E-2325/2011 - Abteilung V - Vollzug der Wegweisung - Vollzug der Wegweisung; Verfügung des BFM vom 1. A...
Karar Dilini Çevir:
E-2325/2011 - Abteilung V - Vollzug der Wegweisung - Vollzug der Wegweisung; Verfügung des BFM vom 1. A...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung V
E-2325/2011


U r t e i l v o m 9 . A u g u s t 2 0 1 3
Besetzung

Richterin Regula Schenker Senn (Vorsitz),
Richter Hans Schürch, Richter Jean-Pierre Monnet,
Gerichtsschreiber Urs David.
Parteien

A._______,
Sri Lanka,
vertreten durch Zürcher Beratungsstelle für Asylsuchende
(ZBA),
Beschwerdeführer,


gegen

Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Vollzug der Wegweisung;
Verfügung des BFM vom 1. April 2011 / N (…).


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Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,
dass der Beschwerdeführer eigenen Angaben zufolge seinen Heimatstaat
am 19. September 2010 verliess, am 28. September 2010 auf dem Luft-
weg in die Schweiz gelangte und gleichentags im Flughafen B._______
um Asyl nachsuchte, wobei er sich den Grenzkontrollbehörden als der in-
dische Staatsbürger C._______, geboren am (…), präsentierte und sich
mit einem auf dieselben Personalien ausgestellten Reisepass mit einem
Schengen-Visum auswies, welche sich in der Folge jedoch als gefälscht
herausstellen sollten,
dass er seine Identität im Rahmen der im Transitbereich des Flughafens
durchgeführten Kurzbefragung vom 4. Oktober 2010 auf die rubrizierte
festlegte und hierzu erklärte, der Schlepper habe ihm den gefälschten
Pass gegeben,
dass das BFM mit Verfügung vom 11. Oktober 2010 die Einreise des Be-
schwerdeführers in die Schweiz zur Durchführung des ordentlichen Asyl-
verfahrens bewilligte,
dass der Beschwerdeführer anlässlich der Kurzbefragung vom 4. Oktober
2010 und der Anhörung vom 10. Dezember 2010 zu den Asylgründen im
Wesentlichen Folgendes geltend machte,
dass er ethnischer Tamile und Landwirt sei, aus D._______ (Jaffna-
Distrikt) stamme, von 1995 bis Dezember 2008 mit der Familie in
E._______ (Vanni-Gebiet), in der Folge bis Dezember 2009 in verschie-
denen Flüchtlingscamps (zuletzt im Distrikt Vavunija) und seither wieder
zu Hause in D._______ gelebt habe, wo sich nach wie vor seine Mutter
und eine Schwester aufhalten würden, wogegen seine (…) anderen
Schwestern in Point Pedro (Jaffna-Distrikt) beziehungsweise bereits seit
ungefähr (…) in der Schweiz lebten,
dass im Jahre 1999 sein Vater (…) und ein Bruder (…) gestorben seien
und ein weiterer Bruder – dieser sei (…) bei der Bewegung gewesen –
seit 2009 in einem Internierungslager festgehalten werde,
dass er selber im Jahre 1998 beziehungsweise 2008, wie damals üblich,
einmal ein Training der LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) absolviert
habe und in der Folge wenige Male für Bunkerbauten herangezogen wor-
den sei, ansonsten aber keine Aktivitäten für die LTTE entwickelt habe,
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dass er diese Tätigkeiten für die LTTE bei der Rückkehr nach D._______
im Jahre 2009 den Militär- und Polizeibehörden im Rahmen von insge-
samt drei Befragungen aufforderungsgemäss offengelegt habe,
dass er sich seit Mai 2010 aus Angst, er könnte wegen dieser früheren
Tätigkeiten für die LTTE ebenfalls in ein Internierungslager gesteckt und
dort über eine längere Zeit festgehalten werden, bei seinem Onkel im
gleichen Ort versteckt gehalten habe,
dass sich die Behörden in der Zwischenzeit zu Hause zweimal nach ihm
erkundigt hätten und deshalb der Onkel auf Initiative der Mutter seine
Ausreise in die Wege geleitet und einen Schlepper beauftragt habe, wo-
bei die Finanzierung durch Landverkäufe seiner Mutter erfolgt sei,
dass er problemlos im Besitze seiner eigenen und echten Papiere (Rei-
sepass und Identitätskarte) nach Colombo, wo er sich für zwei Aufent-
haltstage ordentlich habe registrieren lassen, und von dort über weitge-
hend unbekannte Transitländer in Begleitung des Schleppers auf dem
