E-1581/2011 - Abteilung V - Vollzug der Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 10. Feb...
Karar Dilini Çevir:
E-1581/2011 - Abteilung V - Vollzug der Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 10. Feb...
Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung V
E-1581/2011
Urteil vom 14. Juli 2011
Besetzung Einzelrichterin Gabriela Freihofer,
mit Zustimmung von Richter Hans Schürch,
Gerichtsschreiber Simon Thurnheer.
Parteien A._______, geboren am (…),
Armenien,
vertreten durch Annina Mullis,
Swiss-Exile, (…),
Beschwerdeführerin,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand Vollzug der Wegweisung; Verfügung des BFM vom 10.
Februar 2011/ N (…).
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Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest und erwägt,
dass die Beschwerdeführerin eigenen Angaben zufolge am 27. März
2009 zusammen mit (…) in die Schweiz, wo ihre (...) lebt, einreiste und
am 22. September 2009 um Asyl nachsuchte, nachdem ein Gesuch auf
Familiennachzug abgewiesen worden war,
dass die Beschwerdeführerin im Empfangs- und Verfahrenszentrum
B._______ (EVZ) am 20. Oktober 2009 im Rahmen der Befragung zur
Person (BzP) summarisch zu den Asylgründen befragt und vertieft vom
BFM am 28. Juni 2010 angehört wurde,
dass die Beschwerdeführerin bei diesen Befragungen im wesentlichen
vorbrachte, als talentierte (…) habe sie in Armenien keine
Zukunftsperspektiven und Arbeitsmöglichkeiten gesehen, seitdem sie und
(…) im Jahre 2000 von ihrer (…) getrennt sei, leide sie an psychischen
Problemen und sei deswegen in ärztlicher Behandlung, im Jahre 2003 sei
sie von zwei Männern überfallen und in ihrer Ehre verletzt worden,
dass das BFM mit Verfügung vom 10. Februar 2011 - eröffnet am
folgenden Tag - feststellte, die Beschwerdeführerin erfülle die
Flüchtlingseigenschaft nicht, da ihre Vorbringen zum einen den
Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 des
Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) nicht standhielten
und zum andern teilweise (Vergewaltigung) unsubstanziiert und damit im
Sinne von Art. 7 AsylG unglaubhaft seien, das Asylgesuch ablehnte und
die Wegweisung aus der Schweiz sowie deren Vollzug anordnete,
dass die Beschwerdeführerin mit Eingabe ihrer Rechtsvertreterin vom
12. März 2011 (Poststempel) gegen diesen Entscheid beim
Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhob und dabei in materieller
Hinsicht beantragte, es sei unter Aufhebung des Asylentscheids des BFM
die vorläufige Aufnahme anzuordnen,
dass die Beschwerdeführerin in prozessualer Hinsicht die Aussetzung
aller Wegweisungsmassnahmen und unentgeltliche Prozessführung
gemäss Art 65 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das
Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) beantragte,
dass das Bundesverwaltungsgericht mit Zwischenverfügung vom
18. März 2011 das Begehren um Aussetzung aller
Wegweisungsmassnahmen mit Blick auf Art. 55 Abs. 1 und 2 VwVG als
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gegenstandslos erachtete, das Begehren um unentgeltliche
Prozessführung wegen wahrscheinlicher Aussichtslosigkeit des
Hauptbegehrens gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG abwies und einen
Kostenvorschuss von Fr. 600.- erhob,
dass das Bundesverwaltungsgericht in besagter Zwischenverfügung des
weiteren feststellte, dass sich das Hauptbegehren auf Grund der
Beschwerdebegründung auf den Vollzugspunkt beschränkt und damit
lediglich die Frage der Anordnung einer vorläufigen Aufnahme
Gegenstand dieses Verfahrens bildet,
dass der mit Zwischenverfügung vom 18. März 2011 verlangte
Kostenvorschuss am 28. März 2011 fristgerecht geleistet wurde,
dass die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin mit Eingabe vom
1. April 2011 die Beschwerdeschrift um weitere Ausführungen und ein
ärztliches Attest der Schwangerschaft der Beschwerdeführerin ergänzte,
dass das Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Asyls endgültig
über Beschwerden gegen Verfügungen (Art. 5 VwVG) des BFM
entscheidet, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des
Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht
(Art. 105 AsylG i. V. m. Art. 31 - 33 des Verwaltungsgerichtsgesetzes
vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des
Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]),
dass sich das Verfahren nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG
richtet, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und
Art. 6 AsylG),
dass die Verneinung der Flüchtlingseigenschaft und die Ablehnung des
