E-3282/2009 - Abteilung V - Nichteintreten auf Asylgesuch (Papierlosigkeit) und Wegweisung - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung; Verf...
Karar Dilini Çevir:
E-3282/2009 - Abteilung V - Nichteintreten auf Asylgesuch (Papierlosigkeit) und Wegweisung - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung; Verf...
B u n d e s ve r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
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Abteilung V
E-3282/2009


U r t e i l v o m 6 . M ä r z 2 0 1 2
Besetzung

Richter Daniel Willisegger (Vorsitz),
Richter Bruno Huber, Richterin Emilia Antonioni,
Gerichtsschreiberin Barbara Balmelli.
Parteien

A._______, geboren am (…),
Äthiopien,
(…)
Beschwerdeführerin,


gegen

Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung;
Verfügung des BFM vom 8. Mai 2009 / N (…).


E-3282/2009
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Sachverhalt:
A.
Die Beschwerdeführerin verliess eigenen Angaben zufolge Äthiopien am
16. Oktober 2007 auf dem Luftweg, reiste in die Schweiz ein und suchte
gleichentags um Asyl nach. Am 2. November 2007 wurde sie im Emp-
fangs- und Verfahrenszentrum Chiasso summarisch befragt. Das BFM
hörte sie am 5. Mai 2009 zu den Asylgründen an. Im Wesentlichen mach-
te die Beschwerdeführerin geltend, sie stamme aus B._______. Sie sei
nie zur Schule gegangen und sie sei Analphabetin. Ihre jüngere Schwes-
ter sei mit einem einflussreichen Mann zwangsverheiratet worden. Etwa
ein Jahr nach der Heirat sei die Schwester bei der Geburt ihres Kindes
gestorben. Ihr Schwager habe sie daraufhin heiraten wollen, was sie in-
des abgelehnt habe. In der Folge habe ihr Schwager ihre Eltern bedroht.
Ihr Vater habe sie deshalb zu ihrer Tante nach C._______ geschickt, wel-
che die Reise ins Ausland organisiert habe.
B.
Mit Verfügung vom 8. Mai 2009 trat das BFM auf das Asylgesuch nicht
ein, verfügte die Wegweisung aus der Schweiz und ordnete deren Vollzug
an. Der Beschwerdeführerin wurden die editionspflichtigen Akten gemäss
Aktenverzeichnis ausgehändigt.
C.
Mit Eingabe vom 20. Mai 2009 reichte die Beschwerdeführerin beim Bun-
desverwaltungsgericht Beschwerde ein und beantragte, die Verfügung
des BFM sei aufzuheben und zur materiellen Prüfung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Wegen Unzumutbarkeit sowie Unzulässigkeit des Weg-
weisungsvollzugs sei sie vorläufig aufzunehmen. In prozessualer Hinsicht
beantragte sie, es sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren
und es sei auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten.
D.
D.a. Mit Zwischenverfügung vom 26. Mai 2009 hiess die damals zustän-
dige Instruktionsrichterin das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege gut und verzichtete antragsgemäss auf die Erhebung eines
Kostenvorschusses. Sodann setzte sie der Beschwerdeführerin Frist zur
Nachreichung eines ärztlichen Zeugnisses.
D.b. Die Beschwerdeführerin reichte am 25. Mai 2009 fristgerecht ein
ärztliches Attest von Dr. med. D._______, datiert vom 3. September 2008,
ein.
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Seite 3
E.
Die Beschwerdeführerin gab mit Schreiben vom 8. Juni 2009 einen weite-
ren ärztlichen Bericht von Dr. D._______, datiert vom 2. Juni 2009, sowie
ein Attest des Spitals E._______ vom 29. Mai 2009 zu den Akten.
F.
F.a. Die Vorinstanz beantragte in der Vernehmlassung vom 2. Juli 2009
die Abweisung der Beschwerde.
F.b. Am 9. Juli 2009 unterbreitete die Instruktionsrichterin der Beschwer-
deführerin die Vernehmlassung zur Stellungnahme. Innert der angesetz-
ten Frist reichte diese am 21. Juli 2009 die Replik ein.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
(VGG, SR 173.32) ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von
Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021)
zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel – wie
auch vorliegend – endgültig (vgl. Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesge-
richtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]; Art. 105 des Asyl-
gesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]). Die Beschwerdeführe-
rin ist als Verfügungsadressatin zur Beschwerdeführung legitimiert
(Art. 48 VwVG). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde
(Art. 52 VwVG und Art. 108 Abs. 2 AsylG) ist einzutreten.

