen sämtli-
cher potenzieller Verfolger wirklich mit hinreichender Schlüssigkeit abge-
klärt werden können (vgl. dazu den von der Beschwerdeseite erwähnten
Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe [SFH], Syrien: Zuverlässig-
keit von Botschaftsabklärungen: "von den Behörden gesucht", Bern, 7.
September 2010). Vorliegend wurde in der Botschaftsantwort unter ande-
rem festgehalten, "pas recherchées par les autorités syriennes". Im er-
wähnten SFH-Bericht wird aber darauf hingewiesen, dass die Mitteilung,
der Betroffene werde von den Behörden nicht gesucht nicht geeignet ist,
die Gefährdungssituation des Betroffenen abzuschätzen (SFH, a.a.O., S.
5 f.: wurde auch bei den Geheimdiensten abgeklärt? Heisst eine Suche
"Zur Verhaftung ausgeschrieben" oder auch "unter Beobachtung ste-
hend"? Gibt es unter Umständen mehrere Gesuchten-Listen?). Hinzu
kommt auch, dass die Botschaftsantwort ausgesprochen kurz ausgefallen
ist. Unklar ist, bei welchen Behörden nachgeforscht wurde. Derartig
knappe Auskünfte mögen jedoch dann genügen, wenn den Akten kei-
nerlei konkrete Hinweise auf eine asylrelevante Verfolgung durch die Be-
hörden des Heimatlandes zu entnehmen sind (vgl. dazu D-3608/2010
vom 29. September 2010). Dies ist im vorliegenden Fall gegeben (siehe
oben). Auch hat die Botschaftsabklärung ergeben, dass der Beschwerde-
führer mit seinem im Jahre (…) ausgestellten Reisepass sein Heimatland
legal verlassen hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb keinen
E-425/2009
Seite 17
Anlass, die Korrektheit des Abklärungsergebnisses in Frage zu stellen
und im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 19 VwVG i.V.m. Art. 40
des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilpro-
zess [BZP, SR 273]) zu bezweifeln. Soweit die Beschwerdeführenden nun
in diesem Zusammenhang rügen, dass durch die Botschaft nicht abge-
klärt werden könne, ob sie in der Heimat gesucht würden, kann dieser
Einschätzung nicht gefolgt werden. So ist zunächst festzuhalten, dass
sich ihre Ausführungen zur angeblichen Verfolgung des Beschwerdefüh-
rers durch die syrischen Behörden aufgrund obiger Feststellungen als
unglaubhaft erweisen. Sie konnten somit nicht glaubhaft machen, dass er
tatsächlich im Visier der syrischen Geheimdienste gestanden habe und
mit einer willkürlichen Verhaftung hätte rechnen müssen. Soweit sie die
Verlässlichkeit des Abklärungsergebnisses kritisieren, ist diesbezüglich
zunächst festzustellen, dass sie sich in ihrer Kritik hauptsächlich auf den
Punkt beziehen, wonach er von den syrischen Behörden nicht gesucht
werde. Die Abklärungsergebnisse zu seiner legalen Ausreise erst im Ja-
nuar 2008 über J._______ statt im Dezember 2007 über die Türkei wer-
den im Grossen und Ganzen nicht bestritten. In diesem Zusammenhang
bleibt der Umstand bestehen, wonach der Beschwerdeführer mit den
Kindern gemäss Abklärungsergebnis der Botschaft das Land auf kontrol-
liertem Weg im Besitz gültiger Reisepässe verlassen hat. Für die Be-
schwerdeführerin liegt diesbezüglich kein Abklärungsergebnis vor. Der
Behauptung, die Beschwerdeführenden seien alle zusammen mit ge-
fälschten Reisepässen, welche sie vom Schlepper erhalten hätten, aus-
gereist, kann nicht gefolgt werden. Zumal sie in der Erstbefragung aus-
sagten, sie seien mit gefälschten türkischen Pässen per Flugzeug ausge-
reist (vgl. act. A1, S. 7). Syrische Reisepässe hätten sie nie besessen
(vgl. act. A1, S. 3). Dem BFM ist auch zuzustimmen, dass es nicht nach-
vollziehbar ist, weshalb die Beschwerdeführenden ihre Reiseumstände
verheimlicht haben wollen. Es ist daher mit dem Abklärungsergebnis von
einer legalen Ausreise auszugehen. Diese wäre ihnen aber nicht möglich
gewesen, wenn einer der Geheimdienste sich des Beschwerdeführers
hätte bemächtigen und ihn hätte festnehmen wollen. In diesem Zusam-
menhang ist zu berücksichtigen, dass syrische Staatsangehörige, um in
den Besitz eines Reisepasses zu gelangen, zahlreiche Bedingungen er-
füllen müssen. Sind die Formalitäten einmal erfüllt und liegen die Mei-
nungen der verschiedenen staatlichen Stellen vor, wird einem Ge-
suchsteller ein regulärer Reisepass ausgehändigt. Angesichts der diver-
sen Hürden zum Erhalt eines Reisepasses und insbesondere der Abklä-
rungen bei diversen Amtsstellen ist mit an Sicherheit grenzender Wahr-
scheinlichkeit auszuschliessen, dass gegen den Beschwerdeführer etwas
E-425/2009
Seite 18
von behördlichem Interesse vorgelegen haben könnte, da ihm ansonsten
im Jahr (…) die Ausstellung eines Reisepasses verweigert und mithin die
legale Ausreise verunmöglicht worden wäre.
6.5 Im vorliegenden Fall ist ausserdem festzuhalten, dass die Vorbringen
des Beschwerdeführers auch unter Berücksichtigung der aktuellen politi-
schen Entwicklungen in Syrien nicht zur Einschätzung führen, es liege
aus heutiger Sicht aufgrund von im Herkunftsstaat vor der Ausreise Erleb-
tem (sog. Vorfluchtgründe; diese sind von den subjektiven Nachflucht-
gründen zu unterscheiden, welche im Rahmen der Zuerkennung der
Flüchtlingseigenschaft mit Verfügung des BFM vom 14. Juli 2011 berück-
sichtigt wurden) eine asylrechtlich relevante Gefährdungssituation vor.
7.
7.1 Gemäss den vorstehenden Erwägungen konnte der Beschwerdefüh-
rer für den Zeitpunkt der Ausreise keine Gründe nach Art. 3 AsylG nach-
weisen oder glaubhaft machen.
7.2 Massgeblich für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 3
AsylG ist indessen nicht die Situation im Zeitpunkt der Ausreise, sondern
die Situation im Zeitpunkt des Asylentscheides. So ist gegebenenfalls
auch eine asylsuchende Person als Flüchtling anzuerkennen, die erst
aufgrund von Ereignissen nach ihrer Ausreise im Falle einer Rückkehr in
ihren Heimat- oder Herkunftsstaat in flüchtlingsrechtlich relevanter Weise
verfolgt würde, mithin subjektive oder objektive Nachfluchtgründe vorlie-
gen.
7.3 Fraglich ist vorliegend nur noch, ob objektive Nachfluchtgründe be-
stehen, nachdem das BFM subjektive Nachfluchtgründe bereits aufgrund
der exilpolitischen Tätigkeiten des Beschwerdeführers anerkannt hat. Ob-
jektive Nachfluchtgründe sind dann gegeben, wenn äussere Umstände,
auf welche die asylsuchende Person keinen Einfluss nehmen konnte, zur
drohenden Verfolgung führen; der von Verfolgung bedrohten Person ist in
diesen Fällen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und Asyl zu ge-
währen. Konkret stellt sich hier die Frage, ob eine Reflexverfolgung we-
gen Aktivitäten von Familienangehörigen, die erst nach der Ausreise der
Beschwerdeführenden stattgefunden haben, anzuerkennen ist.
7.4 Unter Reflexverfolgung versteht man behördliche Belästigungen oder
Behelligungen von Angehörigen auf Grund des Umstandes, dass die Be-
hörden einer gesuchten, politisch unbequemen Person nicht habhaft wer-
den oder schlechthin von deren politischer Exponiertheit auf eine solche
E-425/2009
Seite 19
auch bei Angehörigen schliessen. Der Zweck einer solchen Reflexverfol-
gung kann insbesondere darin liegen, Informationen über effektiv gesuch-
te Personen zu erlangen beziehungsweise Geständnisse von Inhaftierten
zu erzwingen.
Der Beschwerdeführer macht künftige Reflexverfolgung wegen seines
Bruders K. geltend, der aus seinem Exil seine politischen Aktivitäten ge-
gen die syrische Regierung intensiv weiterführe. Gemäss den dem Bun-
desverwaltungsgericht vorliegenden Erkenntnissen ist es in Syrien in der
Vergangenheit zwar wiederholt zur Verfolgung von Familienangehörigen
politischer Aktivisten gekommen. Familienangehörige von Personen, die
von den Behörden oppositioneller oder staatsfeindlicher Aktivitäten ver-
dächtigt werden und sich ins Ausland abgesetzt haben oder unterge-
taucht sind, laufen vermehrt Gefahr, von syrischen Behörden gesucht,
verhört und inhaftiert zu werden. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass der
Bruder K. seine zweijährige Haftstrafe verbüsst hat. Es ist nicht glaubhaft,
dass der Beschwerdeführer und seine Familie wegen der in der Be-
schwerde behaupteten weiterhin bestehenden politischen Aktivitäten von
K. gegen den syrischen Staat Nachstellungen der Behörden zu befürch-
ten hätte. Die diesbezüglich auf Beschwerdeebene eingereichten Refe-
renzschreiben von Bekannten des Beschwerdeführers (vgl. Beilagen zu
den Eingaben vom 23. Juli 2010 - der Bruder K. sei Leiter der Yekiti Partei
im Irak - und 4. Oktober 2010), mit denen die Gefährdung der politisch
aktiven Familie wegen des Engagements von K. belegt werden soll, müs-
sen als reine Gefälligkeitsschreiben eingestuft werden, zumal der Be-
schwerdeführer in den Anhörungen nicht aussagte, seine in Syrien ver-
bliebenen Brüder oder Eltern seien wegen des Engagements von K. ei-
nem erheblichen Druck der syrischen Sicherheitsbehörden ausgesetzt.
Der Vater, zumindest nach Beendigung seines politischen Engagements
(vgl. act. A1, S. 5), und seine Brüder S. und A. scheinen ohnehin nicht
besonders im Fokus der Sicherheitsbehörden gestanden zu haben, da
sie nach der behaupteten gemeinsamen Festnahme im März 2004 nach
kurzer Zeit wieder aus der Haft entlassen worden seien und den Akten
nicht zu entnehmen ist, dass sie seither Nachteile erlitten hätten.
7.5 Damit kann der Beschwerdeführer keine ihm drohende, flüchtlings-
rechtlich relevante Verfolgung im Sinne einer Reflexverfolgung geltend
machen. Er erfüllt die Flüchtlingseigenschaft unter dem Aspekt objektiver
Nachfluchtgründe nicht.
E-425/2009
Seite 20
7.6 Die Beschwerdeführerin ihrerseits und die gemeinsamen Kinder ha-
ben keine eigenen Probleme in Syrien geltend gemacht, weshalb die An-
erkennung der originären Flüchtlingseigenschaft zu verneinen ist.
8.
Aus dem Gesagten ergibt sich zusammenfassend, dass das BFM zu
Recht zur Beurteilung gelangt ist, die Beschwerdeführenden hätten keine
Verfolgung glaubhaft gemacht, die zur Gewährung von Asyl führen würde.
9.
9.1 Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein,
so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet
den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der
Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG). Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zu-
lässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Bundesamt das
Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die
vorläufige Aufnahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1
AuG). Die Beschwerdeführenden verfügen weder über ausländerrechtli-
che Aufenthaltsbewilligungen noch über einen Anspruch auf Erteilung
eben dieser. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (vgl.
BVGE 2009/50 E.9).
