D-7458/2015 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Revision; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom...
Karar Dilini Çevir:
D-7458/2015 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Revision; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung IV
D-7458/2015/plo



Ur t e i l vom 1 2 . J a nu a r 2 0 1 6
Besetzung
Richter Hans Schürch (Vorsitz),
Richterin Daniela Brüschweiler, Richter Yanick Felley,
Gerichtsschreiberin Anna Dürmüller Leibundgut.

Parteien

A._______, geboren am (…),
Iran,
vertreten durch lic. iur. Thomas Wenger, Fürsprecher,
Gesuchsteller,


gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM),
zuvor Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Revision;
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
14. November 2014 / D-1024/2014.



D-7458/2015
Seite 2
Sachverhalt:
A.
Das BFM lehnte das Asylgesuch des Gesuchstellers vom 13. Februar 2011
mit Verfügung vom 27. Januar 2014 ab und ordnete die Wegweisung aus
der Schweiz sowie den Vollzug an. Die dagegen erhobene Beschwerde
vom 27. Februar 2014 wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom
14. November 2014 vollumfänglich ab (vgl. Verfahren D-1024/2014). Für
den Inhalt des ordentlichen Verfahrens ist auf die entsprechenden Akten
zu verweisen.
B.
B.a Mit Eingabe vom 19. November 2015 liess der Gesuchsteller um Re-
vision des Urteils vom 14. November 2014 ersuchen. Ferner wurde bean-
tragt, das Beschwerdeverfahren betreffend die vorinstanzliche Verfügung
vom 27. Januar 2014 sei wieder aufzunehmen, es sei die Flüchtlingseigen-
schaft des Gesuchstellers festzustellen, und es sei ihm Asyl zu gewähren.
Eventuell sei festzustellen, dass der Vollzug der Wegweisung unzulässig
sei, und er sei deswegen vorläufig aufzunehmen. Subeventuell sei das Re-
visionsgesuch als neues Asylgesuch zu qualifizieren und dem SEM zum
Entscheid zu überweisen. In prozessualer Hinsicht wurde um den Erlass
von (superprovisorischen) vorsorglichen Massnahmen (Vollzugsstopp) so-
wie um Gewährung der vollumfänglichen unentgeltlichen Rechtspflege
(Art. 65 Abs. 1 und 2 VwVG) und Kostenvorschussverzicht ersucht.
B.b Zur Begründung des Revisionsgesuchs wurde im Wesentlichen aus-
geführt, der Gesuchsteller verfüge nun über zwei Strafurteile, welche er
erst nach der Ausfällung des Beschwerdeurteils habe erhältlich machen
können. Diese neuen Beweismittel seien geeignet, Tatsachen zu bewei-
sen, welche in direktem Bezug zu den im ordentlichen Verfahren geltend
gemachten Asylgründen, namentlich den vorgebrachten Festnahmen,
stünden. Da sich der Gesuchsteller im Zeitpunkt der Ausfällung dieser Ur-
teile bereits nicht mehr im Iran befunden habe, habe er von deren Existenz
zunächst nichts gewusst. Erst kürzlich sei es seinem Onkel gelungen, an
die fraglichen Urteile heranzukommen. Der Gesuchsteller habe die Doku-
mente dann ungefähr am 20. September 2015 von einem Mittelsmann er-
halten. Aufgrund dieser Urteile stehe fest, dass die Ausführungen des Ge-
suchstellers im ordentlichen Asylverfahren glaubhaft seien, insbesondere
dass ihm bei einer Rückkehr in den Iran eine politisch motivierte, asylrele-
vante Bestrafung drohe.
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B.c Der Eingabe lagen folgende Dokumente bei: eine Anwaltsvollmacht
vom 12. November 2015 (Kopie), das Urteil vom 14. November 2014 in
Sachen D-1024/2014 (Kopie), ein Urteil vom 10. September 2005 des
"B._______" sowie ein Urteil vom 13. Oktober 2005 der (…) (inkl. Überset-