Asylgesuchs (Ziff. 1 und 2 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung)
unangefochten blieben und mit Ablauf der Beschwerdefrist in Rechtskraft
erwachsen sind,
dass die Wegweisung als solche (Ziff. 3 des Dispositivs) praxisgemäss
nur aufgehoben werden kann, wenn eine Aufenthaltsbewilligung vorliegt
oder ein Anspruch auf Erteilung einer solchen besteht (Entscheidungen
und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK]
2001 Nr. 21), was vorliegend nicht der Fall ist,
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dass somit Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens einzig
die Frage des Vollzugs der Wegweisung bildet (Art. 44 AsylG),
dass die Beschwerdeführerin am Verfahren vor der Vorinstanz
teilgenommen hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt
ist, ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise
Änderung hat und daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert ist
(Art. 105 AsylG und Art. 48 Abs. 1 VwVG),
dass das Bundesverwaltungsgericht mit Zwischenverfügung vom
18. März 2011 auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde
eingetreten ist (Art. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 VwVG),
dass über offensichtlich unbegründete Beschwerden in einzelrichterlicher
Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise
einer zweiten Richterin entschieden wird (Art. 111 Bst. e AsylG) und es
sich vorliegend, wie nachfolgend aufgezeigt, um eine solche handelt,
weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu begründen ist (Art.
111a Abs. 2 AsylG),
dass gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG vorliegend auf einen
Schriftenwechsel verzichtet wurde,
dass das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen
Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern regelt,
wenn der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder
nicht möglich ist (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und
Ausländer [AuG, SR 142.20]),
dass bezüglich der Geltendmachung von Wegweisungshindernissen
gemäss ständiger Praxis des Bundesverwaltungsgerichts und seiner
Vorgängerorganisation ARK der gleiche Beweisstandard wie bei der
Flüchtlingseigenschaft gilt, das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der
strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu
machen (vgl. WALTER STÖCKLI, Asyl, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser
[Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl., Basel 2009, Rz. 11.148),
dass der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig ist, wenn
völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der
Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen
Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG),
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dass keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land
gezwungen werden darf, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus
einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie
Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden
(Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom
28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]),
dass der Vollzug der Wegweisung vorliegend in Beachtung dieser
massgeblichen völker- und landesrechtlichen Bestimmungen zulässig ist,
da es der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist, eine asylrechtlich
erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen,
weshalb das in Art. 5 AsylG verankerte Prinzip des flüchtlingsrechtlichen
Non-Refoulement im vorliegenden Verfahren keine Anwendung findet
und keine Anhaltspunkte für eine menschenrechtswidrige Behandlung im
Sinne von Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), von Art. 3 des
Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere
grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
(FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 der Konvention vom
4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(EMRK, SR 0.101) ersichtlich sind, die im Heimat- oder Herkunftsstaat
droht,
dass auch aus Art. 8 EMRK nichts zugunsten der Beschwerdeführerin
abgeleitet werden kann - dies gilt auf Grund ihrer Volljährigkeit im
Verhältnis zu ihrer (...) und (...), dies gilt aber, da der Vater des Kindes
laut Beschwerdeergänzung vom 1. April 2011 über kein gefestigtes
Anwesenheitsrecht in der Schweiz (schweizerische Staatsangehörigkeit,
Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung, auf deren Verlängerung ein
Anspruch besteht) verfügt, auch in Bezug auf den Kindesvater (vgl. BGE
126 II 335 E.2.a S. 339f.) -,
dass schliesslich auch die mit ärztlichen Zeugnissen (vom 17. September
