E-2731/2009 - Abteilung V - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung - Nichteintreten
Karar Dilini Çevir:
E-2731/2009 - Abteilung V - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung - Nichteintreten
Abtei lung V
E-2731/2009/sca
{T 0/2}
U r t e i l v o m 5 . M a i 2 0 0 9
Einzelrichter Markus König,
mit Zustimmung von Richter Kurt Gysi;
Gerichtsschreiberin Karin Maeder-Steiner.
A._______,
Nigeria,
(Adresse),
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung;
Verfügung des BFM vom 16.4.2009 / N_______.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
E-2731/2009
Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,
dass der Beschwerdeführer am 9. November 2008 in der Schweiz um
Asyl nachsuchte,
dass das BFM am (Datum) im B._______ die summarische Anhörung
und am (Datum) in Bern die Anhörung zu den Asylgründen
durchführte,
dass das BFM mit Verfügung vom 16. April 2009 – eröffnet am 21. Ap-
ril 2009 – in Anwendung von Art. 32 Abs. 2 Bst. a des Asylgesetzes
vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) auf das Asylgesuch nicht ein-
trat und die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug anordne-
te,
dass das BFM zur Begründung im Wesentlichen anführte, die Vorbrin-
gen des Beschwerdeführers seien unsubstanziiert und teilweise wider-
sprüchlich, mithin unglaubhaft,
dass der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 28. April 2009 gegen die-
sen Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhob und
dabei sinngemäss die Aufhebung der Verfügung des BFM und die
Rückweisung der Sache zur materiellen Beurteilung und zur Guthei-
ssung durch das BFM, eventuell die Aufhebung der Verfügung im Weg-
weisungspunkt und die Anordnung der vorläufigen Aufnahme sowie
die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung beantragt,
dass zur Begründung unter anderem geltend gemacht wird, bei der
Anhörung zu den Asylgründen habe es Verständigungsprobleme mit
dem Dolmetscher gegeben, und das BFM sei zu Unrecht von der Un-
glaubhaftigkeit der Asylvorbringen ausgegangen,
dass die vorinstanzlichen Akten am 30. April 2009 beim Bundesverwal-
tungsgericht eintrafen (Art. 109 Abs. 2 AsylG),
und das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung,
dass es endgültig über Beschwerden gegen Verfügungen (Art. 5 des
Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfah-
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ren [VwVG, SR 172.021]) des BFM entscheidet (Art. 105 AsylG i.V.m.
Art. 31-34 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG,
SR 173.32]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]),
dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung beson-
ders berührt ist, ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung be-
ziehungsweise Änderung hat und daher zur Einreichung der Be-
schwerde legitimiert ist (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 VwVG),
dass somit auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ein-
zutreten ist (Art. 108 Abs. 2 AsylG und Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 52
VwVG),
dass mit Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
und die Unangemessenheit gerügt werden können (Art. 106 Abs. 1
AsylG),
dass bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es
das BFM ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu
überprüfen (Art. 32-35 AsylG), die Beurteilungskompetenz der Be-
schwerdeinstanz grundsätzlich auf die Frage beschränkt ist, ob die
Vorinstanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist,
dass sich die Beschwerdeinstanz – sofern sie den Nichteintretensent-
scheid als unrechtmässig erachtet – einer selbständigen materiellen
Prüfung enthält, die angefochtene Verfügung aufhebt und die Sache zu
neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückweist (vgl. Entscheidun-
gen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission
[EMARK] 2004 Nr. 34 E. 2.1. S. 240 f.),
dass über offensichtlich begründete Beschwerden in einzelrichterlicher
Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungswei-
se einer zweiten Richterin entschieden wird (Art. 111 Bst. e AsylG)
und es sich vorliegend, wie nachfolgend aufgezeigt, um eine solche
handelt, weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu be-
gründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG),
dass gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG auf einen Schriftenwechsel
verzichtet wurde,
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dass auf ein Asylgesuch nicht eingetreten wird, wenn Asylsuchende
den Behörden nicht innerhalb von 48 Stunden nach Einreichung des
Gesuchs Reise- oder Identitätspapiere abgeben (Art. 32 Abs. 2 Bst. a
AsylG),
dass diese Bestimmung jedoch keine Anwendung findet, wenn Asylsu-
chende glaubhaft machen können, sie seien dazu aus entschuldbaren
Gründen nicht in der Lage (Art. 32 Abs. 3 Bst. a AsylG), oder wenn auf
Grund der Anhörung sowie gestützt auf Art. 3 und 7 AsylG die Flücht-
lingseigenschaft festgestellt wird (Art. 32 Abs. 3 Bst. b AsylG) oder
wenn sich auf Grund der Anhörung die Notwendigkeit zusätzlicher Ab-
klärungen zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft oder eines Voll-