2.
2.1. Das Bundesverwaltungsgericht überprüft die angefochtene Verfü-
gung auf Verletzung von Bundesrecht, unrichtige oder unvollständige
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und Unangemessenheit
hin (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
2.2. Die Beurteilungskompetenz des Bundesverwaltungsgerichts ist bei
Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, die in Anwendung von
Art. 32 Abs. 2 Bst. a i.V.m. Art. 32 Abs. 3 AsylG ergingen, nicht auf die
Frage beschränkt, ob die Vorinstanz auf das Asylgesuch zu Recht nicht
eingetreten ist. Vielmehr bildet auch die Flüchtlingseigenschaft Streitge-
genstand. Im Rahmen einer summarischen Prüfung ist das offenkundige
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Fehlen der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin und von Weg-
weisungsvollzugshindernissen zu beurteilen (BVGE 2007/8 E. 2.1 und
5.6.5). Bezüglich der Wegweisung und des Wegweisungsvollzuges ist die
Beurteilungskompetenz nicht beschränkt, da die Vorinstanz dies materiell
geprüft hat (BVGE 2007/8 E. 2.1).
3.
3.1. Die Beschwerdeführerin rügt zunächst eine Verletzung von Art. 37
Abs. 1 AsylG. Gemäss dieser Bestimmung sind Nichteintretensentschei-
de in der Regel innerhalb von zehn Arbeitstagen nach der Gesuchstellung
zu treffen und summarisch zu begründen.

