D-6779/2009 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Asyl
Karar Dilini Çevir:
D-6779/2009 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Asyl
Abtei lung IV
D-6779/2009/cvv
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 1 . J a n u a r 2 0 1 0
Einzelrichter Hans Schürch,
mit Zustimmung von Richterin Gabriela Freihofer,
Gerichtsschreiberin Eva Zürcher.
A._______, geboren (...), Togo,
vertreten durch (...), Swiss-Exile,
(...)
Beschwerdeführerin,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom
30. September 2009 / N (...).
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
D-6779/2009
Sachverhalt:
A.
Die Beschwerdeführerin verliess eigenen Angaben zufolge ihr Heimat-
land im August 2007 und gelangte per Flugzeug am 11. Dezember
2008 über Burkina Faso, wo sie sich während einem Jahr und vier
Monaten aufgehalten habe, sowie über Frankreich in die Schweiz, wo
sie gleichentags ein Asylgesuch einreichte. Am 15. Januar 2009 wurde
sie im B.________ befragt und mit Verfügung vom 21. Januar 2009 für
die Dauer des Asylverfahrens dem Kanton C.________ zugwiesen. Am
8. April 2009 führte das BFM eine direkte Anhörung durch.
Die Beschwerdeführerin brachte vor, sie sei Staatsangehörige aus
Togo und habe seit ihrer Geburt bis zur Ausreise in D.________ ge-
lebt. Ihr Sohn habe im April 2005 an den Präsidentschaftswahlen
teilgenommen und sei anschliessend nicht mehr nach Hause zu-
rückgekehrt. Wie sie erfahren habe, seien er und seine Kollegen mit
den Soldaten, welche die Urne abgeholt hätten, in eine Konfrontation
geraten. Die Beschwerdeführerin habe ihn überall erfolglos gesucht.
Im August 2007 habe sie von ihrem Sohn einen Telefonanruf erhalten,
in welchem er ihr mitgeteilt habe, er sei wohlauf. Indessen habe er
seinen Aufenthaltsort nicht bekannt gegeben. Diesen Sachverhalt
habe die Beschwerdeführerin ihrer besten Freundin mitgeteilt. Nach-
dem sie von dieser verraten worden sei, hätten sie fünf Tage später
fünf schwarz gekleidete und maskierte Männer auf dem Heimweg vom
Markt festgenommen und im Auto zu einem unbekannten Haus ge-
bracht. Dort sei sie nach dem Aufenthaltsort ihres Sohnes gefragt
worden. Als Folge der ihr zugefügten Schläge sei sie bewusstlos ge-
worden. Wieder zu sich gekommen, habe sie bemerkt, dass sie ver-
gewaltigt worden sei und Zähne verloren habe. Nach drei Tagen sei sie
unter der Bedingung, den Sohn zu den Männern zu bringen, freige-
lassen worden. Aus Angst, dass auch ihrer Tochter etwas passieren
könne, habe sie im August 2007 ihr Heimatland verlassen und sich
nach E._________ in Burkina Faso begeben, wo sie eine Frau
kennengelernt habe, bei der sie habe unterkommen können und der
sie im Haushalt geholfen habe. Später habe sie einen Mann kennen-
gelernt, dem sie ihre Erlebnisse geschildert und der ihre Ausreise
organisiert habe.
Die Beschwerdeführerin gab eine Karte mit ihren Mitgliederbeiträgen
im Quartier in D.________ zu den Akten.
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B.