2009 [A1 S. 14], vom 2. Oktober 2009 [A13 S. 2], und vom 24. Juni 2010
[A23 S. 1 / A25 S. 1]) dokumentierte (…) der Beschwerdeführerin der
Zulässigkeit des Wegweisungsvollzugs nicht entgegensteht (vgl. den
Unzulässigkeitsentscheid des EGMR vom 7. Oktober 2004 i.S. Dragan
und andere gegen Deutschland, Nr. 33743/03, angeführt in EMARK 2005
Nr. 23 E. 5.1 S. 212),
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dass sich der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer als unzumutbar
erweist, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat auf Grund von
Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer
Notlage konkret gefährdet sind (Art. 83 Abs. 4 AuG),
dass weder die allgemeine Lage im Heimat- bzw. Herkunftsstaat der
Beschwerdeführerin noch individuelle Gründe auf eine konkrete
Gefährdung im Falle einer Rückkehr schliessen lassen, weshalb der
Vollzug der Wegweisung vorliegend zumutbar ist,
dass die dokumentierte medizinische Diagnose ([…]) auch nicht zur
Gewährung der vorläufigen Aufnahme infolge Unzumutbarkeit des
Wegweisungsvollzugs führt, zumal die einer allfälligen weiterführenden
Behandlung entsprechende medizinische Versorgung in Armenien
gewährleistet ist, was auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten
wird, welche zudem einräumt, wegen ihrer psychischen Probleme bereits
in Armenien in ärztlicher Behandlung gewesen zu sein, anders zu
entscheiden, hiesse dagegen, dass eine vom Wegweisungsvollzug
betroffene Person es in der Hand hätte, die Gewährung eines
Aufenthaltsrechts zu erzwingen,
dass das Vorbringen in der Beschwerdeergänzung vom 1. April 2011, die
psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin sei nicht durch die Angst
vor der Wegweisung verursacht, an der Zumutbarkeit der Wegweisung
nichts zu ändern vermag,
dass insbesondere das Vorbringen, die Vereinigung mit (...) und (...) sei
für den Erhalt von Leben und Gesundheit der Beschwerdeführerin
notwendig, mit Blick auf die oben festgestellten
Behandlungsmöglichkeiten in Armenien, einer sorgfältigen Vorbereitung
der Ausreise, einer kompetenten psychologisch-psychiatrischen
Begleitung, gegebenenfalls verbunden mit der Abgabe von
Medikamenten, unbeachtlich ist,
dass das in den genannten ärztlichen Zeugnissen geschilderte
Krankheitsbild nicht auf eine dauerhafte Reiseunfähigkeit schliessen
lässt, dass es vielmehr an den kantonalen Vollzugsbehörden liegt, beim
konkreten Vollzug die entsprechende medizinische Begleitung zu
bestimmen,
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dass sich der Vollzug der Wegweisung auch im Hinblick auf das
Kindeswohl als zumutbar erweist, da ein ungeborenes Kind
notwendigerweise keine Assimilierung zur Schweiz aufweist und der
Vater des Kindes, wie oben bereits ausgeführt, über kein gefestigtes
Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügt,
dass auf Grund der Aussagen der Beschwerdeführerin (A10 S. 1 f.) und
der Ausführungen in der Beschwerdeergänzung vom 1. April 2011,
entgegen den anderslautenden Ausführungen in der Beschwerdeeingabe
vom 12. März 2011 (Ziff. 2.a) davon auszugehen ist, dass die
Beschwerdeführerin in Armenien über ein tragfähiges soziales Netz
verfügt ([…]),
dass der Vollzug der Wegweisung der Beschwerdeführerin in den
Heimatstaat schliesslich möglich ist, da keine Vollzugshindernisse
bestehen (Art. 83 Abs. 2 AuG), und es der Beschwerdeführerin obliegt,
bei der Beschaffung gültiger Reisepapiere mitzuwirken (vgl. Art. 8 Abs. 4
AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12 S. 513 – 515),
dass nach dem Gesagten der vom BFM verfügte Vollzug der
Wegweisung zu bestätigen ist,
dass es der Beschwerdeführerin demnach nicht gelungen ist darzutun,
inwiefern die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt, den
rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig oder unvollständig feststellt oder
unangemessen ist (Art. 106 AsylG), weshalb die Beschwerde abzuweisen
ist,
dass die Kosten von Fr. 600.- (Art. 1 - 3 des Reglements vom 21. Februar
2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem
Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 VwVG),
dass die Prozesskosten mit dem Kostenvorschuss in gleicher Höhe zu
verrechnen sind.
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt. Die Dispositiven verfahrenskosten werden mit dem geleisteten
Kostenvorschuss verrechnet.
3.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das BFM und die
zuständige kantonale Behörde.
Die Einzelrichterin: Der Gerichtsschreiber:
Gabriela Freihofer Simon Thurnheer
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