E-2022/2015 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des SEM vom 23. Feb...
Karar Dilini Çevir:
E-2022/2015 - Abteilung V - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des SEM vom 23. Feb...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung V
E-2022/2015



Ur t e i l vom 2 8 . Ap r i l 2 0 1 7
Besetzung
Richter David R. Wenger (Vorsitz),
Richterin Contessina Theis, Richter Jean-Pierre Monnet;
Gerichtsschreiberin Eliane Kohlbrenner.

Parteien

A._______, geboren am (…),
Sri Lanka,
vertreten durch Gabriel Püntener, Rechtsanwalt,
Advokaturbüro, (…),
Beschwerdeführerin,


gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 23. Februar 2015 / N (…).



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Sachverhalt:
A.
Die Beschwerdeführerin ersuchte am 23. Oktober 2013 am Flughafen Zü-
rich um Asyl. Anlässlich der Befragung zur Person vom 24. Oktober 2013
gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, Personen der The Eelam
People's Democratic Party (EPDP) hätten sie ein Mal für eine Stunde in ein
Zimmer gesperrt und nach der Freilassung von ihr verlangt, für sie zu ar-
beiten. Am 30. Dezember 2010 sei ihr Bruder verschleppt worden. Nach-
dem sie einen Monat für die EPDP gearbeitet habe, sei ihr Bruder freige-
lassen worden. Im September 2011 sei sie von der EPDP verschleppt und
als Sympathisantin der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) beschuldigt
worden. Ihr Bruder habe ihre Freilassung erreicht unter der Bedingung,
dass sie für die EPDP arbeite. Als sie jeweils zum EPDP-Büro gegangen
sei, sei sie eingesperrt und befragt worden. Ihre Mutter habe sie daraufhin
am 20. September 2013 nach Colombo gebracht. Dort seien 15 Personen
ins Hotel gekommen und hätten sie geschlagen. Nachdem der Hotelmana-
ger mit ihnen geredet habe, seien sie gegangen. Am nächsten Tag sei sie
nach Dubai geflogen. Ein Schlepper habe die Reise organisiert; sie habe
die Reise nicht bezahlen müssen.
B.
Am 28. Oktober 2013 wurde der Beschwerdeführerin die Einreise in die
Schweiz zur Prüfung ihres Asylgesuchs bewilligt.
C.
In der Anhörung vom 17. Dezember 2014 ergänzte die Beschwerdeführe-
rin, ihr Onkel, ein ehemaliges LTTE-Mitglied, sei im Jahr 1991 erschossen
worden. Sie sei zwei Jahre, vom 30. September 2011 bis zum 25. April
2013, jeweils für drei Stunden ins EPDP-Camp gegangen. Sie habe dort
aber nicht gearbeitet. Sie hätten ihr Fragen zum Onkel gestellt. Später sei
sie fast jeden Tag gefoltert worden. Einige Male sei sie sexuell belästigt
worden. Anfangs 2013 sei sie verschleppt worden, weil sie nicht mehr re-
gelmässig zur Arbeit gegangen sei. Später habe es einen Vorfall mit einem
Soldaten gegeben. Dieser habe sie am 26. August 2013 auf dem Weg zur
Schule körperlich kontrolliert und ihre Telefonnummer verlangt. Zwei Sol-
daten seien zu ihr nach Hause gekommen. Danach habe sie zu einer Be-
fragung gehen müssen. Dort sei sie gefoltert worden. Gleichentags sei sie
mit ihrer Mutter nach Colombo gegangen und einen Tag später ausgereist.
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Die Beschwerdeführerin reichte einen sri-lankischen Reisepass, eine sri-
lankische Identitätskarte sowie einen Zettel mit Telefonnummern als Be-
weismittel ein. Eine Untersuchung des Urkundenlabors der Kantonspolizei
Zürich ergab, dass es sich beim Reisepass um ein gefälschtes Dokument
handelt.
D.
Mit Verfügung vom 23. Februar 2015 stellte das SEM fest, die Beschwer-
deführerin erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte das Asylgesuch
ab, verfügte die Wegweisung aus der Schweiz und ordnete deren Vollzug
an.
E.
Mit Schreiben vom 4. März 2015 stellte das SEM der Beschwerdeführerin
auf ihr Gesuch hin eine Kopie des Aktenverzeichnisses sowie der ge-
wünschten Akten, soweit sie dem Akteneinsichtsrecht unterlagen, zu.
F.
Mit Eingabe vom 27. März 2015 erhob die Beschwerdeführerin beim Bun-
desverwaltungsgericht Beschwerde. Sie beantragt vollständige Aktenein-
sicht, insbesondere in die Aktenstücke A9/23, A20 und A21, verbunden mit
einer angemessenen Frist zur Einreichung einer Beschwerdeergänzung.