Mit Verfügung vom 30. September 2009 – eröffnet am 1. Oktober 2009
– stellte das BFM fest, die Beschwerdeführerin erfülle die Flücht-
lingseigenschaft nicht, und lehnte das Asylgesuch ab. Gleichzeitig
verfügte es die Wegweisung aus der Schweiz und ordnete deren
Vollzug an. Es begründete seinen ablehnenden Entscheid damit, dass
die Vorbringen insgesamt den Anforderungen an die Glaubhaft-
machung nicht genügten. Insbesondere habe die Beschwerdeführerin
die Verfolgungsgeschichte sehr vage und ausweichend geschildert,
weshalb nicht auf persönlich erlebte Ereignisse zu schliessen sei. So
habe sie beispielsweise nicht angeben können, warum sie von ihrer
besten Freundin verraten worden sei. Ebenso wenig habe sie plausibel
darlegen können, warum es sich bei den fünf Männern um Soldaten
gehandelt habe. Zudem sei es nicht realistisch, dass die Behörden
ihren Sohn erst zwei Jahre nach der geltend gemachten Konfrontation
mit den Soldaten bei ihr gesucht hätten. Auch über den Wahltag selber
habe sie nicht ausführlich berichten können. Die geltend gemachte
Vergewaltigung habe sie nur oberflächlich dargestellt und auf die
Frage, wie es ihr nach dem Übergriff gegangen sei, habe sie bloss
ausgesagt, sie habe Schmerzen im Unterleib gehabt, was ebenfalls
nicht auf eine erlebte Situation schliessen lasse. Das Zimmer, in wel-
chem sie während drei Tagen festgehalten worden sei, habe sie nur
ungenau beschrieben, und die Antwort auf die Frage, wie sie sich zur
Wehr gesetzt habe, sei stereotyp ausgefallen. Schliesslich sei es auch
nicht nachvollziehbar, warum die Beschwerdeführerin mit ihrer eben-
falls in D.________ wohnenden Tochter keinen Kontakt aufgenommen
habe, obwohl sie befürchtet habe, diese sei in Gefahr. Den Weg-
weisungsvollzug erachtete die Vorinstanz als zulässig, zumutbar und
möglich. Insbesondere seien die Angaben der Beschwerdeführerin, sie
wisse nicht, wo sich ihre Tochter und ihre beiden Brüder befänden,
wenig plausibel und ausweichend, weshalb davon auszugehen sei,
dass sie bei ihrer Rückkehr nach Togo auf ein tragfähiges Beziehungs-
netz zurückgreifen könne.
C.
Mit Eingabe an das Bundesverwaltungsgericht vom 29. Oktober 2009
beantragte die Beschwerdeführerin, Wegweisungsmassnahmen seien
zu sistieren, und es sei ihr Asyl beziehungsweise eine vorläufige Auf-
nahme zu gewähren. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte sie um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Zur Begründung wurde
insbesondere vorgebracht, dass es sich – wie das BFM zutreffend
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ausgeführt habe – bei ihrer Angabe, es habe sich bei den Männern um
Soldaten gehandelt, nur um eine Vermutung handle, weil sie dies
nicht beweisen könne. Sie sei, nachdem ihr Sohn im Jahr 2005 mit
Soldaten Probleme gehabt habe und sie im Jahr 2007 von Männern
mit bösen Absichten nach ihrem Sohn gefragt worden sei, zum
Schluss gekommen, dass es sich um die gleichen Soldaten handeln
müsse. Dies könne ihr indessen nicht zu ihren Ungusten vorgeworden
werden. Ferner sei ihre Freundin die Einzige gewesen, welcher sie
vom Telefonanruf ihres Sohnes berichtet habe, woraus sie ebenfalls
den Schluss gezogen habe, dass sie von ihr verraten worden sei. Auch
wenn es sich nur um eine Vermutung handle, könne dies nicht zu ihren
Ungunsten ausgelegt werden. Zudem hätten die Personen erst dann
nach ihrem Sohn gesucht, als sie vom Telefonanruf erfahren hätten.
Bezüglich des Vorwurfs, sie habe nur vage über ihre Vergewaltigung
berichtet, sei anzumerken, dass es ihr schwer falle, überhaupt darüber
zu sprechen. Sie sei nicht mehr jung und die Übergriffe hätten massive
psychische Spuren hinterlassen. Bei traumatisierten Personen komme
es immer wieder vor, dass sie nicht über das Erlebte sprechen
könnten. Sie könne nicht viel beschreiben, weil ihr immer zuvor von
einem Mann die Augen verbunden worden seien. Dieser Detailmangel
könne ihr somit nicht vorgeworfen werden. Im Übrigen habe sie genau
gesagt, was sie zu ihrer Verteidigung gemacht habe. Das Zimmer, in
welchem sie festgehalten worden sei, habe sie nicht näher beschrei-
ben können, weil es nicht mehr dazu zu sagen gebe. Zu ihrer Tochter
habe sie keinen Kontakt aufgenommen, weil sie schon seit mehreren
Jahren keinen Kontakt zueinander hätten und weil sie Angst gehabt
habe, dass die Männer sie weiterhin beobachten und infolgedessen
von ihrer Tochter Kenntnis erlangen würden. Sie habe befürchtet, dass
sie ihr auch etwas antun würden. Dieses Verhalten sei logisch und
nachvollziehbar. Sie habe keine grosse Ausbildung genossen und die
Vorbringen gemäss ihrer einfachen Wahrnehmung beschrieben.
