E-3735/2006 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Flüchtlingseigenschaft; Asyl; Wegweisung; Vollzug
Karar Dilini Çevir:
E-3735/2006 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Flüchtlingseigenschaft; Asyl; Wegweisung; Vollzug
Abtei lung V
E-3735/2006/ame
{T 0/2}
U r t e i l v o m 5 . A u g u s t 2 0 0 9
Richterin Muriel Beck Kadima (Vorsitz), Richter Daniel
Schmid, Richterin Emilia Antonioni,
Gerichtsschreiberin Alexandra Püntener.
A._______, geboren (...), dessen Ehefrau
B._______, geboren (...), und deren Kinder
C._______, geboren(...),
D._______, geboren (...),
E._______, geboren (...), und
F._______, geboren (...),
Türkei,
alle vertreten durch Gabriel Püntener, Rechtsanwalt,
Advokaturbüro, (...),
Beschwerdeführende,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM), vormals Bundesamt
für Flüchtlinge (BFF), Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFF vom
17. Mai 2004 / N (...).
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
E-3735/2006
Sachverhalt:
A.
Die Beschwerdeführer, Kurden aus Karahmanmaras verliessen ihren
Heimatstaat zusammen mit ihren Kindern eigenen Angaben zufolge
am 5. Dezember 2003 und gelangten am 8. Dezember 2003 in die
Schweiz, wo sie am 9. Dezember 2003 um Asyl nachsuchten. Am
12. Dezember 2003 wurden sie in der Empfangsstelle (heute: Emp-
fangs- und Verfahrenszentrum) G._______befragt. Am 8. Januar 2004
wurden sie durch die zuständige kantonale Behörde zu ihren
Asylgründen angehört.
Der Beschwerdeführer begründete sein Asylgesuch im Wesentlichen
damit, er habe sich im Gegensatz zu seinen Brüdern politisch nicht be-
tätigt. Sein Bruder H._______ sei 1994 wegen seines Engagements
für die kurdische Sache zu 36 Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Seine Brüder I._______ und J._______ seien in Deutschland vor
mehreren Jahren und sein Bruder K._______ in England im Jahre
1989 als Flüchtlinge anerkannt worden. I._______ habe früher für die
L._______ in Belgien gearbeitet. Jetzt sei er für die Zeitung
'M._______' in N._______ tätig. Zudem habe er mehrere Cousins und
Onkel, die in Deutschland und Österreich sowie in der Schweiz als
Flüchtlinge anerkannt worden seien. Ferner seien drei Söhne seiner
Tante mütterlicherseits erschossen worden. Einer von ihnen habe den
gleichen Namen wie er gehabt, weshalb er Schwierigkeiten bekommen
habe. Er und seine Familie hätten wegen I._______ und dessen (...)
sowie wegen des behördlichen Vorwurfs, für den Bau einer (...) Geld
der PKK verwendet zu haben, nur zögerlich und gegen
Bestechungsgelder eine Betriebsbewilligung dafür erhalten. Da er sich
deswegen verschuldet habe und die Schulden nicht mehr habe
zurückzahlen können, habe er im Januar 2003 seinen Angestellten
gekündigt und die (...) stillgelegt. Im Februar 2003 habe er seine Autos
verkauft und nicht mehr gearbeitet. Er habe sich zur Ausreise
entschlossen, jedoch nicht sofort einen zuverlässigen Schlepper
gefunden. Im Juli 2003 sei er wegen seiner Brüder H._______, den er
im Gefängnis des Typ E besucht habe, sowie I._______ zweimal für je
drei Tage festgenommen worden. Zwischen Ende Juli und Ende
August 2003 hätten ihn Angehörige der Guerilla dreimal am Arbeits-
platz aufgesucht. Dabei habe er sie zweimal finanziell unterstützt. Des-
halb sei er am 23. August 2003 und am 27. November 2003 unter dem
Vorwurf, der Guerilla Unterschlupf gewährt zu haben, festgenommen
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und beschimpft worden. Zudem hätten die Beschwerdeführer Schwie-
rigkeiten gehabt, weil sie Kurden und Aleviten seien. Aus diesen Grün-
den habe er sich zur Ausreise entschlossen.
Die Beschwerdeführerin führte zur Begründung ihres Asylgesuches im
Wesentlichen die gleichen Gründe wie ihr Ehemann an.
Die Beschwerdeführer reichten verschiedene Beweismittel (Haftbestä-
tigung und Anklageschrift betreffend H._______, Flüchtlingsausweis
des Bruders J._______ sowie Unterlagen betreffend die frühere be-
rufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers) in Kopie ein.
Für den Inhalt der weiteren Aussagen wird auf die Akten verwiesen.
B.
Das Bundesamt stellte mit Verfügung vom 17. Mai 2004, eröffnet am
18. Mai 2004, fest, die Beschwerdeführer erfüllten die Flüchtlingsei-
genschaft nicht und lehnte die Asylgesuche ab. Gleichzeitig ordnete es
die Wegweisung der Beschwerdeführer aus der Schweiz an. Die Vorin-
stanz begründete ihre Verfügung im Wesentlichen damit, dass die Vor-
bringen der Beschwerdeführer den Anforderungen an die Flüchtlings-
eigenschaft nicht standhalten würden. Den Vollzug der Wegweisung in
die Türkei befand die Vorinstanz für zulässig, zumutbar und möglich.
C.
Mit Eingabe vom 17. Juni 2004 an die vormals zuständige Schweizeri-
sche Asylrekurskommission (ARK) beantragten die Beschwerdeführer
durch ihren Rechtsvertreter die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfü-
gung sowie die Rückweisung an die Vorinstanz zwecks Feststellung
des vollständigen und rechtserheblichen Sachverhalts und Neubeurtei-
lung. Eventualiter sei die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführer
festzustellen und ihnen Asyl zu gewähren. Eventualiter sei festzustel-
len, dass der Vollzug der Wegweisung unzumutbar sei. Zudem sei den
Beschwerdeführern eine angemessene Frist anzusetzen, um Beweis-
mittel betreffend die politische Tätigkeit ihrer Verwandten einzureichen.
Ferner sei die Schweizerische Botschaft in Ankara mit Abklärungen
zur Situation der Familien der Beschwerdeführer zu beauftragen. Auf
die Begründung im Einzelnen wird, soweit wesentlich, in den nachfol-
genden Erwägungen eingegangen.
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D.
Mit verfahrensleitender Verfügung der damals zuständigen Instrukti-
onsrichterin der ARK vom 28. Juni 2004 wurden die Beschwerdeführer
dazu aufgefordert, einen Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 600.--
einzuzahlen. Die übrigen Verfahrensanträge wurden auf einen späte-
ren Zeitpunkt verwiesen.
E.
