D-8031/2007 - Abteilung IV - Aufhebung vorläufige Aufnahme (Asyl) - Aufhebung der vorläufigen Aufnahme; Verfügung des ...
Karar Dilini Çevir:
D-8031/2007 - Abteilung IV - Aufhebung vorläufige Aufnahme (Asyl) - Aufhebung der vorläufigen Aufnahme; Verfügung des ...
Abtei lung IV
D-8031/2007
{T 0/2}
U r t e i l v o m 9 . M a i 2 0 0 8
Richter Hans Schürch (Vorsitz), Richter Daniel Schmid,
Richterin Nina Spälti Giannakitsas,
Gerichtsschreiberin Anna Dürmüller.
A._______, geboren _______,
Irak,
vertreten durch Hansjörg Trüb, Asylbrücke Zug,
Rechtsdienst, _______,
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6,
3003 Bern,
Vorinstanz.
Aufhebung der vorläufigen Aufnahme; Verfügung des
BFM vom 17. Oktober 2007 / N _______.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
D-8031/2007
Sachverhalt:
A.
A.a Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger
kurdischer Ethnie mit letztem Wohnsitz in B._______ (Provinz Dohuk,
Nordirak), verliess seinen Heimatstaat eigenen Angaben zufolge im
März 2000, gelangte zunächst in die Türkei, wo er sich bis Ende
November 2003 aufhielt, und reiste schliesslich am 23. Dezember
2003 von unbekannten Ländern herkommend in die Schweiz ein.
Gleichentags stellte er im Empfangszentrum C._______ ein
Asylgesuch, wurde dort am 5. Januar 2004 summarisch befragt und in
der Folge für die Dauer des Verfahrens dem Kanton D._______
zugewiesen. Die zuständige kantonale Behörde hörte den
Beschwerdeführer am 5. Februar 2004 ausführlich zu seinen
Asylgründen an.
A.b Anlässlich der Befragungen machte der Beschwerdeführer im
Wesentlichen geltend, ein Grossonkel von ihm sei im Januar 2000
erschossen worden. Die beiden Brüder des Opfers hätten in der Folge
seinen Onkel der Tat bezichtigt, worauf dieser zu einer langjährigen
Haftstrafe verurteilt worden sei. Die Familie des Opfers habe sich
damit jedoch nicht zufrieden gegeben, sondern habe zusätzlich noch
Blutrache an ihm oder an seinem Bruder üben wollen. Aus diesem
Grund sei er aus seinem Heimatland ausgereist. Der
Beschwerdeführer reichte weder Identitäts- oder Reisepapiere noch
Beweismittel zu den Akten.
A.c Mit Verfügung vom 7. Januar 2005 stellte das BFM fest, der
Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, da seine
Vorbringen nicht glaubhaft seien. Demzufolge lehnte es das
Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie
den Vollzug an.
A.d Gegen diese Verfügung liess der Beschwerdeführer mit Eingabe
vom 10. Februar 2005 an die damals zuständige Schweizerische
Asylrekurskommission (ARK) eine auf den Wegweisungsvollzugspunkt
beschränkte Beschwerde einreichen. Die ARK hiess die Beschwerde
mit Urteil vom 3. Oktober 2005 infolge festgestellter Unzumutbarkeit
des Wegweisungsvollzugs gut und wies das BFM an, den
Beschwerdeführer in der Schweiz vorläufig aufzunehmen. Mit
Seite 2
D-8031/2007
Verfügung vom 5. Oktober 2005 ordnete das BFM die vorläufige
Aufnahme des Beschwerdeführers an.
B.
B.a Das BFM teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom
13. September 2007 mit, es erwäge, die vorläufige Aufnahme
aufzuheben. Es gewährte dem Beschwerdeführer dazu das rechtliche
Gehör.
B.b Der Beschwerdeführer reichte am 8. Oktober 2007 eine
Stellungnahme ein und sprach sich darin gegen die in Aussicht
gestellte Aufhebung der vorläufigen Aufnahme aus.