Schliesslich sei festzuhalten, dass sie eine fünfzigjährige und allein
lebende Frau sei und nicht nicht wisse, wo in Togo ihre Familie lebe.
Als alleinstehende Frau werde sie es schwer haben, weil in Togo eine
Frau allein einen schwierigen Lebensstatus habe. Zudem leide sie auf-
grund der erlittenen Vergewaltigung an psychischen Problemen.
Der Beschwerde lagen mehrere Arztberichte und eine Fürsorgebestä-
tigung bei.
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D.
Mit Zwischenverfügung vom 9. November 2008 wurde der Be-
schwerdeführerin mitgeteilt, dass sie den Ausgang des Beschwerde-
verfahrens in der Schweiz abwarten könne. Aufgrund der Aussichts-
losigkeit ihrer Beschwerdebegehren wurde sie aufgefordert, innert
Frist einen Kostenvorschuss einzuzahlen, verbunden mit der Andro-
hung, im Unterlassungsfall werde auf die Beschwerde nicht eingetre-
ten.
E.
Der Kostenvorschuss wurde fristgerecht einbezahlt.
F.
Mit Eingabe vom 2. Dezember 2009 reichte die Beschwerdeführerin
eine Vertretungsvollmacht und eine Beschwerdeergänzung zu den
Akten.
G.
Mit Eingabe vom 5. Januar 2010 gab die Beschwerdeführerin den
Arztbericht von Dr. med. (...) vom 22. Dezember 2009 zu den Akten.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni
2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG,
SR 172.021). Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und
ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das
Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt
nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die
Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet in diesem
Bereich endgültig (Art. 105 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998
[AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes
vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
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1.2 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem
BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und
Art. 6 AsylG).
1.3 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht (Art. 108
Abs. 1 AsylG, Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 52 VwVG).
Die Beschwerdeführerin ist durch die angefochtene Verfügung be-
sonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Auf-
hebung beziehungsweise Änderung; sie ist daher zur Einreichung der
Beschwerde legitimiert (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 48
Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3.
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichter-
licher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters bezie-
hungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e
AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich vorliegend um
eine solche, weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu
begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).
Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde vorliegend auf die Durch-
führung des Schriftenwechsels verzichtet.
4.
4.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen
grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person
anerkannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie
zuletzt wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörig-
keit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen
Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete
Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte
Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder Frei-
heit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck
bewirken; den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tra-
gen (Art. 3 AsylG).
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4.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nach-
weisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft ge-
macht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahr-
scheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vor-
bringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich
widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder mass-
geblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden
(Art. 7 AsylG).
5.
5.1 Das BFM erachtete die Vorbringen der Beschwerdeführerin ins-
gesamt als unglaubhaft. Insbesondere habe sie ihre Ausreisegründe
vage und ausweichend vorgetragen. Dieser Schlussfolgerung schliesst
sich das Bundesverwaltungsgericht vollumfänglich an. Um unnötige
Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die zutreffenden Erwägungen
in der angefochtenen Verfügung und auf die Erwägungen in der
Zwischenverfügung vom 9. November 2009 verwiesen.
5.2 Dabei ist insbesondere festzuhalten, dass einerseits die Vorbrin-
gen der Beschwerdeführerin kaum substanzielle und detailnahe
Schilderungen enthalten und andererseits vorwiegend auf Mut-
massungen und Behauptungen basieren, welche durch keine Doku-
mente belegt sind. Im Übrigen fehlt ihnen in verschiedener Hinsicht
auch der Bezug zur Realität. Die in der Beschwerde geltend gemachte
geringe Schulbildung der Beschwerdeführerin vermag an diesen Fest-
stellungen nichts zu ändern, zumal auch einfach gebildete Menschen
in der Lage sind, ihre Erlebnisse so darzustellen, dass sie zahlreiche
Details und damit ein gewisses Mass an Substanz enthalten. Aus der
äusserst dürftigen Darstellung der Fluchtgründe ist im vorliegenden
Fall auf eine konstruierte Geschichte zu schliessen.
5.3 Ferner reichte die Beschwerdeführerin keinen Suchbefehl oder
andere behördliche Dokumente, die belegt hätten, dass ihr Sohn über-
haupt behördlich gesucht wird, zu den Akten. Auch aus diesem Grund
kann ihr nicht geglaubt werden, dass sie den geltend gemachten Prob-
lemen ausgesetzt war.
5.4 Darüber hinaus hat sich die Lage in Togo seit den Präsident-
schaftswahlen im Jahr 2005 stetig verändert. Aufgrund der Zusiche-
rung der Europäischen Union, unter gewissen Bedingungen Togo wirt-
schaftliche Unterstützung zu leisten, zeigten die Regierung und die
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Oppositionsparteien eine gewisse Bereitschaft zur Versöhnung und
unterzeichneten im August 2005 eine „Allgemeine politische Verein-
barung“, die Parlamentswahlen im Jahr 2007 vorsah. Im Vorfeld dieser
Wahlen konnten die Oppositionsparteien friedliche Demonstrationen
abhalten, ohne dass die Sicherheitskräfte gewaltsam eingeschritten
wären. Exil-Oppositionelle kehrten für den Wahlkampf freiwillig nach
Togo zurück und die Parlamentswahlen vom 30. Oktober 2007 ver-
liefen weitgehend frei und fair. Nachdem die Oppositionspartei einen
Anteil an Sitzen errang, verbesserte sich die politische Situation in
Togo in einem Ausmass, dass auch Oppositionelle dorthin zurück-
kehren konnten und seither weitgehend ungehindert politisch aktiv
sind (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-4985/2007 vom
15. September 2009, D-6094/2006 vom 19. August 2009 und D-
5315/2006 vom 1. Mai 2009 und dort zitierte Quellen). Vor dem
Hintergrund dieser Entwicklung erscheinen die Vorbringen der Be-
schwerdeführerin ebenfalls nicht nachvollziehbar. Es ist mit der stetig
verbesserten Situation in Togo nicht zu vereinbaren, dass zwei Jahre
nach den Präsidentschaftswahlen im April 2005, die eine Welle der
Gewalt und Repression auslösten, noch immer Personen, die damals
in Konflikte verwickelt waren, behördlich gesucht sein sollen. Somit
können den Aussagen der Beschwerdeführerin keine überzeugenden
Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass ihr im Jahr 2005 noch
jugendlicher Sohn im Zeitpunkt ihrer Ausreise infolge der damaligen
Konfliktsituation noch behördlich gesucht sein soll, selbst wenn er im
Jahr 2005 ins Visier der Behörden gekommen sein sollte. Damit ent-
behrt das Vorbringen der Beschwerdeführerin, man habe nach ihrem
Sohn gesucht, jeglicher Realität.
5.5 Infolgedessen sind sämtliche Vorbringen der Beschwerdeführerin
– soweit sie mit der Suche nach ihrem Sohn zusammenhängen –
ebenfalls als unglaubhaft zu betrachten. Insbesondere muss ihre Dar-
stellung, sie sei infolge der Suche nach ihrem Sohn asylrelevanten
Massnahmen ausgesetzt gewesen, als unglaubhaft qualifiziert werden.
Unter diesen Umständen erübrigt es sich, auf die Einzelheiten ihrer
Darstellung näher einzugehen, da dies an der vorliegenden Ein-
schätzung nichts zu ändern vermögen. Der Beschwerdeführerin kann
nicht geglaubt werden, dass sie von Soldaten entführt, misshandelt,
vergewaltigt und nur unter der Auflage, ihren Sohn zu bringen, frei-
gelassen worden ist.
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5.6 Aufgrund der unglaubhaften Vorbringen können die von der Be-
schwerdeführerin mit Arztberichten vom 21. Oktober 2009 und
22. Dezember 2009 geltend gemachte Posttraumatische Belastungs-
störung (PTBS) sowie die Narbenspuren auf ihrem Körper nicht die
Folge der von ihr geltend gemachten Verfolgung sein. Sie dürfen viel-
mehr auf eine andere – den Behörden nicht bekannte – Ursache zu-
rückzuführen sein.