3.2. Bereits aus der in Art. 37 Abs. 1 AsylG verwendeten Formulierung
("in der Regel") ergibt sich, dass die angeführte Verfahrensfrist nicht ab-
solut gilt. Sodann ist nach konstanter Rechtsprechung, sofern die Vor-
aussetzungen für einen Nichteintretensentscheid gegeben sind, auf ein
Asylgesuch auch dann nicht einzutreten, wenn die in Art. 37 AsylG statu-
ierte Entscheidungsfrist längst abgelaufen ist (vgl. Entscheidungen und
Mitteilungen der vormaligen Schweizerischen Asylrekurskommission
[EMARK] 2002 Nr. 15 E. 5d). Schliesslich ist festzuhalten, dass der Be-
schwerdeführerin aus der langen Verfahrensdauer kein konkreter Nachteil
erwachsen ist; Entsprechendes macht sie auch nicht geltend. Die erho-
bene Rüge erweist sich somit als unbegründet.
4.
4.1. Gemäss Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG wird auf ein Asylgesuch nicht
eingetreten, wenn die asylsuchende Person den Behörden nicht innert 48
Stunden nach Einreichung des Gesuchs Reise- oder Identitätspapiere
abgibt. Diese Bestimmung findet nach Art. 32 Abs. 3 AsylG keine Anwen-
dung, wenn die asylsuchende Person glaubhaft machen kann, dass sie
dazu aus entschuldbaren Gründen nicht in der Lage war (Bst. a), wenn
aufgrund der Anhörung sowie gestützt auf Art. 3 und 7 AsylG die Flücht-
lingseigenschaft festgestellt wird (Bst. b), oder wenn sich auf Grund der
Anhörung erweist, dass zusätzliche Abklärungen zur Feststellung der
Flüchtlingseigenschaft oder eines Wegweisungsvollzugshindernisses nö-
tig sind (Bst. c).
4.2. Dass die Beschwerdeführerin innerhalb von 48 Stunden nach Einrei-
chen des Asylgesuchs keine Ausweispapiere abgegeben hat, liegt ausser
Streit. Insoweit stützt sich die Vorinstanz zu Recht auf Art. 32 Abs. 2
Bst. a AsylG, was in der Rechtsmitteleingabe nicht in Frage gestellt wird.
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4.3. Demgegenüber macht die Beschwerdeführerin einerseits entschuld-
bare Gründe im Sinne von Art. 32 Abs. 3 Bst. a AsylG geltend, anderer-
seits bringt sie vor, aufgrund der Anhörung und der gesetzlichen Bestim-
mungen erfülle sie die Flüchtlingseigenschaft (Art. 32 Abs. 3 Bst. b). Sie
macht somit geltend, die Vorinstanz hätte gestützt auf Art. 32 Abs. 3
Bst. a und b AsylG auf das Asylgesuch eintreten müssen.
5.
5.1. Gemäss Art. 32 Abs. 3 Bst. a AsylG ist auf Asylgesuche trotz Papier-
losigkeit einzutreten, wenn Asylsuchende glaubhaft machen können, dass
sie aus entschuldbaren Gründen nicht in der Lage sind, innerhalb von
48 Stunden nach Einreichung des Gesuchs Reise- oder Identitätspapiere
abzugeben.
5.2. Die Vorinstanz stellt in der angefochtenen Verfügung fest, es sei
grundsätzlich davon auszugehen, dass die volljährige Beschwerdeführe-
rin zum Zeitpunkt ihrer Ausreise über ein Identitätspapier oder eine Ge-
burtsurkunde verfügt habe, welches sie als äthiopische Staatsangehörige
ausweise. Weiter würden Reisende an Flughäfen mit internationalen und
interkontinentalen Destinationen in der Regel mehrmals geprüft. Es sei
daher realitätsfern, wenn die Beschwerdeführerin vorbringe, sie sei auf
ihrer Reise nie kontrolliert worden. Es würden somit keine entschuldbaren
Gründe im Sinne von Art. 32 Abs. 3 Bst. a AsylG vorliegen.
Dem hält die Beschwerdeführerin in der Rechtsmitteleingabe entgegen, in
ländlichen Gebieten Äthiopiens sei es schwierig, in den Besitz von Identi-
tätsdokumenten zu kommen. Sie habe nie die Schule besucht, weshalb
kein Anlass bestanden habe, einen Identitätsausweis zu beantragen.
5.3. Das Bundesverwaltungsgericht hält zunächst fest, dass das wichtigs-
te Identifikationsmittel in Äthiopien die Kebele-Identitätskarte ist. Es ist
davon auszugehen, dass der überaus grösste Teil der äthiopischen Be-
völkerung im Besitze eines solchen Ausweispapieres ist. Dass es in länd-
lichen Gebieten von Äthiopien allenfalls schwieriger sein könnte, ein Rei-
sedokument zu beschaffen, ist nicht gänzlich auszuschliessen. Demge-
genüber ist es absolut unwahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin
von Afrika aus ohne einen gültigen Identitätsausweis über internationale
Flughäfen gereist sein will. Sodann besteht zwischen der Tatsache, dass
die Beschwerdeführerin keine Schule besucht hat, und der Frage des Be-
sitzes eines Identitätsausweises offensichtlich kein Zusammenhang, denn
ein Ausweis dient nicht ausschliesslich zum Reisen, sondern auch um
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sich bei anderer Gelegenheit persönlich zu identifizieren. Schliesslich und
vor allem legt die Beschwerdeführerin mit keinem Wort dar, inwiefern sie