B.c Mit Verfügung vom 17. Oktober 2007 - eröffnet am 25. Oktober
2007 - hob das BFM die vorläufige Aufnahme des Beschwerdeführers
auf und setzte ihm eine Frist zum Verlassen der Schweiz.
C.
Der Beschwerdeführer liess diese Verfügung mit Beschwerde an das
Bundesverwaltungsgericht vom 26. November 2007 anfechten. Dabei
wurde beantragt, die vorinstanzliche Verfügung sei aufzuheben und
die vorläufige Aufnahme sei beizubehalten. In prozessualer Hinsicht
wurde um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 65 Abs. 1
des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das
Verwaltungsverfahren [VwVG, SR 172.021]) und Verzicht auf die
Erhebung eines Kostenvorschusses ersucht. Ausserdem wurde
beantragt, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
D.
Da das Sicherheitskonto des Beschwerdeführers über einen
ausreichend hohen Saldo verfügte, wies der zuständige
Instruktionsrichter das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege mit Zwischenverfügung vom 29. November 2007 ab und
verzichtete gleichzeitig auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.
Auf das Gesuch, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu
erteilen, wurde mangels Rechtsschutzinteresses nicht eingetreten.
Dem in der Beschwerde sinngemäss gestellten Gesuch um
Einräumung einer Frist zur Einreichung von weiteren Beweismitteln
und Anträgen gab der Instruktionsrichter nicht statt.
Seite 3
D-8031/2007
E.
Das BFM hielt in seiner Vernehmlassung vom 20. Dezember 2007
vollumfänglich an seiner Verfügung fest und beantragte die Abweisung
der Beschwerde.
F.
In der Stellungnahme vom 21. Januar 2008 bestätigte der
Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die in der Beschwerde
gestellten Begehren und beantragte sinngemäss die Gutheissung der
Beschwerde.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsge-
richt Beschwerden gegen Verfügungen (Art. 5 VwVG) des BFM,
welche in Anwendung des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG,
SR 142.31) ergangen sind; das Bundesverwaltungsgericht entscheidet
in diesem Bereich endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des
Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
Demzufolge ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig für die
Beurteilung von Beschwerden gegen Entscheide des BFM betreffend
die Aufhebung einer nach Art. 44 Abs. 2 AsylG angeordneten
vorläufigen Aufnahme.
1.2 Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingereicht. Der
Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Verfügung berührt und
hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung
beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der
Beschwerde legitimiert (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 und 50 ff.
VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht können die
Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts sowie die
Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
Seite 4
D-8031/2007
3.
3.1 Die Vorinstanz führte zur Begründung ihres Entscheids im
Wesentlichen aus, der Vollzug der Wegweisung des
Beschwerdeführers sei im heutigen Zeitpunkt zulässig, zumutbar und
möglich, weshalb die vorläufige Aufnahme aufzuheben sei. Dem
Wegweisungsvollzug stünden keine völkerrechtlichen Wegweisungs-
hindernisse entgegen, da rechtskräftig festgestellt worden sei, dass
der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, und
auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass er bei einer
Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach
Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) verbotenen
Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Auch die allgemeine
