E-2065/2015 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des SEM vom 16. Mär...
Karar Dilini Çevir:
E-2065/2015 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des SEM vom 16. Mär...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l




Abteilung V
E-2065/2015



Ur t e i l vom 2 8 . Ap r i l 2 0 1 5
Besetzung
Einzelrichter Walter Stöckli,
mit Zustimmung von Richterin Regula Schenker Senn;
Gerichtsschreiberin Sarah Straub.

Parteien

A._______, geboren (…), Portugal,
(…),
Beschwerdeführer,


gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6,
3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 16. März 2015 / N (…).



E-2065/2015
Seite 2
Sachverhalt:
A.
A.a Der Beschwerdeführer suchte erstmals am 26. August 2013 mit sei-
nem Vater in der Schweiz um Asyl nach. Am 22. September 2013 zog die-
ser das Asylgesuch zurück, worauf das BFM (Bundesamt für Migration,
heute SEM) das Verfahren als gegenstandslos geworden abschrieb.
A.b Am 24. August 2014 stellte er erneut ein Asylgesuch. Er wurde am
4. September 2014 im Empfangs- und Verfahrenszentrum Kreuzlingen zur
Person befragt, und es wurde ihm das rechtliche Gehör zu einem allfälligen
Nichteintreten und einer Wegweisung nach Portugal gewährt, da dieses
Land mutmasslich für die Durchführung des Asylverfahrens seines Vaters
zuständig sei. Am 23. Februar 2015 erfolgte die Anhörung zu den Asylgrün-
den.
Zur Begründung des Asylgesuches brachte der Beschwerdeführer vor, ei-
gentlich hätten er und sein Vater in die Ukraine gehen wollen, aber dort sei
Krieg, so dass sie beschlossen hätten, in der Schweiz zu bleiben. In Por-
tugal hätten sie nicht bleiben können, weil dies ein armes Land sei und sie
kein Geld hätten. Vor einigen Jahren seien sie von der Ukraine nach Por-
tugal gezogen, weil er Probleme in der Schule gehabt habe und von den
Mitschülern geschlagen worden sei. In Portugal hätten sie bei seiner Mutter
wohnen wollen, was deren Mann jedoch nicht zugelassen habe. Er sei
dann für zwei Jahre in ein Kinderheim gekommen. Dort sei es ihm nicht gut
gegangen und es habe dort böse Kinder gehabt. Sein Vater habe sich dann
an eine Zeitung gewandt, und der Fall sei öffentlich geworden. Mit acht
oder neun Jahren sei er aus dem Kinderheim herausgekommen. Danach
habe er mit seinem Vater in einem Hotelzimmer gelebt. Dessen Einkom-
men habe aber nicht ausgereicht, um das Zimmer zu bezahlen. Er habe
Angst, wieder im Kinderheim eingesperrt zu werden, falls er nach Portugal
zurückkehren würde.
Als Beweismittel der Vorbringen reichte er eine Kopie seines Passes, einen
Auszug aus dem Geburtsregister, eine Kopie der Identitätskarte seiner
Mutter und ein Schreiben derselben über seine Reisefreiheit mit dem Vater,
verschiedene gerichtliche Unterlagen zur Zuteilung des Sorgerechts an
den Vater, die Kopie eines Zeitungsartikels über seine (ungerechtfertigte)
Heimplatzierung sowie Unterlagen zu einer diesbezüglichen polizeilichen
Untersuchung zu den Akten.
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A.c Mit Verfügung vom 16. März 2015 – eröffnet am 24. März 2015 – stellte
das SEM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft
nicht, lehnte sein Asylgesuch ab und wies ihn aus der Schweiz weg. Es
verfügte den Vollzug der Wegweisung und hielt fest, allfällige Vollzugs-
handlungen seien mit denjenigen seines Vaters zu koordinieren.
Auf das Asylgesuch des Vaters des Beschwerdeführers trat das SEM mit
Verfügung gleichen Datums nicht ein, verfügte dessen Wegweisung aus
der Schweiz und ordnete den Vollzug an.
B.
Der Beschwerdeführer reichte am 31. März 2015 gegen diesen Entscheid
beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein und beantragte in mate-
rieller Hinsicht, die angefochtene Verfügung sei vollumfänglich aufzuhe-
ben, sein Asylgesuch sei gutzuheissen beziehungsweise sei die Angele-
genheit zur Neubearbeitung und zu weiteren Abklärungen an die Vor-in-