Mit Eingabe vom 13. Juli 2004 ersuchten die Beschwerdeführer um
Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sowie um Gewäh-
rung der unentgeltlichen Rechtspflege. Gleichzeitig reichten sie eine
Fürsorgebestätigung vom 6. Juli 2004 ein.
F.
Mit Zwischenverfügung vom 15. Juli 2004 wurde das Gesuch um Ge-
währung der unentgeltlichen Rechtspflege auf den Urteilszeitpunkt
vertagt und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses verzichtet.
G.
Die Vorinstanz beantragte in ihrer Vernehmlassung vom 26. Juli 2004
die Abweisung der Beschwerde.
H.
Am 10. August 2004 und vom 3. September 2004 reichten die Be-
schwerdeführer verschiedene Beweismittel betreffend die Anerken-
nung der Flüchtlingseigenschaft sowie verschiedene Namenslisten ih-
rer Verwandten ein.
I.
Am 26. Juli 2005 gaben die Beschwerdeführer (vorab per Telefax) wei-
tere Beweismittel betreffend ihre Verwandten (Entscheide betreffend
Flüchtlingsanerkennung, Ausweise, Familienlisten, Bilanzunterlagen)
zu den Akten. Gleichzeitig wurde um Koordination des vorliegenden
Beschwerdeverfahrens mit demjenigen der Nichte des Beschwerdefüh-
rers, O._______ (E-4507/2006; N (...)), ersucht.
J.
Die Vorinstanz nahm in ihrer ergänzenden Vernehmlassung vom
22. März 2007 ausführlich Stellung und beantragte erneut die Abwei-
sung der Beschwerde. Auf den Inhalt der Stellungnahme wird, soweit
entscheidwesentlich, in den Erwägungen eingegangen.
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K.
In ihrer Replik vom 13. April 2007 ersuchten die Beschwerdeführer un-
ter anderem erneut um Einholung einer Botschaftsabklärung betref-
fend die Situation ihrer Herkunftsfamilien.
L.
Die neu zuständige Instruktionsrichterin des Bundesverwaltungsge-
richts ersuchte die Schweizerische Botschaft in Ankara am 19. Februar
2009 um Abklärung verschiedener Fragen betreffend die Beschwerde-
führer. Mit Eingabe vom 18. März 2009 teilte die Schweizerische Bot-
schaft den Beschwerdeführern das Ergebnis ihrer Abklärungen mit.
M.
Die Beschwerdeführer nahmen dazu am 8. April 2009 Stellung. Gleich-
zeitig wiesen sie darauf hin, dass der Beschwerdeführer am 13. Juni
2008 einen Verkehrsunfall erlitten habe, an deren Folgen er noch heu-
te leide.
N.
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 27. April 2009 wurden die Be-
schwerdeführer dazu aufgefordert, einen ärztlichen Bericht betreffend
den Beschwerdeführer und eine ärztliche Entbindungserklärung von
der Schweigepflicht einzureichen.
O.
Am 28. Mai 2009 wurden ein ärztlicher Bericht von Dr. med. P._______
vom 26. Mai 2009 sowie eine ärztliche Entbindungserklärung vom 7.
April 2009 eingereicht.
P.
Am 24. Juli 2009 reichte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer
nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht eine Kosten-
note zu den Akten.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsge-
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richt Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgeset-
zes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG,
SR 172.021). Das Bundesamt für Migration (BFM) gehört zu den Be-
hörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundes-
verwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im
Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht
ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde
und entscheidet in diesem Bereich endgültig (Art. 105 des Asylgeset-
zes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des
Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Das Bundesverwaltungsgericht übernahm bei gegebener Zustän-
digkeit am 1. Januar 2007 die bei der ARK am 31. Dezember 2006
hängig gewesenen Rechtsmittel. Das Bundesverwaltungsgericht ist
daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde. Die
Beurteilung erfolgt nach neuem Verfahrensrecht (vgl. Art. 53 Abs. 2
VGG).
1.3 Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingereicht. Die Be-
schwerdeführer sind durch die angefochtene Verfügung besonders be-
rührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung be-
ziehungsweise Änderung. Die Beschwerdeführer sind daher zur Einrei-
chung der Beschwerde legitimiert (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1
und 50 und 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
1.4 Dieses Verfahren wird antragsgemäss und soweit nötig mit jenem
der Nichte des Beschwerdeführers (E-4507/2006) koordiniert behan-
delt.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3.
3.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen
grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person aner-
kannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt
wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu ei-
ner bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen An-
schauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete
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Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte
Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder
Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen
Druck bewirken; den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung
zu tragen (Art. 3 AsylG).
3.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachwei-
sen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht,
wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrschein-
lichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen,
die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich wider-
sprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich
auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7
AsylG).
4.
4.1 Das Bundesamt begründete seinen ablehnenden Entscheid im
Wesentlichen damit, bei offensichtlich fehlender Asylrelevanz könne
darauf verzichtet werden, auf die vorhandenen Unglaubhaftigkeitsele-
mente in den Vorbringen der Beschwerdeführer einzugehen. Die von
Beschwerdeführern geltend gemachten Benachteiligungen als Ange-
hörige der kurdischen Bevölkerung im Allgemeinen und als nahe Ver-
wandte von politischen Gefangenen im Besonderen würden keine
ernsthaften Nachteile im Sinne des Asylgesetzes darstellen und seien
daher asylrechtlich nicht relevant. Im Weiteren würden keine hinrei-
chenden Anhaltspunkte für eine konkrete Bedrohung vorhanden sein.
So wäre der Beschwerdeführer mit Sicherheit nicht nach jeweils zwei
Tagen wieder freigelassen worden, wenn die Behörden ihn ernsthaft
verdächtigt hätten, der Guerilla Unterstützung gewährt zu haben. Ge-
gen die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Verfolgung spreche auch
der Umstand, dass die Familie problemlos legal über den Flughafen Is-
tanbul habe ausreisen können. Demzufolge seien die geäusserten Be-
fürchtungen objektiv nicht begründet und daher asylrechtlich nicht re-
levant.
