D-6869/2015 - Abteilung IV - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren) - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dubl...
Karar Dilini Çevir:
D-6869/2015 - Abteilung IV - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren) - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dubl...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung IV
D-6869/2015/wiv



Ur t e i l vom 2 9 . Ok t o be r 2 0 1 5
Besetzung
Einzelrichter Hans Schürch,
mit Zustimmung von Richter Fulvio Haefeli,
Gerichtsschreiberin Eva Zürcher.

Parteien

A._______, geboren am (…),
Eritrea,
Beschwerdeführerin,


gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung
(Dublin-Verfahren);
Verfügung des SEM vom 8. Oktober 2015 / N (…).


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Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,
dass die Beschwerdeführerin am 22. Juni 2015 in der Schweiz um Asyl
nachsuchte,
dass sie ihr Heimatland im April 2015 verlassen habe,
dass sie auf ihrem Weg in die Schweiz über den B._______ nach
C._______ und von dort in einem Boot am 7. Juni 2015 nach Italien gereist
sei, wobei sie vor Italien von einem Rettungsschiff aufgenommen worden
sei,
dass sie in Italien weder registriert noch daktyloskopiert worden sei,
dass sie vom Schiff in einem Bus an einen ihr unbekannten Ort in Italien
weitertransportiert worden sei,
dass sie an diesem Ort davongelaufen sei, um nicht Fingerabdrücke geben
zu müssen,
dass sie am 22. Juni 2015 mit dem Zug von D._______ herkommend in
die Schweiz gefahren sei,
dass ihr anlässlich der Befragung vom 3. Juli 2015 das rechtliche Gehör zu
einer Wegweisung nach Italien gewährt und ihr die Möglichkeit einer münd-
lichen Stellungnahme eingeräumt wurde,
dass sie darlegte, in Italien habe sie niemanden, während sich in der
Schweiz ein Bruder aufhalte,
dass sie nicht geplant habe, in Italien zu leben, sondern die Schweiz als
Ziel gehabt habe,
dass sie zudem erklärte, gesund zu sein,
dass das SEM die italienischen Behörden am 30. Juli 2015 um Übernahme
der Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU)
Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung
des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehö-
rigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstatt gestellten Antrags auf inter-
nationalen Schutz zuständig ist (nachfolgend Dublin-III-VO), ersuchte,
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dass Italien auf das Ersuchen vom 30. Juli 2015 nicht antwortete, worauf
das Dublin Office Switzerland die Zuständigkeit Italiens zur Durchführung
des Asyl- und Wegweisungsverfahrens per Mail an das Dublin Office Italien
feststellte,
dass das SEM mit Verfügung vom 8. Oktober 2015 – eröffnet am 16. Ok-
tober 2015 – in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG (SR 142.31)
auf das Asylgesuch nicht eintrat, die Wegweisung aus der Schweiz nach
Italien anordnete und die Beschwerdeführerin aufforderte, die Schweiz
spätestens am Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zu verlassen,
dass es gleichzeitig feststellte, einer allfälligen Beschwerde gegen den Ent-
scheid komme keine aufschiebende Wirkung zu, und die Aushändigung
der editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis an die
Beschwerdeführerin verfügte,
dass das SEM zur Begründung seiner Entscheidung darlegte, Italien sei
Signatarstaat des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung
der Flüchtlinge (FK) und der EMRK, und keine konkreten Anhaltspunkte
dafür vorlägen, dieses Land halte sich nicht an seine völkerrechtlichen Ver-
pflichtungen und führe das Asyl- und Wegweisungsverfahren nicht korrekt
durch,
dass somit die Zuständigkeit Italiens zur Durchführung des Asyl- und Weg-
weisungsverfahrens feststehe,
dass zudem in Würdigung der Aktenlage und der von der Beschwerdefüh-
rerin geltend gemachten Umstände keine Gründe vorlägen, die einen
Selbsteintritt der Schweiz rechtfertigen könnten,
dass die Überstellung an Italien bis spätestens am 30. März 2016 zu erfol-