Die Verfügung des SEM vom 23. Februar 2015 sei wegen Verletzung des
Anspruchs auf das rechtliche Gehör aufzuheben und die Sache sei an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell sei die angefochtene Verfügung we-
gen der Verletzung der Begründungspflicht aufzuheben und die Sache an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell sei die angefochtene Verfügung
aufzuheben und die Sache zur Feststellung des vollständigen und richtigen
rechtserheblichen Sachverhalts und zur Neubeurteilung an das SEM zu-
rückzuweisen. Eventuell sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und
es sei die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin festzustellen. Es
sei ihr in der Schweiz Asyl zu gewähren. Eventuell sei die angefochtene
Verfügung betreffend Ziffer 3 und 4 aufzuheben und die Unzulässigkeit
oder zumindest die Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs festzustel-
len.
Der Eingabe war ein Bericht zur aktuellen Lage in Sri Lanka vom 17. März
2015 sowie drei Artikel über sexuelle Gewalt gegen Frauen in Sri Lanka
beigelegt.
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Seite 4
G.
Mit Zwischenverfügung vom 7. April 2015 wies der Instruktionsrichter den
Antrag auf Akteneinsicht, soweit er nicht gegenstandslos war, sowie den
Antrag zur Fristansetzung zur Beschwerdeergänzung ab. Zudem wurde
der Beschwerdeführerin ein Kostenvorschuss von Fr. 600.-- auferlegt.
H.
Mit Eingabe vom 23. April 2015 ersuchte die Beschwerdeführerin um Be-
freiung von den Verfahrenskosten und erneut um Edition der Aktenstücke
A20 und A21. Sie reichte eine Unterstützungsbedürftigkeitserklärung ein.
I.
Mit Zwischenverfügung vom 9. November 2016 hiess der Instruktionsrich-
ter das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gut,
forderte die Beschwerdeführerin auf, ein ärztliches Zeugnis einzureichen,
und gab der Vorinstanz Gelegenheit zur Vernehmlassung.
J.
Am 30. November 2016 reichte die Beschwerdeführerin eine Stellung-
nahme ein. Der Stellungnahme war ein Bericht zur aktuellen Lage in Sri
Lanka vom 12. Oktober 2016, die Kopie eines Formulars des sri-lankischen
Generalkonsulats betreffend Ersatzreisepapierbeschaffung sowie ein Zei-
tungsartikel der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) vom 27. November 2016 mit
dem Titel „Ausgeschaffte Tamilen geoutet“ beigelegt.
K.
Nach gewährter Fristerstreckung reichte die Vorinstanz am 16. Dezem-
ber 2016 eine Vernehmlassung ein.
L.
Am 17. Januar 2017 reichte die Beschwerdeführerin eine Replik ein.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwer-
den gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG und entscheidet auf dem Gebiet
des Asyls in der Regel – wie auch vorliegend – endgültig (Art. 83 Bst. d
Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG [SR 142.31]). Die Beschwerdeführerin ist als
Verfügungsadressatin zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 VwVG).
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Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten
(Art. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG).
2.
Mit Beschwerde in Asylsachen kann die Verletzung von Bundesrecht (ein-
schliesslich Missbrauch und Überschreitung des Ermessens) sowie die un-
richtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachver-
halts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Im Ausländerrecht richtet sich
die Kognition nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
3.
3.1 In der Beschwerde werden verschiedene formelle Rügen erhoben, wel-
che vorab zu beurteilen sind, da sie allenfalls geeignet wären, eine Kassa-
tion der vorinstanzlichen Verfügung zu bewirken. Die Beschwerdeführerin
rügt zur Hauptsache eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie der
Pflicht zur vollständigen und richtigen Abklärung des rechtserheblichen
Sachverhalts.