4.2 In der Rechtsmitteleingabe wird dazu eingewendet, die Vorinstanz
habe den Sachverhalt nicht vollständig und nicht richtig abgeklärt. So
hätten die Beschwerdeführer mehrfach erklärt, aus Familien zu stam-
men, die sich im Kampf für die kurdische Sache in der Türkei enga-
giert hätten und deswegen von den türkischen Sicherheitskräften ver-
folgt worden seien. Alle nahen Angehörigen der Beschwerdeführerin
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seien ins Ausland geflüchtet. Von den nahen Angehörigen des Be-
schwerdeführers würden nur noch dessen Eltern, ein Bruder und eine
Schwester in der Türkei leben. Ein Bruder des Beschwerdeführers sei
zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Beschwer-
deführer hätten erwähnt, dass sie wegen ihrer politisch aktiven Ange-
hörigen behördlichen Behelligungen ausgesetzt gewesen seien (Re-
flexverfolgung). Dies habe die Vorinstanz weder abgeklärt noch habe
sie diese in ihrer Verfügung gewürdigt. Der Bruder H._______ befinde
sich nach wie vor in Haft und leide an erheblichen gesundheitlichen
Problemen. Der Beschwerdeführer und seine Familie hätten über
Jahre hinweg Bestechungsgelder bezahlt, damit dieser weiterhin in
Kahramanmaras inhaftiert bleibe, um so Besuche durch die Ver-
wandten zu ermöglichen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz hätten
die Beschwerdeführer objektiv begründete Furcht vor künftiger Verfol-
gung. Der Beschwerdeführer habe mit dem Bau einer (...) ein
aussergewöhnlich hohes Einkommen erzielt, weshalb seine Ausreise
nicht aus wirtschaftlichen Gründen gewesen sei. Schliesslich hätte die
spezielle Situation der Beschwerdeführer bei der Frage der Zu-
mutbarkeit des Wegweisungsvollzugs berücksichtigt werden müssen.
4.3 Im Verlaufe des weiteren Verfahrens machten die Beschwerdefüh-
rer unter Eingabe verschiedener Unterlagen eine Reflexverfolgung gel-
tend. Diese konzentriere sich wegen der zahlreichen weggezogenen
Verwandten auf immer weniger Familienmitglieder, welche unter einem
immer grösseren Druck stünden. Die Unterlagen des (...) des
Beschwerdeführers würden zudem einen Einblick in dessen guten
finanziellen Verhältnisse geben.
4.4 In ihrer ergänzenden Vernehmlassung vom 22. März 2007 stellt
sich die Vorinstanz auf den Standpunkt, den Unterlagen könne zwar
entnommen werden, dass die Brüder J._______, I._______ und
K._______ in Deutschland respektive in England als Flüchtlinge
anerkannt worden seien. Zudem hätten verschiedene Cousins in der
Schweiz, in Deutschland und in Österreich den Flüchtlingsstatus
erhalten. Diese Anerkennungen seien jedoch im Wesentlichen in den
90er-Jahren erfolgt. Auch das Verfahren gegen H._______ sei in den
Jahren 1992 bis 1995 erfolgt. Offenbar sei dem Beschwerdeführer in
diesem Zusammenhang - ausser den Belästigungen bei seinen Be-
suchen im Gefängnis - nichts Gravierendes passiert. Der Sachverhalt
sei zum Zeitpunkt des Entscheids erstellt gewesen. Die Beschwerde-
führer seien ausführlich zu ihren Ausreisegründen befragt worden.
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Eine Reflexverfolgung sei zwar bei der Beurteilung einer möglichen
Gefährdung mitzuberücksichtigen. Es sei jedoch nicht Aufgabe des
Bundesamtes, zusätzlich nach hypothetischen Verfolgungsgründen im
Umfeld des grossen Verwandtschaftsnetzes zu forschen. Es liege ge-
gen den Beschwerdeführer in der Türkei nichts vor und er habe legal
ausreisen können. Er habe im Übrigen mehrere Verwandte, die in der
Türkei verblieben seien, so die Eltern, eine Schwester und ein Bruder
sowie verschiedene Cousins, die offensichtlich nicht von
Verfolgungsmassnahmen betroffen seien. Im Übrigen sei angesichts
der nicht asylrelevanten Beeinträchtigungen ausdrücklich auf
vorhandene Unglaubhaftigkeitselemente in den Vorbringen nicht
eingegangen worden. In der Tat seien die Ausführungen des
Beschwerdeführers zu seiner politischen Tätigkeit bzw. Unterstützung
der Guerilla und zu den Gründen für die vier kurzen Mitnahmen kurz
vor der Ausreise widersprüchlich und realitätsfern. Die geltend
gemachten Ausreisegründe müssten auch deshalb hinterfragt werden,
weil sich der Beschwerdeführer bereits mehrere Monate vor den
geltend gemachten kurzen Festnahmen zur Ausreise entschlossen
habe. So bliebe als Ausreisegrund nur noch die Tatsache, dass viele
seiner Verwandten aus ganz unterschiedlichen Motiven - unter
anderem auch politischen - das Exil gesucht hätten. Dies sei keine
ausreichende Begründung für die Annahme, dass auch der Be-
schwerdeführer in der Türkei an Leib und Leben gefährdet sei.
4.5 In ihrer Replik vom 13. April 2007 halten die Beschwerdeführer
demgegenüber fest, die Vorinstanz habe die Reflexverfolgung, obwohl
bereits anlässlich der Anhörungen vorgebracht, nicht weiter abgeklärt
und geprüft. Schliesslich habe die Vorinstanz trotz der umfangreich do-
kumentierten Familiensituation die Gründe der Reflexverfolgung nach
wie vor nicht gewürdigt. Weiter könne aus dem Umstand, dass die El-
tern und eine Schwester in der Türkei verblieben seien, nicht auf die
Nichtexistenz einer Reflexverfolgung geschlossen werden. Was
Q._______ - der Bruder des Beschwerdeführers - betreffe, sei darauf
hinzuweisen, dass dessen Tochter O._______ - Nichte des Be-
schwerdeführers - aufgrund der Benachteiligungen der Familie eben-
falls geflüchtet sei. Vor zehn Monaten sei auch Q._______, der seit der
Ausreise von O._______ gesteigerten Behelligungen ausgesetzt
gewesen sei, in Richtung Europa gegangen, um dort um Asyl zu ersu-
chen. Die Familie sei seither ohne Nachricht von ihm. Diesbezüglich
sei im Rahmen einer Botschaftsabklärung von dessen in der Türkei
verbliebenen Ehefrau R._______ Näheres zu den verstärkten Behelli-
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gungen und der Flucht von Q._______ in Erfahrung zu bringen. Von
den wenigen männlichen Verwandten des Beschwerdeführers sei
lediglich der Cousin S._______ in der Türkei verblieben. Schliesslich
seien die Feststellungen in der Vernehmlassung, wonach die
Vorbringen der Beschwerdeführer unglaubhaft seien, pauschal
ausgefallen und würden dokumentieren, dass das BFM die Fehlerhaf-
tigkeit seiner Verfügung nicht eingestehen wolle. Im Übrigen sei der
Konflikt zwischen den türkischen Sicherheitskräften und der PKK in
letzter Zeit weiter eskaliert und Personen wegen angeblicher Unter-
stützung der PKK behelligt worden. Vor dem Hintergrund der wieder-
holt in Erscheinung getretenen aktiven politischen Familie sei von ei-
ner nach wie vor bestehenden Bedrohungslage der Beschwerdeführer
auszugehen.