zugshindernisses ergibt (Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG),
dass vorliegend die Nichtabgabe von Reise- oder Identitätspapieren im
Sinne von Art. 32 Abs. 2 Bst. a und Abs. 3 Bst. a AsylG innerhalb von
48 Stunden nach Einreichung des Asylgesuchs unbestritten ist,
dass der Beschwerdeführer unter anderem die falsche oder unvollstän-
dige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts rügt, weil er in
englischer Sprache zu seinen Asylgründen angehört worden sei, die er
nicht genügend beherrsche,
dass der Beschwerdeführer bei der in Igbo durchgeführten Summarbe-
fragung im Transitzentrum nach seinen Sprachkenntnissen befragt
wurde und "Muttersprache: Igbo (Ibo)", "andere Sprachen genügend
für die Anhörung: keine" und "übrige Sprachkenntnisse: englisch, we-
nig" zu Protokoll gab (vgl. dort, S. 2),
dass er zu Beginn der einlässlichen Anhörung zu Protokoll gab, den
englischsprachigen Dolmetscher nicht genügend verstehen zu können
(vgl. Protokoll der Anhörung zu den Asylgründen F2/S. 2: "Warum wei-
nen Sie? Ich verstehe nicht alles."),
dass der Befrager darauf erwiderte, im Moment stehe kein Ibo-Dolmet-
scher zur Verfügung, und er habe den Eindruck, der Beschwerdeführer
verfüge über genügend gute Kenntnisse der englischen Sprache, um
die Befragung durchzuführen (vgl. a.a.O., S. 3),
dass die ausführliche Darlegung der materiellen Begründung eines
Asylgesuchs ein hohes Mass an sprachlichem Verständnis zwischen
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Befrager und Befragtem – beziehungsweise zwischen letzterem und
dem mitwirkenden Dolmetscher – erfordert,
dass Asylsuchende gemäss Lehre und konstanter Praxis einen An-
spruch darauf haben, ihre Asylgründe in einer von ihnen beherrschten
Sprache vorzubringen, und ihnen die Mitwirkung an einer in einer an-
deren Sprache geführten Befragung nicht zuzumuten ist (vgl. dazu be-
reits: Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylre-
kurskommission [EMARK] 1993 Nr. 36 E. 3 f. mit weiteren Hinweisen),
dass dem Befragungsprotokoll Hinweise zu entnehmen sind, dass der
Beschwerdeführer die englische Sprache tatsächlich nicht hinreichend
beherrscht (vgl. etwa diese Protokollpassagen: "Wenn Sie das nicht
genauer erzählen können, müssen wir davon ausgehen, dass es nicht
glaubwürdig ist. Es gehört auch zu Ihrer Mitwirkungspflicht. Wenn ich
jetzt Ibo sprechen könnte, könnte ich es Ihnen sagen [F10/S. 3]: "Wie
lange nach dem Tod der Königstochter wurde Ihre Mutter mitge-
nommen? Sie haben sie nur einmal verhaftet. Frage wiederholt. Sie
blieb zwei Tage dort, bis sie sie wieder frei liessen. Frage wiederholt.
Welche Frage? Ich denke, Sie haben die Frage verstanden. Sie wurde
Ihnen zweimal erklärt. wiederholt. Frage wiederholt. Das weiss ich
nicht [F73 ff./S. 8])",
dass die im Protokoll der ausführlichen Anhörung aufgeführten Aussa-
gen auch einen einsilbigeren und ausdrucksärmeren Eindruck hinter-
lassen, als die während der Summarbefragung im Empfangszentrum
protokollierten,
dass an diesen Feststellungen auch der Hinweis auf die ausgebliebe-
ne Intervention der Hilfswerksvertretung (vgl. angefochtene Verfügung,
S. 5) nichts zu ändern vermag und sich im Übrigen aus den Akten
auch nicht ergibt, dass diese selber über hinreichende Kenntnisse der
englischen Sprache verfügt, um den Grad der Verständigung zwischen
dem damaligen Gesuchsteller und dem Übersetzer zuverlässig beur-
teilen zu können,
dass der für eine ordnungsgemässe Anhörung zu den Asylgründen er-
forderliche Verständigungsgrad anlässlich der erwähnten Befragung
nach dem Gesagten nicht gegeben war und der rechtserhebliche
Sachverhalt damit von der Vorinstanz nicht hinreichend erstellt worden
ist,
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dass die Beschwerde deshalb gutzuheissen ist, soweit die Aufhebung
der angefochtenen Verfügung beantragt wird, und die Akten zur voll-
ständigen und korrekten Sachverhaltserhebung an das BFM zu retour-
nieren sind,
dass bei diesem Ausgang des Verfahrens keine Kosten zu erheben
sind (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG), womit das Gesuch um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege gegenstandslos wird,
dass nicht davon auszugehen ist, dem nicht verbeiständeten Be-
schwerdeführer seien verhältnismässig hohe Parteikosten im Sinne
von Art. 64 Abs. 1 VwVG erwachsen, weshalb keine Parteientschädi-
gung zuzusprechen ist.
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird insoweit gutgeheissen, als die Aufhebung der
angefochtenen Verfügung beantragt worden ist.
2.
Die Verfügung des BFM vom 16. April 2009 wird aufgehoben. Die Ak-
ten werden zur Weiterführung des Asylverfahrens und zur vollständi-
gen und korrekten Sachverhaltserhebung an das BFM zurückge-
schickt.
3.
Es werden keine Kosten zu erhoben.
4.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
5.
Dieses Urteil geht an:
- den Beschwerdeführer (Einschreiben; Beilage: angefochtene Verfü-
gung im Original)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt, mit den Akten N_______ (per Ku-
rier; in Kopie), zur Weiterführung des Asylverfahrens
- C._______ (in Kopie)
Der Einzelrichter: Die Gerichtsschreiberin:
Markus König Karin Maeder-Steiner
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