Menschenrechtssituation in den drei nordirakischen Provinzen (Dohuk,
Suleimaniya und Erbil) lasse den Wegweisungsvollzug nicht als
unzulässig erscheinen. In den genannten drei kurdisch kontrollierten
Provinzen herrsche keine Situation allgemeiner Gewalt. Die
Sicherheitslage sei stabil. Der Vollzug in diese drei Provinzen sei
daher grundsätzlich zumutbar. Dies gelte insbesondere für aus dieser
Region stammende Männer, welche sich alleine in der Schweiz
aufhielten und in einer dieser drei Provinzen über ein tragfähiges
Beziehungsnetz verfügten. Vorliegend sprächen keine individuellen
Gründe gegen die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs. Der
Beschwerdeführer habe den grössten Teil seines Lebens in
B._______, Provinz Dohuk, verbracht. Vor seiner Ausreise habe er im
Geschäft der Familie mitgearbeitet. Es seien keine gesundheitlichen
Probleme aktenkundig. Der Beschwerdeführer sollte somit in der Lage
sein, nach der Rückkehr an seinen Herkunftsort eine wirtschaftliche
Existenz aufzubauen, zumal er in der Provinz Dohuk über ein
familiäres Beziehungsnetz verfüge, welches ihn zumindest zu Beginn
unterstützen könnte. Bei fristgerechter Ausreise könne der
Beschwerdeführer zudem vom Angebot der Rückkehrhilfe Gebrauch
machen. Der Beschwerdeführer habe während seines Aufenthaltes in
der Schweiz mehrmals gegen das Strafgesetz verstossen. Unter
anderem sei er wegen Übertretung des Strassenverkehrsgesetzes
(SVG) sowie wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln zu einer
bedingten Strafe verurteilt worden. Offenbar sei er nicht gewillt oder
fähig, sich an die hier geltenden Gesetze zu halten. Den Akten seien
keine Hinweise darauf zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in
aussergewöhnlicher Weise in der Schweiz integriert wäre oder eine
Seite 5
D-8031/2007
besondere Beziehung zur Schweiz pflegen würde. Der Vollzug sei
somit insgesamt zumutbar. Ausserdem sei er technisch möglich und
praktisch durchführbar. Es bestünden direkte Flugverbindungen
zwischen Europa und dem Nordirak.
3.2 In der Beschwerde wird argumentiert, die Situation im Nordirak sei
nach wie vor unsicher. Dabei wird auf die Selbstmordanschläge vom
August 2007, die im September 2007 ausgebrochene Cholera-
Epidemie und insbesondere die Militäroperationen der türkischen
Armee im Nordirak verwiesen. In der zweiten Hälfte des Oktobers
2007 seien die Kämpfe zwischen der türkischen Armee und der PKK
sowohl auf türkischem wie auch auf irakischem Gebiet eskaliert. Ein
Einmarsch der türkischen Armee in den Nordirak werde immer
wahrscheinlicher. Bereits hätten türkische Kampfflugzeuge PKK-
Stellungen in der Nähe von Zakho bombardiert. Vor diesem
Hintergrund sei die Sicherheit in der Provinz Dohuk nicht mehr
gewährleistet. Es sei ausserdem mit einer Ausbreitung des
Terrorismus zu rechnen, nachdem es im Nordwesten der Provinz
Ninewa zu schweren Anschlägen gekommen sei. Auch angesichts der
unklaren Zukunft des Irak könne die Sicherheit in den Nordprovinzen
nicht als gewährleistet bezeichnet werden. Der Vollzug der
Wegweisung des Beschwerdeführers sei daher nach wie vor
unzumutbar. Die Aufhebung der vorläufigen Aufnahme sei im Übrigen
auch in praktischer Hinsicht nicht angebracht. Die vom BFM in der
angefochtenen Verfügung erwähnte SVG-Übertretung beruhe auf
einem Missverständnis betreffend die Gültigkeit des irakischen
Führerausweises in der Schweiz. Daraus könne nicht geschlossen
werden, der Beschwerdeführer sei unfähig oder nicht gewillt, sich an
die schweizerische Rechtsordnung zu halten. Angesichts der erst
knapp dreijährigen Aufenthaltsdauer in der Schweiz sei der
Beschwerdeführer als gut integriert zu erachten. Er spreche recht gut
deutsch und sei seit dem Jahr 2007 erwerbstätig.