Luftweg in die Schweiz gelangt sei, wobei der Schlepper in F._______
den echten Pass einbehalten und ihm den gefälschten abgegeben habe,
dass der Beschwerdeführer als Beweismittel nebst dem erwähnten ge-
fälschten Reisepass seine Identitätskarte, eine "Temporary ID Card", sei-
ne Geburtsurkunde, eine Campbestätigung mitsamt Belegen über erhal-
tene Unterstützungsleistungen sowie Kopien der Todesurkunden seines
Vater und seines Bruders zu den Akten gab,
dass das BFM das Asylgesuch des Beschwerdeführers mit Verfügung
vom 1. April 2011 ablehnte und dessen Wegweisung aus der Schweiz
(Ziff. 3 des Dispositivs) sowie den Vollzug der Wegweisung (Ziff. 4 und 5
des Dispositivs) anordnete und im Übrigen den als gefälscht erkannten
Reisepass einzog,
dass das Bundesamt seinen ablehnenden Asylentscheid damit begründe-
te, die Schilderungen des Beschwerdeführers zu seiner Verfolgungssitua-
tion würden den Anforderungen von Art. 7 des Asylgesetzes vom
26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) an die Glaubhaftmachung eines Asyl
begründenden Sachverhalts nicht genügen, weshalb er die Flüchtlingsei-
genschaft nach Art. 3 AsylG nicht erfülle,
dass die Wegweisung die Regelfolge eines ablehnenden Asylentscheides
darstelle,
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dass mangels Erfüllung der Flüchtlingseigenschaft der Grundsatz der
Nichtrückschiebung gemäss Art. 5 Abs. 1 AsylG keine Anwendung finde
und keine Anhaltspunkte für eine dem Beschwerdeführer mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit drohende, durch Art. 3 der Konvention vom 4. Novem-
ber 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK,
SR 0.101) verbotene Bestrafung oder Behandlung ersichtlich seien,
dass sich ferner die allgemeine Sicherheitslage und die Lebensbedingun-
gen in Sri Lanka seit Beendigung des bewaffneten Konflikts im Mai 2009
deutlich verbessert hätten, sodass eine Rückkehr – abgesehen vom
ehemals unter LTTE-Kontrolle gestandenen Vanni-Gebiet – auch in den
Norden des Landes (darunter der Jaffna-Distrikt) grundsätzlich wieder
zumutbar sei, welche Einschätzung sich insbesondere auch in Berück-
sichtigung einer im Herbst 2010 von Vertretern des BFM durchgeführten
Dienstreise nach Sri Lanka und der UNHCR-Richtlinien vom 5. Juli 2010
betreffend den internationalen Schutzbedarf srilankischer Asylsuchender
ergebe,
dass vorliegend auch keine individuellen Gründe gegen die Zumutbarkeit
des Wegweisungsvollzuges sprächen, zumal der aus dem Jaffna-Distrikt
stammende Beschwerdeführer dort über seine Mutter, (…) Schwestern
und zahlreiche weitere Verwandte verfüge,
dass der Vollzug ausserdem technisch möglich und praktisch durchführ-
bar sei,
dass der Beschwerdeführer mit Eingabe an das Bundesverwaltungsge-
richt vom 20. April 2011 Beschwerde gegen diese Verfügung erhob und
darin nebst dem prozessualen Gesuch um Gewährung der unentgeltli-
chen Prozessführung nach Art. 65 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021)
die Aufhebung der Dispositivziffern 4 und 5, die Rückweisung der Sache
zur Neubeurteilung an die Vorinstanz, deren Anweisung zur Offenlegung
sämtlicher Herkunftsländerinformationen mittels Quellenangaben und
eventualiter die Anordnung der vorläufigen Aufnahme unter Feststellung
der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges beantragt,
dass er in der Begründung geltend macht, die vom BFM vorgenommene
aktuelle Lageeinschätzung betreffend Sri Lanka weiche von jener gemäss
dem nach wie vor Gültigkeit beanspruchenden Grundsatzentscheid des
Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 2008 ab, laut welchem ein
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Wegweisungsvollzug für Tamilen in die Nord- und Ostprovinz unzumutbar
sei,
dass das BFM, wie im letzthin ergangenen Urteil des Bundesverwal-
tungsgerichts E-5929/2006 klargestellt werde, an eine grundsätzliche Be-
urteilung der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges abgewiesener
Asylsuchender in bestimmte Herkunftsländer gebunden sei,
dass zudem die neue Lageeinschätzung auf einer Dienstreise, deren
Umstände und Erkenntnisse gänzlich im Dunkeln lägen, und auf einem
UNHCR-Bericht, dessen relevante Passagen nicht näher spezifiziert wür-
den, basiere, womit das rechtliche Gehör und insbesondere die Begrün-
dungspflicht verletzt seien,
dass aus besagtem UNHCR-Bericht jedenfalls nicht eine Lageeinschät-
zung dergestalt entnommen werden könne, dass abgesehen vom Vanni-
Gebiet wieder ein normales Leben den Alltag in Sri Lanka prägten und
Tamilen aus dem Norden dorthin zurückkehren könnten, zumal humanitä-
re Gesichtspunkte im Bericht offen gelassen würden,
dass sich auch die aktuelle Einschätzung der Schweizerischen Flücht-
lingshilfe (SFH) nicht mit der neuen Lagebeurteilung des BFM decke und
die SFH eine Praxisänderung insbesondere angesichts der noch immer
bedenklichen Menschenrechtssituation und kriegsbedingten Zerstörun-
gen für übereilt und problematisch halte,
dass er somit als Tamile aus dem Norden ohne Wohnsitzalternative in
Colombo praxisgemäss Anspruch auf Gewährung der vorläufigen Auf-
nahme habe,
dass mit Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Ap-
ril 2011 der legale Aufenthalt des Beschwerdeführers während des Be-
schwerdeverfahrens festgestellt, das Gesuch um Gewährung der unent-
geltlichen Prozessführung nach Art. 65 Abs. 1 VwVG mit Verzicht auf die
Erhebung eines Kostenvorschusses gutgeheissen und allfällige weitere
Instruktionsmassnahmen sowie die Behandlung der weiteren Anträge auf
einen späteren Zeitpunkt in Aussicht gestellt wurden,
dass das BFM mit Vernehmlassung vom 14. Januar 2013 innert antrags-
gemäss erstreckter Frist die Abweisung der Beschwerde beantragt und
zur Begründung auf den angefochtenen Entscheid, den der Vernehmlas-
sung beigelegten, am 22. Dezember 2011 erstellten Bericht betreffend die
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im September 2010 durchgeführte Dienstreise nach Sri Lanka sowie den
ebenfalls zwischenzeitlich ergangenen Grundsatzentscheid des Bundes-
verwaltungsgerichts, BVGE 2011/24, verweist,
dass der Beschwerdeführer mit fristgerecht eingereichter Replik vom
30. Januar 2013 seinerseits an den gestellten Anträgen und bisherigen
Standpunkten festhält,
dass er in der Begründung den Dienstreisebericht aufgrund der fehlenden
Kommentierung und Datierung nach Erlass der angefochtenen Verfügung
als irrelevant bezeichnet und hinsichtlich des Verweises auf den
Grundsatzentscheid BVGE 2011/24 eine unterbliebene einzelfallspezifi-
sche Auseinandersetzung mit seiner Person und mithin eine ungenügen-
de Erfüllung der Begründungspflicht rügt,
dass der Grundsatzentscheid für die Annahme der Zumutbarkeit des
Wegweisungsvollzuges in den Norden Sri Lankas das Zusammentreffen
verschiedener begünstigender Faktoren voraussetze, welche in seinem
Fall aber nicht gegeben seien,
dass die in der Verfügung erwähnten zahlreichen Verwandten in den Pro-
tollen nicht aktenkundig seien, er keinen Berufsabschluss als Bauer habe,
das familieneigene Haus in D._______ im Krieg zerstört worden sei und
seine betagte Mutter und die eine Schwester nun in einer nahegelegenen
Mietwohnung leben würden und mithin weder von einem tragfähigen Be-
ziehungsnetz noch von konkreten Möglichkeiten der Sicherung des Exis-
tenzminimums und der Wohnsituation auszugehen sei,
dass er darüber hinaus insofern einer besonderen Gefährdungssituation
im Falle der Rückkehr ausgesetzt sei, als er unbestrittenerweise für die
LTTE tätig gewesen sei und Familienangehörige habe, die bei der Orga-
nisation gewesen seien,

und zieht in Erwägung,
dass das Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Asyls endgültig
über Beschwerden gegen Verfügungen (Art. 5 VwVG) des BFM entschei-
det, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor
welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG
i.V.m. Art. 31–33 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
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[VGG, SR 173.32]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]),
dass eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG nicht
vorliegt, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet,
dass sich das Verfahren nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG rich-
tet, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und
Art. 6 AsylG),
dass der Beschwerdeführer am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenom-
men hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist, ein
schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Ände-
rung hat und daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert ist
(Art. 105 AsylG und Art. 48 Abs. 1 VwVG),
dass somit auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde einzu-
treten ist (Art. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 VwVG),
dass Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens gemäss den
klaren Beschwerdeanträgen die Prüfung der Rechtmässigkeit des ange-
ordneten Wegweisungsvollzuges bildet, wogegen die Dispositivziffern 1,
2, 3 und 6 der vorinstanzlichen Verfügung (Verneinung der Flüchtlingsei-
genschaft, Ablehnung des Asylgesuchs, Wegweisungsanordnung als sol-
che und Einziehung des gefälschten Reisepasses) unangefochten
geblieben und damit bereits in Rechtskraft erwachsen sind,
dass mit Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder
unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die
Unangemessenheit gerügt werden können (Art. 106 Abs. 1 AsylG),
dass das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen
Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern regelt,
wenn der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder
nicht möglich ist (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bundesgesetzes
vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG,
SR 142.20]),
dass bezüglich der Geltendmachung von Wegweisungshindernissen ge-
mäss ständiger Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Be-
weisstandard wie bei der Flüchtlingseigenschaft gilt, das heisst, sie sind
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zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls we-
nigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2),
dass der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig ist, wenn völkerrechtli-
che Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder
des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat entge-
genstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG),
dass keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwun-
gen werden darf, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem
Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft,
zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1
AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über
die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]),
dass der Vollzug der Wegweisung vorliegend in Beachtung dieser mass-
geblichen völker- und landesrechtlichen Bestimmungen zulässig ist, da es
dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche
Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, weshalb das in
Art. 5 AsylG verankerte Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-
Refoulement im vorliegenden Verfahren keine Anwendung findet und kei-
ne Anhaltspunkte für eine menschenrechtswidrige Behandlung im Sinne
von Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenos-
senschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), von Art. 3 des Übereinkom-
mens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, un-
menschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105)
und der Praxis zu Art. 3 EMRK ersichtlich sind, die im Heimat- oder Her-
kunftsstaat droht,
dass diese Erkenntnis angesichts des Umstandes, dass insbesondere die
Ziffern 1 und 2 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung bereits un-
angefochten in Rechtskraft erwachsen sind und sich der einzige materiel-
le Beschwerdeantrag auf die Feststellung der Zumutbarkeit – nicht auch
der Zulässigkeit – des Wegweisungsvollzuges beschränkt, ebenfalls als
unbestritten zu bezeichnen ist,
dass es zwar dem Beschwerdeführer nicht verwehrt ist, ein eigentliches
Verfolgungsvorbringen (vorliegend Gefährdung aufgrund früherer LTTE-
Tätigkeit) als Begründungselement für die von ihm beantragte Feststel-
lung der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges zu verwenden, das
Bundesverwaltungsgericht sich aber angesichts der weitgehend unkom-
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mentiert bleibenden erneuten Geltendmachung dieses Vorbringens nicht
veranlasst sieht, die bis zur Replik unbestritten gebliebene und umfas-
send begründete Erkenntnis des BFM betreffend die Unglaubhaftigkeit
der Verfolgungsvorbringen nunmehr wieder zu hinterfragen,
dass sich der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer als unzumutbar
erweist, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat aufgrund von Situatio-
nen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notla-
ge konkret gefährdet sind (Art. 83 Abs. 4 AuG),
dass vorliegend weder die allgemeine Lage in Sri Lanka noch individuelle
Gründe auf eine konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle
einer Rückkehr schliessen lassen,
dass diesbezüglich vorab auf die Erwägungen im angefochtenen Ent-
scheid (dort E. II/2) und deren zusammenfassende Wiedergabe oben
(vgl. S. 4) verwiesen werden kann,
dass die Abstützung von Erkenntnissen auf eine im Rahmen einer Dienst-
reise gewonnene Lageeinschätzung für sich besehen unter dem Aspekt
des rechtlichen Gehörs insofern nicht zu beanstanden ist, als es sich da-
bei um Amtswissen handelt und eine diesbezügliche Offenlegung im Ver-
fügungszeitpunkt ohnehin nicht möglich war, weil der Dienstreisebericht –
wie vom Beschwerdeführer richtig festgestellt – vom BFM erst später ver-
fasst wurde,
dass die Begründung des angefochtenen Entscheides zur Zumutbarkeit
des Wegweisungsvollzugs dennoch den Anschein erweckt, dass das
BFM zu jenem Zeitpunkt wesentliche Erkenntnisse der Dienstreise nicht
offengelegt hat und es dem Beschwerdeführer dadurch zumindest er-
schwert wurde, sich über die Tragweite der Verfügung ein Bild machen zu
können (vgl. BGE 112 Ia 107) und die vorinstanzliche Verfügung sachge-
recht anzufechten,
dass eine damit allenfalls einhergehende Verletzung des rechtlichen Ge-
hörs jedoch mit der Einräumung des Replikrechts zur Vernehmlassung
des BFM als geheilt zu betrachten ist, weil der Dienstreisebericht zu-
sammen mit der Vernehmlassung offengelegt und mit dem Recht zur
Stellungnahme verbunden wurde (vgl. dazu beispielsweise auch das an
die rubrizierte Rechtsvertretung eröffnete Urteil des Bundesverwaltungs-
gerichts D-4257/2011 E. 4.3.1) ,
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dass ebenso die Berufung auf die UNHCR-Richtlinien vom 5. Juli 2010
ohne nähere Quellenspezifizierung in Anbetracht des nur dreizehnseiti-
gen Dokumentes ebenfalls an sich noch keine Verletzung des rechtlichen
Gehörs darstellt, zumal die Lageeinschätzung und Zumutbarkeitswürdi-
gung gemäss angefochtener Verfügung tatsächlich eine Folge unter an-
derem dieser Richtlinien darstellen (vgl. z.B. Schlussfolgerung S. 13 des
Berichts: "erheblich verbesserte Lage"),
dass im Übrigen eine Offenlegung beziehungsweise eine Auflistung sämt-
licher verwendeter und öffentlich zugänglicher Quellen in Verfügungen im
Verwaltungsverfahren weder üblich noch erforderlich ist, zumal es sich
bei einer Verfügung nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung handelt
und die Begründungspflicht nicht der Offenlegung von Amtswissen dient,
sondern vielmehr verlangt, dass das Bundesamt die wesentlichen Über-
legungen nennt, die es dem konkreten Entscheid zugrunde legt (vgl. z.B.