sich in den letzten vier Jahren seit ihrer Einreise in die Schweiz konkret
und ernsthaft darum bemüht hat, ihre Reise- oder Identitätspapiere innert
angemessener Frist zu beschaffen beziehungsweise ihre Bemühungen
mit entsprechenden Beweismitteln zu belegen (vgl. BVGE 2010/2 E. 6.3).
Die Vorinstanz hat demnach entschuldbaren Gründe im Sinne von Art. 32
Abs. 3 Bst. a AsylG zu Recht verneint.
6.
6.1. Gemäss Art. 32 Abs. 3 Bst. b und c AsylG ist auf Asylgesuche trotz
Papierlosigkeit einzutreten, wenn auf Grund der Anhörung sowie gestützt
auf Art. 3 und 7 AsylG die Flüchtlingseigenschaft festgestellt wird oder
wenn sich erweist, dass zusätzliche Abklärungen zur Feststellung der
Flüchtlingseigenschaft oder eines Wegweisungsvollzugshindernisses nö-
tig sind.
6.2. Die Vorinstanz gelangt in der angefochtenen Verfügung zum Schluss,
die Beschwerdeführerin erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht. Zur Be-
gründung führt sie aus, die Vorbringen seien nicht glaubhaft. Die Be-
schwerdeführerin kenne den Namen des Ehemannes ihrer verstorbenen
Schwester nicht, welcher sie nach deren Tod habe heiraten wollen. Sie
schildere zwar, dass er hochrangig gewesen sei, Macht gehabt und ihre
Familie bedroht habe. Konkrete Angaben diesbezüglich bleibe sie aber
schuldig. Ferner habe sie auch keine hinreichenden Angaben zum Zeit-
punkt des geltend gemachten Todes ihrer Schwester und zum Alter ihres
Neffen machen können.
In der Rechtsmitteleingabe verweist die Beschwerdeführerin zur Erklä-
rung ihrer wenig konkreten Angaben auf ihre ländliche Herkunft, ihr jun-
ges Alter und den Umstand, dass sie nie eine Schule besucht habe.
6.3. Die Beschwerdeführerin vermag die mangelhaften Kenntnisse mit
den drei Hinweisen nicht zu erklären. Das Nichtkennen des Namens des
Schwagers beziehungsweise künftigen Ehemannes hat weder etwas mit
der Herkunft noch mit dem Alter noch mit der fehlenden Ausbildung der
volljährigen Beschwerdeführerin zu tun. Bei den Befragungen zu den
Asylgründen geht es in erster Linie darum, über selbst Erlebtes zu berich-
ten sowie alltägliches Wissen wiederzugeben, wozu die vorgenannten
Themenkreise ohne weiteres zu zählen sind. Ebenso wenig haben Her-
kunft, Alter und Bildung bei der Schilderung der Stellung des Schwagers
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sowie dessen Drohung gegen die Familie der Beschwerdeführerin zu tun.
Weitergehend vermag sie mit dem Wiederholen ihrer Aussagen und dem
sinngemässen Festhalten daran nicht substantiiert darzutun, inwiefern die
Vorinstanz zu Unrecht geschlossen hat, sie erfülle die Voraussetzungen
der Flüchtlingseigenschaft nicht. Insgesamt ergibt sich, dass die Vorin-
stanz die Flüchtlingseigenschaft zu Recht verneint und diesbezüglich wei-
tere Abklärungen zutreffend für nicht notwendig erachtet hat.
7.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vorinstanz zu Recht gestützt
auf Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG auf das Asylgesuch der Beschwerdeführe-
rin nicht eingetreten ist.
8.
Gemäss Art. 44 Abs. 1 AsylG verfügt das Bundesamt in der Regel die
Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an, wenn es das
Asylgesuch ablehnt oder darauf nicht eintritt. Die Beschwerdeführerin ver-
fügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch
über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen (Art. 44 Abs. 1 AsylG;
BVGE 2009/50 E. 9 S. 733). Die Wegweisung wurde demnach zu Recht
verfügt.
9.
9.1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder
nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach
den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Aus-
ländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom
16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG,
SR 142.20]).
Nach Art. 83 Abs. 3 AuG ist der Vollzug nicht zulässig, wenn völkerrechtli-
che Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder
des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat entge-
genstehen. Da der Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft nicht
zukommt, ist das flüchtlingsrechtliche Rückschiebungsverbot von Art. 33
Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) und Art. 5 AsylG nicht anwendbar. Die Zu-
lässigkeit des Vollzuges beurteilt sich vielmehr nach den allgemeinen ver-
fassungs- und völkerrechtlichen Bestimmungen (Art. 25 Abs. 3 der Bun-
desverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April
1999 [BV, SR 101]); Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984
