D-6657/2015 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des SEM vom 14. Sep...
Karar Dilini Çevir:
D-6657/2015 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des SEM vom 14. Sep...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung IV
D-6657/2015



Ur t e i l vom 1 5 . J u n i 2 0 1 6
Besetzung
Richter Fulvio Haefeli (Vorsitz),
Richterin Gabriela Freihofer, Richter Gérald Bovier,
Gerichtsschreiberin Ulrike Raemy.

Parteien

A._______, geboren am (…),
Eritrea,
vertreten durch lic. iur. LL.M. Tarig Hassan,
Beschwerdeführer,


gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 14. September 2015 / N _______.



D-6657/2015
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Sachverhalt:
A.
Eigenen Angaben zufolge verliess der Beschwerdeführer seinen Heimat-
staat am 10. September 2011 und gelangte über den Sudan, die Türkei,
Griechenland und Italien am 29. April 2012 unkontrolliert in die Schweiz,
wo er am 30. April 2012 ein Asylgesuch stellte. Am 7. Mai 2012 fand die
Kurzbefragung des Beschwerdeführers statt. Am 23. September 2014
wurde er einlässlich zu seinen Asylgründen angehört.
B.
Zur Begründung seines Asylgesuches machte der Beschwerdeführer im
Wesentlichen geltend, er sei ein Jebenti und stamme aus B._______. Die
Schule habe er abgebrochen. Im Jahr 1996 sei er nach C._______ gefah-
ren, wo er in die Armee eingezogen worden sei. In der Folge habe er in
den Kriegen gegen Äthiopien mitgekämpft. Später sei er von 2001 bis zu
seiner Ausreise in D._______ stationiert gewesen. In den Jahren 2001 bis
2004 habe man ihn wegen Insubordination zweimal für längere Zeit (ein
halbes Jahr beziehungsweise eineinhalb Jahre) inhaftiert. Danach habe
man seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt und er sei zudem unter Be-
obachtung gestellt worden. In der Armee habe er sich fremdbestimmt ge-
fühlt und ein Ende des Militärdienstes sei nicht absehbar gewesen. Des-
halb habe er beschlossen, die Armee zu verlassen und ausser Landes zu
fliehen. Im September 2011 sei er nach einem Urlaub aus B._______ zu
seinem Stützpunkt in D._______ zurückgekehrt. Wenige Tage später sei
er zu Fuss in den Sudan geflohen, wo er sich über ein Jahr aufgehalten
habe.
C.
C.a Mit Verfügung vom 14. September 2015, welche dem Beschwerdefüh-
rer am 16. September 2015 eröffnet wurde, lehnte das SEM das Asylge-
such des Beschwerdeführers vom 30. April 2012 ab und ordnete die Weg-
weisung des Beschwerdeführers sowie den Wegweisungsvollzug an.
C.b Zur Begründung machte die Vorinstanz im Wesentlichen geltend, die
Vorbringen des Beschwerdeführers seien in wesentlichen Punkten teils wi-
dersprüchlich ausgefallen, teils mit der allgemeinen Erfahrung oder der Lo-
gik des Handelns nicht vereinbar und teils habe er wesentliche Vorbringen
ohne zwingenden Grund erst im späteren Verlauf des Verfahrens geltend
gemacht. So habe der Beschwerdeführer ausgesagt, er sei vor seiner Aus-
reise für kurze Zeit aus dem Urlaub zu seiner Truppe zurückgekehrt. Bei
der Kurzbefragung habe er diesbezüglich erklärt, Anfang September 2011
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habe er sich letztmals in B._______ aufgehalten, da er 10 Tage Urlaub er-
halten habe (vgl. Akten der Vorinstanz A4/13 S. 4). Demgegenüber habe
er bei der Anhörung behauptet, nach seiner Heirat am 15. Mai 2011 sei er
vier Monate bei seiner Ehefrau geblieben, da er den einmonatigen Heirats-
urlaub selbst um drei Monate verlängert habe (vgl. A17/14 S. 7). Diese
Aussagen liessen sich nicht miteinander in Einklang bringen. Sodann habe
er vorgetragen, seinen Urlaub eigenmächtig um etwa drei Monate verlän-
gert zu haben (vgl. A17/14 S. 4). Als er mitbekommen habe, dass er ge-
sucht werde, sei er selbst zu seiner Truppe zurückgekehrt (vgl. A17/14 S.
7). Ein solches Verhalten sei nicht nachvollziehbar und erscheine konstru-
iert. Jemand, der sich von den Behörden verfolgt wähne, begebe sich kaum
ohne Not in die Hände seiner Verfolger. Ausserdem habe er ungereimte
Angaben gemacht, um sein Verhalten zu erklären. So habe er zunächst
angegeben, wenn man verspätet selbst zur Truppe zurückkehre, habe man
zwei vier oder fünf Tage Zeit. Danach werde man einfach bestraft bezie-
hungsweise verhaftet (vgl. A17/14 S. 5). Später hingegen habe er auf die
Frage, mit welcher Strafe er gerechnet habe, erklärt, er habe mit einer
Streichung seines Soldes gerechnet. Nach seiner Rückkehr habe er indes
mitbekommen, dass man plane, ihn zu verhaften. Das wäre unerträglich
für ihn gewesen. Deshalb habe er sich für die Ausreise entschieden (vgl.