das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-980/2012 vom 11. März
2013 E. 3.4.4),
dass eine andere Frage jene ist, ob die Dienstreiseerkenntnisse und die
UNHCR-Erkenntnisse als solche zu stützen sind und in der angefochte-
nen Verfügung auch rechtskonform, mitunter ausgewogen und in genü-
gender Dichte gewürdigt wurden,
dass, wie nachfolgend zu zeigen sein wird, die aktualisierte allgemeine
Lageeinschätzung des BFM trotz Abstrichen in der Ausgewogenheit der
Erfassung der UNHCR-Richtlinien, und die personenbezogene Zumut-
barkeitsprüfung trotz wünschenswert gewesener höherer Begründungs-
dichte im Ergebnis durchaus rechtskonform ausgefallen sind,
dass zwar der in der Beschwerde erhobene Einwand einer nicht praxis-
konformen Lageeinschätzung durch das BFM insofern seine Berechti-
gung hatte, als zum Verfügungszeitpunkt im Wesentlichen noch die La-
geeinschätzung gemäss dem publizierten Grundsatzurteil BVGE 2008/2
massgebend gewesen wäre, und das BFM als Vorinstanz sich grundsätz-
lich an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als letzte In-
stanz zu halten hat, was insbesondere auch hinsichtlich der Frage der
generellen Zumutbarkeit des Vollzugs von Wegweisungen in Herkunfts-
länder abgewiesener Asylsuchender gilt (vgl. BVGE 2010/54),
dass jedoch die in der angefochtenen Verfügung unter Berücksichtigung
des beendeten Bürgerkriegs in Sri Lanka vorgenommene allgemeine La-
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geeinschätzung und die angewandten Kriterien der individuellen Zumut-
barkeitsbeurteilung retrospektiv betrachtet in ihren wesentlichen Punkten
mit jener gemäss dem wenige Monate später publizierten Urteil des Bun-
desverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2011 (aktualisierte Lagebeurtei-
lung zu Sri Lanka mit einer insbes. betreffend den Norden des Landes
geänderten Zumutbarkeitseinschätzung, publiziert in BVGE 2011/24)
übereinstimmt,
dass nach E. 13.2.1 und E. 13.2.2 dieses nach wie vor Gültigkeit bean-
spruchenden Entscheides des Bundesverwaltungsgerichts der Wegwei-
sungsvollzug in die Nordprovinz – mit Ausnahme des Vanni-Gebiets –
nunmehr grundsätzlich zumutbar ist, wobei bei der Beurteilung der indivi-
duellen Zumutbarkeitskriterien Zurückhaltung zu üben und insbesondere
das zeitliche Element dergestalt zu berücksichtigen ist, dass für Perso-
nen, die aus der Nordprovinz stammen und dieses Gebiet erst nach Be-
endigung des Bürgerkrieges im Mai 2009 verlassen haben, der Wegwei-
sungsvollzug zurück in dieses Gebiet grundsätzlich zumutbar erscheint,
wogegen für solche mit früherer Ausreise die aktuellen Lebens- und
Wohnverhältnisse sorgfältig abzuklären und das Vorhandensein begüns-
tigender Faktoren (Existenz eines tragfähigen Beziehungsnetzes, Siche-
rung des Existenzminimums und der Wohnsituation) zu prüfen ist,
dass der aus dem Jaffna-Distrikt und damit aus der Nordprovinz stam-
mende und keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen geltend machen-
de Beschwerdeführer nach Beendigung des Bürgerkrieges ausgereist ist,
womit das erwähnte Erfordernis einer erhöhten Abklärungssorgfalt (und
damit höherer Begründungsdichte) betreffend das Vorhandensein be-
günstigender Zumutbarkeitsfaktoren gerade nicht zum Tragen kommt,
dass er dennoch verschiedene begünstigende individuelle Faktoren im
Hinblick auf die Zumutbarkeitsfrage auf sich vereint,
dass er die weitaus meiste Zeit seines Lebens in seiner Heimat verbracht
hat und erst seit knapp drei Jahren landesabwesend ist, weshalb nicht
von einer eigentlichen Entwurzelung gesprochen werden kann,
dass zwar die in der Verfügung erwähnten zahlreichen Onkel und Tanten
in D._______ aus den Protokollen tatsächlich nicht hervorgehen und in-
soweit eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung zu erkennen ist,
dass anderseits der Beschwerdeführer nie – auch nicht auf Beschwerde-
ebene – das Bestehen eines über die Kernfamilie (nebst dem angeblich
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internierten Bruder die Mutter und […] Schwestern in Teilen von Jaffna,
eine Schwester in der Schweiz) und den in D._______ wohnhafte Onkel
hinausgehenden verwandtschaftlichen Beziehungsnetzes negiert hat und
ein solches vielmehr zu vermuten ist, wenngleich nicht mit derselben Be-
ziehungsnähe wie zum besagten Onkel,
dass das unrichtig festgestellte Sachverhaltselement ohnehin nicht von
Relevanz ist, weil das bestehende und unbestrittene verwandtschaftliche
Beziehungsnetz durchaus als tragfähig zu qualifizieren ist,
dass das Bundesverwaltungsgericht gewisse Zweifel an der nachträglich
vorgebrachten kriegsbedingten Zerstörung des familieneigenen Hauses
in D._______ hat, mit der Mietwohnung der Mutter und der Schwester,
dem Haus des Onkels im gleichen Ort und der Unterkunft der Schwester
in Point Pedro aber eine genügend gesicherte Wohnsituation zumindest
für eine Übergangsphase zur Verfügung stehen dürfte,
dass die Tragfähigkeit des Beziehungsnetzes auch durch die in der
Schweiz lebende Schwester gestützt wird, zumal diese ihre Familie in Sri
Lanka und mithin auch den Beschwerdeführer im Bedarfsfall unterstützen
kann, sollte die bis anhin ausgerichtete Unterstützung (vgl. A27 F72) hier-
zu nicht ausreichen,
dass dem über eine zehnjährige Schulbildung verfügenden Beschwerde-
führer mittelfristig die eigenständige Sicherstellung seines Lebensunter-
haltes gelingen dürfte, da er – auch ohne Berufsabschluss – über mehr-
jährige Erfahrungen insbesondere in der Landwirtschaft und auch als (…)
verfügt (vgl. Akte A11 Ziff. 8),
dass er bis zu seiner nach Kriegsende erfolgten Ausreise offensichtlich
keinerlei Verdachtsmomente für Unterstützungsleistungen zugunsten der
LTTE generierte, andernfalls die srilankischen Behörden bereits bei der
Anmeldung in Colombo oder der mit eigenen Papieren erfolgten und kon-
trollierten Ausreise ein Verfolgungsinteresse an ihm manifestiert hätten,
dass er denn auch keinerlei politisches Profil aufweist oder anderweitig
einer besonderen Risikogruppe (vgl. BVGE 2011/24 E. 8.5) angehört und
der blosse Umstand eines Auslandaufenthaltes in der Schweiz noch kein
Gefährdungspotenzial begründet,
dass somit aufgrund der gesamten Akten und Umstände die Annahme,
der Beschwerdeführer würde im Falle der Rückkehr nach Sri Lanka einer
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existenzbedrohenden und mithin die Unzumutbarkeit des Wegweisungs-
vollzuges bewirkenden Situation ausgesetzt, unbegründet ist,
dass der Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers in den Hei-
matstaat schliesslich unbestrittenermassen möglich ist, da keine Voll-
zugshindernisse bestehen (Art. 83 Abs. 2 AuG) und es dem
Beschwerdeführer obliegt, bei der Beschaffung gültiger Reisepapiere mit-
zuwirken (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12
S. 513–515),
dass nach dem Gesagten der vom Bundesamt verfügte Vollzug der
Wegweisung zu bestätigen ist,
dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechts-
erheblichen Sachverhalt richtig und vollständig feststellt und nicht unan-
gemessen ist (Art. 106 AsylG), weshalb die Beschwerde abzuweisen ist,
dass bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten dem Be-
schwerdeführer aufzuerlegen wären (Art. 63 Abs. 1 VwVG), auf deren Er-
hebung aber aufgrund der bereits mit Zwischenverfügung vom 27. April
2011 gewährten unentgeltlichen Prozessführung zu verzichten ist,
dass trotz des Umstandes, wonach der Beschwerdeführer mit seinen
Rechtsbegehren nicht durchgedrungen ist, an sich eine reduzierte Partei-
entschädigung für die ihm aus der Beschwerdeführung im Rahmen des
festgestellten Verfahrensmangels (Verletzung des rechtlichen Gehörs be-
züglich Dienstreise) erwachsenen notwendigen Kosten zuzusprechen wä-
re (vgl. BVGE 2008/47 E. 5.2 S. 681),
dass die rubrizierte Rechtsvertretung aber mit derselben Rüge bereits in
mehreren Verfahren eine Parteientschädigung vor dem Bundesverwal-
tungsgericht erwirkt hat (z.B. Urteile D-4257/2011 und D-4209/2011) und
der anteilsmässige Aufwand für die rechtliche Vertretung diesbezüglich
als abgegolten zu erachten ist (vgl. dazu das Urteil D-3747/2011 E. 10.3
und Ziff. 4 des dazugehörigen Dispositivs).

(Dispositiv nächste Seite)

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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Dem Beschwerdeführer werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet.
4.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die kantonale
Migrationsbehörde.

Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:

Regula Schenker Senn Urs David


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