6.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen erübrigt es sich, auf die
weiteren Ausführungen in der Beschwerde näher einzugehen, weil sie
am Ergebnis nichts ändern könnten. Insbesondere können auch die
geltend gemachten sprachlichen Schwierigkeiten sowie die
psychischen Probleme die substanzlosen und konstruierten Vorbrin-
gen nicht erklären. Unter den vorliegenden Umständen ist der Antrag
in der Beschwerdeergänzung vom 2. Dezember 2009, es sei eine er-
neute Anhörung durchzuführen, abzuweisen. Unter Berücksichtigung
der gesamten Umstände folgt, dass die Beschwerdeführerin keine
Gründe nach Art. 3 AsylG nachweisen oder glaubhaft machen konnte.
Das BFM hat ihr Asylgesuch zu Recht abgelehnt.
7.
7.1 Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht
ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und
ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Ein-
heit der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
7.2 Die Beschwerdeführerin verfügt weder über eine ausländer-
rechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Er-
teilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht an-
geordnet (Art. 44 Abs. 1 AsylG; Entscheidungen und Mitteilungen der
Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2001 Nr. 21).
8.
8.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar
oder nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsver-
hältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Auf-
nahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bun-
desgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und
Ausländer [AuG, SR 142.20]).
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Bezüglich der Geltendmachung von Wegweisungshindernissen gilt ge-
mäss ständiger Praxis des Bundesverwaltungsgerichts und seiner Vor-
gängerorganisation ARK der gleiche Beweisstandard wie bei der
Flüchtlingseigenschaft, das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der
strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu
machen (vgl. WALTER STÖCKLI, Asyl, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser,
Ausländerrecht, 2. Auflage, Basel 2009, Rz. 11.148).
8.2 Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtun-
gen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Auslän-
ders in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegen-
stehen (Art. 83 Abs. 3 AuG).
So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land ge-
zwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus
einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie
Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden
(Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom
28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK,
SR 0.142.30]).
Gemäss Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), Art. 3 des Über-
einkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grau-
same, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
(FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 der Konvention vom
4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grund-
freiheiten (EMRK, SR 0.101) darf niemand der Folter oder unmensch-
licher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen
werden.
8.3 Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend
darauf hin, dass der Grundsatz der Nichtrückschiebung nur Personen
schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es der Beschwer-
deführerin nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung
nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann das in Art. 5 AsylG
verankerte Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulements im
vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr der
Beschwerdeführerin in den Heimatstaat ist demnach unter dem Aspekt
von Art. 5 AsylG rechtmässig.
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Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen der Beschwerde-
führerin noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass sie für den Fall
einer Ausschaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahr-
scheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen
Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss Praxis des Euro-
päischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des
UN-Anti-Folterausschusses müsste die Beschwerdeführerin eine kon-
krete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihr
im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung
drohen würde (vgl. EGMR, [Grosse Kammer], Saadi gegen Italien,
Urteil vom 28. Februar 2008, Beschwerde Nr. 37201/06, §§ 124-127,
mit weiteren Hinweisen). Dies ist ihr indessen nicht gelungen. Auch die
allgemeine Menschenrechtssituation im Heimatstaat lässt den Weg-
weisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt klarerweise nicht als unzu-
lässig erscheinen. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Weg-
weisung sowohl im Sinne der asyl- als auch der völkerrechtlichen Be-
stimmungen zulässig.