3.2 Der in Art. 29 Abs. 2 BV enthaltene Grundsatz des rechtlichen Gehörs
umfasst eine Anzahl verschiedener verfassungsrechtlicher Verfahrensga-
rantien (vgl. MICHELE ALBERTINI, Der verfassungsmässige Anspruch auf
rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, 2000,
S. 202 ff.; ANDREAS AUER/GIORGIO MALINVERNI/MICHEL HOTTELIER, Droit
constitutionnel suisse. Vol. II. Les droits fondamentaux, 3. Aufl., 2013,
S. 605 ff.; BENOIT BOVAY, Procédure administrative, 2. Aufl., 2015,
S. 249 ff.; ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER/MARTIN BERTSCHI, Verwaltungs-
verfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl., 2013,
S. 70 ff., 171 ff.; JÖRG PAUL MÜLLER/ MARKUS SCHEFER, Grundrechte in der
Schweiz, 4. Aufl., 2008, S. 846 ff.). Zunächst – und für die Prozessparteien
regelmässig im Vordergrund stehend – gehört dazu das Recht auf vorgän-
gige Äusserung und Anhörung, welches den Betroffenen einen Einfluss auf
die Ermittlung des wesentlichen Sachverhaltes sichert. Unerlässliches Ge-
genstück der Mitwirkungsrechte der Parteien bildet die Pflicht der Behör-
den, die Vorbringen der Betroffenen sorgfältig und ernsthaft zu prüfen und
in der Entscheidfindung zu berücksichtigen; daraus folgt schliesslich auch
die Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen (Art. 35 Abs. 1
VwVG; BGE 123 I 31 E. 2c; vgl. etwa ANDERAS AUER/GIORGIO MALINVERNI/
MICHEL HOTTELIER, a.a.O., S. 615 ff.; REINHOLD HOTZ, St. Galler Kommen-
tar zu Art. 29 BV, Rz. 34 ff.).
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3.3 Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird durch Art. 29-33 VwVG kon-
kretisiert. Danach umfasst er einen Anspruch der Parteien auf vorgängige
Anhörung durch die Behörde (Art. 30 und 30a VwVG), auf Anhörung in Be-
zug auf erhebliche Vorbringen einer Gegenpartei (Art. 31 VwVG), auf Prü-
fung eigener erheblicher Vorbringen durch die Behörde (Art. 32 VwVG) so-
wie auf Abnahme der angebotenen und tauglichen Beweise durch die Be-
hörde (Art. 33 VwVG).
3.4 Die Beschwerdeführerin beantragt vollständige Akteneinsicht. Die Vor-
instanz stellte der Beschwerdeführerin am 4. März 2015 Kopien aller Ver-
fahrensakten zu, soweit sie dem Akteneinsichtsrecht unterlagen. Mit Zwi-
schenverfügung vom 7. April 2015 lehnte der Instruktionsrichter den Antrag
um (weitergehende) Akteneinsicht sowie Fristansetzung zur Beschwerde-
ergänzung ab. Die diesbezüglichen Rechtsbegehren sind somit erledigt.
3.5 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe es unterlassen, ihr
die Möglichkeit zu geben, sich auf angemessene Weise zu ihren Asylvor-
bringen zu äussern und eine Frist zur Einreichung eines ärztlichen Berichts
anzusetzen. Während der Befragung und der Anhörung erhielt die Be-
schwerdeführerin mehrmals Gelegenheit, sich frei zu ihren Asylgründen zu
äussern. Am Schluss der Anhörung wurde sie eingehend mit den Wider-
sprüchen ihrer Aussagen konfrontiert und aufgefordert, diese zu erklären.
Die Rüge, sie habe sich nicht in angemessener Weise zu ihren Asylvorbrin-
gen äussern können, ist somit unbehelflich. Im Protokoll zur Anhörung hat
die Hilfswerkvertreterin vermerkt, die Beschwerdeführerin habe relativ oft
geweint. Sie vermute, ihr gehe es psychisch generell eher nicht so gut. Aus
diesem Vermerk kann indes keine Notwendigkeit einer psychiatrischen Be-
gutachtung abgeleitet werden. Für eine asylsuchende Person wie die Be-
schwerdeführerin, die sich ohne Familie in einem ihr völlig fremden Land
aufhält, ist eine Befragung durch die Behörden zweifelsohne eine belas-
tende Situation. Dass dies zu gelegentlichem Weinen führt und es ihr psy-
chisch eher nicht gut geht, ist verständlich. Daraus ergab sich jedoch kein
zwingender Grund für medizinische Abklärungen, zumal sie auch nicht in
psychiatrischer Behandlung war. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass
die Beschwerdeführerin jederzeit die Möglichkeit und auch die Obliegen-
heit gehabt hätte, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht ein Arztzeugnis ein-
zureichen. Trotz der Aufforderung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens
ein ärztliches Zeugnis einzureichen, wurde diesbezüglich nichts nachge-
reicht.
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3.6 Die Beschwerdeführerin rügt im Weiteren eine Verletzung der Begrün-
dungspflicht. Die Vorinstanz sei in ihrer Begründung nicht auf die Bezie-
hung der Beschwerdeführerin zu ihrem im Jahr 1991 getöteten Onkel, der
eine Führungsperson bei der LTTE gewesen sei, eingegangen. Die Vor-
instanz hat sich zwar in ihrer Verfügung nicht mit diesem Vorbringen aus-
einandergesetzt, sie hat dies aber anlässlich ihrer Vernehmlassung im Be-
schwerdeverfahren nachgeholt. Im Übrigen deutet nichts in den Aussagen
der Beschwerdeführerin darauf hin, dass ihre Familie in den letzten 20 Jah-
ren wegen der Verbindung des Onkels zur LTTE Probleme gehabt hätte.