4.6 Eine vom Bundesverwaltungsgericht bei der Schweizerischen Bot-
schaft in Ankara in Auftrag gegebene Abklärung verschiedener Fragen
betreffend die Beschwerdeführer ergab, dass über diese keine Daten-
blätter bei der Polizei und auch keine Passverbote bestünden. Sie sei-
en weder von der Polizei noch von der Gendarmerie gesucht. Die ein-
gereichten Dokumente betreffend den Bruder H._______ (Ge-
richtsakten, Haftbestätigung) seien authentisch. Der Bruder sei am (...)
zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden und befinde sich
gegenwärtig im E-Typ-Gefängnis T._______. Eine vorzeitige
Entlassung auf Bewährung wäre frühestens ab (...) möglich.
Andernfalls müsse er bis am (...) einsitzen. Am 24. Juni 2004 habe
sich H._______ im F-Typ-Gefängnis in U._______ befunden. Im
Weiteren sei die (...) des Beschwerdeführers nach einem Konkurs
durch diesen verkauft worden. Danach habe er sich ins Ausland
abgesetzt. Zurzeit stehe die (...) leer. Laut Angaben der
Handelskammer Kahramanmaras sei die Mitgliedschaft wegen
ausstehender Mitgliederbeiträge suspendiert. Zudem habe der Be-
schwerdeführer im Jahre 2003 offenbar vorgehabt, sein Land und
seine Autos zu verkaufen. Ferner lebe Q._______, der Bruder des
Beschwerdeführers, zusammen mit seiner Ehefrau in V._______.
Deren Tochter O._______ - Nichte des Beschwerdeführers - sei vor
vier oder fünf Jahren in die Schweiz gereist, um ihre kranke Tante zu
pflegen, was sie bis heute tue. Der Cousin S._______ lebe un-
terdessen in W._______. Der Dorfvorsteher kenne die Familie nicht.
4.7 Die Beschwerdeführer nahmen zu den Abklärungsergebnissen
Stellung. Dabei hielten sie fest, das Fehlen eines Datenblattes sei
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nicht erstaunlich, zumal dieses Register die Funktion eines Strafregis-
ters erfülle. Auf die Register der übrigen Sicherheitskräfte habe die
Schweizerische Botschaft nur beschränkten Zugriff. Leider enthalte die
Botschaftsantwort keine Angaben zur politischen Tätigkeit der Familien
(...) und (...) in der Türkei. Es dürfe als bekannt vorausgesetzt werden,
dass eine Verurteilung zu 36 Jahren Haft aus politischen Gründen zu
einer Reflexverfolgung der Familienangehörigen führen könne. Im
Weiteren werde die (...)schliessung des Beschwerdeführers und das
Nichtweiterführen (...) durch die Botschaftsantwort bestätigt. Der
Beschwerdeführer habe geltend gemacht, dass die Schliessung mit
der politischen Tätigkeit der Verwandten sowie mit dem gegen ihn
geäusserten Verdacht der PKK-Unterstützung zusammenhänge.
Entgegen der Angaben in der Botschaftsantwort lebe in der Schweiz
keine Tante von O._______, weshalb es unrichtig sei, die Nichte
O._______ sei zu deren Pflege in die Schweiz gereist. Die Mutter von
O._______ habe beim Telefongespräch mit der Kontaktperson der Bot-
schaft nicht frei sprechen können. Daher habe sie zu den Ausreise-
gründen ihrer Tochter falsche Angaben gemacht. Weiter sei nicht er-
staunlich, dass die Beschwerdeführer dem Dorfvorsteher nicht bekannt
seien, zumal sie seit ihrer Ausreise nicht mehr an der früheren Adres-
se gemeldet gewesen seien. Im Übrigen weise V._______ 9'000
Einwohner auf. Im Weiteren habe der Vater des Beschwerdeführers in
einem Kaffeehaus davon erfahren, dass ein Quartiervorsteher als
Kontaktperson der Schweizerischen Botschaft Auskunft über den
Beschwerdeführer habe geben müssen, wobei dieser von den
Schwierigkeiten des Beschwerdeführers erzählt habe. Im Wesentlichen
habe die Botschaftsantwort ergeben, dass die Vorbringen der
Beschwerdeführer bezüglich ihrer Situation den Tatsachen
entsprechen würden, und es sei von einer Reflexverfolgung
auszugehen. Schliesslich wurde in der Replik darauf hingewiesen,
dass der Beschwerdeführer am (...) einen schweren Verkehrsunfall
erlitten habe, bei dem er sich Verletzungen an beiden Handgelenken
und am Kopf zugezogen habe.
5.
In formeller Hinsicht wird vorab gerügt, die Vorinstanz habe den Sach-
verhalt nicht vollständig und nicht richtig abgeklärt. So habe sie die
von den Beschwerdeführern vorgebrachte Reflexverfolgung weder ab-
geklärt noch in ihrer Verfügung gewürdigt.
Das Bundesverwaltungsgericht hält diesem Einwand entgegen, dass
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die Vorinstanz die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Be-
nachteiligungen wegen ihren Verwandten in ihrer angefochtenen Verfü-
gung aufgenommen und auch gewürdigt hat. Dabei kam sie zum
Schluss, dass diese Schwierigkeiten - vier kurze Festnahmen - als An-
gehörige der kurdischen Bevölkerung im Allgemeinen sowie als nahe
Verwandte von politischen Gefangenen im Besonderen asylrechtlich
nicht relevant seien. Schliesslich hat sie, hinsichtlich der von den Be-
schwerdeführern eingereichten zahlreichen Unterlagen betreffend ihrer
Verwandten (Verwandtenlisten, Anerkennungsentscheide, etc.) in ihrer
ergänzenden Vernehmlassung zu Recht darauf hingewiesen, dass sich
diese mit den detaillierten Ausführungen des Beschwerdeführers an-
lässlich der kantonalen Befragung decken würden (vgl. A8, S. 3 ff.).
Hingegen kam sie bei der materiellen Würdigung dieser Vorbringen zu
einem anderen Schluss als die Beschwerdeführer. Folglich kann diese
Rüge nicht gehört werden.
6.
In materieller Hinsicht gelangt das Bundesverwaltungsgericht zum
Schluss, dass die Vorinstanz die Asylgesuche der Beschwerdeführer
zu Recht abgewiesen hat. Die Vorinstanz hat, wie hievor erwähnt, den
Sachverhalt genügend abgeklärt und in ihrem Entscheid die Gründe
aufgeführt, welche auf die fehlende Flüchtlingseigenschaft der Be-
schwerdeführer schliessen lassen.