gen habe, vorbehältlich einer allfälligen Unterbrechung oder Verlängerung
der Überstellungsfrist,
dass der Vollzug der Wegweisung nach Italien zulässig, zumutbar, tech-
nisch möglich und praktisch durchführbar sei,
dass die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 23. Oktober 2015 gegen
diesen Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhob und
dabei beantragte, der Entscheid des SEM vom 8. Oktober 2015 sei aufzu-
heben, das SEM sei anzuhalten, sein Recht auf Selbsteintritt auszuüben
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und sich für das vorliegende Asylgesuch als zuständig zu erklären, even-
tualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuwei-
sen,
dass sie in verfahrensrechtlicher Hinsicht um Herstellung der aufschieben-
den Wirkung, um Anweisung der zuständigen Vollzugsbehörden, von der
Überstellung nach Italien bis zum Entscheid über den Suspensiveffekt ab-
zusehen, sowie um Gewährung der vollständigen unentgeltlichen Rechts-
pflege unter Einschluss des Verzichts auf die Erhebung eines Kostenvor-
schusses ersuchte,
dass auf die Beschwerdeargumente – soweit erforderlich – in den nachfol-
genden Erwägungen einzugehen ist,
dass die vorinstanzlichen Akten am 27. Oktober 2015 beim Bundesverwal-
tungsgericht eintrafen (Art. 109 Abs. 1 AsylG),
und zieht in Erwägung,
dass das Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Asyls – in der Re-
gel und auch vorliegend – endgültig über Beschwerden gegen Verfügun-
gen (Art. 5 VwVG) des SEM entscheidet (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 31‒33
VGG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG),
dass die Beschwerdeführerin am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenom-
men hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist, ein
schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Ände-
rung hat und daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert ist (Art. 105
AsylG und Art. 48 Abs. 1 VwVG),
dass somit auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde einzu-
treten ist (Art. 108 Abs. 2 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG),
dass über offensichtlich unbegründete Beschwerden in einzelrichterlicher
Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise ei-
ner zweiten Richterin entschieden wird (Art. 111 Bst. e AsylG) und es sich,
wie nachfolgend aufgezeigt wird, um eine solche handelt, weshalb das Ur-
teil nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG),
dass gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG auf einen Schriftenwechsel ver-
zichtet wurde,
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dass mit Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich
Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und
unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt
werden können (Art. 106 Abs. 1 AsylG),
dass sich das vorliegende Verfahren auf einen Nichteintretensentscheid
bezieht, womit einzig zu prüfen ist, ob das SEM zu Recht auf das Asylge-
such nicht eingetreten ist und die Wegweisung aus der Schweiz nach Ita-
lien angeordnet hat,
dass auf Asylgesuche in der Regel nicht eingetreten wird, wenn Asylsu-
chende in einen Drittstaat ausreisen können, der für die Durchführung des
Asyl- und Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist (Art. 31a
Abs. 1 Bst. b AsylG),
dass diesbezüglich die Dublin-III-VO zur Anwendung kommt,
dass gemäss Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO jeder Asylantrag von einem einzi-
gen Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III
(Art. 8–15 Dublin-III-VO) als zuständiger Staat bestimmt wird (vgl. auch
Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO),
dass der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat verpflichtet ist,
einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem an-
deren Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet
eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Massgabe
der Artikel 23, 24 , 25 und 29 wieder aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 Bst. b