3.7 Die Rüge der ungenügenden Sachverhaltsabklärung begründet die Be-
schwerdeführerin mit dem Hinweis auf die fehlende Abklärung ihres Ge-
sundheitszustandes, der LTTE-Tätigkeit ihres Onkels und der fehlenden
Länderinformationen. In den obigen Erwägungen ist festgestellt worden,
dass der Verzicht auf eine medizinische Abklärung rechtens war. Die Vor-
instanz ist im Rahmen der Prüfung des Asylgrundes nicht weiter auf die
Situation in Sri Lanka eingegangen, da sie die Vorbringen der Beschwer-
deführerin insgesamt als unglaubhaft einstufte. Dies ist nicht zu beanstan-
den, zumal sich die Vorinstanz mit allen Vorbringen der Beschwerdeführe-
rin auseinandersetzte und ihr eine sachgerechte Anfechtung ermöglichte.
Im Rahmen der Beurteilung des Wegweisungsvollzugs ist die Vorinstanz
auf die aktuelle Lage in Sri Lanka eingegangen. Damit erweist sich der
Vorwurf der ungenügenden Sachverhaltsabklärung als unbegründet.
3.8 Die formellen Rügen erweisen sich angesichts dieser Sachlage als un-
begründet, weshalb keine Veranlassung besteht, die Sache aus formellen
Gründen aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die diesbe-
züglichen Rechtsbegehren sind somit abzuweisen.
4.
4.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grund-
sätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im
Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationali-
tät, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer
politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder be-
gründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3
Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung
des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen
unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
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4.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen
oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die
Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für ge-
geben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen
Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsa-
chen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte
Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
5.
5.1 Die Vorinstanz begründet ihren Entscheid damit, die Vorbringen der
Beschwerdeführerin seien aufgrund der unzähligen Widersprüche un-
glaubhaft. Sie habe beispielsweise bezüglich des Zeitpunkts des Aufent-
halts und der Tätigkeit im EPDP-Camp sowie der Verschleppung ihres Bru-
ders unterschiedliche Versionen erzählt. Zudem habe sie anlässlich der
Anhörung massivere Verfolgungsmassnahmen geltend gemacht als bei
der Befragung. So habe sie den Vorfall mit dem Soldaten und der Körper-
kontrolle erstmals bei der Anhörung erwähnt, obwohl dies angeblich der
Grund für ihre Flucht gewesen sei. Ebenso habe sie im Verlauf der Anhö-
rung die Verfolgungsmassnahmen immer einschneidender dargestellt.
Eine Rückkehr nach Sri Lanka erweise sich im asyl- und völkerrechtlichen
Sinn als zulässig. Das ganze Land sei unter Regierungskontrolle und die
allgemeine Sicherheitslage habe sich deutlich verbessert. Der Wegwei-
sungsvollzug in die Nordprovinz, wo die Beschwerdeführerin herkomme,
sei aufgrund der dortigen Sicherheitslage sowie der persönlichen Um-
stände zumutbar.
5.2 Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Rechtsmitteleingabe vor, das wi-
dersprüchliche Aussageverhalten sei auf die schwerwiegende Traumatisie-
rung zurückzuführen, welche sie durch die sexuellen Übergriffe erlitten
habe. Die sexuellen Übergriffe seien der tatsächliche Asylgrund und diese
habe sie widerspruchslos und glaubhaft geschildert. Ihr Onkel sei ein Ur-
gestein der LTTE gewesen und von der sri-lankischen Armee erschossen
worden. Die Befragungen zu ihm seien nur ein Vorwand gewesen, um sie
sexuell zu missbrauchen. Bei einer Rückkehr nach Sri Lanka habe sie auf-
grund ihrer familiären Verbindung zum Onkel mit einer behördlichen Ver-
folgung, Inhaftierung und Verhören unter Anwendung von Folter zu rech-
nen. Zudem seien sexuelle Übergriffe seitens der EPDP oder der sri-lanki-
schen Soldaten zu befürchten. Sie weise das in der aktuellen Rechtspre-
chung des Bundesgerichts (BVGE 2011/14) definierte Risikoprofil auf.
Nach Sri Lanka zurückkehrenden Tamilen drohten die Verhaftung, Verhöre
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und Misshandlungen. Bei ihr würden keine begünstigenden Faktoren vor-
liegen, durch welche der Vollzug der Wegweisung als zulässig erachtet
werden könnte. Zudem gebe es in Sri Lanka keine angemessene psycho-
therapeutische Behandlung und sie wäre einer Ächtung durch das eigene
Umfeld ausgeliefert. Der Wegweisungsvollzug sei daher nicht zumutbar.
5.3 Die Beschwerdeführerin verweist in der Stellungnahme auf die aktuelle
Lage in Sri Lanka und die im Referenzurteil des Bundesverwaltungsge-
richts vom 15. Juli 2016 aufgeführten Risikofaktoren von nach Sri Lanka
zurückkehrenden tamilischen Asylsuchenden. In Bezug auf den Wegwei-
sungsvollzug bringt sie ergänzend vor, anlässlich der Beschaffung der Rei-
sepapiere auf dem sri-lankischen Generalkonsulat würden Background-
checks durchgeführt, welche sie bei der Rückkehr einer gewissen Gefahr
aussetzen könnten.
5.4 Die Vorinstanz führt in ihrer Vernehmlassung aus, die Beschwerdefüh-
rerin habe es trotz Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts unterlas-
sen, ein Arztzeugnis einzureichen. Sie habe lediglich einen aktualisierten
Bericht über die Lage in Sri Lanka eingereicht. Im Übrigen lasse eine all-
fällig diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) einen als
unglaubhaft erachteten Sachverhalt nicht glaubhaft erscheinen, da die psy-
chiatrischen Fachärzte die Ursache einer PTBS nicht feststellen könnten.
Die nicht näher bezeichnete psychische Störung der Beschwerdeführerin
wäre somit lediglich im Rahmen der Zumutbarkeit des Wegweisungsvoll-
zugs zu würdigen. Sie nehme in der Schweiz keine psychotherapeutische
Behandlung in Anspruch, weshalb sich die Prüfung des Vorhandenseins
einer derartigen Behandlung im Heimatland erübrige.
5.5 Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Replik vor, sie habe sich auf-
grund ihrer Traumatisierung nicht zu einer psychiatrischen Behandlung
durchringen können. Ihre Asylvorbringen seien glaubhaft, weil sie ein Opfer
geschlechtsspezifischer Gewalt sei.
5.6 Die Vorinstanz hat zu Recht festgestellt, dass die Aussagen der Be-
schwerdeführerin voller Widersprüche sind. Am Anfang der Befragung gab
sie an, sie sei auf Druck der EPDP drei Tage ins EPDP-Büro gegangen.
Sie habe dort aber nie gearbeitet, sondern sei befragt worden. Später sagte
sie, sie habe einen Monat lang im EPDP-Büro gearbeitet. Sie habe eine
Stunde das Büro reinigen und danach im Zimmer bleiben müssen. Auf
Nachfrage gab sie an, sie habe drei Jahre, von 2010 bis 2013, im Büro
gearbeitet. In der Anhörung sagte sie anfangs aus, sie habe unregelmässig
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zwei Jahre, vom 30. September 2011 bis 25. April 2013 zum EPDP-Büro
gehen müssen. Sie habe aber nicht gearbeitet, sondern sei einige Male zu
ihrem Onkel befragt worden. Später ergänzte sie, sie sei mehrmals gefol-
tert worden. Gegen Ende der Anhörung gab sie an, sie sei sexuell belästigt
worden. Hinsichtlich des Vorfalls ihrer Verschleppung gab sie in der Befra-
gung an, im September 2011 von der EPDP in einem Van verschleppt wor-
den zu sein. Sie sei geschlagen und als LTTE-Sympathisantin beschuldigt
worden. Ihr Bruder habe bei der EPDP ihre Freilassung erwirkt. In der An-
hörung fand die Verschleppung im Jahr 2013 statt. Der Bruder wusste
nicht, wer sie verschleppt hatte und konnte auch nichts für ihre Freilassung
tun. Bei der Befragung schilderte sie die Verschleppung ihres Bruders am
30. Dezember 2010 durch die EPDP. Nachdem sie wieder einen Monat für
die EPDP gearbeitet habe, sei er freigelassen worden. In der Anhörung gab
sie an, ihr Bruder sei Ende November 2011 verschleppt worden. Zwei Tage
nach seiner Freilassung sei sie wieder zur Arbeit ins EPDP-Büro gegan-
gen. Der Grund für ihre Ausreise aus Sri Lanka war gemäss Angaben in
der Befragung die wiederholten Befragungen durch die EPDP. In der An-
hörung hörten die Befragungen durch die EPDP ein halbes Jahr vor ihrer
Ausreise auf. Ausschlaggebend für die Ausreise sei ein Vorfall mit einem
Soldaten gewesen. Dieser habe sie am 26. August 2013 auf dem Weg zur
Schule einer Körperkontrolle unterzogen und später verlangt, dass sie zu
einer Befragung komme. Bei dieser Befragung am 20. September 2013 sei
sie gefoltert worden. Gleichentags sei sie mit ihrer Mutter nach Colombo
gegangen, um von dort einen Tag später auszureisen. Diesen Vorfall er-
wähnte die Beschwerdeführerin in der Befragung nicht ansatzweise. Zu-
dem gab sie an anderen Stellen an, sie habe die Schule bereits im Jahr
2011 beendet. Auch hinsichtlich ihres Kurzaufenthaltes in Colombo und der
anschliessenden Ausreise verstrickt sich die Beschwerdeführerin in Wider-
sprüche. Bei der Befragung sagte sie, bei ihrer Ankunft im Hotel in Colombo
sei sie von 15 Personen erwartet worden. Diese seien sehr streng zu ihr
gewesen. Nachdem der Hotelmanager mit ihnen geredet habe, seien sie
aber gegangen. Bei der Anhörung wurde die Beschwerdeführerin nur noch
von fünf Personen erwartet. Diese habe sie aber nicht gesehen, da sie
durch den Hotelmanager gewarnt worden sei und das Hotel gewechselt
habe. Über den Ausreiseweg gab die Beschwerdeführerin anfangs an,
nichts zu wissen. Auf Nachfragen hin, gab sie stückchenweise ihre Reise-
route bekannt. Die Frage, ob sie die beiden Männer aus Sri Lanka, die mit
ihr im Flughafen Zürich angekommen sind, kenne, verneinte sie. Sie habe
sie erstmals am Flughafen Zürich getroffen. Auf ihrem Mobiltelefon wurden
indes Fotos dieser Männer gefunden, die nicht am Flughafen Zürich auf-
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Seite 11
genommen worden sind. Zudem soll gemäss Angaben der Beschwerde-
führerin ihr Schlepper die Ausreise, samt gefälschtem Pass, in einem ein-
zigen Tag kostenlos organisiert haben. Aufgrund all dieser offenkundigen
Widersprüche sind die Aussagen der Beschwerdeführerin gesamthaft als
unglaubhaft einzustufen. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass sich
die Beschwerdeführerin in der Beschwerde nicht ansatzweise mit diesen
Widersprüchen auseinandersetzt. Stattdessen verliert sie sich in Ausfüh-
rungen über die allgemeine Lage in Sri Lanka und begründet die Wider-
sprüche generell mit einer Traumatisierung aufgrund angeblicher sexueller
Übergriffe. An diesem Vorbringen wird bereits dadurch Zweifel geweckt,
dass die sexuellen Übergriffe erst bei der Anhörung in pauschaler Art und
Weise erwähnt werden. In der Beschwerdeschrift werden die Andeutungen
ebenfalls nicht konkretisiert. Dazu kommt, dass es, angenommen, die se-
xuellen Übergriffe hätten tatsächlich stattgefunden, schlichtweg nicht nach-
vollziehbar ist, weshalb die Beschwerdeführerin regelmässig freiwillig zum
EPDP-Büro ging, die sexuellen Übergriffe drei Jahre lang über sich erge-
hen liess und erst ein halbes Jahr nachdem die angeblichen sexuellen
Übergriffe aufgehört hatten aufgrund des Vorfalls mit dem Soldaten ausge-
reist ist. Zwar könnte eine allfällige Traumatisierung vielleicht erklären,
weshalb sie die sexuellen Übergriffe nicht detaillierter schildern konnte. Sie
kann aber kaum als Erklärung dafür herangezogen werden, dass sie ein-
fachste Dinge wie das Ende ihrer Schulzeit nicht korrekt anzugeben ver-
mochte. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin aufgefordert worden
ist, ein Arztzeugnis einzureichen. Dieser Aufforderung ist sie nicht nachge-
kommen mit der Begründung, aufgrund der Traumatisierung könne sie kei-
nen Arzt aufsuchen. Diese Begründung ist nicht nachvollziehbar, verlangte
sie doch selbst seit Einreichung ihrer Beschwerdeschrift mehrmals, es sei
ein ärztliches Gutachten einzuholen.