6.1 Soweit in der Beschwerdeschrift ausgeführt wird, die Beschwerde-
führer hätten im Wesentlichen wegen der früheren politischen Tätigkeit
ihrer Verwandten Benachteiligungen erlebt und wären bei einer Rück-
kehr in die Türkei einer Reflexverfolgung ausgesetzt, wird Folgendes
festgestellt:
In der Rechtsprechung wird in konstanter Praxis davon ausgegangen,
dass in der Türkei staatliche Repressalien gegen Familienangehörige
von politischen Aktivisten nicht ausgeschlossen sind, die als so ge-
nannte Reflexverfolgung flüchtlingsrechtlich erheblich im Sinne von
Art. 3 AsylG sein können. Die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Reflex-
verfolgung zu werden, ist nach der Praxis der ARK, welche für das
Bundesverwaltungsgericht weiterhin Gültigkeit hat, vor allem dann ge-
geben, wenn nach einem flüchtigen Familienmitglied gefahndet wird
und die Behörde Anlass zur Vermutung hat, dass jemand mit der ge-
suchten Person in engem Kontakt steht. Diese Wahrscheinlichkeit er-
höht sich, wenn ein nicht unbedeutendes politisches Engagement der
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reflexverfolgten Person für illegale politische Organisationen hinzu-
kommt oder ihr seitens der Behörden unterstellt wird (vgl. Entschei-
dungen und Mitteilungen der ARK [EMARK] 2005 Nr. 21 E. 10 S. 195
ff. und dort zitierte Urteile). Dabei hängen die Wahrscheinlichkeit einer
Reflexverfolgung und deren Intensität stark von den konkreten Um-
ständen des Einzelfalles ab, wobei zur Zeit besonders diejenigen Per-
sonen von einer Reflexverfolgung bedroht sind, die sich offen für poli-
tisch aktive Verwandte einsetzen, sei dies als Mitglied einer Gefange-
nenhilfsorganisation oder im Rahmen einer Beschwerde an den Euro-
päischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Indessen kann
hinter einer Reflexverfolgung auch nur die Absicht liegen, die gesamte
Familie für Taten eines Familienmitglieds zu bestrafen oder sie einzu-
schüchtern, damit sie sich von oppositionellen kurdischen Gruppierun-
gen fernhalten.
6.2 Aufgrund der Darlegungen der Beschwerdeführer, der eingereich-
ten Beweismittel sowie der weiteren Abklärungen (Gerichtsakten be-
treffend den Bruder H._______, Botschaftsabklärung, Verwand-
tenlisten, Unterlagen betreffend Flüchtlingsanerkennungen) steht fest,
dass H._______ im Jahre 1992 inhaftiert und am (...) wegen
Unterstützung der PKK angeklagt und zu 36 Jahren Haft verurteilt
worden ist. Gemäss Botschaftsauskunft vom 18. März 2009 hält er sich
zur Zeit im E-Typ-Gefängnis in T._______ auf. Zudem haben ver-
schiedene Mitglieder der Familien der Beschwerdeführer - so auch die
Brüder des Beschwerdeführers J._______, I._______ und K._______
- vorwiegend in den 90er Jahren die Türkei aus politischen Gründen
verlassen und wurden in verschiedenen europäischen Ländern als
Flüchtlinge anerkannt (letztmals 1996 - Bruder J._______) oder
erhielten eine Aufenthaltsbewilligung. Ferner wohnt der Bruder
Q._______ zusammen mit seiner Ehefrau R._______ nach wie vor in
V._______.
6.2.1 Die oben erwähnten Voraussetzungen zur Bejahung einer Re-
flexverfolgung liegen im Fall der Beschwerdeführer nicht vor. Einerseits
ist den vorinstanzlichen Erwägungen zuzustimmen, wonach die vorge-
brachten vier kurzen Festnahmen des Beschwerdeführers keine ernst-
haften Nachteile im Sinne des Asylgesetzes darstellen. Andererseits
sind die diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers, wie von
der Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung vom 22. März 2007 festge-
stellt, widersprüchlich und realitätsfremd ausgefallen. Entgegen der
von den Beschwerdeführern vertretenen Auffassung, wonach die Vor-
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instanz ihre Vorbringen in pauschaler Weise als unglaubhaft gewürdigt
habe, wies die Vorinstanz bereits in ihrer angefochtenen Verfügung auf
vorhandene Unglaubhaftigkeitselemente in der Vorbringen der Be-
schwerdeführer hin, wobei sie angesichts der fehlenden Asylrelevanz
darauf verzichtet hat, näher darauf einzugehen. Eine Durchsicht der
diesbezüglichen Protokollstellen ergibt, dass der Beschwerdeführer in
der Empfangsstelle geltend gemacht hat, er habe seinen Bruder im
Gefängnis besucht, weshalb er befragt und drei- oder viermal festge-
nommen und während zwei Tagen festgehalten worden sei. Auf die
dort wiederholte Frage nach dem Grund seiner Festnahmen nannte er
dafür die Besuche seines Bruders im Gefängnis (vgl. A2, S. 4 f.).
Demgegenüber machte er anlässlich der kantonalen Befragung gel-
tend, er sei viermal festgenommen, wobei nur das erste und zweite
Mal seine Gefängnisbesuche der Grund gewesen sei. Die zwei ande-
ren Festnahmen seien wegen Unterstützung der Guerilla erfolgt (vgl.
A8, S. 11). In diesem Zusammenhang machte im Übrigen auch die Be-
schwerdeführerin geltend, ihr Ehemann sei, weil er seinen Bruder im
Gefängnis besucht habe, festgenommen worden, wobei sie von „stän-
digen“ respektive zehn Festnahmen sprach (vgl. A9, S. 5 und 7). Hin-
sichtlich der Dauer dieser Festnahmen machten die Beschwerdeführer
ebenfalls widersprüchliche Angaben (vgl. A8, S. 10 und A9, S. 7). Im
Weiteren verneinte der Beschwerdeführer die ihm anlässlich der sum-
marischen Befragung gestellte Frage, ob er politisch tätig gewesen sei,
und fügte an, er sei schliesslich Arbeitgeber gewesen. Hingegen be-
jahte er dies für seine Brüder (vgl. A2, S. 5). Im Gegensatz dazu er-
wähnte er anlässlich der kantonalen Befragung, er habe die Guerilla
mit 1 bzw. 2 Milliarden Lire finanziell unterstützt (vgl. A8, S. 10 ff.). In
diesem Zusammenhang kann zudem nicht geglaubt werden, der Be-
schwerdeführer hätte sich nach seiner Entlassung aus der letzten
Festnahme vom 27. November 2003 nicht direkt nach Hause begeben,
sondern umgehend einen Guerilla getroffen und ihm Geld gegeben
(a.a.O., S. 10). Dies wäre angesichts der ihm von den Behörden an-
geblich vorgeworfenen Unterstützungstätigkeit viel zu riskant gewesen.
Zudem lässt sich das Vorbringen des Beschwerdeführers anlässlich
der kantonalen Befragung, wonach ihm die Guerilla im Juli und August
2003 dreimal jeweils an seinem Arbeitsplatz aufgesucht und um Unter-
stützung gebeten hätten, nicht mit seiner Aussage vereinbaren, wo-
nach er ab Februar 2003 nicht mehr gearbeitet und sich zu Hause auf-
gehalten habe (a.a.O., S. 8 und 11). Schliesslich machte der Be-
schwerdeführer geltend, er habe seinen Ausreiseentschluss bereits
anfangs 2003 gefasst und somit noch vor seinen Festnahmen. Er habe
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E-3735/2006
im Januar seinen Arbeitnehmern gekündigt, seine Autos verkauft und
ab Februar 2003 selber nicht mehr gearbeitet. In diesem Zusammen-
hang kann der Botschaftsauskunft entnommen werden, dass die Firma
des Beschwerdeführers nach einem Konkurs tatsächlich verkauft wor-
den sei. Anlässlich der kantonalen Befragung hatte der Beschwerde-
führer betreffend seine wirtschaftliche Situation zwar geltend gemacht,
er sei wegen der politischen Tätigkeit seiner Verwandten gezwungen
worden, für den Erhalt der Betriebsbewilligung seiner Firma Beste-
chungsgelder zu bezahlen. Daher habe er grosse Schulden gehabt
(vgl. A8, S. 7). Andererseits wurde in der Beschwerdeschrift angeführt,
seine finanzielle Situation habe dem Beschwerdeführer ein überdurch-
schnittlich gutes Leben ermöglicht. Insgesamt lassen diese Feststel-
lungen den Schluss zu, dass nicht die von den Beschwerdeführern an-
geführten Gründe - politische Tätigkeit ihrer Verwandten -, sondern an-
dere, asylrechtlich nicht relevante Gründe zu ihrem Ausreiseent-
schluss geführt haben. Schliesslich hielten sich die Beschwerdeführer
trotz angeblicher Behelligungen noch bis zu ihrer Ausreise an ihrem
Wohnort auf, woraus der Schluss gezogen werden kann, sie hätten
nichts zu befürchten gehabt. Ferner liessen sich die Beschwerdeführer
im April bzw. Juli 2003 einen neuen Reisepass ausstellen und reisten
mit diesem legal über den Flughafen von Istanbul aus (A2, S. 3; A3,
S. 3), was gegen ein behördliches Interesse an den Beschwerdefüh-
rern spricht.
6.2.2 Schliesslich machten die Beschwerdeführer nie geltend, sie hät-
ten zu ihren politisch engagierten Verwandten, die vorwiegend bereits
in den 90er Jahren und somit über zehn Jahre vor den angeblichen
Behelligungen der Beschwerdeführer ins Ausland geflüchtet sind, ei-
nen besonderen engem Kontakt gepflegt oder würden dies im heuti-
gen Zeitpunkt tun. Jedenfalls lassen die obwohl zahlreichen Beweis-
mittel - alles Ausweispapiere und Entscheidungen derselben - nicht
darauf schliessen. Der Beschwerdeführer absolvierte überdies zwi-
schen 1987 und 1989 den Militärdienst, zu einem Zeitpunkt, als meh-
rere Verwandte ins Ausland geflohen sind, wobei er spezielle Proble-
me ausdrücklich verneint hat (vgl. A8, S. 8). Zudem machten die Be-
schwerdeführer für die Zeit seit der Inhaftierung des Bruders
H._______ im Jahre 1992 bis zu ihrer Ausreise - ausser den nicht
glaubhaften Festnahmen - keine besonderen Behelligungen geltend.
Es kann daher nicht geglaubt werden, die Beschwerdeführer hätten
sich wegen Benachteiligungen im Zusammenhang mit den Besuchen
bei H._______ im Gefängnis zur Ausreise entschlossen. Schliesslich
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hat die Botschaftsanfrage ergeben, dass der Bruder des
Beschwerdeführers - Q._______ - nach wie vor in V._______ wohnhaft
ist. Der Cousin S._______ lebt in X._______. Dies lässt wiederum den
Schluss zu, dass die in der Türkei verbliebenen Angehörigen des
Beschwerdeführers wegen ihrer Verwandten nichts zu befürchten
haben. Insgesamt ist nicht ersichtlich, weshalb die Behörden im
heutigen Zeitpunkt ein Interesse an den Beschwerdeführern haben
sollten.
6.2.3 Im Übrigen kann den im Zusammenhang mit den Abklärungen
durch die Schweizerische Botschaft in Ankara erhobenen Einwänden,
wonach diese nicht korrekt erfolgt seien, nicht zugestimmt werden.
Entgegen der von den Beschwerdeführern vertretenen Ansicht ist ge-
gen die telefonische Anfrage durch die Schweizerische Botschaft bei
der Schwägerin des Beschwerdeführers/Ehefrau von Q._______ -
R._______ - nichts einzuwenden. So war der Anruf durch die
Botschaft offenbar spontan und R._______ unvorbereitet. Dass sie
dabei aus Angst vor Abhörungen spontan eine falsche Aussage
gemacht habe, ist daher mehr als fraglich. Schliesslich hat sie bei die-
sem Anruf erwähnt, ihr Ehemann sei unterwegs (Abholen der Wahlpa-
piere), was sie kaum erwähnt hätte, wenn dieser bereits zirka Mitte
2006 wegen behördlichen Behelligungen ausgereist gewesen wäre.
Zudem kann auch nicht geglaubt werden, die Abklärungen der Schwei-
zerischen Botschaft seien Gesprächsstoff in den Kaffeehäusern von
V._______ gewesen, wobei ein Quartiervorsteher darüber berichtet
habe, er habe als Kontaktperson der Botschaft erzählt, dass der Be-
schwerdeführer immer wieder Schwierigkeiten mit den türkischen Be-
hörden gehabt habe. So können der Botschaftsantwort nämlich keine
Hinweise oder Aussagen einer solchen Kontaktperson entnommen
werden.
6.3 Soweit die Beschwerdeführer in ihrer Gesuchsbegründung ferner
vorgetragen haben, sie seien auch, weil sie Kurden seien, unter erhöh-
tem Druck gestanden und behelligt worden, ist festzuhalten, dass die
geltend gemachten Schwierigkeiten der alevitisch-kurdischen Minder-
heit, unter denen deren Angehörige zu leiden haben, gemäss nach wie
vor gültiger Praxis für sich alleine zu wenig intensiv sind, als dass ih-
nen Verfolgungscharakter im Sinne des Asylgesetzes zukommt. Um
die vom Asylgesetz vorausgesetzte Intensität zu erreichen, müssten
zusätzliche staatliche Massnahmen hinzukommen, die im konkreten
Einzelfall stärker sind als das, was die ethnische Minderheit der aleviti-
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schen Kurden an sich hinnehmen muss. Die von den Beschwerdefüh-
rern geltend gemachten Benachteiligungen wurden hievor als asyl-
rechtlich irrelevant respektive nicht glaubhaft qualifiziert (vgl. Ziff.
6.2.1).