zungen), ein Bestätigungsschreiben vom 18. November 2015 sowie ein
Ausweis der Notunterkunft C._______.
C.
Mit Zwischenverfügung vom 26. November 2015 wies der Instruktionsrich-
ter das Gesuch um Aussetzung des Wegweisungsvollzugs ab und teilte
dem Gesuchsteller mit, er habe den Ausgang des Revisionsverfahrens im
Ausland abzuwarten. Zudem wies er die Gesuche um Gewährung der voll-
umfänglichen unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 und
2 VwVG ab und forderte den Gesuchsteller auf, bis zum 11. Dezember
2015 einen Kostenvorschuss von Fr. 1'200.– zu leisten, ansonsten auf das
Revisionsgesuch nicht eingetreten werde.
D.
Der erhobene Kostenvorschuss wurde am 11. Dezember 2015 einbezahlt.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet gemäss Art. 105 AsylG
(SR 142.31) auf dem Gebiet des Asyls in der Regel endgültig über Be-
schwerden gegen Verfügungen des BFM (vgl. zur Ausnahme Art. 83 Bst. d
Ziff. 1 BGG). Es ist ausserdem zuständig für die Revision von Urteilen, die
es in seiner Funktion als Beschwerdeinstanz gefällt hat (vgl. BVGE
2007/21 E. 2.1).
1.2 Gemäss Art. 45 VGG gelten für die Revision von Urteilen des Bundes-
verwaltungsgerichts die Art. 121–128 BGG sinngemäss. Nach Art. 47 VGG
findet auf Inhalt, Form und Ergänzung des Revisionsgesuches Art. 67
Abs. 3 VwVG Anwendung.
1.3 Das Revisionsgesuch ist ein ausserordentliches Rechtsmittel, das sich
gegen einen rechtskräftigen Beschwerdeentscheid richtet. Wird das Ge-
such gutgeheissen, beseitigt dies die Rechtskraft des angefochtenen Ur-
teils, und die bereits entschiedene Streitsache ist neu zu beurteilen (vgl.
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MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungs-
gericht, 2. Aufl. 2013, S. 303 Rz. 5.36).
1.4 Das Bundesverwaltungsgericht zieht auf Gesuch hin seine Urteile aus
den in Art. 121–123 BGG aufgeführten Gründen in Revision (Art. 45 VGG).
Nicht als Revisionsgründe gelten Gründe, welche die Partei, die um Revi-
sion nachsucht, bereits im ordentlichen Beschwerdeverfahren hätte gel-
tend machen können (sinngemäss Art. 46 VGG).
1.5 Der Gesuchsteller ist durch das angefochtene Urteil besonders berührt
und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung beziehungs-
weise Änderung, womit die Legitimation gegeben ist (vgl. Art. 48 Abs. 1
VwVG analog).
2.
2.1 Im Revisionsgesuch ist insbesondere der angerufene Revisionsgrund
anzugeben und die Rechtzeitigkeit des Revisionsbegehrens im Sinne von
Art. 124 BGG darzutun.
2.2 Der Gesuchsteller bringt vor, er verfüge über neue Beweismittel, wel-
che geeignet seien, die im Asylverfahren geltend gemachten und von den
Asylbehörden für unglaubhaft befundenen Asylgründe zu belegen. Damit
beruft er sich sinngemäss auf den Revisionsgrund von Art. 123 Bst. a BGG
(neue Tatsachen und Beweismittel). Er macht im Weiteren geltend, er habe
die fraglichen Beweismittel erst am 20. September 2015 erhalten, womit er
die Rechtzeitigkeit des Revisionsbegehrens behauptet. Der erhobene Kos-
tenvorschuss wurde fristgerecht einbezahlt. Die allgemeinen Eintretens-
voraussetzungen (vgl. Art. 67 Abs. 3 i.V.m. Art. 52 VwVG, Art. 124 Abs. 1
Bst. b BGG) sind damit erfüllt.
3.
3.1 Der Gesuchsteller lässt mit Eingabe vom 19. November 2015 zwei
Strafurteile einreichen, mit welchen er seine Asylgründe nachträglich zu
belegen versucht (ein Urteil des "B._______" (…) "D._______" sowie ein
Urteil der (…)). Diese Beweismittel stammen vom 10. September 2005 res-