3.3 Das BFM führt in seiner Vernehmlassung aus, seit dem 1. Mai
2007 werde der Vollzug der Wegweisung in die nordirakischen
Provinzen Dohuk, Erbil und Suleimaniya als grundsätzlich zumutbar
erachtet, da dort keine Situation allgemeiner Gewalt herrsche und die
Sicherheitslage stabil sei. Diese Einschätzung werde dadurch
bestätigt, dass zwischen Juli 2003 und November 2007 505 Personen
mit Rückkehrhilfe in den Irak zurückgekehrt seien, davon 84% in den
Nordirak. Rückkehrende müssten nicht mehr durch den Zentralirak
Seite 6
D-8031/2007
reisen, da mehrere direkte Flugverbindungen vom Ausland in den
Nordirak bestünden. Die Einschätzung des BFM betreffend die
generelle Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs in den Nordirak
werde von anderen europäischen Staaten geteilt. Die drohende
militärische Intervention der Türkei im Grenzgebiet des Nordirak stelle
für den Beschwerdeführer keine individuelle Gefährdung dar, da die
Türkei nicht die nordirakischen Kurden, sondern die Aktivitäten der
PKK bekämpfen wolle. Im Weiteren sei festzustellen, dass sich auch
das UNHCR nicht grundsätzlich gegen eine Wegweisung in die
genannten Provinzen stelle, sondern eine differenzierte
Vorgehensweise empfehle. Insbesondere sei auf die Rückführung von
"vulnerable groups" zu verzichten. Das BFM trage diesem Anliegen
Rechnung. Im vorliegenden Fall habe die Einzelfallprüfung kein
individuelles Vollzugshindernis zutage gefördert. Beim
Beschwerdeführer handle es sich den Akten zufolge um einen jungen,
ledigen, gesunden Mann mit Geschäftserfahrung im Heimatland. Im
Urteil der ARK vom 3. Oktober 2005 werde zwar ausgeführt, der
Beschwerdeführer habe im Nordirak lediglich seine Mutter und die
jüngeren Schwestern und wäre wahrscheinlich nicht in der Lage, sich
bei einer Rückkehr innert nützlicher Frist eine wirtschaftliche
Lebensgrundlage zu schaffen. Den Aussagen des Beschwerdeführers
zufolge wohne jedoch neben der Mutter und den Schwestern auch
noch ein verheirateter Onkel in B._______. Da der Beschwerdeführer
somit nicht nur auf Unterstützung durch Mutter und Schwestern,
sondern darüber hinaus auch noch auf diejenige seines Onkels zählen
könne, sei davon auszugehen, dass ihm die Reintegration leichter
fallen werde. Er habe zudem die Möglichkeit, Rückkehrhilfe in
Anspruch zu nehmen, um sich damit eine neue wirtschaftliche
Lebensgrundlage aufzubauen. Das BFM weist erneut darauf hin, dass
der Beschwerdeführer mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt geraten
sei und offensichtlich nicht gewillt sei, sich an die in der Schweiz
geltende Rechtsordnung zu halten.
3.4 In der Replik wird vorgebracht, die vom BFM erwähnten
freiwilligen Rückkehrer zwischen den Jahren 2003 und 2007 seien in
Bezug auf die Aufhebung der vorläufigen Aufnahme nicht relevant, da
in der besagten Zeitdauer gleichzeitig Personen aus dem Irak generell
vorläufig aufgenommen worden seien. Ausserdem sei in der
Beschwerdebegründung insbesondere auf die Kampfhandlungen
zwischen der türkischen Armee und der PKK verwiesen worden.
Dieses Problem habe vor dem November 2007 noch nicht bestanden.