6.4 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen erübrigt es sich, auf die
übrigen Ausführungen der Beschwerdeführer oder auf die Beweismittel
weiter einzugehen, weil sie am Ergebnis nichts ändern können. Der
Sachverhalt ist genügend abgeklärt. Es besteht demnach keine Veran-
lassung, weitere Abklärungen vorzunehmen.
Zusammenfassend folgt, dass die Beschwerdeführer keine Gründe
nach Art. 3 AsylG nachweisen oder glaubhaft machen können. Auch
eine begründete Furcht vor künftigen Verfolgungsmassnahmen ist zu
verneinen. Die Vorinstanz hat die Asylgesuche der Beschwerdeführer
demnach zu Recht abgelehnt.
7.
7.1 Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht
ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und
ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Ein-
heit der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
7.2 Die Beschwerdeführer und ihre Kinder verfügen weder über eine
ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch
auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht
angeordnet (Art. 44 Abs. 1 AsylG; EMARK 2001 Nr. 21).
8.
8.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar
oder nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsver-
hältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Auf-
nahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bun-
desgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und
Ausländer [AuG, SR 142.20]).
8.2 Die vorstehend erwähnten Bedingungen für einen Verzicht auf den
Vollzug der Wegweisung (Unzulässigkeit, Unzumutbarkeit, Unmöglich-
keit) sind alternativer Natur. Sobald eine von ihnen erfüllt ist, ist der
Vollzug der Wegweisung als undurchführbar zu betrachten und die
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weitere Anwesenheit in der Schweiz gemäss den Bestimmungen über
die vorläufige Aufnahme zu regeln (vgl. EMARK 2006 Nr. 6 E. 4.2
S. 54 f.; 2001 Nr. 1 E. 6a S. 2). Gegen eine allfällige Aufhebung der
vorläufigen Aufnahme steht dem weggewiesenen Asylsuchenden wie-
derum die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht offen
(Art. 105 i.V.m. Art. 44 Abs. 2 AsylG), wobei in jenem Verfahren sämtli-
che Vollzugshindernisse von Amtes wegen und nach Massgabe der
dannzumal herrschenden Verhältnisse (vgl. EMARK 1997 Nr. 27) von
Neuem zu prüfen sind.
8.3 Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen
und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunfts-
staat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner
Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine
konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs.
7 AuG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren (vgl. Botschaft zum
Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März
2002, BBl 2002 3818).
8.4 Wie den Akten entnommen werden kann, hat der Beschwerdefüh-
rer am (...) rechts und am (...) links eine komplizierte
Handgelenksfraktur erlitten. Im Arztbericht von Dr. med. P._______
wurde dazu festgestellt, es sei eine operative Versorgung durchgeführt
worden, wobei keine vollständige Bewegungsfreiheit habe erreicht
werden können. Jedoch bestehe keine weitere Behandlungsoption. Es
sei keine Entzündung oder Schwellung als Hinweis auf eine
postoperative Komplikation vorhanden. Der Beschwerdeführer klage
zudem über wiederkehrende Kopfschmerzen und wiederkehrender
Unterbauchschmerzen. Die Operation einer Leistenhernie
(Leistenbruch) sei ohne Einfluss auf die Beschwerdesymptomatik ge-
blieben. Der Arzt wies zudem darauf hin, die Behandlungsmöglichkei-
ten und die Abklärungsmöglichkeiten seien erschöpft. Es sei auch kei-
ne Weiterbehandlung vorgesehen oder notwendig. In der Eingabe der
Beschwerdeführer vom 28. Mai 2009 wurde auf die reduzierte Er-
werbstätigkeit der Beschwerdeführer hingewiesen, was sich bei einer
allfälligen Rückkehr in die Türkei negativ auswirken würde. Schliesslich
haben Abklärungen des Bundesverwaltungsgericht zur Arbeitssituation
des Beschwerdeführers ergeben, dass dieser vom 13. November 2007
bis am 31. Mai 2009 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Anga-
ben über die Höhe des Arbeitspensum liegen zwar keine vor, jedoch
kann davon ausgegangen werden, dass er trotz den vorhandenen Be-
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schwerden in der Lage ist, zumindest für einen Teil zum Lebensunter-
halt seiner Familie beizutragen. Ob und in welcher Höhe dies bei einer
allfälligen Rückkehr in die Türkei möglich wäre, kann jedoch ange-
sichts der nachstehenden Feststellungen offen gelassen werden.
8.5 Sind von einem allfälligen Wegweisungsvollzug Kinder betroffen,
so bildet im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung ausserdem das Kin-
deswohl einen Gesichtspunkt von gewichtiger Bedeutung. Dies ergibt
sich nicht zuletzt aus einer völkerrechtskonformen Auslegung des
Art 83 Abs. 4 AuG im Licht von Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens
vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (SR 0.107). Un-
ter dem Aspekt des Kindeswohls sind demnach sämtliche Umstände
einzubeziehen und zu würdigen, die im Hinblick auf eine Wegweisung
wesentlich erscheinen. Dabei können namentlich folgende Kriterien im
Rahmen einer gesamtheitlichen Beurteilung von Bedeutung sein: Alter,
Reife, Abhängigkeiten, Art (Nähe, Intensität, Tragfähigkeit) seiner Be-
ziehungen, Eigenschaften seiner Bezugspersonen (insbesondere Un-
terstützungsbereitschaft und -fähigkeit), Stand und Prognose bezüg-
lich Entwicklung/Ausbildung, Grad der erfolgten Integration bei einem
längeren Aufenthalt in der Schweiz usw. Gerade letzterer Aspekt, die
Dauer des Aufenthaltes in der Schweiz, ist im Hinblick auf die Prüfung
der Chancen und Hindernisse einer Reintegration im Heimatland bei
einem Kind als gewichtiger Faktor zu werten, da Kinder nicht ohne gu-
ten Grund aus einem einmal vertrauten Umfeld wieder herausgerissen
werden sollten. Dabei ist aus entwicklungspsychologischer Sicht nicht
nur das unmittelbare persönliche Umfeld des Kindes (d.h. dessen
Kernfamilie) zu berücksichtigen, sondern auch dessen übrige soziale
Einbettung. Auch kann die Verwurzelung in der Schweiz eine reziproke
Wirkung auf die Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs ha-
ben, indem eine starke Assimilierung in der Schweiz mithin eine Ent-
wurzelung im Heimatstaat zur Folge haben kann, welche unter Um-
ständen die Rückkehr dorthin als unzumutbar erscheinen lässt (vgl.
EMARK 2005 Nr. 6 E. 6.2 S. 57 f., EMARK 2006 Nr. 24 E. 6.2.3 S. 259
f.).