Hinzuzufügen ist, dass die Argumentation der Beschwerdeführerin in der
Beschwerdeschrift ebenfalls widersprüchlich ist. An einer Stelle führt sie
aus, die Befragung über den Onkel sei lediglich ein Vorwand für die sexu-
ellen Übergriffe gewesen. An einer anderen Stelle stellt sie den Onkel mit
seiner LTTE-Mitgliedschaft und die daraus für sie resultierende Gefahr der
Verhaftung und Folter in den Vordergrund. Sie kann sich offenbar selbst
nicht auf den Grund für ihre Ausreise aus Sri Lanka und ihre angebliche
Gefährdung im Falle einer Rückkehr festlegen. Hinsichtlich der Befragung
durch die EPDP aufgrund ihrer Verwandtschaft zum getöteten Onkel ist
anzumerken, dass diese Schilderungen der obengenannten Widersprüche
wegen unglaubhaft sind. Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass die EPDP
die Beschwerdeführerin immer wieder über ihren Onkel befragt haben soll,
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Seite 12
aber die übrigen Familienmitglieder während 20 Jahren nicht behelligt ha-
ben soll. Dass die Befragung über den Onkel als Vorwand für sexuelle
Übergriffe gedient haben könnte, kann nicht gänzlich ausgeschlossen wer-
den. Allerdings sind ihre diesbezüglichen Angaben vage und lückenhaft, so
dass sich daraus keine weiteren Rückschlüsse ziehen lassen, insbeson-
dere nicht mit Blick auf einen möglichen Asylgrund nach Art. 3 AsylG.
Ebenso wenig kann aus diesen vagen Angaben eine objektiv begründete
Furcht vor künftiger asylrelevanter Verfolgung im Falle einer Rückkehr
nach Sri Lanka abgeleitet werden.
5.7 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die angefochtene Verfügung
kein Bundesrecht verletzt und es der Beschwerdeführerin nicht gelungen
ist, eine asylrelevante Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Die Be-
schwerde ist demnach abzuweisen.
6.
Gemäss Art. 44 AsylG verfügt das SEM in der Regel die Wegweisung aus
der Schweiz, wenn es das Asylgesuch ablehnt oder nicht darauf eintritt. Die
Beschwerdeführerin verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufent-
haltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen (vgl.
BVGE 2009/50 E. 9 S. 733). Die Wegweisung wurde zu Recht angeordnet.
7.
7.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder
nicht möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis
nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme
(Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG [SR 142.20]).
7.2 Nach Art. 83 Abs. 3 AuG ist der Vollzug nicht zulässig, wenn völker-
rechtliche Verpflichtungen der Schweiz eine Weiterreise der Ausländerin
oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat ent-
gegenstehen. Vorliegend kommt dem Beschwerdeführer keine Flüchtlings-
eigenschaft zu. Das flüchtlingsrechtliche Rückschiebungsverbot von
Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung
der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) und Art. 5 AsylG ist daher nicht anwend-
bar. Die Zulässigkeit des Vollzugs beurteilt sich vielmehr nach den allge-
meinen verfassungs- und völkerrechtlichen Bestimmungen (Art. 25 Abs. 3
BV; Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und
andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder
Strafe [FoK, SR 0.105]; Art. 3 EMRK).
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7.3 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich im Referenzurteil E-1866/2015
vom 15. Juli 2016 eingehend mit der Frage auseinander gesetzt, ob einem
Zugehörigen zur tamilischen Ethnie bei einer Rückkehr nach Sri Lanka
ernsthafte Nachteile drohen würden. Dabei wurden mehrere Risikofaktoren
für Verhaftung und Folter bei einer Rückkehr nach Sri Lanka identifiziert.
Ein erster Risikofaktor ist eine tatsächliche oder vermeintliche, aktuelle
oder vergangene Verbindung zur LTTE. Ein zweiter Risikofaktor bildet die
Teilnahme an exilpolitischen regimekritischen Handlungen. Ein dritter Risi-
kofaktor besteht im Vorliegen früherer Verhaftungen durch die sri-lanki-
schen Behörden, üblicherweise im Zusammenhang mit einer tatsächlichen
oder vermuteten Verbindung zur LTTE. Ein vierter Risikofaktor ist das Feh-
len der erforderlichen Identitätspapiere bei der Einreise in Sri Lanka. Ein
fünfter Risikofaktor sind Narben am Körper der Rückkehrer. Letzter Risiko-
faktor ist ein Aufenthalt von gewisser Dauer in einem westlichen Land. Von
den Rückkehrenden, die diese weitreichenden Risikofaktoren erfüllten,
habe jedoch nur jene kleine Gruppe tatsächlich mit beachtlicher Wahr-
scheinlichkeit ernsthafte Nachteile im Sinne von Art. 3 AsylG zu befürchten,
die nach Ansicht der sri-lankischen Behörden bestrebt seien, den tamili-
schen Separatismus wiederaufleben zu lassen, und so den sri-lankischen
Einheitsstaat gefährdeten. Mit Blick auf die dargelegten Risikofaktoren
seien in erster Linie jene Rückkehrer gefährdet, deren Name in der am
Flughafen in Colombo abrufbaren "Stop-List" vermerkt seien und der Ein-
trag den Hinweis auf eine Verhaftung beziehungsweise einen Strafregis-
tereintrag im Zusammenhang mit einer tatsächlichen oder vermuteten Ver-
bindung zu den LTTE enthalte. Entsprechendes gelte für sri-lankische
Staatsangehörige, die sich im Ausland regimekritisch betätigt hätten.