Dublin-III-VO),
dass gemäss Art. 3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Dublin-III-VO der die Zuständig-
keit prüfende Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zu-
ständig wird, falls es sich als unmöglich erweist, einen Antragssteller in den
eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche
Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahme-
bedingungen für Antragsteller in jenem Mitgliedstaat systemische
Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder
entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grund-
rechte der Europäischen Union (ABl. C 364/1 vom 18.12.2000, nachfol-
gend EU-Grundrechtecharta) mit sich bringen, und nach den Regeln der
Dublin-III-VO kein anderer zuständiger Mitgliedstaat bestimmt werden
kann,
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dass jeder Mitgliedstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO be-
schliessen kann, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder
Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch
wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die
Prüfung zuständig ist (Art. 17 Abs.1 Satz 1Dublin-III-VO; sog. Selbstein-
trittsrecht),
dass dieses sogenannte Selbsteintrittsrecht im Landesrecht durch Art. 29a
Abs. 3 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 (AsylV 1, SR 142.311)
konkretisiert wird und das SEM das Asylgesuch gemäss dieser Bestim-
mung "aus humanitären Gründen" auch dann behandeln kann, wenn dafür
gemäss Dublin-III-VO ein anderer Staat zuständig wäre,
dass es vorliegend keine Gründe für die Annahme gibt, das Asylverfahren
und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Italien weise systemi-
sche Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Dublin-III-
VO auf,
dass den vorliegenden Akten zu entnehmen ist, dass sich die
Beschwerdeführerin vor ihrer Einreise in die Schweiz in Italien aufgehalten
hatte, indem sie dort von den italienischen Behörden (Küstenwache) an
Land gebracht und im Bus an einen ihr angeblich unbekannten Ort trans-
portiert wurde,
dass sie anlässlich ihrer Befragung zur Person ausführte, sie sei weder
registriert noch seien ihr die Fingerabdrücke genommen worden, weil sie
in D._______ nach der Busfahrt davongelaufen sei, um dem ausweichen
zu können,
dass das SEM die italienischen Behörden am 30. Juli 2015 um Aufnahme
der Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 13 Abs. 1Dublin-III-VO ersuchte,
dass die italienischen Behörden das Übernahmeersuchen innert der in
Art. 22 Abs. 1 [und 6] Dublin-III-VO vorgesehenen Frist unbeantwortet lies-
sen, womit sie die Zuständigkeit Italiens implizit anerkannten (Art. 22
Abs. 7 Dublin-III-VO),
dass die grundsätzliche Zuständigkeit Italiens somit gegeben ist,
dass an dieser Einschätzung die Einwände in der Beschwerde, sie sei in
Italien weder registriert noch daktyloskopiert worden, und ihr Ziel sei die
Schweiz gewesen, nichts zu ändern vermögen, zumal sich Asylsuchende
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im Dublin-Verfahren ihren Wunsch-Staat für das Asylgesuch nicht aussu-
chen können, da sich die Zuständigkeit des Staates, welcher für die Durch-
führung des Asyl- und Wegweisungsverfahren nach der Dublin-III-VO und
nicht nach den Wünschen der betroffenen Asylsuchenden richtet,
dass die Anwesenheit eines Bruders der Beschwerdeführerin in der
Schweiz nichts an der grundsätzlichen Zuständigkeit Italiens ändert, zumal
dieser nicht als Familienangehöriger im Sinne der Dublin-III-VO gilt (vgl.
Art.2 Bst. g Dublin-III-VO),
dass die Beschwerdeführerin zudem im Beschwerdeverfahren geltend
machte, an schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen zu leiden, wel-
che sie anlässlich der Befragung nicht angegeben habe, weil sie davon
ausgegangen sei, dort habe man nach körperlichen Beschwerden gefragt,
während ihre Beeinträchtigungen psychischer Art seien,
dass man ihr zudem zu verstehen gegeben habe, sich kurz zu fassen,
dass sie insbesondere (…) leide, ihr jedoch in der Schweiz bisher der Zu-