stanz zurückzuweisen, eventualiter sei die Verfügung im Wegweisungs-
punkt aufzuheben und der Beschwerdeführer in der Schweiz vorläufig auf-
zunehmen, allenfalls sei die Wegweisungsverfügung in dem Sinne abzu-
ändern, dass die derzeitige Rückschaffung nach Portugal ausgeschlossen
werde. In prozessualer Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgelt-
lichen Prozessführung und Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvor-
schusses. Es seien sämtliche Verfahrensakten beizuziehen, und zu allfäl-
ligen Stellungnahmen der Vorinstanz sei ihm das rechtliche Gehör zu ge-
währen.
Als Beweismittel reichte er das Zusatzblatt zum Kurzbericht der an der An-
hörung anwesenden Hilfswerksvertretung vom 23. Februar 2015, einen
Arztbericht von Dr. med. B._______, (…), und ein ärztliches Zeugnis von
Dr. med. C._______, (…) ein.
Gleichentags wurde auch gegen den Nichteintretensentscheid seines Va-
ters Beschwerde erhoben. Die beiden Verfahren werden koordiniert ge-
führt; das Urteil E-2058/2015 ergeht ebenfalls mit heutigem Datum.
C.
Mit Eingabe vom 4. April 2015 ergänzte der Vater des Beschwerdeführers
die Ausführungen in der Beschwerde und reichte als weitere Beweismittel
ein Terminaufgebot des (…) vom (…), eine Kopie des Kurzberichts der an
der Anhörung anwesenden Hilfswerksvertretung vom 23. Februar 2015 so-
wie mehrere bereits im vorinstanzlichen Dossier befindliche Akten nach.
E-2065/2015
Seite 4
D.
Mit Verfügung vom 8. April 2015 stellte der Instruktionsrichter fest, der Be-
schwerdeführer dürfe den Verfahrensausgang in der Schweiz abwarten.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5VwVG. Das SEM gehört zu den
Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesver-
waltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne
von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher
zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entschei-
det auf dem Gebiet des Asyls in der Regel – so auch vorliegend – endgültig
(Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1BGG).
1.2 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Der Beschwer-
deführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die
angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges In-
teresse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur
Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 2 AsylG; Art.
48 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich
Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und
unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt
werden (Art. 106 Abs. 1AsylG).
3.
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher
Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise ei-
ner zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend
aufgezeigt, handelt es sich vorliegend um eine solche, weshalb der Be-
schwerdeentscheid nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2
AsylG). Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung
eines Schriftenwechsels verzichtet.
4.
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Seite 5
4.1 Der Beschwerdeführer rügt, das SEM habe den rechtserheblichen
Sachverhalt nicht vollständig und richtig abgeklärt. Diese verfahrensrecht-
liche Rüge ist vorab zu prüfen, da sie allenfalls geeignet wäre, eine Kassa-
tion der vorinstanzlichen Verfügung zu bewirken (vgl. Entscheidungen und
Mitteilungen der [vormaligen] Schweizerischen Asylrekurskommission [E-
MARK] 2004 Nr. 38; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und
Verwaltungsrechtspflege des Bundes; 3. Aufl., 2013, Rz. 1043 ff. m.w.H.).
4.2 Gemäss Art. 12 VwVG stellt die Behörde den Sachverhalt von Amtes
wegen fest und bedient sich nötigenfalls der gesetzlichen Beweismittel
(Bstn. a–e). Der Untersuchungsgrundsatz findet seine Grenze an der Mit-
wirkungspflicht der Asylsuchenden (Art. 8 AsylG; Art. 13 VwVG). Dazu ge-
hört, die Identität offenzulegen und vorhandene Identitätspapiere abzuge-
ben, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken und in der Anhö-
rung die Asylgründe darzulegen, allfällige Beweismittel vollständig zu be-
zeichnen und unverzüglich einzureichen sowie bei der Erhebung der bio-
metrischen Daten mitzuwirken (vgl. BVGE 2011/28 E. 3.4).
Die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sach-
verhalts in Verletzung der behördlichen Untersuchungspflicht bildet einen
Beschwerdegrund (Art. 106 Abs. 1 Bst. b AsylG). Unrichtig ist die Sachver-
haltsfeststellung, wenn der Verfügung ein falscher und aktenwidriger Sach-
verhalt zugrunde gelegt wird oder Beweise falsch gewürdigt worden sind;
unvollständig ist sie, wenn nicht alle für den Entscheid rechtswesentlichen
Sachumstände berücksichtigt werden (vgl. KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, a.a.O.,
Rz. 1043).
4.3 In der Beschwerde wird vorgebracht, gemäss dem eingereichten Kurz-
bericht der Hilfswerksvertretung sei der Sachverhalt unzureichend festge-
stellt worden.
Im erwähnten Kurzbericht hielt die Hilfswerksvertretung fest, da sie bei der
Anhörung des Vaters nicht dabei gewesen sei und auch das Protokoll der-
selben nicht zur Hand gehabt habe, habe sie den Eindruck gehabt, wichtige
Informationen zur Vorgeschichte nicht mitbekommen zu haben. Es sei nicht
vertieft auf die Probleme des Beschwerdeführers in Portugal eingegangen
worden; sie vermute jedoch, dass dies bei der Anhörung des Vaters erfolgt
sei. Falls nicht, rege sie an, dies nachzuholen, da der Beschwerdeführer
die Probleme eher oberflächlich geschildert, aber mehrere Dokumente
dazu abgegeben habe.
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Aus der angefochtenen Verfügung ergeben sich keine hinreichenden An-
haltspunkte, wonach das Staatssekretariat den Sachverhalt unvollständig
abgeklärt hätte. In der Beschwerde wird denn auch nicht präzisiert, welche
Elemente im Sachverhalt nicht aufgenommen oder ungenügend abgeklärt
worden wären. Die geltend gemachten Probleme in Portugal wurden be-
reits anlässlich der Befragungen zur Person des Beschwerdeführers und
seines Vaters erfragt und durch die eingereichten Beweismittel dokumen-
tiert. Angesichts der fehlenden asylrechtlichen Relevanz der Vorbringen
waren keine ergänzenden Abklärungen angezeigt. Die Ansicht der Hilfs-
werksvertretung, die Probleme des Beschwerdeführers in Portugal – mithin
die von ihm als traumatisch und unrecht empfundene Heimplatzierung –
hätten vertieft abgeklärt respektive erfragt werden müssen, kann nicht ge-
teilt werden. Vielmehr erscheint es angesichts der fehlenden Asylrelevanz
der Vorbringen angebracht, dass das SEM darauf verzichtete, dem min-
derjährigen Beschwerdeführer weitere Fragen zu stellen, welche nicht zu
einer anderen Einschätzung hätten führen können.
4.4 Bei dieser Sachlage besteht keine Veranlassung, die angefochtene
Verfügung aus formellen Gründen aufzuheben.
5.
5.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grund-
sätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im
Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationali-
tät, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer
politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder be-
gründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden; als
ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Le-
bens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psy-
chischen Druck bewirken. (Art. 3 Abs. 1 und 2 AsylG).
5.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen
oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die
Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für ge-
geben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen
Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsa-
chen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte
Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

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Seite 7
6.
6.1 Zur Begründung des angefochtenen Entscheides erwog das SEM, die
dargelegten Probleme seien Ausdruck der zum Teil schwierigen Arbeits-
und Lebensbedingungen in Portugal. Unter den geltend gemachten
schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen habe eine Vielzahl von Perso-
nen zu leiden. Solche allgemeinen Gegebenheiten seien nicht asylrele-
vant. Den Aussagen des Beschwerdeführers sei nicht zu entnehmen, dass
er asylbeachtliche Nachteile erlitten oder in absehbarer Zukunft zu befürch-
ten hätte. Dass er zwei Jahre in einem Kinderheim habe verbringen müs-
sen und dass dieser Aufenthalt problematisch gewesen sei, vermöge an
dieser Einschätzung nichts zu ändern. Zudem liege der Heimaufenthalt
bereits mehrere Jahre zurück. Es sei aus den Akten nicht ersichtlich, inwie-
fern sich daraus eine Verfolgungssituation asylbeachtlichen Ausmasses
herleiten liesse. Die eingereichten Beweismittel seien nicht geeignet, die
Vorbringen, welche der Asylrelevanz entbehren würden, in einem anderen
Licht erscheinen zu lassen.
Bei Portugal handle es sich um einen EU-Staat. Die EU- und EFTA-Staaten
würden als verfolgungssicher gelten und seien gefestigte europäische De-
mokratien. Sie seien am 25. Juni 2003 als Gruppe in die Liste der verfol-
gungssicheren Staaten im Sinne von Art. 6a Abs. 2 Bst. a AsylG, aufge-
nommen worden. Es bestehe daher die gesetzliche Regelvermutung, dass
asylrelevante staatliche Verfolgung nicht stattfinde und Schutz vor nicht-
staatlicher Verfolgung gewährleistet sei, wobei diese Vermutung im Einzel-
fall aufgrund konkreter und substantiierter Hinweise umgestossen werden
könne. Dies sei vorliegend nicht der Fall; aus den Akten seien keine Hin-
weise ersichtlich, welche die Regelvermutung umstossen könnten.
Die Vorbringen hielten den Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft
gemäss Art. 3 AsylG nicht stand, so dass sein Asylgesuch abzulehnen sei.
6.2 In der Beschwerde und der ergänzenden Eingabe wurde dieser Argu-
mentation entgegengehalten, der Beschwerdeführer und sein Vater hätten
Portugal nicht aus ökologischen (sic), wirtschaftlichen oder religiösen
Gründen verlassen, sondern weil das Leben für sie bedrohlich geworden
sei. Der Beschwerdeführer sei (…) in einem Internat-Gefängnis gewesen.
Er habe in Portugal ausser dem Vater keine weiteren Familienmitglieder,
da seiner Mutter die elterliche Sorge aberkannt worden sei, und sie hätten
in Portugal nie staatliche Unterstützung bekommen. Im Internat sei er phy-
sisch und sexuell angegriffen worden, und jeglicher Ungehorsam sei mit
Schlägen oder Einsperren bestraft worden. Ohne das Einverständnis des
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Vaters habe er in jener Zeit das Medikament Risperdal bekommen, wel-
ches bei Schizophrenie verwendet werde, sowie weitere Medikamente,
und habe unter den Nebenwirkungen gelitten. Die Internate in Portugal
seien wie Gefängnisse; Besuche hätten in einem vergitterten Zimmer in
Gegenwart eines Betreuers stattgefunden und Gespräche auf Russisch o-
der Ukrainisch seien ihnen verboten worden. In solchen Internaten würden
Pädophilie und Homosexualität florieren. Ausserdem habe man seinem Va-
ter verschwiegen, dass er epileptische Anfälle gehabt habe.
Da der Vater in Portugal ein Ausländer sei, stehe er in ständigem juristi-
schem Widerspruch zu seinem Sohn, was ihr Zusammensein störe. Dem
Vater komme in Portugal kein aus der Staatbürgerschaft des Beschwerde-
führers abgeleiteter Anspruch auf Wohnsitz und Staatsbürgerschaft zu. Es
habe sechs Jahre gedauert, bis der Beschwerdeführer wieder zu seiner
Familie habe zurückkehren können, und seinem Vater sei damals gedroht
worden, sein Sohn werde nie wieder zu ihm zurückkehren. Bis heute sei
ein Prozess am Familiengericht in D._______ hängig, welcher bis zu des-
sen Volljährigkeit andauern werde. Der Beschwerdeführer sei zudem als
Zeuge jener Verbrechen, welche in Portugals Internaten geschehen wür-
den, durch Menschen bedroht, welche nicht wollten, dass diese Informati-
onen an die Öffentlichkeit gelangen würden.
6.3 Das Bundesverwaltungsgericht gelangt in Übereinstimmung mit der
Vorinstanz zum Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelingt, eine
asylrelevante Verfolgung in Portugal glaubhaft zu machen. Zur Vermeidung
von Wiederholungen kann vorab auf die ausführlichen und zutreffenden
Erwägungen in der angefochtenen Verfügung verwiesen werden.
Die in der Beschwerde erneut vorgebrachte Heimplatzierung des Be-
schwerdeführers (…) liegt mehrere Jahre zurück, und es ist nicht ersichtlich
und wird auch nicht erläutert, inwiefern eine solche heute erneut zur Dis-
kussion stehen könnte. Der Vater des Beschwerdeführers konnte sich zu-
dem offenbar erfolgreich – wenngleich nach längerem Insistieren und mit-
hilfe von medialer Aufmerksamkeit – gegen die Heimplatzierung wehren.
Weiter ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer aus einem asyl-
rechtlich relevanten Motiv in einem Heim untergebracht worden wäre. Viel-
mehr handelte es sich hierbei gemäss den Aussagen seines Vaters um ein
Missverständnis, welches zu einer falschen Einschätzung seiner Lebens-
situation geführt habe. Dass der Beschwerdeführer gefährdet sein könnte,
weil er von den Missständen in portugiesischen Internaten beziehungs-
weise Kinderheimen wisse, erscheint als unwahrscheinlich, zumal seine
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Geschichte bereits in den Medien publik gemacht wurde. Sollte er dennoch
von seinen früheren Betreuern bedroht werden, könnte er sich an die por-
tugiesischen Polizeibehörden wenden, um entsprechend geschützt zu wer-
den.
Nach dem Gesagten vermochte der Beschwerdeführer weder eine dro-
hende staatliche oder nichtstaatliche Verfolgung glaubhaft zu machen,
noch die Vermutung zu widerlegen, dass Portugal als EU-Staat verfol-
gungssicher und schutzfähig ist.
6.4 Das Bundesverwaltungsgericht stellt demnach fest, dass der Be-
schwerdeführer keine asylrechtlich relevanten Verfolgungsgründe im Sinne
von Art. 3 und 7 AsylG glaubhaft machen konnte, weshalb die Vorinstanz
das Asylgesuch zu Recht abgelehnt hat.
7.
7.1 Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so
verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den
Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie
(Art. 44 AsylG).
7.2 Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche
Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer sol-
chen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44
AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
8.
Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht
möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis nach
den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44
AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG [SR 142.20]).
Bei der Geltendmachung von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt ge-
mäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard
wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu be-
weisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens
glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).
8.1 Der Vollzug ist unzulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der
Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Hei-
mat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG).
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So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwun-
gen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund
nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur
Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG;
Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung
der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]). Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des
Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grau-
same, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK,
SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder
unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen
werden.
Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erheb-
liche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann der in
Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung im vorliegenden
Verfahren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr des Beschwerdefüh-
rers nach Portugal ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG recht-
mässig.
Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers
noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Aus-
schaffung nach Portugal dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ("real
risk"; vgl. Urteil des EGMR Saadi gegen Italien vom 28. Februar 2008,
Grosse Kammer 37201/06, §§ 124 ff. m.w.H.) einer nach Art. 3 EMRK oder
Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Auch die
allgemeine Menschenrechtssituation in Portugal lässt den Wegweisungs-
vollzug zum heutigen Zeitpunkt klarerweise nicht als unzulässig erschei-
nen. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne
der asyl- als auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
8.2
8.2.1 Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und
Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat auf-
grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und me-
dizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung
festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AuG – die vorläufige
Aufnahme zu gewähren.
8.2.2 In Portugal, das der Bundesrat zum sogenannten verfolgungssiche-
ren Herkunftsstaat (safe country) im Sinne von Art. 6a Abs. 2 Bst. a AsylG
erklärt hat, herrscht keine Situation allgemeiner Gewalt.
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8.2.3 Zur vorgebrachten Erkrankung des Beschwerdeführers ist festzuhal-
ten, dass Gründe ausschliesslich medizinischer Natur den Wegweisungs-
vollzug im Allgemeinen nicht als unzumutbar erscheinen lassen, es sei
denn, die erforderliche Behandlung sei wesentlich und im Heimatland nicht
erhältlich. Der Umstand allein, dass die Behandlungsmöglichkeiten im Her-
kunftsland nicht dem medizinischen Standard in der Schweiz entsprechen,
bewirkt noch nicht die Unzumutbarkeit des Vollzuges. Hiervon ist erst aus-
zugehen, wenn die ungenügende Möglichkeit der Weiterbehandlung eine
drastische und lebensbedrohende Verschlechterung des Gesundheitszu-
standes nach sich zieht (vgl. BVGE 2009/2 E. 9.3.2).
Gemäss dem eingereichten ärztlichen Zeugnis vom (…) leidet der Be-
schwerdeführer an der Rolando-Epilepsie; unter Stresssituationen seien
weitere Epilepsien möglich und von Auslandreisen werde abgeraten. Wie
eine Recherche im Internet (vgl. http://www. /fileadmin/ pdf/Zent-
rum/Was_ist_eine_Rolando-Epilepsie.pdf, besucht am 22.4.2015) ergeben
hat, handelt es sich dabei um eine gutartige idiopathische Epilepsie mit
besonders in der Nacht auftretenden fokalen Anfällen, welche nur bei Kin-
dern und Jugendlichen vorkomme. Dreiviertel aller Betroffenen hätten die
Anfälle unabhängig von der Tageszeit nur im Schlaf. Die Rolando-Epilepsie
(nach ICD-10-Klassifikation: G40.08) erfordert nur dann eine Behandlung,
wenn gehäufte oder schwere Anfälle auftreten. Die Prognose gilt generell
als gut, da die Anfälle meist während der Pubertät verschwinden.
Dem eingereichten Arztzeugnis ist keine derzeitige konkrete gesundheitli-
che Beeinträchtigung des Beschwerdeführers zu entnehmen, und es ist
nicht ersichtlich, inwiefern eine Flugreise nach Portugal für ihn eine ge-
sundheitliche Gefährdung mit sich bringen würde, respektive ergibt sich
aus den Ausführungen im Zeugnis nicht, aufgrund welcher gefährdenden
Faktoren von Auslandreisen abgeraten wird. Zudem kann ohne Weiteres
davon ausgegangen werden, dass in Portugal eine adäquate Behand-
lungsmöglichkeit für die Epilepsie besteht. Der Gesundheitszustand des
Beschwerdeführers steht einer Wegweisung demnach nicht entgegen.
8.2.4 Sind von einem allfälligen Wegweisungsvollzug Kinder betroffen, so
bildet im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung das Kindeswohl einen Ge-
sichtspunkt von gewichtiger Bedeutung. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus
einer völkerrechtskonformen Auslegung von Art. 83 Abs. 4 AuG im Lichte
von Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die
Rechte des Kindes (KRK, SR 0.107). Unter dem Aspekt des Kindeswohls
sind demnach sämtliche Umstände einzubeziehen und zu würdigen, die im
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Seite 12
Hinblick auf eine Wegweisung wesentlich erscheinen. In Bezug auf das
Kindeswohl können für ein Kind namentlich folgende Kriterien im Rahmen
einer gesamtheitlichen Beurteilung von Bedeutung sein: Alter, Reife, Ab-
hängigkeiten, Art seiner Beziehungen, Eigenschaften seiner Bezugsperso-
nen (insbesondere Unterstützungsbereitschaft und -fähigkeit), Stand und
Prognose bezüglich Entwicklung/Ausbildung sowie der Grad der erfolgten
Integration bei einem längeren Aufenthalt in der Schweiz (vgl. BVGE
2009/51 E. 5.6 m.w.H.).
Angesichts der kurzen Dauer des Aufenthaltes in der Schweiz ist vorlie-
gend nicht von einer hiesigen Verwurzelung auszugehen. Der Beschwer-
deführer kann gemeinsam mit seinem Vater in sein Heimatland Portugal
zurückkehren, wo er im Gegensatz zur Schweiz weitere Familienangehö-
rige hat (mit welchen er zwar gemäss eigenen Angaben keinen Kontakt
pflegt) und vermutungsweise über freundschaftliche Kontakte verfügt.
Wenngleich die wirtschaftliche Lage in Portugal derzeit nicht einfach ist,
kann davon ausgegangen werden, sein Vater werde wie bereits vor ihrer
Ausreise in der Lage sein, den Lebensunterhalt für sich und seinen Sohn
zu bestreiten.
8.2.5 Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung auch
als zumutbar.
8.3 Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich mit Hilfe seines Va-
ters bei der zuständigen Vertretung seines Heimatstaates Portugal allen-
falls fehlende, für eine Rückkehr erforderliche Reisedokumente zu be-
schaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der
Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2
AuG).
8.4 Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug des
Beschwerdeführers zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeich-
net. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht
(Art. 83 Abs. 1–4 AuG).
9.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt richtig
sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist ab-
zuweisen.
10.
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Seite 13
10.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten von Fr. 600.–
dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (vgl. Art. 63 Abs. 1VwVG; Art. 1–3
des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigun-
gen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Ange-
sichts seiner Minderjährigkeit ist jedoch, in Anwendung von Art. 63 Abs. 1
letzter Satz VwVG und Art. 6 Bst. a VGKE, auf Kostenerhebung zu verzich-
ten.
10.2 Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im
Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG ist daher als gegenstandslos geworden
abzuschreiben.

(Dispositiv nächste Seite)

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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird als
gegenstandslos abgeschrieben.
4.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige
kantonale Behörde.

Der Einzelrichter: Die Gerichtsschreiberin:

Walter Stöckli Sarah Straub