Seite 7
D-8031/2007
Das Argument des BFM, wonach auch andere europäische Staaten
den Vollzug der Wegweisung in den Nordirak als zumutbar erachteten,
überzeuge nicht, da es sich dabei um eine Minderheit der
europäischen Staaten handle. Gegen die Sichtweise des BFM spreche
insbesondere auch, dass die International Organization for Migration
(IOM) keine pflichtgemässen Rückreisen durchführe. Angesichts der
militärischen Interventionen der Türkei im Nordirak sei die dortige
Situation weiterhin angespannt und ungewiss. Die türkische Armee
habe ihre Angriffe nicht auf militärische Ziele beschränkt. Nach wie vor
sei eine Eskalation oder gar ein Grosseinmarsch der türkischen Armee
möglich, was sich auf die allgemeine Sicherheitslage und die
realistische Möglichkeit, dort eine Existenz aufzubauen, auswirke. Die
Rückkehr in den Nordirak sei daher unzumutbar. Der vom BFM
erwähnte Onkel befinde sich nach wie vor im Gefängnis. Der
Beschwerdeführer verfüge über keine männlichen Bezugspersonen,
was aber wichtig wäre. Es wäre für ihn daher sehr schwierig, eine
Existenz aufzubauen. In Bezug auf die vom BFM erwähnten Konflikte
mit dem Strafgesetz sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer
wegen Fahrens ohne Führerschein einen Strafbefehl erhalten habe.
Allerdings seien die Abklärungen zur Frage der Gültigkeit des
irakischen Fahrausweises nach wie vor beim Strassenverkehrsamt
hängig. Somit handle es sich nicht um eine schwere Verfehlung. Im
Weiteren sei wegen einer Tätlichkeit, bei welcher der
Beschwerdeführer verletzt worden sei, ein Rapport erstellt worden.
Der Vorfall habe indessen keine weiteren strafrechtlichen Folgen
gehabt. Es könne somit nicht gesagt werden, dass der
Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich an die geltende
Rechtsordnung zu halten.
4.
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren geht es um die Frage, ob die
Vorinstanz die vorläufige Aufnahme des Beschwerdeführers zu Recht
aufgehoben hat. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der
vorläufigen Aufnahme werden seit dem 1. Januar 2008 in Art. 84
Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die
Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) umschrieben. Vor
dem 1. Januar 2008 wurde die Aufhebung der vorläufigen Aufnahme
durch Art. 14b Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (aANAG, BS 1 121)
geregelt, welches zeitgleich mit dem Inkrafttreten des AuG aufgehoben
wurde (vgl. Ar. 125 AuG i.V.m. Ziff. I Anhang zum AuG). Inhaltlich hat
Seite 8
D-8031/2007
sich an den Voraussetzungen für die Aufhebung der vorläufigen
Aufnahme durch die Gesetzesänderung grundsätzlich nichts geändert.
5.
5.1 Gemäss Art. 44 Abs. 2 AsylG regelt das Bundesamt das
Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über
die vorläufige Aufnahme nach dem AuG, wenn der Vollzug der
Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich ist.
5.2 Gemäss Art. 84 Abs. 1 AuG überprüft das Bundesamt nach
erfolgter Anordnung einer vorläufigen Aufnahme periodisch, ob die
Voraussetzungen für die vorläufige Aufnahme noch gegeben sind. Es
hebt die vorläufige Aufnahme auf und ordnet den Vollzug der Weg-
oder Ausweisung an, wenn die Voraussetzungen nicht mehr gegeben
sind (Art. 84 Abs. 2 AuG).
6.
6.1 Der Vollzug der Wegweisung ist nicht zulässig, wenn völkerrechtli-
che Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin
oder des Ausländers in den Heimat- Herkunfts- oder in einen Drittstaat
entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG).
6.1.1 Niemand darf in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land ge-
zwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus ei-
nem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet sind oder in dem sie
Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden
(Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom
28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK,
SR 0.142.30]).
Dieses flüchtlingsrechtliche Rückschiebungsverbot schützt nur Perso-
nen, welche die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG res-
pektive Art. 1 A FK erfüllen. Nachdem das BFM in seiner Verfügung
vom 7. Januar 2005, welche in diesem Punkt unangefochten in
Rechtskraft erwuchs, festgestellt hatte, dass der Beschwerdeführer die
Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt, kann das Prinzip des
flüchtlingsrechtlichen Rückschiebungsverbots vorliegend nicht zur
Anwendung gelangen. Der Vollzug der Wegweisung des Beschwerde-
führers in den kurdisch verwalteten Nordirak ist daher unter dem
Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.