gang zur ärztlichen Versorgung verwehrt geblieben sei, weshalb sie dies
nicht beweisen könne,
dass sie aufgrund ihrer psychischen Probleme als besonders verletzliche
Person gelte,
dass Italien bekanntermassen mit der aktuellen Flüchtlingswelle völlig
überfordert sei, viele Asylsuchende dort obdachlos seien, die Asylunter-
künfte überfüllt seien, die Asylsuchenden nicht über eine genügende Pri-
vatsphäre verfügten und es in den Unterkünften zu Gewalt komme,
dass es dem Zufallsprinzip unterliege, ob Dublin-Rückkehrenden, die ein
Asylgesuch einreichen, medizinische Hilfe und eine Unterkunft bekommen
könnten,
dass sie zudem in Italien niemanden kenne,
dass sie somit als verletzliche Person nicht nach Italien weggewiesen wer-
den könne, weil dies dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgericht
E-6629/2014 vom 12. März 2015 widersprechen würde,
dass sie mit diesen Vorbringen implizit die Anwendung von Art. 17 Abs. 1
Dublin-III-VO respektive Art. 29a Abs. 3 AsylV 1 fordert,
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dass Italien Signatarstaat der EMRK, des Übereinkommens vom 10. De-
zember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder er-
niedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und des Abkommens
vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR
0.142.30) sowie des Zusatzprotokolls der FK vom 31. Januar 1967 (SR
0.142.301) ist und seinen diesbezüglichen völkerrechtlichen Verpflichtun-
gen nachkommt,
dass auch davon ausgegangen werden darf, dieser Staat anerkenne und
schütze die Rechte, die sich für Schutzsuchende aus den Richtlinien des
Europäischen Parlaments und des Rates 2013/32/EU vom 26. Juni 2013
zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des in-
ternationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie) sowie 2013/33/EU vom
26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen,
die internationalen Schutz beantragen (Aufnahmerichtlinie) ergeben,
dass diese Ansicht durch den Europäischen Gerichtshof für Menschen-
rechte (EGMR) bestätigt wird, indem dieser in seiner bisherigen Rechtspre-
chung festhält, dass in Italien kein systemischer Mangel an Unterstützung
und Einrichtungen für Asylsuchende bestehe, obwohl die allgemeine Situ-
ation und insbesondere die Lebensumstände von Asylsuchenden, aner-
kannten Flüchtlingen und Personen mit einem subsidiären Schutzstatus in
Italien gewisse Mängel aufweisen würden (vgl. EGMR: Entscheidung Mo-
hammed Hussein und andere vs. Niederlande und Italien [Beschwerde Nr.
27725/10] vom 2. April 2013, § 78),
dass auch das im Jahr 2014 ergangene Urteil des EGMR (vgl. EGMR: Ent-
scheidung Tarakhel vs. Schweiz [Beschwerde Nr. 29217/12] vom 4. No-
vember 2014) nicht zu einer wesentlich anderen Einschätzung führt,
dass die Beschwerdeführerin insbesondere nicht zu dem in diesem Urteil
bezeichneten verletzlichen Personenkreis zu zählen ist,
dass zudem die Berufung auf das vorangehend erwähnte Urteil des Bun-
desverwaltungsgerichts vorliegend nicht gerechtfertigt ist, weil es sich bei
der Beschwerdeführerin um eine alleinstehende Frau ohne Kinder handelt,
während das erwähnte Urteil Familien mit Kindern als besonders verletzli-
che Personen qualifizierte,
dass die Beschwerdeführerin anlässlich der Befragung ausdrücklich darauf
aufmerksam gemacht wurde, gesundheitliche Beeinträchtigungen, welche
für das Asylverfahren massgeblich seien, sofort geltend zu machen,
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dass sie ohne Einschränkung darlegte, gesund zu sein,
dass somit die erst im Beschwerdeverfahren geltend gemachten gesund-
heitlichen Beschwerden nachgeschoben und damit unglaubhaft sowie im
Übrigen in keiner Weise belegt sind,
dass die Beschwerdeführerin auch diesbezüglich auf die ihr obliegende
Mitwirkungspflicht im Asylverfahren nach Art. 8 AsylG hinzuweisen ist,
dass somit davon auszugehen ist, die Beschwerdeführerin sei gesund,
dass sie ferner kein konkretes und ernsthaftes Risiko dargetan hat, die ita-
lienischen Behörden würden sich weigern, sie aufzunehmen und ihren An-