A17/14 S. 9). Diese beiden Versionen würden voneinander abweichen. So-
dann falle auf, dass er die ihm angeblich drohende Haft, welche er in der
Anhörung als Ausreisegrund bezeichnet habe, in der Kurzbefragung mit
keinem Wort erwähnt habe, vielmehr habe er auf die Frage, ob er nebst
den beiden Inhaftierungen weitere Probleme gehabt habe, lediglich erklärt,
man habe ihm zwischendurch einige Male den Sold gestrichen (vgl. A4/13
S. 9). Daraus sei zu schliessen, dass seine Behauptung, er sei letztlich vor
einer ihm drohenden Haft geflohen, als nachgeschoben zu qualifizieren sei
und deshalb nicht geglaubt werden könne. All diese Ungereimtheiten führ-
ten in einer Gesamtwürdigung zum Schluss, dass er sich auf eine konstru-
ierte Asylbegründung abstütze. Es erübrige sich, noch auf weitere Unstim-
migkeiten näher einzugehen. Des Weiteren habe er noch behauptet, illegal
ausgereist zu sein. Von Gesetzes wegen gelte der Grundsatz, dass das
Vorliegen von subjektiven Nachfluchtgründen bewiesen oder zumindest
glaubhaft gemacht werden müsse. Davon werde er trotz der nur einge-
schränkten legalen Ausreisemöglichkeiten aus Eritrea nicht entbunden. Es
finde auch im eritreischen Kontext hinsichtlich des Nachweises oder der
Glaubhaftmachung von subjektiven Nachfluchtgründen im Zusammen-
hang mit einer sogenannten Republikflucht keine Umkehr der gesetzlichen
Beweis- beziehungsweise Substanzierungslast statt (vgl. Urteil
E-4799/2012 vom 21. Februar 2014 sowie Urteil D-3121/2015 vom 16. Juli
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2015). Seine Angabe, er sei aus Furcht vor einer Inhaftierung von
B._______ zu seiner Truppe nach D._______ zurückgekehrt und danach
von dort in den Sudan geflohen, sei als unglaubhaft zu taxieren. Sodann
habe er behauptet, die Strecke von D._______ nach E._______ in einem
Tag zu Fuss zurückgelegt zu haben. Dabei habe er sich tagsüber in einem
Flussbett ausgeruht, um nicht von den Sicherheitsleuten gesehen zu wer-
den (vgl. A4/13 S. 7). Es sei indes stark zu bezweifeln, dass er den Weg
nach E._______ überhaupt innert der von ihm angegebenen Zeit habe zu-
rücklegen können. So betrage allein schon die Luftlinie zwischen den bei-
den Orten rund 100 Kilometer. Ausserdem habe er an anderer Stelle er-
klärt, er sei gesundheitlich geschwächt gewesen. Er habe nicht viel laufen
können und seine Knie seien geschädigt gewesen (vgl. A17/14 S.6). Des-
halb könnten seine Schilderungen zu seiner Ausreise aus Eritrea nicht ge-
glaubt werden. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass es ihm nicht ge-
lungen sei, die behauptete illegale Ausreise und damit das Vorliegen von
subjektiven Nachfluchtgründen glaubhaft zu machen. Die Vorbringen des
Beschwerdeführers hielten den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit ge-
mäss Art. 7 AsylG (SR 142.31) nicht stand.
Da der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, könne
auch der Grundsatz der Nichtrückschiebung gemäss Art. 5 Abs. 1 AsylG
nicht angewendet werden. Ferner ergäben sich aus den Akten keine An-
haltspunkte dafür, dass ihm im Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine durch Art. 3 EMRK verbotene Strafe
oder Behandlung drohe. Des Weiteren lasse die allgemeine Lage in sei-
nem Heimatstaat nicht auf eine konkrete Gefährdung im Falle einer Rück-
kehr schliessen. Insgesamt lasse sich feststellen, dass in Eritrea heute we-
der Krieg noch Bürgerkrieg noch eine Situation allgemeiner Gewalt im
Sinne von Artikel 83 Abs. 4 AuG (SR 142.20) herrsche. Auch auf der indi-
viduellen Ebene liege nichts vor, das den Vollzug der Wegweisung unzu-
mutbar erscheinen lassen würde. Der Beschwerdeführer stamme aus
B._______ und verfüge dort über ein familiäres Beziehungsnetz. Zudem
verfüge er über im Ausland lebende vergleichsweise finanzkräftige Ver-
wandte. Dies hätten ihm gemäss seien Angaben die Reisekosten (unter
anderem für zwei Flüge, vgl. A4/13 S. 7 f. sowie A17/14 S. 11) bezahlt.
Daraus dürfe geschlossen werden, dass ihm bei einer Rückkehr die für
eine gelingende Reintegration nötigen Ressourcen zur Verfügung stehen
würden. Somit seien weder persönliche noch wirtschaftliche Gründe er-
sichtlich, die gegen seine Rückkehr in den Heimatstaat sprechen könnten.
In Würdigung aller Umstände erachte das SEM deshalb den Vollzug der
Wegweisung als zumutbar. Ausserdem sei der Vollzug der Wegweisung
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nach Eritrea technisch möglich und praktisch durchführbar. Der Vollzug der
Wegweisung sei somit möglich.
D.
Mit Eingabe vom 16. Oktober 2015 liess der Beschwerdeführer gegen
diese Verfügung Beschwerde erheben und die nachfolgend aufgeführten
Rechtsbegehren stellen: Es sei die Verfügung der Vorinstanz vollumfäng-
lich aufzuheben. Es sei die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers
festzustellen. Es sei ihm Asyl zu gewähren. Es sei die vorläufige Aufnahme
anzuordnen. Es sei die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen, auf
die Erhebung eines Kostenvorschusses sei zu verzichten und es sei dem
Beschwerdeführer ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen.
Auf die Begründung wird, soweit wesentlich, in den nachfolgenden Erwä-
gungen eingegangen.
E.
Mit Zwischenverfügung vom 20. Oktober 2015 teilte der Instruktionsrichter
des Bundesverwaltungsgerichts dem Beschwerdeführer mit, er könne sich
bis zum Abschluss des Verfahrens in der Schweiz aufhalten. Gleichzeitig
forderte er das SEM auf, bis zum 4. November 2015 eine Vernehmlassung
einzureichen. Über die weiteren Anträge werde zu einem späteren Zeit-
punkt befunden.
F.
Am 21. Oktober 2015 liess der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsver-
treter eine Fürsorgebestätigung vom 16. Oktober 2015 zu den Akten rei-
chen.
G.
G.a In ihrer Vernehmlassung vom 4. November 2015 hielt die Vorinstanz
nach Durchsicht der Beschwerdeunterlagen fest, dass keine neuen und
erheblichen Tatsachen oder Beweismittel vorliegen würden, die eine Ände-
rung ihres Standpunktes rechtfertigen könnten, und verwies – nach den
folgenden Bemerkungen – im Übrigen auf ihre Erwägungen in der ange-
fochtenen Verfügung, an denen sie vollumfänglich festhalte.
G.b Zur in der Beschwerdeschrift erhobenen Rüge, wonach in der ange-
fochtenen Verfügung die Schilderungen zur Rekrutierung, zu den Einsät-
zen im Krieg gegen Äthiopien sowie die bildlichen Belege (Fotografien in
Uniform) nicht berücksichtigt worden seien, hielt das SEM fest, die ange-
führten Vorkommnisse hätten viele Jahre vor der angeblich im Jahre 2011
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erfolgten Ausreise stattgefunden. Die eingereichten Fotos würden den Be-
schwerdeführer denn auch in jungen Jahren zeigen. Sie seien deshalb
nicht geeignet, den behaupteten Ausreiseanlass sowie die Ausreiseum-
stände in irgendeiner Weise zu belegen. Es komme ihnen deshalb bei der
Würdigung des Asylgesuches kein (ausreichender) Beweiswert zu.
H.
H.a Mit Zwischenverfügung vom 9. November 2015 wurde dem Beschwer-
deführer unter Hinweis auf die Säumnisfolge die Gelegenheit zur Stellung-
nahme eingeräumt.
H.b In seiner Replik vom 19. November 2015 bemerkte der Beschwerde-
führer, dass das SEM in der angefochtenen Verfügung offenbar davon aus-
gehe, dass er seinen Kontakt zu den Militärbehörden nicht glaubhaft habe
machen können. Diese Annahme werde mit den eingereichten Fotografien
in Uniform und den Schilderungen zur Rekrutierung und zu den Einsätzen
im Krieg klar widerlegt. Gehe man davon aus, dass er Kontakt zu den Mili-
tärbehörden gehabt habe, sei klar, dass er aus dem Militärdienst desertiert
sei und bei einer Rückkehr nach Eritrea umgehend verhaftet werde. Die
eingereichten Belege, welche seinen Dienst in der eritreischen Armee be-
treffen würden, würden auch seine Glaubhaftigkeit im Allgemeinen unter-
streichen. Die Desertion sei im Zusammenhang mit dem zuvor geleisteten
Militärdienst zu sehen. Daher sei es durchaus relevant, ob der Militärdienst
und die damit zusammenhängende Rekrutierung und Dienstzeit glaubhaft
gemacht werden könne. Dies sei vorliegend offensichtlich der Fall. Die von
der Vorinstanz unberücksichtigt gebliebenen Vorbringen würden seine
Glaubhaftigkeit klar unterstreichen und in der Beschwerdeschrift habe auf-
gezeigt werden können, dass dessen Vorbringen den gesetzlichen Anfor-
derungen an die Glaubhaftmachung genügen würden. Er habe nachwei-
sen beziehungsweise glaubhaft machen können, dass er während Jahren
Militärdienst geleistet habe, mehrfach in Haft gewesen und im Jahr 2011
desertiert sei. Als Deserteur drohe ihm eine unverhältnismässig hohe, po-
litisch motivierte Bestrafung und eine Art. 3 EMRK-widrige Behandlung, so-
mit erfülle er die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG. Da keine
Asylausschlussgründe vorliegen würden, sei ihm Asyl zu gewähren.
H.c Der Replik war eine Honorarnote gleichen Datums beigelegt.
I.
Mit Zwischenverfügung vom 14. März 2016 lud das Bundesverwaltungsge-
richt das SEM erneut zur Einreichung einer Vernehmlassung ein, welche
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sich mit der Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges zu befas-
sen habe. Gleichzeitig wurde die Vorinstanz im Rahmen der Vernehmlas-
sung angewiesen, dem Bundesverwaltungsgericht eine Kopie des Berichts
von Urs von Arb zu Eritrea zu edieren.
J.
Mit Duplik vom 11. April 2016 hielt das SEM fest, dass es zwar insgesamt
als glaubhaft zu taxieren sei, dass der Beschwerdeführer – allerdings vor
langer Zeit – Kontakt zu den Militärbehörden gehabt habe, dass sich indes
daraus nicht automatisch schliessen lasse, er müsse aus der Armee de-
sertiert sein. Er könnte unter anderem auch aus gesundheitlichen oder an-
deren Gründen entlassen worden sein. Bei dieser Gelegenheit könne auch
darauf hingewiesen werden, dass in Eritrea beispielsweise nach dem
Grenzkrieg mit Äthiopien Abertausende von Soldaten demobilisiert worden
seien. Der Beschwerdeführer könne sich bei einer Rückkehr nach Eritrea
auf ein familiäres Beziehungsnetz abstützen. Es könne erwartet werden,
dass er auch durch seine im Ausland lebenden Familienangehörigen und
Verwandten notfalls unterstützt werde. Diese hätten ihm in der Vergangen-
heit bereits die Flugkosten bezahlt. Antragsgemäss liege der Duplik der
Bericht „Sondierungsreise nach Eritrea“ in Kopie bei.
K.
K.a Mit Zwischenverfügung vom 13. April 2016 wurde dem Beschwerde-
führer unter Hinweis auf die Säumnisfolge bis zum 28. April 2016 die Ge-
legenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
K.b Mit Eingabe vom 27. April 2016 liess sich der Beschwerdeführer wie
folgt vernehmen:
Aufgrund seines von der Vorinstanz grundsätzlich anerkannten Kontakts
zu den Militärbehörden und unter Hinweis auf eine öffentlich zugängliche
Quelle erscheine es höchst unwahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer
in den Genuss einer nur äusserst selten vorkommenden Demobilisierung
hätte kommen sollen.
Zudem verschärfe sich die Situation des Beschwerdeführers aufgrund der
unbestrittenen Leistung von Militärdienst bei einer Rückkehr zusätzlich, da
er im Ausland ein Asylgesuch gestellt habe. Wer lange im Ausland gelebt
habe, werde von den eritreischen Behörden rasch als Oppositioneller be-
trachtet. Diesbezüglich wurde auf ein Urteil des Bundesverwaltungsge-
richts vom 21. Januar 2016 verwiesen (Anmerkung des Gerichts: Urteil des
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BVGer E-3625/2013 vom 21. Januar 2016) und festgehalten, dass dem
Beschwerdeführer, der aufgrund seines illoyalen Verhaltens bereits mehr-
mals inhaftiert worden sei, im Falle einer Rückkehr nach Eritrea nachweis-
lich eine gegen Art. 3 EMRK verstossende Behandlung drohe.
Des Weiteren wurde gerügt, der in Art. 29 Abs. 2 BV verbriefte Anspruch
auf Aktensicht sei verletzt worden, da dem Beschwerdeführer in den von
der Vorinstanz edierte Bericht des Vizedirektors des SEM keine Einsicht
gewährt worden sei.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den
Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesver-
waltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne
von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher
zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entschei-
det auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslie-
ferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Per-
son Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche
Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb
das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.
1.2 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG,
soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
1.3 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Der
Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist
durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutz-
würdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist
daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1
AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist
einzutreten.
2.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen
richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Aus-
länderrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
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3.
Vorab wird in der Beschwerde geltend gemacht, dass der Beschwerdefüh-
rer sehr umfangreiche und widerspruchsfreie Aussagen zu seiner Rekru-
tierung, zu seiner Zeit im Militärdienst mit Einsätzen im Krieg gegen Äthio-
pien, zur Stationierung nach dem Krieg und zu militärspezifischen Fragen
gemacht und zahlreiche bildliche Belege eingereicht habe. All diese glaub-
haften Schilderungen und Beweismittel habe die Vorinstanz nicht berück-
sichtigt und in der Verfügung mit keinem Wort erwähnt. Die an der Kurzbe-
fragung protokollierte Aussage bezüglich des zehntägigen Urlaubes treffe
nicht zu und beruhe auf einem Missverständnis. Auch habe der Beschwer-
deführer erstmals bei der Anhörung die Gelegenheit erhalten, sich zu sei-
nem Militärurlaub aufgrund seiner Eheschliessung am 15. Mai 2011 und
seiner eigenmächtigen Verlängerung dieses Urlaubs um drei Monate (we-
gen der Regelung des Sorgerechts für seine Tochter) äussern zu können.
Die Vorinstanz habe es unterlassen, den Beschwerdeführer auf das Miss-
verständnis hinzuweisen oder ihm anlässlich der Anhörung die Gelegen-
heit zur Stellungnahme zu dieser Ungereimtheit einzuräumen. Sie habe
seine detaillierten Aussagen bei der Anhörung zu den Gründen der Verlän-
gerung des „Hafturlaubes“ in der zu knappen und einseitigen Sachverhalts-
schilderung gar nicht erst aufgenommen und den Beschwerdeführer erst-
mals in der angefochtenen Verfügung mit dem nicht wesentlichen Wider-
spruch konfrontiert. Auch im Zusammenhang mit den Schilderungen seiner
(illegalen) Ausreise aus Eritrea rügt der Beschwerdeführer, dass die Vo-
rinstanz bei der Kurzbefragung seine Aussagen bezüglich der Teilstrecke
D._______ – F._______ und F._______ – E._______ unklar beziehungs-
weise unzutreffend protokolliert habe. Bei der Anhörung habe sie es unter-
lassen, ihn mit seinen angeblich nicht plausiblen Aussagen bei der Kurz-
befragung zu konfrontieren und habe seine detaillierten und glaubhaften
Aussagen zum unbeobachteten Verlassen der Kaserne, der Organisation
der Flucht und zu seinen Fluchtgefährten gänzlich ausser Acht gelassen.
In der Stellungnahme vom 27. April 2016 rügt der Beschwerdeführer durch
seinen Rechtsvertreter, sein Anspruch auf Akteneinsicht sei verletzt wor-
den, da ihm keine Einsicht in den Dienstreisebericht gewährt worden sei
(vgl. vorstehend Bst. K.b). Diese verfahrensrechtlichen Rügen sind vorab
zu prüfen, da sie allenfalls geeignet wären, eine Kassation der vorinstanz-
lichen Verfügung zu bewirken.
3.1 Gemäss Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 12 VwVG stellt die Asylbehörde den
Sachverhalt von Amtes wegen fest. Die unrichtige oder unvollständige
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts bildet einen Beschwer-
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degrund (Art. 106 Abs. 1 Bst. b AsylG). "Unrichtig" ist die Sachverhaltsfest-
stellung beispielsweise dann, wenn der Verfügung ein aktenwidriger oder
nicht weiter belegbarer Sachverhalt zugrunde gelegt wurde. "Unvollstän-
dig" ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn die Behörde trotz der geltenden
Untersuchungsmaxime den Sachverhalt nicht von Amtes wegen abgeklärt
hat, oder nicht alle für den Entscheid wesentlichen Sachumstände berück-
sichtigt wurden (vgl. dazu BENJAMIN SCHINDLER, in: Christian Auer/Markus
Müller/Benjamin Schindler [Hrsg.], VwVG, Kommentar zum Bundesgesetz
über das Verwaltungsverfahren, 2008, Rz. 28 zu Art. 49, S. 676 f.). Die
Untersuchungspflicht der Behörden findet ihre Grenzen an der Mitwir-
kungspflicht eines Gesuchstellers (vgl. Art. 8 AsylG), der auch die Substan-
ziierungslast trägt (vgl. Art. 7 AsylG).
3.2 Vorab ist an dieser Stelle festzuhalten, dass sämtliche am Asylverfah-
ren teilnehmenden Personen hinsichtlich ihrer Vertrauenswürdigkeit und
charakterlichen Eignung sorgfältig geprüft werden und somit das volle Ver-
trauen der Behörden geniessen.
3.3 Folglich können die gegen die Dolmetscherin beziehungsweise die ge-
gen den protokollführenden Sachbearbeiter der Vorinstanz erhobenen Vor-
würfe nicht gehört werden. Da der Beschwerdeführer bei der Kurzbefra-
gung vom 7. Mai 2012 die ihm eingangs gestellte Frage, ob er den Dolmet-
scher verstehe mit "gut" beantwortet (vgl. A4/13 S. 2) und am Ende der
Befragung bekräftigt hat, dass er den Dolmetscher "gut" verstanden habe
(vgl. ebd. S. 10), sind die gegen die Kurzbefragung erhobenen Rügen halt-
los, und der Beschwerdeführer ist bei seinen anlässlich dieser Befragung
protokollierten Aussagen zu behaften. Auch die weiteren gegen die Proto-
kollierung erhobenen Beanstandungen sind nicht angebracht und eine
Durchsicht des Protokolls bestätigt, dass keine Missverständnisse wäh-
rend der Befragung aufgetaucht sind. Vielmehr geht aus dem Protokoll her-
vor, dass der Beschwerdeführer die Frage, ob es noch Gründe gebe, die
er noch nicht gesagt habe und die gegen eine allfällige Rückkehr in seinen
Heimatstaat sprechen könnten, allgemein mit seinem Widerstand gegen
die Regierung begründet hat (vgl. S. 9 F. 7.03: „Das sind meine persönli-
chen Probleme mit der Regierung“) und er das Protokoll mit dem Hinweis,
dass es seinen Aussagen und der Wahrheit entspreche, und ihm in eine
ihm verständliche Sprache (Tigrinya) rückübersetzt worden sei, unterzeich-
net hat. Somit können die Rügen nicht gehört werden, wonach er bei der
Kurzbefragung nicht alles habe sagen können, es zu Missverständnissen
gekommen und die Protokollierung unsorgfältig gewesen sei.
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3.4 Sodann ist die Tatsache, dass die Vorinstanz gewisse Sachverhaltsele-
mente in ihrer Verfügung nicht explizit erwähnte beziehungsweise berück-
sichtigte, vorliegend nicht auf eine unrichtige oder ungenügende Abklärung
des Sachverhaltes zurückzuführen, sondern beschlägt die der angefochte-
nen Verfügung zugrunde liegende rechtliche Würdigung der Vorbringen.
Diesbezüglich liegt im Übrigen auch keine Verletzung der Begründungs-
pflicht vor, zumal die vorinstanzliche Verfügung die wesentlichen Überle-
gungen der Vorinstanz beinhaltet und es dem Beschwerdeführer möglich
war, den Entscheid sachgerecht anzufechten (vgl. BVGE 2008/47 E. 3.2,
mit Hinweisen).
3.5 Hinsichtlich der Rüge, gewisse Schilderungen des Beschwerdeführers
sowie die von ihm zu den Akten gereichten Fotografien seien unzureichend
gewürdigt worden, kann an dieser Stelle zur Vermeidung von Wiederho-
lungen auf die zutreffenden Erwägungen des SEM in der Vernehmlassung
vom 4. November 2015 verwiesen werden (vgl. vorstehend Bst. G.b).
3.6 Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass im vorliegenden Ver-
fahren eine Verletzung der Begründungspflicht nicht ersichtlich ist, weil sich
die Vorinstanz mit den entscheidwesentlichen Vorbringen auseinanderge-
setzt hat. Auch könnten zusätzliche Abklärungen im vorliegenden Be-
schwerdeverfahren nicht zu neuen sachdienlichen Erkenntnissen führen
beziehungsweise noch wären sie im vorinstanzlichen Verfahren entscheid-
erheblich gewesen. In antizipierter Beweiswürdigung ist festzustellen, dass
eine ergänzende, vertiefte Sachverhaltsfeststellung bei der Beurteilung
des vorliegenden Verfahrens nicht zu einem anderen Entscheid führen
könnte.
3.7 Gemäss Art. 26 VwVG ist den Parteien grundsätzlich Einsicht in die
Akten zu gewähren, wobei sich das Einsichtsrecht auf Eingaben von Par-
teien und Vernehmlassungen von Behörden, sämtliche als Beweismittel
dienende Aktenstücke sowie auf die Niederschriften eröffneter Verfügun-
gen bezieht (Art. 26 Abs. 1 VwVG). Damit fallen unter Art. 26 VwVG sämt-
liche Aktenstücke, welche grundsätzlich geeignet sind, in einem konkreten
Verfahren als Beweismittel zu dienen. Das Akteneinsichtsrecht im Sinne
von Art. 26 VwVG kann durch wesentliche öffentliche und private Geheim-
haltungsinteressen beschränkt werden (vgl. Art. 27 VwVG), wobei in jedem
Fall eine konkrete, sorgfältige und umfassende Abwägung der entgegen-
stehenden Interessen nach pflichtgemässem Ermessen vorzunehmen und
der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten ist. Verwaltungsinter-
nen Akten, d.h. behördlichen Unterlagen, welche ausschliesslich für den
Eigengebrauch bestimmt sind, kommt für die Behandlung eines Falles kein
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Beweischarakter zu. Sie stellen lediglich Hilfsmittel bei der Entscheidfin-
dung dar, weshalb sie nicht unter die in Art. 26 VwVG genannten Akten
fallen und die entsprechende Einsicht ohne jegliche Begründung verwei-
gert werden kann.
3.8 Das SEM hat bereits in der Duplik vom 11. April 2016 ausdrücklich fest-
gehalten, dass es sich bei dem Dienstreisebericht vom 9. Februar 2015 um
ein internes Dokument handle. Das Ziel dieser Reise sei denn auch nicht
die Überprüfung der Asylpraxis des SEM gewesen, sondern die Fortfüh-
rung der Gespräche mit Eritrea, die Erörterung der aktuellen Lage und die
Diskussion möglicher Perspektiven der künftigen Zusammenarbeit. Ent-
scheidend ist in diesem Zusammenhang, dass der fragliche Bericht nicht
als Grundlage für das vorliegende Urteil gedient hat, weshalb der Dienst-
reisebericht nicht dem Einsichtsrecht untersteht und das diesbezügliche
Einsichtsgesuch abzuweisen ist.
4.
4.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grund-
sätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im
Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationali-
tät, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer
politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder be-
gründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3
Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung
des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen
unerträglichen psychischen Druck bewirken.
4.2 Wer um Asyl nachsucht, muss gemäss Art. 7 AsylG die Flüchtlingsei-
genschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen (Abs. 1). Glaub-
haft gemacht ist die Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhan-
densein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält (Abs. 2).
Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu
wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht
entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismit-
tel abgestützt werden (Abs. 3).
4.3 Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anforderungen an das Glaub-
haftmachen der Vorbringen in einem publizierten Entscheid dargelegt und
folgt dabei ständiger Praxis. Darauf kann hier verwiesen werden (vgl.
BVGE 2010/57 E. 2.2 f.).
D-6657/2015
Seite 13
5.
Die Vorinstanz hat die fehlende Asylrelevanz und den Massstab des Glaub-
haftmachens nicht verkannt und auf den vorliegenden Fall korrekt ange-
wendet. Ihre Schlussfolgerungen sind weder in tatsächlicher noch in recht-
licher Hinsicht zu beanstanden. In der angefochtenen Verfügung wird ein-
lässlich begründet, weshalb der Grossteil der Aussagen widersprüchlich
und unglaubhaft ausgefallen ist. Die Rechtsmitteleingabe erschöpft sich in
spärlichen Erklärungsversuchen und haltlosen Entgegnungen, womit sie
nicht aufzeigt, inwiefern die vorinstanzliche Beweiswürdigung Bundesrecht
verletzen soll. Solches ist auch nicht ersichtlich. Zur Vermeidung von Wie-
derholungen kann an dieser Stelle auf die Ausführungen in der vorinstanz-
lichen Verfügung verwiesen werden (vgl. vorstehend Bst. C.b)
6.
6.1 Beruft sich eine Person darauf, dass durch ihre illegale Ausreise (sog.
Republikflucht) oder durch ihr Verhalten nach der Ausreise aus dem Hei-
mat- oder Herkunftsstaat (insbesondere durch politische Exilaktivitäten)
eine Gefährdungssituation erst geschaffen worden ist, hat sie begründeten
Anlass zur Furcht vor künftiger Verfolgung, wenn der Heimat- oder Her-
kunftsstaat mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vom fraglichen Umstand er-
fahren hat und die Person deshalb bei einer Rückkehr in flüchtlingsrecht-
lich relevanter Weise verfolgt würde (vgl. Urteil des BVGer E-5232/2015
vom 3. Februar 2015 E. 5.3). Durch Republikflucht zum Flüchtling wird
demzufolge, wer sich aufgrund der unerlaubten Ausreise mit Sanktionen
seines Heimatstaates konfrontiert sieht, die bezüglich ihrer Art, ihres Aus-
masses und der politischen Motivation des Staates ernsthafte Nachteile
gemäss Art. 3 Abs. 2 AsylG darstellen (vgl. CARONI/GRASDORF-
MEYER/OTT/SCHEIBER, Migrationsrecht, 3. Aufl. 2014, S. 239, 241). Solche
subjektiven Nachfluchtgründe begründen zwar die Flüchtlingseigenschaft
im Sinne von Art. 3 AsylG, führen jedoch gemäss Art. 54 AsylG zum Aus-
schluss des Asyls, unabhängig davon, ob sie missbräuchlich oder nicht
missbräuchlich gesetzt wurden. Stattdessen werden Personen, welche
subjektive Nachfluchtgründe nachweisen oder glaubhaft machen können,
als Flüchtlinge vorläufig aufgenommen (vgl. BVGE 2009/28 E. 7.1 m.w.H.).
Das Bundesverwaltungsgericht geht in seiner Rechtsprechung bis anhin
davon aus, dass eine illegale Ausreise aus Eritrea als subjektiver Nach-
fluchtgrund anzusehen ist, weil illegal Ausreisende bei einer Rückkehr
nach Eritrea mit erheblichen Nachteilen im Sinne von Art. 3 AsylG rechnen
müssen (vgl. Urteil des BVGer D-3892/2008 vom 6. April 2010 E. 5.3.3).
D-6657/2015
Seite 14
6.2 Soweit der Beschwerdeführer versucht, seine Flüchtlingsstellung im
Wesentlichen mit einer illegalen Ausreise aus Eritrea zu begründen, ist
festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht anerkennt, dass eine le-
gale Ausreise aus Eritrea nur sehr eingeschränkt möglich ist (vgl. Urteil des
BVGer D-4787/2013 vom 20. November 2014 E. 8.2 [als Referenzurteil pu-
bliziert]). Nichtsdestotrotz geht das Bundesverwaltungsgericht in ständiger
Rechtsprechung davon aus, dass die gesetzliche Beweislast für das Vor-
liegen von subjektiven Nachfluchtgründen auch unter diesen Umständen
nicht umgekehrt wird (vgl. z.B. Urteil des BVGer E-5232/2015 vom 3. Feb-
ruar 2016 E. 6.3.2). Es bleibt bei der Beweislastregel von Art. 7 AsylG, wo-
nach eine asylsuchende Person die Flüchtlingseigenschaft nachweisen
oder zumindest glaubhaft machen muss. Für die Anerkennung der Flücht-
lingseigenschaft reicht es deshalb nicht aus, dass eine illegale Ausreise
aus Eritrea lediglich behauptet wird; die illegale Ausreise muss vielmehr
glaubhaft gemacht werden, wobei der Massstab der Glaubhaftigkeit (Art. 7
AsylG) uneingeschränkt gilt (vgl. Urteil des BVGer D-4787/2013 vom
20. November 2014 E. 9; zuletzt bestätigt durch die Urteile E-5601/2015
vom 20. Januar 2016 E. 4.2 und E-7364/2015 vom 28. Dezember 2015
S. 5). Diese Rechtsprechung wird unter anderem damit begründet, dass
eine grosse Zahl eritreischer Staatsangehöriger seit langer Zeit, teilweise
seit Geburt, in den Nachbarländern Eritreas lebt (vgl. die Urteile des BVGer
E-7730/2015 vom 10. Februar 2016 S. 6; E-7861/2015 vom 7. Januar 2016
S. 5; E-5878/2015 vom 30. Oktober 2015 E. 5.3; E-5753/2015 vom 29. Ok-
tober 2015 E. 6.1).
6.3
6.3.1 In seiner Beschwerdeschrift macht der Beschwerdeführer im Zusam-
menhang mit der von ihm geltend gemachten illegalen Ausreise aus dem
Heimatstaat im Wesentlichen geltend, er sei bei der Anhörung nur danach
gefragt worden, wo er die Grenze überquert habe; zu seinem Reiseweg bis
zur Grenze sei er nicht mehr befragt worden. Die Vorinstanz habe es un-
terlassen, ihn mit seiner angeblich nicht plausiblen Aussage bei der Kurz-
befragung zu konfrontieren (vgl. vorstehend E. 4). Er habe detaillierte und
glaubhafte Aussagen zum unbeobachteten Verlassen der Kaserne, der Or-
ganisation der Flucht und zu seinen Fluchtgefährten gemacht (vgl. a.a.O.).
Die Umstände seiner Ausreise seien damit im Wesentlichen bekannt und
die Argumentation der Vorinstanz, wonach er das Land auf legalem Weg
verlassen habe, sei realitätsfremd. Als ehemaliger Häftling und langjähriger
einfacher Soldat auf der Flucht würden ihm zweifelsohne die notwendigen
Beziehungen fehlen, um an einen Reisepass mit Ausreisevisum zu gelan-
gen. Es sei deshalb festzustellen, dass aufgrund der illegalen Ausreise
D-6657/2015
Seite 15
subjektive Nachfluchtgründe vorlägen. In diesem Zusammenhang wurde
auf die Praxis des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen und verschie-
dene Urteile zitiert (unter anderem das Urteil E-1854/2015 vom 7. Juli 2015
E. 4.4.3 mit Hinweisen).
6.3.2 Im Folgenden ist zu prüfen, ob die Vorbringen des Beschwerdefüh-
rers in Bezug auf seine Flucht beziehungsweise die illegale Ausreise aus
Eritrea als glaubhaft einzustufen sind. Die Schilderung seines Reiseweges
bei der Kurzbefragung ist von eklatantem Nichtwissen geprägt. So konnte
der Beschwerdeführer weder die Frage beantworten, um welche Uhrzeit er
in Italien gelandet sei, noch mit welcher Fluggesellschaft er geflogen sei.
Er wusste nicht anzugeben, mit welchen Papieren er unterwegs war (der
Schlepper habe alles organisiert und die Papiere auf sich getragen), noch
will er in Italien aufgrund seiner Papierlosigkeit mit den Behörden in
Schwierigkeiten geraten oder ausserhalb des Flughafens mit diesen in
Kontakt getreten sein (vgl. A4/13 F. 5.02). Er konnte den Ort, wo er sich bis
zu seiner Einreise in die Schweiz aufgehalten haben will, nicht nennen und
erklärte lediglich, der Schlepper habe ihn an einen ihm unbekannten Ort
gebracht und dann in die Schweiz (vgl. a.a.O.) Auch seine Reisekosten
konnte er nicht beziffern, da diese von seinen in Saudi-Arabien lebenden
Verwandten beglichen worden seien (vgl. a.a.O.). Bei der Anhörung wurde
der Beschwerdeführer aufgefordert, die Tage, die er noch bei seiner Einheit
verbracht haben wolle und die Vorbereitungen für die Ausreise zu beschrei-
ben (vgl. A17/14 F. 76 f.). Die entsprechenden Antworten fielen sehr knapp
aus und der Beschwerdeführer konnte denn auch den Ort des vereinbarten
Treffpunktes mit seinen beiden Fluchtgefährten nicht beschreiben, sondern
fragte, ob er eine Zeichnung anfertigen dürfe, woraufhin er eine unleserli-
che Skizze abgab (vgl. A17/14 F. 78 f.). Auch auf Nachfrage hin gelang es
dem Beschwerdeführer nicht, irgendwelche konkreteren Angaben zu ma-
chen (vgl. F. 80 f., wonach niemand die Flucht der insgesamt drei Männer
bemerkt haben soll und sie nie auf ihrem Fluchtweg durch Eritrea kontrol-
liert worden sein wollen). Auch die Frage, ob es eine gefährliche Situation
während der Flucht in Eritrea gegeben habe, vermochte den Beschwerde-
führer anlässlich der Anhörung nicht dazu zu bewegen, detaillierter über
seine Erlebnisse zu berichten (vgl. A17/14 F. 82). Auch konnte er die Rei-
sekosten nicht beziffern, da diese von seinen in Saudi-Arabien lebenden
Verwandten beglichen worden seien (vgl. A17/14 F. 85). Es ist jedoch da-
von auszugehen, dass der Beschwerdeführer sowohl anlässlich der Kurz-
befragung vom 7. Mai 2012 sowie der Anhörung vom 23. September 2014
durchaus in der Lage gewesen wäre, die illegale Ausreise substanziiert zu
D-6657/2015
Seite 16
beschreiben, wenn er bei seinen Schilderungen auf Erinnerungen an tat-
sächliche Begebenheiten hätte zurückgreifen können. Dementsprechend
ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer keine illegale Ausreise glaub-
haft machen konnte. Obwohl aus der Unglaubhaftigkeit seiner Aussagen
zu seiner angeblich illegalen Ausreise noch nicht mit Bestimmtheit auf eine
legale Ausreise geschlossen werden kann, ist eine solche nicht auszu-
schliessen. Ebenso ist es möglich, dass sich der Beschwerdeführer schon
seit Jahren gar nicht mehr in Eritrea aufgehalten hat, da er eine Frage ohne
Übersetzung beantworten konnte (vgl. A17/14 F. 75). Wie sich aus den obi-
gen Erwägungen ergibt, ist es dem Beschwerdeführer jedenfalls nicht ge-
lungen, das Vorliegen subjektiver Nachfluchtründe zumindest glaubhaft zu
machen. Die Vorinstanz hat daher die Flüchtlingseigenschaft des Be-
schwerdeführers zu Recht verneint. Bei dieser Sachlage erübrigt es sich,
die angefochtene Verfügung zu kassieren und zu neuem Entscheid an die
Vorinstanz zurückzuweisen.
7.
Gemäss Art. 44 AsylG verfügt das SEM in der Regel die Wegweisung aus
der Schweiz, wenn es das Asylgesuch ablehnt oder darauf nicht eintritt.
Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufent-
haltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen (vgl.
BVGE 2009/50 E. 9). Die Wegweisung wurde zu Recht angeordnet.
8.
8.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder
nicht möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis
nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme
(Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG).
8.2 Nach Art. 83 Abs. 3 AuG ist der Vollzug nicht zulässig, wenn völker-
rechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin
oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat ent-
gegenstehen. Da der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht
erfüllt, ist das flüchtlingsrechtliche Rückschiebungsverbot von Art. 33
Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) und Art. 5 AsylG nicht anwendbar. Die Zu-
lässigkeit des Vollzuges beurteilt sich vielmehr nach den allgemeinen ver-
fassungs- und völkerrechtlichen Bestimmungen (Art. 25 Abs. 3 BV; Art. 3
des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere
grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
[FoK, SR 0.105]; Art. 3 EMRK).
D-6657/2015
Seite 17
Weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten er-
geben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Aus-
schaffung nach Eritrea dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach
Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausge-
setzt wäre, zumal Eritreer, die den Heimatstaat tatsächlich illegal verlassen
haben, allfälligen Sanktionen durch Bezahlung einer kleineren Geldsumme
(Auslandsteuer) entgehen. Der Vollzug der Wegweisung ist zulässig.
8.3 Nach Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Aus-
länder unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat auf
Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und me-
dizinischer Notlage konkret gefährdet sind.
In Eritrea herrscht keine Situation allgemeiner Gewalt. Bezüglich der per-
sönlichen Situation ist für den Wegweisungsvollzug vorauszusetzen, dass
begünstigende individuelle Umstände, namentlich ein wirtschaftlich tragfä-
higes soziales und familiäres Netz oder andere die wirtschaftliche Integra-
tion ermöglichende Faktoren, vorliegen (Entscheidungen und Mitteilungen
der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2005 Nr. 12 E. 10.5
– 10.8; in neuerer Rechtsprechung vgl. Urteile des BVGer E-6845/2013
vom 10. Januar 2014 E. 7.2, E-6816/2014 vom 9. Juni 2015, E-5237/2015
vom 20. Oktober 2015 E. 7.2, E-1705/2016 vom 6. April 2016 E. 6.3,
D-2119/2016 vom 28. April 2016 E. 5.3 und D-1551/2016 vom 9. Mai 2016
E. 5.3). Die zitierten Urteile geben – entgegen der Sichtweise in der Be-
schwerdeschrift – die ständige Praxis des Bundesverwaltungsgerichts wie-
der; eine Praxisänderung des Bundesverwaltungsgerichts liegt nicht vor,
und das SEM orientiert sich richtigerweise an dieser Praxis.
In Bezug auf den Beschwerdeführer liegen begünstigende individuelle Um-
stände vor. So hat er telefonischen Kontakt mit seiner Familie (vgl. A4/13
S. 5), mithin kann – zusammen mit der Vorinstanz – von einem intakten
familiären Beziehungsnetz ausgegangen werden. Im Übrigen leben seine
Frau sowie seine Eltern und Geschwister vor Ort (vgl. A4/13 S. 5). Der Be-
schwerdeführer hat des Weiteren bei der Anhörung erklärt, er habe eine
Tochter aus einer früheren Beziehung, welche finanziell von seinem Bruder
und seiner Familie unterstützt werde (vgl. A17/14 F. 27), was das Bild eines
intakten Beziehungsnetzes untermauert. Den Akten zufolge leben zwei
Brüder und eine Tante sowie ein Onkel des Beschwerdeführers im Ausland
(vgl. A4/13 S. 6 F. 3.01) und letztere haben ihm auch die Reise in die
Schweiz finanziert. Diese können ihm und seiner in Eritrea lebenden Fami-
lie auch weiterhin finanzielle Unterstützung zukommen lassen. Der Vollzug
D-6657/2015
Seite 18
der Wegweisung des Beschwerdeführers nach Eritrea ist somit als zumut-
bar zu erachten.
8.4 Nach Art. 83 Abs. 2 AuG ist der Vollzug auch als möglich zu bezeich-
nen, weil es dem Beschwerdeführer obliegt, sich die für eine Rückkehr not-
wendigen Reisedokumente bei der zuständigen Vertretung seines Heimat-
staats zu beschaffen (Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu BVGE 2008/34 E. 12).
Der Vollzug der Wegweisung ist möglich.
8.5 Die Vorinstanz hat den Vollzug demnach zu Recht als zulässig, zumut-
bar und möglich erachtet. Damit fällt die Anordnung einer vorläufigen Auf-
nahme ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1–4 AuG).
9.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt und auch sonst nicht zu beanstanden ist
(Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen.
10.
10.1 Die vom Beschwerdeführer gestellten Begehren erschienen im Zeit-
punkt der Beschwerdeeingabe nicht aussichtslos und seine Bedürftigkeit
im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG ist durch die eingereichte Fürsorgebe-
stätigung vom 16. Oktober 2015 erwiesen, weshalb das Gesuch gutzuheis-
sen ist und keine Verfahrenskosten erhoben werden. Das Gesuch um Er-
lass des Kostenvorschusses wird gegenstandslos.
11.
11.1 Gemäss Art. 110a Abs. 1 Bst. a AsylG hat das Bundesverwaltungsge-
richt bei Verfahren – wie dem vorliegenden – nach Art. 31a Abs. 4 AsylG
der asylsuchenden Person, welche von der Bezahlung der Verfahrenskos-
ten befreit wurde, auf Antrag eine amtliche Rechtsbeiständin oder einen
amtlichen Rechtsbeistand zu bestellen. Das Gesuch um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtsverbeiständung gemäss Art. 110a Abs. 1 Bst. a
AsylG ist somit gutzuheissen und dem Beschwerdeführer ein amtlicher
Rechtsbeistand in der Person von lic. iur. LL.M. Tarig Hassan beizuordnen.
11.2 Dem amtlichen Beistand ist eine angemessene Entschädigung aus-
zurichten. Der in der Honorarnote vom 19. November 2015 geltend ge-
machte Aufwand erscheint überhöht. Der Rechtsbeistand ist mit Fr. 2‘500.–
(inkl. Auslagen und Mehrwertsteueranteil) zu entschädigen.
(Dispositiv nächste Seite)
D-6657/2015
Seite 19
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird gutge-
heissen. Es werden keine Kosten auferlegt.
3.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung
wird gutgeheissen und dem Beschwerdeführer wird in der Person von lic.
iur. LL.M Tarig Hassan ein amtlicher Rechtsbeistand bestellt.
4.
Das Honorar des amtlichen Beistandes, Tarig Hassan, wird zulasten der
Gerichtskasse auf Fr. 2‘500.– festgesetzt.
5.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale
Migrationsbehörde.

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Fulvio Haefeli Ulrike Raemy


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