8.4 Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen
und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Her-
kunftsstaat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allge-
meiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird
eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83
Abs. 7 AuG – die vorläufige Aufnahme zu gewähren (vgl. Botschaft
zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom
8. März 2002, BBl 2002 3818).
8.4.1 Das Bundesverwaltungsgericht schätzt den Wegweisungsvollzug
nach Togo gestützt auf die allgemeine Lage als generell zumutbar ein
(vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-4985/2007 vom
15. September 2009 und dort zitierte weitere Urteile).
8.4.2 Aus den Akten ergeben sich keine Anhaltspunkte, die darauf
schliessen liessen, die Beschwerdeführerin würde im Falle der Rück-
kehr nach Togo aus individuellen Gründen wirtschaftlicher oder sozia-
ler Natur in eine existenzbedrohende Situation geraten. Sie lebte seit
ihrer Geburt bis zur Ausreise im Jahr 2007 in D.________, besuchte
während acht Jahren die Schule und arbeitete im Haushalt sowie als
Marktverkäuferin. Angesichts ihrer bisherigen beruflichen Erfahrungen
ist es ihr auch als alleinstehender Frau zuzumuten, sich in Togo erneut
um eine Arbeit zu bemühen. Zudem sind ihre Aussagen hinsichtlich
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des fehlenden Beziehungsnetzes nicht glaubhaft ausgefallen. Wie
bereits in der Zwischenverfügung vom 9. November 2009
festgehalten, ist vielmehr davon auszugehen, dass sie mit ihrer
Tochter – entgegen ihren Angaben – eine Beziehung pflegt. An dieser
Einschätzung vermögen auch die mit der Beschwerdeergänzung
vorgetragenen Einwände – die Tochter der Beschwerdeführerin sei in
der Familie deren Vaters grossgezogen worden und habe zu ihrem
Bruder eine engere Beziehung gehabt als zu ihrer Mutter – nichts zu
ändern. Zudem sollen sich gemäss ihren Aussagen weitere Verwandte
in Togo aufhalten. Damit verfügt die Beschwerdeführerin über ein
soziales Beziehungsnetz, das sie bei der Reintegration unterstützen
kann. Was die gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführerin
betrifft, so sind diese – wie im Arztbericht vom (...) festgehalten – auch
im Ausland, so auch in Togo, behandelbar. Im erwähnten Arztbericht
wird ausdrücklich festgehalten, dass aus medizinischer Sicht keine
Notwendigkeit für einen Aufenthalt der Patientin in der Schweiz
bestehe. Daran vermögen weder die im Arztbericht vom (...) fest-
gestellte Schwere des Bluthochdrucks noch die psychischen Probleme
der Beschwerdeführerin etwas zu ändern, zumal eine Behandlung im
Heimatland der Beschwerdeführerin als möglich erachtet wird. Wie
darüber hinaus im Arztbericht vom (...) festgehalten wird, sollte es
möglich sein, die gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführerin
in absehbarer Zeit ein bis zwei Mal jährlich zu behandeln, was nicht
auf eine schwerwiegende Erkrankung, welche einer konkreten
Gefährdung im Sinne des Gesetzes gleichkäme, hinweist.
Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung auch
als zumutbar.
8.5 Schliesslich obliegt es der Beschwerdeführerin, sich bei der zu-
ständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwen-
digen Reisedokumente zu beschaffen (Art. 8 Abs. 4 AsylG), weshalb
der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist
(Art. 83 Abs. 2 AuG).
9.
Insgesamt ist der durch die Vorinstanz verfügte Wegweisungsvollzug
zu bestätigen. Die Vorinstanz hat diesen zu Recht als zulässig, zumut-
bar und möglich erachtet. Nach dem Gesagten fällt eine Anordnung
der vorläufigen Aufnahme ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AuG).
Seite 12
D-6779/2009
10.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig
und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die
Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen.
11.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist das Gesuch um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege abzuweisen. Die Kosten des Ver-
fahrens sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und
5 VwVG), auf insgesamt Fr. 600.-- festzusetzen (Art. 1-3 des Regle-
ments vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen
vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) und mit
dem am 24. November 2009 einbezahlten Kostenvorschuss zu ver-
rechnen.
(Dispositiv nächste Seite)
Seite 13
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird
abgewiesen.
3.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.-- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt und mit dem am 24. November 2009 in gleicher Höhe
einbezahlten Kostenvorschuss verrechnet.
4.
Dieses Urteil geht an:
- die Beschwerdeführerin (Einschreiben)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt, mit den Akten Ref.-Nr. N (...) (per
Kurier; in Kopie)
- (zuständige kantonale Behörde) (in Kopie)
Der Einzelrichter: Die Gerichtsschreiberin:
Hans Schürch Eva Zürcher
Versand:
Seite 14