trag auf internationalen Schutz unter Einhaltung der Regeln der erwähnten
Richtlinien zu prüfen,
dass den Akten auch keine Gründe für die Annahme zu entnehmen sind,
Italien werde in ihrem Fall den Grundsatz des Non-Refoulement missach-
ten und sie zur Ausreise in ein Land zwingen, in dem ihr Leib, ihr Leben
oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist
oder in dem sie Gefahr laufen würde, zur Ausreise in ein solches Land ge-
zwungen zu werden,
dass sie keine konkreten Hinweise für die Annahme dargetan hat, Italien
würde ihr dauerhaft die ihr gemäss Aufnahmerichtlinie zustehenden mini-
malen Lebensbedingungen und den Zugang zu einer allfällig benötigten
medizinischen Behandlung vorenthalten, und sie sich bei einer vorüberge-
henden Einschränkung oder Verweigerung im Übrigen nötigenfalls an die
italienischen Behörden wenden und die ihr zustehenden Aufnahmebedin-
gungen auf dem Rechtsweg einfordern könnte (vgl. Art. 26 Aufnahmericht-
linie),
dass dem SEM ausserdem bei der Anwendung von Art. 29a Abs. 3 AsylV 1
Ermessen zukommt (vgl. zum Ganzen das Grundsatzurteil E-641/2014
vom 13. März 2015, zur Publikation vorgesehen) und den Akten keine Hin-
weise auf eine gesetzeswidrige Ermessensausübung (vgl. Art. 106 Abs. 1
Bst. a AsylG) durch die Vorinstanz zu entnehmen sind,
dass das Bundesverwaltungsgericht sich unter diesen Umstände weiterer
Ausführungen zur Frage eines Selbsteintritts enthält und die Anwendung
von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO nicht gerechtfertigt ist,
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dass das SEM demnach zu Recht in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b
AsylG auf das Asylgesuch der Beschwerdeführerin nicht eingetreten ist
und – weil die Beschwerdeführerin nicht im Besitz einer gültigen Aufent-
halts- oder Niederlassungsbewilligung ist – in Anwendung von Art. 44
AsylG die Überstellung nach Italien angeordnet hat (Art. 32 Bst. a AsylV 1),
dass unter diesen Umständen allfällige Vollzugshindernisse gemäss
Art. 83 Abs. 3 und 4 AuG (SR 142.20) nicht mehr zu prüfen sind, da das
Fehlen von Überstellungshindernissen bereits Voraussetzung des Nicht-
eintretensentscheides gemäss Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG ist (vgl. BVGE
2010/45 E. 10),
dass die Beschwerde aus diesen Gründen abzuweisen und die Verfügung
des SEM vom 8. Oktober 2015 zu bestätigen ist,
dass das Beschwerdeverfahren mit vorliegendem Urteil abgeschlossen ist,
weshalb sich die Anträge auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung und
auf Anweisung der Vorinstanz, von Vollzugshandlungen bis zum Entscheid
über das vorliegende Gesuch um Erteilung des Suspensiveffekts abzuse-
hen, ebenso als gegenstandslos erweisen wie der Antrag, auf die Erhe-
bung eines Kostenvorschusses sei zu verzichten,
dass das mit der Beschwerde gestellte Gesuch um Gewährung der voll-
ständigen unentgeltlichen Prozessführung nach Art. 65 Abs. 1 und 2 VwVG
abzuweisen ist, da die Begehren – wie sich aus den vorstehenden Erwä-
gungen ergibt – als aussichtlos zu bezeichnen waren und zudem die von
Art. 65 Abs. 2 VwVG verlangte Notwendigkeit der Vertretung nicht aus den
bestehenden Akten hervorgeht, weshalb die Voraussetzungen von Art. 65
Abs. 1 und 2 VwVG nicht erfüllt sind,
dass bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten von Fr. 600.– (Art. 1‒
3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädi-
gungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 VwVG).

(Dispositiv nächste Seite)


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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und um
Beiordnung einer Rechtsvertretung werden abgewiesen.
3.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden der Beschwerdeführerin aufer-
legt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten
der Gerichtskasse zu überweisen.
4.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die kantonale
Migrationsbehörde.

Der Einzelrichter: Die Gerichtsschreiberin:

Hans Schürch Eva Zürcher


Versand: