E-3911/2015 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des SEM vom 21. Mai...
Karar Dilini Çevir:
E-3911/2015 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des SEM vom 21. Mai...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung V
E-3911/2015



Ur t e i l vom 3 1 . Augu s t 2 0 1 6
Besetzung
Richter David R. Wenger (Vorsitz),
Richterin Emilia Antonioni Luftensteiner,
Richter Markus König,
Gerichtsschreiber Arthur Brunner.

Parteien

A._______, geboren am (…),
Sri Lanka,
vertreten durch Hans Peter Roth,
Beschwerdeführer,


gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 21. Mai 2015 / N (…).



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Seite 2
Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer – ein Tamile aus dem Bezirk Jaffna – verliess Sri
Lanka eigenen Angaben zufolge am 19. Januar 2012 und gelangte auf
dem Luftweg über Saudi-Arabien nach Italien. Am 15. Februar 2012 reiste
er in die Schweiz ein und stellte gleichentags ein Asylgesuch. Am 21. Feb-
ruar 2012 wurde er zur Person befragt (BzP). Eine erste ausführliche An-
hörung zu den Asylgründen (Bundesanhörung) erfolgte am 15. November
2012. Im Rahmen der BzP und der ersten Bundesanhörung machte er im
Wesentlichen geltend, im Juni 2010 hätten drei oder vier Personen erfolg-
los versucht, ihn zu entführen. Im September 2010 sei er auf dem Heimweg
von seiner Arbeit in B._______ von drei Personen in einen weissen Van mit
verdunkelten Scheiben gezerrt und in dem Wagen nach Verbinden der Au-
gen bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen worden. Die Personen hätten ihn
mitten in der Nacht auf einem Reisfeld ausgeladen, wo er auch geblieben
sei, weil er sich nicht habe orientieren können. Am nächsten Morgen sei er
mit der Hilfe von Passanten mit einem Dreiradtaxi nach Hause gebracht
worden. Er wisse nicht, wer ihn entführt habe. Nach dem Vorfall habe er
sich zwei bis drei Monate zu Hause aufgehalten und dann versucht, die
Ausreise zu organisieren. Es habe nach der Entführung bis zu seiner Aus-
reise keine weiteren Vorfälle gegeben, weil er sich kaum mehr zu Hause
aufgehalten habe.
B.
Am 19. November 2012 lehnte das damalige Bundesamt für Migration
(BFM, heute Staatssekretariat für Migration [SEM]) das Asylgesuch des
Beschwerdeführers ab und ordnete die Wegweisung und den Wegwei-
sungsvollzug an. Zur Begründung für die Ablehnung des Asylgesuchs
führte es im Wesentlichen aus, die Vorbringen des Beschwerdeführers hiel-
ten den Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft nicht stand.
C.
C.a
Gegen diese Verfügung gelangte der Beschwerdeführer am 18. Dezember
2012 mit Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht. In der Beschwerde
machte er sinngemäss unter anderem geltend, er habe als Berichterstatter
für die Vereinten Nationen (UNO) gearbeitet und sei ein Mitglied der Libe-
ration Tigers of Tamil Eelam (LTTE) gewesen, weshalb er von den sri-lan-
kischen Behörden verfolgt werde.
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Seite 3
C.b
In einer Zwischenverfügung vom 11. Januar 2013 hielt die für das damalige
Verfahren zuständige Instruktionsrichterin unter anderem fest, dass die Be-
schwerde vom 18. Dezember 2012 als aussichtslos erscheine, weshalb
das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen werde. Zur Be-
gründung führte sie unter anderem an, dass der Beschwerdeführer auf Be-
schwerdeebene mit den Behauptungen, er habe als Berichterstatter für die
UNO gearbeitet und sei Mitglied der LTTE gewesen, einen neuen Sachver-
halt geltend mache und Vorbringen anführe, die er nie vorher erwähnt habe
und die in Widerspruch zu seinen Vorbringen anlässlich der beiden Anhö-
rungen stünden.
C.c
Mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-6586/2012 vom 7. Januar
2014 wurde die Beschwerde gutgeheissen, die Verfügung vom 19. Novem-
ber 2012 aufgehoben und das Verfahren zur Wiederaufnahme an das da-
malige BFM zurückgewiesen. Begründet wurde das Urteil im Wesentlichen
damit, dass das BFM aufgrund der Inhaftierung zweier abgewiesener tami-
lischer Asylsuchender durch die sri-lankischen Behörden bei der Wieder-
einreise systematisch dazu übergegangen sei, Ausreisefristen aufzuheben
und keine neuen mehr anzusetzen, bis eine vertiefte Abklärung der Vorfälle
sowie der allgemeinen Lage in Sri Lanka stattgefunden habe. Es ziehe
dadurch faktisch sämtliche Verfahren praktisch unbesehen der konkreten
Umstände im Einzelfall in Wiedererwägung und gehe implizit davon aus,
deren Sachverhalte seien nicht mehr vollständig festgestellt. Daher er-
weise sich auch der in der Verfügung vom 19. November 2012 festgestellte
Sachverhalt aktuell als nicht vollständig, weshalb die Sache zur vollständi-
gen Sachverhaltsfeststellung an das BFM zurückgewiesen werde.
D.
Am 17. Februar 2015 führte das SEM mit dem Beschwerdeführer eine
zweite ergänzende Anhörung durch. Der Beschwerdeführer brachte bei
dieser zweiten Anhörung im Wesentlichen dieselben Fluchtgründe vor, wie
anlässlich der BzP und der ersten Anhörung. Im Übrigen brachte er sinn-
gemäss vor, er habe entgegen den Angaben in der Beschwerdeschrift vom
18. Dezember 2012 weder als Berichterstatter für die UNO gearbeitet, noch
sei er Mitglied der LTTE gewesen. Diese Fehler seien darauf zurückzufüh-
ren, dass die Beschwerde von einem Freund verfasst worden sei. Er selber
spreche kein Deutsch und habe deshalb nicht überprüfen können, ob sein
Freund seine Angaben richtig wiedergegeben habe.
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Seite 4
E.
Mit Verfügung vom 21. Mai 2015 – eröffnet am 22. Mai 2015 – stellte das
SEM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht
und wies sein Asylgesuch ab. Ausserdem verfügte das SEM die Wegwei-
sung und den Wegweisungsvollzug.
F.
Am 26. Mai 2015 ersuchte der Beschwerdeführer vertreten durch seinen
Rechtsbeistand beim SEM um Akteneinsicht. Mit Schreiben vom 28. Mai
2015 kam das SEM diesem Gesuch nach.
G.
Am 11. Juni 2015 führte das Amt für Migration des Kantons C._______ mit
dem Beschwerdeführer ein Informationsgespräch zum Vollzug der Weg-
weisung sowie zur Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe durch.
H.
Am 22. Juni 2015 reichte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsver-
treter beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein. Er beantragte, die
Verfügung des SEM vom 21. Mai 2015 sei aufzuheben und dem Gesuch-
steller sei Asyl zu gewähren. Eventualiter sei die Unzulässigkeit und Unzu-
mutbarkeit der Wegweisung festzustellen und die vorläufige Aufnahme zu
gewähren. In verfahrensrechtlicher Hinsicht stellte er den Antrag, auf die
Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten. Der Beschwerde bei-
gelegt waren unter anderem ein Unterstützungsnachweis des Flüchtlings-
lagers D._______ für die Familie des Beschwerdeführers, ein beglaubigtes
Schreiben des Vaters des Beschwerdeführers vom 1. Dezember 2012, die
Kopie der Identitätskarte des Beschwerdeführers und ein Referenzschrei-
ben eines tamilischen Parlamentariers.
I.
Mit Zwischenverfügung vom 10. Mai 2016 forderte der zuständige Instruk-
tionsrichter den Beschwerdeführer zur Zahlung eines Kostenvorschusses
in der Höhe der mutmasslichen Verfahrenskosten auf. Am 17. Mai 2016
zahlte der Beschwerdeführer den eingeforderten Kostenvorschuss fristge-
recht ein.



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Seite 5
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den
Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesver-
waltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne
von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher
zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entschei-
det auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslie-
ferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Per-
son Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).
Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht
vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.
1.2 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG,
soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
1.3 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Der
Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist
durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutz-
würdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist
daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1
AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist
einzutreten.
1.4 Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde im vorliegenden Verfahren
auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.
2.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen
richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Aus-
länderrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
3.
3.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grund-
sätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im
Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationali-
tät, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer
politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder be-
gründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3
Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung
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des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen
unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
3.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen
oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die
Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für ge-
geben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen
Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsa-
chen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte
Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
4.
4.1 Im Asylpunkt begründete das SEM seine Verfügung im Wesentlichen
damit, die Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Unterstützungs-
leistungen für die LTTE seien im Verlaufe des Verfahrens massiv wider-
sprüchlich gewesen, weshalb sie als unglaubhaft anzusehen seien. Auch
die Angaben des Beschwerdeführers zum Entführungsversuch im Juni
2010 und zur Entführung im September 2010 seien mangels Substantiie-
rung und aufgrund zahlreicher Ungereimtheiten und Widersprüche nicht
glaubhaft. Schliesslich habe der Beschwerdeführer auch nicht glaubhaft
machen können, dass er aufgrund exilpolitischer Tätigkeiten für die srilan-
kische Regierung von Interesse sein könnte. Aufgrund der Unglaubhaf-
tigkeit der Vorbringen des Beschwerdeführers sei deren Asylrelevanz nicht
zu prüfen. Auch wenn der Beschwerdeführer der tamilischen Ethnie zuge-
höre, aus dem Norden Sri Lankas stamme und mehrere Jahre landesab-
wesend gewesen sei, gebe es keinen Anlass zur Annahme, dass der Be-
schwerdeführer bei einer Rückkehr nach Sri Lanka Massnahmen zu be-
fürchten habe, die über einen sogenannten background check hinausgin-
gen.
4.2 Der Beschwerdeführer wendet gegen diese Erwägungen im Wesentli-
chen ein, angesichts des gegenwärtigen Genozids des buddhistischen sri-
lankischen Staats gegen die tamilische Minderheit verstosse jede Rück-
schaffung gegen Art. 3 EMRK. Zwar sei dem SEM zuzustimmen, dass der
Beschwerdeführer im Verlaufe des Asylverfahrens teilweise widersprüchli-
che Angaben gemacht habe. Soweit sich diese Widersprüche aus der Be-
schwerde vom 18. Dezember 2012 ergäben, habe der Beschwerdeführer
im Rahmen der Zweitanhörung am 15. Februar 2015 eine plausible Erklä-
rung vorgebracht. Seine Aktivitäten für die LTTE habe der Beschwerdefüh-
rer im Rahmen der BzP und der ersten Anhörung zwar verschwiegen be-
ziehungsweise nur unvollständig dargelegt. Dies sei allerdings auf die
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Angst zurückzuführen, welche der Beschwerdeführer nach der Einreise in
die Schweiz empfunden habe. Es komme nicht selten vor, dass wesentli-
che Asylgründe verschwiegen würden. Ausserdem sei zu berücksichtigen,
dass Asylsuchende angesichts massiver Vertrauensbrüche durch schwei-
zerische Behörden nicht wissen könnten, wie weit sie den Schweizer Be-
hörden vertrauen könnten. Das SEM verkenne, dass in der geltenden
Rechtspraxis die Anforderungen an die Glaubhaftmachung kleiner seien
als bei einer Beweisführung. Schliesslich könnten exilpolitische Tätigkeiten
von Asylsuchenden zu einer vorläufigen Aufnahme führen.
4.3 Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anforderungen an das Glaub-
haftmachen der Vorbringen in einem publizierten Entscheid dargelegt und
folgt dabei ständiger Praxis. Darauf kann hier verwiesen werden (BVGE
2010/57 E 2.2 und 2.3).

5.
5.1 Dem Bundesverwaltungsgericht liegen keine Hinweise vor, dass es in
Sri Lanka eine Kollektivverfolgung von Tamilen oder einen Genozid an der
tamilischen Bevölkerungsminderheit gibt (vgl. Urteile des BVGer
D-8420/2015 vom 18. April 2016, S. 7 und E-151/2013 vom 8. August
2013, E. 6.4.1). Auf Beschwerdeebene werden keine Beweismittel einge-
reicht, die diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Frage
zu stellen vermöchten, so dass auf die entsprechenden Ausführungen in
der Beschwerdeschrift nicht näher einzugehen ist.
5.2 Nach Sichtung der Akten kommt das Bundesverwaltungsgericht über-
dies zum Schluss, dass die Vorinstanz im vorliegenden Fall auch die An-
forderungen an das Glaubhaftmachen korrekt angewendet und die Glaub-
haftigkeit der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Vorfluchtgründe
zu Recht verneint hat.
5.2.1 In Bezug auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, die srilanki-
schen Behörden würden ihn wegen seinen Aktivitäten für die LTTE verfol-
gen, kann vollumfänglich auf die ausführlichen und zutreffenden Ausfüh-
rungen der Vorinstanz verwiesen werden. Die Vorinstanz hat zu Recht
auch die Ausführungen in der Beschwerdeschrift vom 18. Dezember 2012
zur Würdigung der Vorbringen des Beschwerdeführers herangezogen, zu-
mal er die Beschwerde im eigenen Namen einreichte und mit der eigenen
Unterschrift versah. Anlässlich der zweiten Anhörung brachte er zudem vor,
sein Freund habe aufgeschrieben, was er ihm erzählt habe (Asylakten,
A34, F90). Selbst wenn zuträfe, dass er den Inhalt der Beschwerde nicht
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verstehen konnte, hätte es in der Verantwortung des Beschwerdeführers
gestanden, den Inhalt der Beschwerde zu überprüfen. Wie von der
Vorinstanz zutreffend dargestellt, ergeben sich die Widersprüche überdies
auch aus den verschiedenen Anhörungen. In Ergänzung zu diesen Erwä-
gungen der Vorinstanz stellt das Gericht fest, dass wesentliche Teile der
Schilderungen des Beschwerdeführers unsubstantiiert bleiben und lebens-
fremd wirken. So bringt er zum Beispiel vor, im Auftrag eines vermeintlichen
LTTE-Geheimdienstmitglieds Pakete an ihm unbekannte Personen ausge-
liefert zu haben. Auf die Frage hin, wie er die ihm unbekannten Empfänger
identifiziert habe, schiebt er nach, dass er diese Personen aufgrund ihrer
Kleidungsfarbe identifiziert haben will (Akten des Asylverfahrens, A 34, F
29-30). Wenn zutreffen würde, dass er aufgrund des Inhalts der Pakete
Schleichwege benutzt hätte (Akten des Asylverfahrens, A 34, F 37), mithin
erhebliche Vorsichtsmassnahmen getroffen hat, ist nicht anzunehmen,
dass er bei der Ablieferung der Pakete einfach auf die Kleidungsfarbe des
Empfängers abgestellt hätte. Der Beschwerdeführer vermag auch nicht
nachvollziehbar zu erklären, wie er darauf gekommen ist, dass der Auftrag-
geber der Paketsendungen ein Geheimdienstmitglied der LTTE gewesen
ist (Akten des Asylverfahrens, A 34, F 43), nachdem er ausführte, dieser
habe ihm nicht einmal mitgeteilt, dass er Mitglied der LTTE sei (Akten des
Asylverfahrens, A 34, F 42). Insgesamt enthalten die Vorbringen des Be-
schwerdeführers zu seinen Aktivitäten nicht nur zahlreiche Widersprüche,
sondern erscheinen dem Gericht als konstruiert. Es ist nicht anzunehmen,
dass der Beschwerdeführer in asylrechtlich relevanter Weise für die LTTE
aktiv war. Dies steht im Übrigen auch in Einklang mit dem auf Beschwer-
deebene eingereichten Schreiben seines Vaters vom 1. Dezember 2012,
nach welchem der Beschwerdeführer nie in Aktivitäten gegen die Regie-
rung involviert gewesen sei. Das Schreiben des Parlamentariers
E._______ vom 30. Mai 2015, wonach der Beschwerdeführer die LTTE in
verschiedener Hinsicht unterstützt habe, vermag an obigem Befund nichts
zu ändern, zumal der Beschwerdeführer in der Zweitanhörung explizit
sagte, er habe niemandem von seinen LTTE-Aktivitäten erzählt und nie-
mand wisse davon (Akten des Asylverfahrens, A 34, F 71).
5.2.2 Auch hinsichtlich des angeblichen Entführungsversuchs von Juni
2010 und der behaupteten Entführung von September 2010 kommt das
Bundesverwaltungsgericht nach Sichtung der Akten zum Schluss, dass die
Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubhaft zu qualifizieren sind.
Der Beschwerdeführer bringt auf Beschwerdeebene nichts vor, was die zu-
treffenden Ausführungen der Vorinstanz in Frage stellen würde, weshalb
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auf die Erwägungen in der angefochtenen Verfügung verwiesen werden
kann.
5.3
5.3.1 Vor dem Hintergrund der unglaubhaften Verbindungen des Be-
schwerdeführers zur LTTE (vgl. E. 5.2.1) ist auch nicht davon auszugehen,
dass die Behörden Sri Lankas dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr
in sein Heimatland ein Interesse zuschreiben würden, den tamilischen Se-
paratismus wiederaufflammen zu lassen (vgl. Urteil des BVGer
E-1866/2015 vom 15. Juli 2016 [wird als Referenzurteil publiziert],
E. 8.5.1), weshalb diesbezüglich das Vorliegen begründeter Furcht (Art. 3
Abs. 1 AsylG) verneint werden kann.
5.3.2 Dasselbe gilt mit Bezug auf die geltend gemachten exilpolitischen Ak-
tivitäten des Beschwerdeführers. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht
in einem jüngst ergangenen Referenzurteil festgehalten, dass exilpolitische
Aktivitäten asylrelevant sein könnten, insbesondere wenn der betroffenen
Person seitens der sri-lankischen Behörden ein überzeugter Aktivismus mit
dem Ziel der Wiederbelebung des tamilischen Separatismus zugeschrie-
ben werde (vgl. Urteil des BVGer E-1866/2015 vom 15. Juli 2016 [wird als
Referenzurteil publiziert], E. 8.5.4). Gemäss den Akten hat der Beschwer-
deführer jedoch nur zwei Mal passiv an Demonstrationen gegen die sri-
lankische Regierung teilgenommen. Eine solche exilpolitische Tätigkeit er-
reicht die Schwelle der begründeten Furcht vor Nachteilen im Sinne von
Art. 3 AsylG nicht, zumal davon auszugehen ist, dass die sri-lankischen
Behörden blosse „Mitläufer“ von Massenveranstaltungen als solche identi-
fizieren können und diese in Sri Lanka nicht als Gefahr wahrgenommen
werden (vgl. Urteil des BVGer E-1866/2015 vom 15. Juli 2016 [wird als
Referenzurteil publiziert], E. 8.5.4).
5.4 Die Schlussfolgerungen der Vorinstanz sind nach dem Gesagten we-
der in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden. In der an-
gefochtenen Verfügung wird einlässlich und zutreffend begründet, weshalb
die Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubhaft beziehungsweise nicht
asylrelevant sind. Die Vorinstanz hat sein Asylgesuch folglich zu Recht ab-
gewiesen.
6.
6.1 Lehnt das Staatssekretariat das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht
ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet
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den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Fa-
milie (Art. 44 AsylG).
6.2 Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche
Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer sol-
chen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44
AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
7.
7.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder
nicht möglich, regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den ge-
setzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländerin-
nen und Ausländern (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG, [SR 142.20]).

7.2 Der Vollzug der Wegweisung ist nach Art. 83 Abs. 3 AuG unzulässig,
wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der
Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen
Drittstaat entgegenstehen. Da der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigen-
schaft nicht erfüllt, ist das flüchtlingsrechtliche Rückschiebungsverbot von
Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung
der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) und Art. 5 AsylG nicht anwendbar. Die
Zulässigkeit des Vollzuges beurteilt sich vielmehr nach den allgemeinen
verfassungs- und völkerrechtlichen Bestimmungen (Art. 25 Abs. 3 BV;
Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und an-
dere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder
Strafe [FoK, SR 0.105]; Art. 3 EMRK). Gemäss Praxis des EGMR sowie
jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine
konkrete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm
im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung dro-
hen würde (vgl. EGMR, Saadi gegen Italien, Urteil vom 28. Februar 2008,
Beschwerde Nr. 37201/06, §§ 124–127 m.w.H.).
Der EGMR hat sich mit der Gefährdungssituation im Hinblick auf eine
EMRK-widrige Behandlung namentlich für Tamilen, die aus einem europä-
ischen Land nach Sri Lanka zurückkehren müssen, wiederholt befasst
(vgl. EGMR, R.J. gegen Frankreich, Urteil vom 19. September 2013, Be-
schwerde Nr. 10466/11; E.G. gegen Grossbritannien, a.a.O.; T.N. gegen
Dänemark, Urteil vom 20. Januar 2011, Beschwerde Nr. 20594/08; P.K.
gegen Dänemark, Urteil vom 20. Januar 2011, Beschwerde Nr. 54705/08;
N.A. gegen Grossbritannien, Urteil vom 17. Juli 2008, Beschwerde
Nr. 25904/07). Dabei unterstreicht der Gerichtshof, dass nicht in genereller
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Seite 11
Weise davon auszugehen sei, zurückkehrenden Tamilen drohe eine un-
menschliche Behandlung. Vielmehr müssten im Rahmen der Beurteilung,
ob der oder die Betroffene ernsthafte Gründe für die Befürchtung habe, die
Behörden hätten an seiner Festnahme und Befragung ein Interesse, ver-
schiedene Aspekte resp. persönliche Risikofaktoren in Betracht gezogen
werden (vgl. EGMR, T.N. gegen Dänemark, a.a.O., § 94; EGMR, E.G. ge-
gen Grossbritannien, a.a.O., § 13 und 69 sowie nun Urteil des BVGer
E-1866/2015 vom 15. Juli 2016 [wird als Referenzurteil publiziert], E. 8),
wobei dem Umstand gebührend Beachtung zu schenken sei, dass diese
einzelnen Aspekte, auch wenn sie für sich alleine betrachtet möglicher-
weise kein "real risk" darstellen, diese Schwelle bei einer kumulativen Wür-
digung erreichen könnten. Nachdem der Beschwerdeführer nicht glaubhaft
gemacht hat, dass er befürchten müsse, bei einer Rückkehr ins Heimatland
die Aufmerksamkeit der sri-lankischen Behörden in einem flüchtlingsrecht-
lich relevanten Ausmass auf sich zu ziehen (vgl. E. 5), bestehen auch keine
Anhaltspunkte dafür, ihm würde aus demselben Grund eine menschen-
rechtswidrige Behandlung in Sri Lanka drohen.
Auch die allgemeine Menschenrechtssituation in Sri Lanka lässt den Weg-
weisungsvollzug nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts nicht als unzulässig erscheinen (BVGE 2011/24 E. 10.4).
7.3 Der Vollzug der Wegweisung kann nach Art. 83 Abs. 4 AuG unzumut-
bar sein, wenn der Ausländer oder die Ausländerin im Heimat- oder Her-
kunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner
Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet ist.
Mit Urteil E-1866/2015 vom 15. Juli 2016 hat das Bundesverwaltungsge-
richt seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BVGE 2011/24) und die gegen-
wärtige Praxis des SEM bestätigt, wonach der Wegweisungsvollzug so-
wohl in die Nordprovinz (Distrikte Jaffna [ausgenommen das Vanni-Gebiet],
Kilinochchi, Mullaitivu, Mannar und Vavuniya) als auch in die Ostprovinz
(Distrikte Trincomalee, Batticaloa und Ampara) zumutbar ist, wenn das Vor-
liegen der individuellen Zumutbarkeitskriterien (insbesondere Existenz ei-
nes tragfähigen familiären oder sozialen Beziehungsnetzes sowie Aussich-
ten auf eine gesicherte Einkommens- und Wohnsituation) bejaht werden
kann. Der Beschwerdeführer stammt aus F._______ in der Nordprovinz.
Es kann davon ausgegangen werden, dass er die Möglichkeit hat, sich in
dieser Region erneut niederzulassen. Im Übrigen handelt es sich in der
Person des Beschwerdeführers um einen Mann im mittleren Alter mit eini-
ger Arbeitserfahrung. Sodann hat er ein Beziehungsnetz beziehungsweise
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Seite 12
Familienangehörige in Sri Lanka. So leben seine Eltern und seine Ge-
schwister nach wie vor in Sri Lanka (vgl. Akten des Asylverfahrens, A7, F
3.01 sowie A34, F 4-9). Vor diesem Hintergrund erweist sich der Vollzug
der Wegweisung auch als zumutbar.
7.4 Der Vollzug der Wegweisung ist schliesslich nach Art. 83 Abs. 2 AuG
als möglich zu bezeichnen, weil es dem Beschwerdeführer obliegt, sich bei
der zuständigen Vertretung die für eine Rückkehr notwendigen Reisedoku-
mente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG; BVGE 2008/34 E. 12).
7.5 Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Vollzug der Wegweisung zu-
treffend als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet, womit die Anord-
nung einer vorläufigen Aufnahme ausser Betracht fällt (Art. 83 Abs. 1 AuG).
8.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt und auch sonst nicht zu beanstanden ist
(Art. 106 Abs. 1 AsylG). Für eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz
besteht nach dem Gesagten kein Anlass. Die Beschwerde ist abzuweisen.
9.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt
Fr. 600.– festzusetzen (Art. 1–3 des Reglements vom 21. Februar 2008
über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht
[VGKE, SR 173.320.2]). Der am 17. Mai 2016 in gleicher Höhe einbezahlte
Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.
(Dispositiv nächste Seite)

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Seite 13
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.– werden dem Beschwerdeführer aufer-
legt. Der einbezahlte Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrens-
kosten verwendet.
3.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale
Migrationsbehörde.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

David R. Wenger Arthur Brunner


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