Wie bereits festgestellt, ist es der Beschwerdeführerin nicht gelungen,
glaubhaft darzutun, dass sie aufgrund der LTTE-Mitgliedschaft ihres On-
kels in asylrelevanter Weise bedroht wäre. Es ist davon auszugehen, dass
sie nicht in der „Stop-List“ aufgeführt ist, da sie nie von den sri-lankischen
Behörden verhaftet worden ist. Zudem hat sie sich nicht exilpolitisch betä-
tigt. Die Beschwerdeführerin ist mit einer echten Identitätskarte und einem
gefälschten Pass legal aus Sri Lanka ausgereist. Eine Gefährdung durch
einen allfälligen Backgroundcheck bei der Reisepapierbeschaffung ist
demnach als sehr unwahrscheinlich einzustufen. Es ergeben sich somit
keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin bei ei-
ner Ausschaffung nach Sri Lanka dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behand-
lung ausgesetzt wäre. Die Tatsache, dass die tamilische Beschwerdefüh-
rerin aus der Schweiz nach Sri Lanka zurückkehrt, genügt für sich alleine
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nicht, eine solche Furcht vor Verfolgung zu begründen. Der Vollzug der
Wegweisung ist zulässig.
7.4 Nach Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Aus-
länder unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat auf
Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und me-
dizinischer Notlage konkret gefährdet sind.
Nach einer eingehenden Analyse der sicherheitspolitischen Lage in Sri
Lanka ist das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss gekommen, dass
der Wegweisungsvollzug in die Nordprovinz (mit Ausnahme des „Vanni-
Gebiets“) zumutbar ist, wenn das Vorliegen der individuellen Zumutbar-
keitskriterien (insbesondere Existenz eines tragfähigen familiären oder so-
zialen Beziehungsnetzes sowie Aussichten auf eine gesicherte Einkom-
mens- und Wohnsituation) bejaht werden kann (Urteil E-1866/2015
E. 13.2).
Die Beschwerdeführerin stammt aus B._______, das im Jaffna-Distrikt in
der Nordprovinz liegt. Dort lebte sie seit ihrer Geburt bis zu ihrer Ausreise
mit ihren Eltern und ihrem Bruder in einem Haus, das dem Vater gehört.
Bis zur Ausreise ist der Vater, der als Maler arbeitet, für den Lebensunter-
halt der Beschwerdeführerin aufgekommen. Es kann angenommen wer-
den, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr wieder bei ihrer Fa-
milie wohnen kann und der Vater weiterhin für ihren Lebensunterhalt auf-
kommt. Zudem dürfte es ihr – wie die Vorinstanz zu Recht festgestellt hat
– zuzumuten sein, nach einiger Zeit auch selbst eine Erwerbstätigkeit auf-
zunehmen, zumal sie einen Näh- und Computerkurs absolviert hat. Die
geltend gemachten psychischen Probleme wurden durch die Beschwerde-
führerin nicht weiter belegt. Sollte sie dennoch eine psychotherapeutische
Behandlung benötigen, ist dies kein Vollzugshindernis, zumal es in der lo-
kalen Kultur primär die Familien sind, welche sich um ihre traumatisierten
Mitglieder kümmern. Nichtsdestotrotz wären Medikamente zur Behandlung
psychischer Probleme in Sri Lanka verfügbar. Im Distrikt Jaffna gibt es zu-
dem mehrere staatliche Institutionen, welche – grundsätzlich vom Staat
bezahlte – ambulante psychiatrische Gesundheitsversorgung anbieten
(Urteil des BVGer D-3837/2015 E. 8.5 vom 27. Februar 2017;
E-1866/2015 E. 4.2.2). Die Vorinstanz hat somit den Wegweisungsvollzug
zu Recht für zumutbar gehalten.

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7.5 Nach Art. 83 Abs. 2 AuG ist der Vollzug auch als möglich zu bezeich-
nen, weil die Beschwerdeführerin über eine echte Identitätskarte verfügt
und es ihr obliegt, sich bei der zuständigen Vertretung ihres Heimatstaats
allenfalls weitere für ihre Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu be-
schaffen (Art. 8 Abs. 4 AslyG; BVGE 2008/34 E. 12).
8.
Bei diesem Verfahrensausgang wären die Kosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da der Antrag auf Gewährung der un-
entgeltlichen Prozessführung mit Zwischenverfügung vom 9. Novem-
ber 2016 gutgeheissen wurde, sind keine Verfahrenskosten zu erheben.
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die zuständige
kantonale Behörde.

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

David R. Wenger Eliane Kohlbrenner


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