8.6 Vorliegend fällt im Besonderen ins Gewicht, dass die Beschwerde-
führer und ihre Kinder seit 5½ Jahren in der Schweiz leben. Zwei der
vier Kinder haben während dieser Zeit die Schulen in der Schweiz be-
sucht. Die zwei älteren Kinder waren im Zeitpunkt der Einreise in die
Schweiz 11½- bzw. 7 ¾-jährig. Heute sind sie 17- und 13½-jährig. Das
zweitjüngste war damals kaum acht Monate alt. Das jüngste Kind ist in
Seite 19
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der Schweiz geboren. Es kann davon ausgegangen werden, dass die
Integration der Beschwerdeführer und insbesondere jene ihrer Kinder
in der Schweiz weit fortgeschritten ist und sich der Lebensmittelpunkt
der Familie in jeder Hinsicht in erheblichem Mass dem schweizeri-
schen Umfeld angenähert hat. Jedenfalls lässt die in der Schweiz aus-
geübte Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers darauf schliessen. Die
17-jährige C._______ hat ihre Schule in der Schweiz abgeschlossen
und geht ab dem 1. August 2009 einer Erwerbstätigkeit als
Betriebsmitarbeiterin in einer (...) nach. Es ist davon auszugehen, dass
sich C._______ in jeder Beziehung an die schweizerische
Lebensweise assimiliert hat bzw. durch das hiesige kulturelle und
soziale Umfeld geprägt ist. Zudem befindet sich auch der 13 ½-jährige
D._______ in der beginnenden Adoleszenz. C._______ und
D._______ werden kaum über - namentlich schriftliche - Kenntnisse
der Muttersprache (Türkisch) verfügen, welche für eine erfolgreiche
Eingliederung ins Schulsystem respektive die weitere Ausbildung in
der Heimat vorauszusetzen wären. Auch werden sie aufgrund der
langjährigen Abwesenheit kaum Kontakte zu anderen gleichaltrigen
Menschen in ihrem Heimatland haben. Angesichts dessen sowie der
kulturellen Differenzen zwischen der Schweiz und der Türkei wäre ihre
Reintegration in der Heimat in erhöhtem Mass in Frage gestellt. Es
besteht bei dieser Sachlage insbesondere für C._______ und
D._______ die konkrete Gefahr, dass die mit einem Vollzug der
Wegweisung verbundene Entwurzelung aus dem gewachsenen
sozialen Umfeld in der Schweiz einerseits und die sich gleichzeitig
abzeichnende Problematik einer (Re-) Integration in die ihnen
weitgehend fremde Kultur und Umgebung im Heimatland andererseits,
zu starken Belastungen in ihrer kindlichen Entwicklung führen würden,
die mit dem Schutzanliegen des Kindeswohls nicht zu vereinbaren
wären.
8.7 In Berücksichtigung der geschilderten Umstände kommt das Bun-
desverwaltungsgericht zum Schluss, dass unter dem Gesichtspunkt
des Kindeswohls sowie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der
Einheit der Familie (vgl. Art. 44 Abs. 1 AsylG) der Vollzug der Wegwei-
sung im heutigen Zeitpunkt als unzumutbar im Sinne von Art. 83 Abs.
4 AuG zu qualifizieren ist. Nachdem sich aus den Akten keine Hinwei-
se auf das Vorliegen von Ausschlussgründen im Sinne von Art. 83
Abs. 7 AuG ergeben, sind die Voraussetzungen für die Anordnung der
vorläufigen Aufnahme erfüllt.
Seite 20
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9.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen, soweit sie die
Frage des Wegweisungsvollzugs betrifft. Die Ziffern 4 und 5 des Dispo-
sitivs der Verfügung des Bundesamtes vom 7. Mai 2004 sind demnach
aufzuheben und das BFM ist anzuweisen, die Beschwerdeführer und
ihre vier Kinder in der Schweiz wegen Unzumutbarkeit des Wegwei-
sungsvollzugs vorläufig aufzunehmen (vgl. Art. 44 Abs. 2 AsylG und
Art. 83 Abs. 4 AuG). Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen.
10.
10.1
Bei diesem Ausgang des Verfahrens - zufolge Unterliegens im Asyl-
und Wegweisungspunkt - wären den Beschwerdeführern die hälftigen
Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 300.-- aufzuerlegen (Art. 63 Abs.
1 VwVG, Art. 16 Abs. 1 Bst. a VGG i.V.m. Art. 2 und 3 des Reglements
vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem
Bundesverwaltungsgericht ([VGKE, SR 173.320.2]). Die Beschwerde-
führer ersuchten indessen um Gewährung der unentgeltlichen Rechts-
pflege.
Gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG wird eine Partei, die nicht über die erfor-
derlichen Mittel verfügt, auf Antrag hin von der Bezahlung der Verfah-
renskosten befreit, wenn ihr Begehren im Zeitpunkt der Gesuchseinrei-
chung nicht aussichtslos erscheint. Diese Voraussetzungen sind im
konkreten Fall erfüllt, da die vorliegende Beschwerde nicht als aus-
sichtslos bezeichnet werden konnte und die Beschwerdeführer ge-
mäss Aktenlage aktuell bedürftig sind. Das Gesuch um Befreiung von
der Bezahlung der Verfahrenskosten ist daher gutzuheissen und auf
die hälftigen Verfahrenskosten zu verzichten.
10.2 Nachdem die vertretenen Beschwerdeführer teilweise - hinsicht-
lich der Frage des Wegweisungsvollzuges - mit ihrer Beschwerde
durchgedrungen sind, ist ihnen für die ihnen erwachsenen notwendi-
gen und verhältnismässig hohen Kosten eine um die Hälfte reduzierte
Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 7
ff. VGKE). Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer reichte am
24. Juli 2009 eine Honorarnote ein, wobei er einen zeitlichen Aufwand
von 31.41 Stunden zum Stundenansatz von Fr. 230.- und Auslagen im
Umfang von Fr. 91.60 ausweist. Dies ergibt ein Total von Fr. 7'315.90.
Die Kostennote ist als angemessen zu bezeichnen. Unter Berücksichti-
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gung des nicht vollumfänglichen Obsiegens ist den Beschwerdefüh-
rern eine Parteientschädigung von total Fr. 3'936.-- (inkl. Auslagen und
Seite 22
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10.3 Mehrwertsteuer), welche vom Bundesamt zu entrichten ist,
zuzusprechen.
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird bezüglich des Wegweisungsvollzuges gutgehei-
ssen. Im Übrigen wird sie abgewiesen.
2.
Die Ziffern 4 und 5 des Dispositivs der Verfügung vom 19. Februar
2004 werden aufgehoben und das BFM wird angewiesen, die Be-
schwerdeführer in der Schweiz vorläufig aufzunehmen.
3.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im
Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG wird gutgeheissen. Es werden keine
Verfahrenskosten auferlegt.
4.
Das BFM wird angewiesen, den Beschwerdeführern eine Parteient-
schädigung von Fr. 3'936.-- (inkl. Auslagen und MWSt) auszurichten.
5.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführer, das BFM und das
Y._______
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Muriel Beck Kadima Alexandra Püntener
Versand:
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