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gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende
Behandlung oder Strafe [FoK, SR 0.105]; Art. 3 der Konvention vom
4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreihei-
ten [EMRK, SR 0.101]. Weder aus den Aussagen der Beschwerdeführerin
noch aus den Akten ergeben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie
für den Fall einer Ausschaffung nach Äthiopien dort mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen
Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Nach dem Gesagten ist der
Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne der asyl- als auch der völker-
rechtlichen Bestimmungen zulässig.
9.2. Nach Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und
Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat auf
Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und
medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Art. 83 Abs. 4 AuG findet
insbesondere Anwendung auf Personen, die nach ihrer Rückkehr einer
konkreten Gefahr ausgesetzt wären, weil sie aus objektiver Sicht wegen
der vorherrschenden Verhältnisse mit grosser Wahrscheinlichkeit in völli-
ge und andauernde Armut gestossen würden, dem Hunger und somit ei-
ner ernsthaften Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes, der Inva-
lidität oder sogar dem Tod ausgeliefert wären (vgl. BVGE 2009/28
E. 9.3.1).
Vorliegend ist der Vollzug der Wegweisung nach Äthiopien im Sinne der
vorgenannten Bestimmung zumutbar. Die allgemeine Lage in Äthiopien
ist weder durch Krieg, Bürgerkrieg noch durch eine Situation allgemeiner
Gewalt gekennzeichnet, aufgrund derer die Zivilbevölkerung allgemein
als konkret gefährdet bezeichnet werden müsste. Sodann sind den Akten
keine Hinweise auf individuelle, in der Person der Beschwerdeführerin
liegende Vollzugshindernisse zu entnehmen. Die Beschwerdeführerin hat
im Jahre 2009 drei ärztliche Zeugnisse zu den Akten gegeben. In den At-
testen wurden eine Gastritis sowie unklare Skelettschmerzen diagnosti-
ziert. Gemäss dem ärztlichen Bericht des Spitals E._______ vom 29. Mai
2009, mithin des letzten medizinischen Attests, auf den der behandelnde
Arzt Dr. D._______ im Bericht vom 2. Juni 2009 verweist, besteht kein
notwendiger Bedarf zur weiteren Abklärung. Es ist demnach davon aus-
zugehen, dass die Magenschleimhautentzündung, welche in der Regel
nach rund vier Wochen abheilt, der Beschwerdeführerin zwischenzeitlich
keine Beschwerden mehr bereitet und sie nicht an anderweitigen ge-
sundheitlichen Problemen leidet. Jedenfalls hat die Beschwerdeführerin
in den letzten zweieinhalb Jahren im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht
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(vgl. Art. 8 AsylG) kein weiteres ärztliches Zeugnis eingereicht. Es liegen
somit keine Wegweisungshindernisse medizinischer Art vor, welche den
Vollzug der Wegweisung als unzumutbar erscheinen liessen.
Weiter ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin die prägenden Kin-
der- und Jugendjahre in Äthiopien verbracht hat und demnach mit der
dortigen Kultur und Tradition verwurzelt ist. Gemäss ihren Angaben leben
ihre Eltern und Geschwister sowie weitere nahe Verwandte nach wie vor
in B._______. Damit verfügt die Beschwerdeführerin an ihrem Herkunfts-
ort über ein bestehendes familiäres Beziehungsnetz, auf welches sie bei
einer Rückkehr zurückgreifen und welches ihr bei der Reintegration be-
hilflich sein kann. Der Vollzug der Wegweisung ist daher insgesamt als
zumutbar zu erachten.
9.3. Nach Art. 83 Abs. 2 AuG ist der Wegweisungsvollzug schliesslich
auch als möglich zu bezeichnen. Es obliegt der Beschwerdeführerin, sich
bei der zuständigen äthiopischen Vertretung die für eine Rückkehr not-
wendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und
dazu BVGE 2008/34 E. 12).
10.
Nach dem Gesagten ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bun-
desrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und
vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Be-
schwerde ist abzuweisen.
11.
Mit Zwischenverfügung vom 26. Mai 2009 wurde das Gesuch der Be-
schwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gut-
geheissen. Demnach sind ihr keine Verfahrenskosten aufzuerlegen.

(Dispositiv nächste Seite)

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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das BFM und die zustän-
dige kantonale Behörde.

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Daniel Willisegger Barbara Balmelli


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