pektive 13. Oktober 2005 und konnten gemäss den Ausführungen des Ge-
suchstellers erst kürzlich via seinen Onkel sowie mehrere Mittelspersonen
erhältlich gemacht werden.
3.2 Gemäss Art. 123 Abs. 2 Bst. a BGG kann die Revision eines Entscheids
verlangt werden, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tat-
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sachen oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren or-
dentlichen Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsa-
chen und Beweismittel, welche erst nach dem Entscheid entstanden sind
(vgl. in Bezug auf nach dem Beschwerdeentscheid entstandene Beweis-
mittel BVGE 2013/22). Revisionsweise eingereichte Beweismittel sind
dann beachtlich, wenn sie entweder neu erfahrene erhebliche Tatsachen
belegen oder geeignet sind, dem Beweis von Tatsachen zu dienen, die
zwar im früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum Nachteil der ge-
suchstellenden Partei unbewiesen geblieben sind. Das vorgebrachte Be-
weismittel muss für die Tatbestandsermittlung von Belang sein; es genügt
nicht, wenn es lediglich zu einer neuen Würdigung der bei der Erstbeurtei-
lung bereits bekannten Tatsachen führen soll (vgl. MOSER/BEUSCH/KNEU-
BÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Handbücher für
die Anwaltspraxis, Band X, 2008, Rz. 5.48 S. 250). Gründe, welche die
Partei, die um Revision nachsucht, bereits im ordentlichen Beschwerde-
verfahren hätte geltend machen können, gelten grundsätzlich nicht als Re-
visionsgründe (Art. 46 VGG). Erhebliche Tatsachen beziehungsweise ent-
scheidende Beweismittel bilden nur dann einen Revisionsgrund im Sinne
von Art. 123 Abs. 2 Bst. a BGG, wenn sie vor dem in Revision zu ziehen-
den Entscheid entstanden sind, in früheren Verfahren aber nicht beige-
bracht werden konnten, weil sie der gesuchstellenden Person damals nicht
bekannt waren beziehungsweise trotz hinreichender Sorgfalt nicht bekannt
sein konnten oder ihr die Geltendmachung oder Beibringung aus ent-
schuldbaren Gründen nicht möglich war (vgl. BGE 134 III 47 E. 2.1; ANDRÉ
MOSER/MICHAEL BEUSCH/LORENZ KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem
Bundesverwaltungsgericht, Handbücher für die Anwaltspraxis, Band X, Ba-
sel 2013, Rz. 5.47). Tatsachen und Beweismittel, die zwar vorbestanden
haben aber von der Partei bewusst oder aus Nachlässigkeit nicht ins Ver-
fahren eingebracht wurden, können nicht zur Revision führen. Es obliegt
mithin den Prozessparteien, rechtzeitig und prozesskonform zur Klärung
des Sachverhalts entsprechend ihrer Beweispflicht beizutragen.
3.3 Entgegen der Auffassung des Gesuchstellers sind die beiden Urteile,
welche mit dem Revisionsgesuch eingereicht wurden, nicht geeignet, seine
im ordentlichen Asylverfahren geltend gemachten Asylgründe – insbeson-
dere die angeblichen Festnahmen – zu belegen. Aufgrund der Aktenlage
kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesen
Urteilen um authentische, die Person des Beschwerdeführers betreffende
Dokumente handelt. Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass die in
den beiden Urteilen genannte Adresse nicht mit der vom Gesuchsteller im
Asylverfahren angegebenen (vgl. dazu A6 S. 2) übereinstimmt. Sodann soll
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der Gesuchsteller gemäss dem Urteil vom 13. Oktober 2005 im Vorfeld der
Verurteilung eine Vorladung zur Gerichtsverhandlung erhalten haben, was
er jedoch im Verlauf des ordentlichen Asylverfahrens mit keinem Wort er-
wähnt hatte. Im Weiteren fällt auf, dass sich die eingereichten Urteile auf
eine Festnahme am 24. Mai 2005 wegen Trunkenheit und Pöbelei bezie-
hen. Der Gesuchsteller hat im ordentlichen Asylverfahren indessen nie gel-
tend gemacht, er sei im Jahr 2005 wegen Trunkenheit und Pöbelei festge-
nommen worden. Vielmehr hat er damals lediglich vorgebracht, er sei, als
er 22 Jahre alt gewesen sei (d.h. im Jahr 2000) einmal wegen Trunkenheit
verhaftet und zu Peitschenhieben verurteilt worden (vgl. A20 S. 3 und 4).
Dies steht wiederum im Widerspruch zur Bemerkung in den nun einge-
reichten Urteilen, wonach "kein vorheriger Eintrag im Strafregister" be-
stehe. Schliesslich gab der Gesuchsteller in der Anhörung durch die Vo-
rinstanz zwar an, er sei noch ein zweites Mal verhaftet worden; diese
zweite Verhaftung erfolgte seinen Angaben zufolge jedoch offenbar nicht
wegen Trunkenheit, sondern wegen unsittlichen Verhaltens (Ausführen ei-
nes Mädchens mit seinem Motorrad), wovon wiederum in den eingereich-
ten Urteilen keine Rede ist. Nach dem Gesagten erscheinen die nachträg-
lich eingereichten Strafurteile aus dem Jahr 2005 mit den Asylvorbringen
des Gesuchstellers unvereinbar und sind damit offensichtlich nicht geeig-
net, diese glaubhaft zu machen. Bei dieser Sachlage kann dahingestellt
bleiben, ob diese Beweismittel ausserdem auch verspätet eingereicht wur-
den.
3.4 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen sind die beiden Strafurteile
nicht geeignet, die im ordentlichen Asyl- respektive Beschwerdeverfahren
für unglaubhaft befundenen Asylvorbringen, namentlich die geltend ge-
machten Festnahmen respektive die Verfolgung durch die iranischen Be-
hörden, nachträglich glaubhaft zu machen. Damit ist das Kriterium der re-
visionsrechtlichen Erheblichkeit nicht erfüllt (Art. 123 Abs. 2 Bst. a BGG).
4.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es dem Gesuchsteller nicht ge-
lungen ist, revisionsrechtlich relevanten Gründe darzutun. Das Gesuch um
Revision des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts D-1024/2014 vom
14. November 2014 ist demnach abzuweisen.
Aufgrund der Aktenlage besteht für das Gericht keine Veranlassung, die
Eingabe vom 19. November 2015 zur allfälligen Prüfung unter dem Ge-
sichtspunkt eines neuen Asylgesuchs (vgl. Ziff. 4 der Rechtsbegehren) an
das SEM zu überweisen.
D-7458/2015
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5.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind dessen Kosten von Fr. 1'200.–
dem Gesuchsteller aufzuerlegen (Art. 37 VGG i.V.m. Art. 63 Abs. 1 und
Art. 68 Abs. 2 VwVG; Art. 1–3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über
die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht
[VGKE, SR 173.320.2]). Der am 11. Dezember 2015 in gleicher Höhe ge-
leistete Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten ver-
wendet.

(Dispositiv nächste Seite)

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Seite 8
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 1'200.– werden dem Gesuchsteller auferlegt.
Der in gleicher Höhe geleistete Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der
Verfahrenskosten verwendet.
3.
Dieses Urteil geht an den Gesuchsteller, das SEM und die kantonale Mig-
rationsbehörde.

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Hans Schürch Anna Dürmüller Leibundgut


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