9.2 Die Beschwerdeführenden wurden vom BFM indessen als Flüchtlinge
vorläufig aufgenommen; die Aufnahme erfolgte wegen Unzulässigkeit des
Wegweisungsvollzuges aufgrund von subjektiven Nachfluchtgründen we-
gen exilpolitischer Aktivitäten des Beschwerdeführers. Damit sind die bei-
den anderen Bedingungen für einen Verzicht auf den Vollzug der Weg-
weisung (Unzumutbarkeit und Unmöglichkeit) wegen ihrer alternativen
Natur – ist eine Bedingung erfüllt, ist der Vollzug der Wegweisung un-
durchführbar – nicht mehr zu prüfen (vgl. BVGE 2009/51 E.5.4).
10.
Aus den angestellten Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene
Verfügung, soweit sie im vorliegenden Verfahren zu überprüfen ist (vgl.
E. 2.2), Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt
richtig und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die
Beschwerde ist folglich abzuweisen, soweit sie nicht gegenstandslos ge-
worden ist.
11.
Bei diesem Ausgang des Beschwerdeverfahrens wären an sich reduzierte
E-425/2009
Seite 21
Verfahrenskosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Indessen wurde der
mit der Beschwerdeschrift gestellte Antrag auf unentgeltliche Prozessfüh-
rung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG mit Zwischenverfügung vom 30.
Januar 2009 gutgeheissen. Nachdem auch heute noch von der Bedürftig-
keit ausgegangen werden kann, haben die Beschwerdeführenden keine
Verfahrenskosten zu tragen.
12.
Nachdem die Vorinstanz den angefochtenen Entscheid hinsichtlich des
Bestehens der Flüchtlingseigenschaft teilweise in Wiedererwägung gezo-
gen und wegen Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs die vorläufige
Aufnahme der Beschwerdeführenden als Flüchtlinge angeordnet hat, sind
diese faktisch mit ihren Beschwerdebegehren zu zwei Dritteln durchge-
drungen. Somit ist ihnen eine angemessene, um ein Drittel reduzierte
Parteientschädigung zu entrichten (vgl. Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 37
VGG; Art. 7 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten
und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR
173.320.2]). Der Rechtsvertreter hat mit Eingabe vom 27. Juli 2011 eine
Honorarnote eingereicht. Darin weist er einen Arbeitsaufwand von 13,5
Std. zum Stundensatz von Fr. 240.- und Fr. 188 für Spesen auf. Das so-
mit ausgewiesene Honorar von total Fr. 3240.- für die Arbeitszeit ist um
Fr. 80.- zu kürzen, da die Erstellung der Honorarnote ("Abschluss Man-
dat"), die mit 20 Minuten verrechnet wurde, nicht zu entschädigen ist. Es
handelt sich dabei um eine Sekretariatsarbeit, deren Aufwand im Stun-
densatz bereits enthalten ist. Auch sind die Fotokopie-Kosten von Fr. 47.-
vom 21. Januar 2009 ist nicht nachvollziehbar, weshalb diese nicht zu be-
rücksichtigen sind. Damit ist von einem als angemessen erscheinenden
Betrag von Fr. 3160.- für die Arbeitszeit und von Fr. 141.- als Spesenent-
schädigung, also insgesamt Fr. 3301.-, auszugehen. Gestützt auf die in
Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren (Art. 9-13 VGKE) ist dieser
um einen Drittel zu kürzen (auf Fr. 2200.--), und den Beschwerdeführen-
den somit Fr. 2368.-- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zuzusprechen.
Dieser Betrag ist ihnen durch das BFM zu entrichten.


(Dispositiv nächste Seite)

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Seite 22
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit sie nicht gegenstandslos ge-
worden ist.
2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
3.
Den Beschwerdeführenden wird eine Parteientschädigung von Fr. 2368.--
(inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zugesprochen, die ihnen durch das
BFM zu entrichten ist.
4.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführenden, das BFM und die zu-
ständige kantonale Behörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Muriel Beck Kadima Mareile Lettau


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