Seite 9
D-8031/2007
6.1.2 Gemäss Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizeri-
schen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), Art. 3 des
Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere
grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
(FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand in einen
Staat ausgeschafft werden, in dem ihm Folter oder eine andere Art un-
menschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung droht.
Weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten
ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaf-
fung in den Irak dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach
Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung aus-
gesetzt wäre. Gemäss Praxis des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses
müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr ("real risk") nach-
weisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung
Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. EMARK
2001 Nr. 16 S. 122, mit weiteren Hinweisen). Dies ist ihm indessen
nicht gelungen. Die allgemeine Sicherheits- und Menschenrechtslage
im kurdischen Nordirak, welche in BVGE E-6982/2006 (Urteil vom
22. Januar 2008, zur Publikation vorgesehen) umfassend analysiert
wurde, lässt den Wegweisungsvollzug im heutigen Zeitpunkt nicht als
unzulässig erscheinen (vgl. a.a.O. E. 6.2 ff. und 6.6).
6.1.3 Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im
Sinne der asyl- als auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
6.2 Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen
und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunfts-
staat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner
Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine
konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs.
7 AuG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren (vgl. Botschaft zum
Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März
2002, BBl 2002 3818).
6.2.1 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in BVGE E-4243/2007
(Urteil vom 14. März 2008, zur Publikation vorgesehen) ausführlich mit
der Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs in den kurdisch
verwalteten Nordirak befasst. Es gelangte zum Schluss, dass in den
drei kurdischen Provinzen im Nordirak (Dohuk, Erbil und Suleimaniya)
keine Situation allgemeiner Gewalt herrscht und die dortige politische
Seite 10
D-8031/2007
Lage nicht dermassen angespannt ist, dass eine Rückführung dorthin
generell als unzumutbar qualifiziert werden müsste. Da die Region mit-
tels Direktflügen aus dem Ausland erreicht werden kann, entfällt das
Argument der unzumutbaren Rückreise via Bagdad und den Zentrali-
rak. Die Bejahung der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs setzt
jedoch voraus, dass die betroffene Person ursprünglich aus einer der
drei nordirakischen Provinzen stammt oder zumindest während länge-
rer Zeit dort gelebt hat und vor Ort über ein soziales Netz oder über
Beziehungen zu den herrschenden Parteien verfügt. Zurückhaltung ist
geboten bei Personen, welche einer Risikogruppe angehören (nament-
lich Familien mit Kindern, alleinstehende Frauen ohne spezielle Be-
rufsbildung, Kranke und Betagte, Kurden mit Herkunft ausserhalb der
drei Provinzen Dohuk, Erbil und Suleimaniya, Nichtkurden aus dem
Süd- und Zentralirak). Die Anordnung des Wegweisungsvollzugs ist
nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts demnach in
der Regel zumutbar für alleinstehende, gesunde und junge kurdische
Männer, welche ursprünglich aus einer der drei genannten nordiraki-
schen Provinzen stammen und dort nach wie vor über ein soziales
Netz oder Parteibeziehungen verfügen. Diese Analyse ist nach wie vor
als gültig zu erachten, zumal die Situation an der türkisch-irakischen
Grenze im Zusammenhang mit den Angriffen der türkischen Armee auf
im Nordirak gelegene Stellungen der PKK bisher entgegen der seitens
des Beschwerdeführers geäusserten Befürchtungen nicht eskaliert ist.
6.2.2 Für den vorliegenden Fall ist Folgendes festzustellen: Der heute
24-jährige Beschwerdeführer ist ethnischer Kurde und stammt aus der
Provinz Dohuk, wo er den Akten zufolge von seiner Geburt bis zur
Ausreise im Jahr 2000 lebte. Vor der Ausreise arbeitete er mehrere
Jahre lang im - inzwischen aufgelösten - Baumaterial-Geschäft der
Familie. In der Schweiz ist der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2005
erwerbstätig; zurzeit arbeitet er im Gastgewerbe. Aufgrund dieser
Arbeitserfahrung erscheint es als wahrscheinlich, dass es dem
Beschwerdeführer gelingen wird, sich in seiner Heimatregion innert
nützlicher Frist eine wirtschaftliche Existenzgrundlage aufzubauen. Zur
Überbrückung der voraussichtlichen Anfangsschwierigkeiten kann der
Beschwerdeführer die von der Schweiz gewährte Rückkehrhilfe in
Anspruch nehmen. Sein in den USA lebender Onkel könnte dem
Beschwerdeführer - wie bereits in der Vergangenheit geschehen (vgl.
A7, S. 8) - ebenfalls finanzielle Hilfe zukommen lassen. Ausserdem ist
gestützt auf die Akten davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer
in seiner Heimatregion über ein Beziehungsnetz verfügt, welches ihn
Seite 11
D-8031/2007
bei Bedarf insbesondere bei der Beschaffung von Wohnraum sowie bei
der Stellensuche und der sozialen Reintegration unterstützen könnte.
So leben seinen Angaben zufolge neben seiner Mutter und seinen
zwei Schwestern auch noch mehrere - teilweise einflussreiche (vgl.
A7, S. 10) - Onkel und Grossonkel väterlicherseits in der Provinz
Dohuk. Seitens seiner Mutter verfügt der Beschwerdeführer ebenfalls
über Verwandte, welche ihn bereits bei der Ausreise unterstützt haben
(vgl. A7, S. 17). Gesundheitliche Probleme, welche einem Vollzug der
Wegweisung allenfalls entgegenstehen können, sind nicht
aktenkundig. Die geltend gemachte, relativ gute Integration in der
Schweiz lässt den Wegweisungsvollzug nicht als unzumutbar
erscheinen. Insgesamt ist daher nicht davon auszugehen, dass der
Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Provinz Dohuk in eine
existenzgefährdende Situation geraten würde.
6.2.3 Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen ist der Vollzug der
Wegweisung im heutigen Zeitpunkt sowohl in genereller als auch in
individueller Hinsicht als zumutbar zu erachten.
6.3 Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der
zuständigen Vertretung seines Heimatstaates die für eine Rückkehr
notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (Art. 8 Abs. 4 AsylG),
weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen
ist (Art. 83 Abs. 2 AuG).
7.
Die von der Vorinstanz verfügte Aufhebung der vorläufigen Aufnahme
des Beschwerdeführers ist nach dem Gesagten zu bestätigen.
Angesichts der vorstehenden Ausführungen sowie der vom
Bundesverwaltungsgericht festgelegten Praxis (vgl. den bereits
erwähnten BVGE E-4243/2007) erübrigt es sich, auf die weiteren
Ausführungen in der Beschwerde sowie der Replik näher einzugehen,
da sie am Ergebnis nichts zu ändern vermögen.
8.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig
und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die
Beschwerde ist demnach abzuweisen.
9.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind dessen Kosten dem
Seite 12
D-8031/2007
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 5 VwVG) und auf
insgesamt Fr. 600.-- festzusetzen (Art. 1-3 des Reglements vom
11. Dezember 2006 über die Kosten und Entschädigungen vor dem
Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) .
(Dispositiv nächste Seite)
Seite 13
D-8031/2007
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.-- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zu
Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
3.
Dieses Urteil geht an:
- den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (eingeschrieben; Beila-
ge: angefochtene Verfügung des BFM im Original)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt und Rückkehrförderung, mit den
Akten Ref.-Nr. N _______ (per Kurier; in Kopie)
- das _______ (in Kopie)
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Hans Schürch Anna Dürmüller
Versand:
Seite 14