D-6273/2010 - Abteilung IV - Asylgesuch aus dem Ausland und Einreisebewilligung - Asylgesuch aus dem Ausland und Einreisebewilligung...
Karar Dilini Çevir:
D-6273/2010 - Abteilung IV - Asylgesuch aus dem Ausland und Einreisebewilligung - Asylgesuch aus dem Ausland und Einreisebewilligung...
Abtei lung IV
D-6273/2010
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 9 . O k t o b e r 2 0 1 0
Richter Martin Zoller (Vorsitz),
Richterin Muriel Beck Kadima,
Richter Hans Schürch;
Gerichtsschreiberin Susanne Burgherr.
A._______, geboren (...),
Sri Lanka,
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Asylgesuch aus dem Ausland und Einreisebewilligung;
Verfügung des BFM vom 22. Juli 2010 / N (...).
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
D-6273/2010
Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer – ein sri-lankischer Staatsangehöriger mit
Wohnsitz in B._______ – ersuchte mit an die schweizerische
Vertretung in Colombo gerichtetem, englischsprachigem Schreiben
vom 14. November 2007 sinngemäss um Bewilligung der Einreise in
die Schweiz und um Asylgewährung.
Zur Begründung brachte er – unter Einreichung diverser Dokumente –
im Wesentlichen vor, er wünsche sich und seiner Familie ein Leben in
Sicherheit. Er sei ein vermögender Geschäftsmann, wobei er in
C._______, D._______ und B._______ in über zwei Jahrzehnten
bedeutende Verluste erlitten habe: Im Jahr 1983 seien im Zuge der
ersten ethnischen Konflikte zwei Geschäfte in B._______ (ein
Restaurant und ein Lebensmittelladen) niedergebrannt worden, was zu
einem Verlust von zirka 10 Mio. sri-lankischen Rupien (LKR) geführt
habe. Im Jahr 1985 habe er die gesamte Getreideernte in D._______
verloren und dadurch einen finanziellen Schaden in der Höhe von
zirka 5 Mio. LKR erlitten. Im Jahr 1990 habe er durch den Verlust eines
Lastwagens, eines Traktors und eines Motorrades einen Schaden von
rund 1,2 Mio. LKR erlitten. Seit dem Jahr 2006 seien er und seine
Familie Drohungen und Entführungen, verbunden mit
Lösegeldforderungen, ausgesetzt. Seine älteste Tochter sei im Jahr
2006 gezwungen gewesen, ihr Heimatland mit ihrem Ehemann innert
24 Stunden zu verlassen, nachdem der Ehemann entführt und erst
nach der Bezahlung eines Lösegeldes von 40 Mio. LKR freigelassen
worden sei. Er selbst sei am 2. Dezember 2006 ebenfalls von
Unbekannten entführt und zwei Wochen lang festgehalten worden.
Nach der Bezahlung des verlangten Lösegeldes in der Höhe von
25 Mio. LKR sei er freigelassen worden. Aufgrund der Angst vor
weiteren Behelligungen habe er den Entschluss gefasst, Sri Lanka zu
verlassen, zusammen mit seiner Ehefrau und den in B._______
lebenden Kindern (Aufzählung). Sie würden der Schweiz finanziell
nicht zur Last fallen, da er über Vermögenswerte in der Höhe von rund
(Betrag) verfüge.
B.
Mit Schreiben vom 26. November 2007 bestätigte die schweizerische
Vertretung in Colombo dem Beschwerdeführer den Empfang seines
Gesuchs und forderte ihn gleichzeitig auf, seine Vorbringen bis zum
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31. Dezember 2007 näher zu begründen und allfällige weitere Be-
weismittel einzureichen.
C.
Mit englischsprachigem Schreiben vom 12. Dezember 2007 bekräftigte
der Beschwerdeführer den Wunsch, Sri Lanka zu verlassen.
Ergänzend führte er aus, er sei nach der Entführung am 2. Dezember
2006 an einem ihm unbekannten Ort festgehalten und erst nach der
Zusicherung, der Lösegeldforderung nachzukommen, freigelassen
worden. Sein Schwiegersohn, der ebenfalls im Jahr 2006 entführt
worden sei, sei aufgefordert worden, das Land innert 24 Stunden zu
verlassen, ansonsten er umgebracht würde. Er, der Beschwerdeführer,
sei aufgrund seines wirtschaftlichen Erfolges und Reichtums zur Ziel -
scheibe von Erpressern geworden. Auch seine Kinder hätten im Ver-
lauf des Jahres 2006 wiederholt telefonische Todesdrohungen er-
halten. Er habe die Polizei nicht über die Vorfälle informiert, da er be-
fürchte, dass die Behörden Details an Unbefugte weitergeben könnten.
Eine Wohnsitznahme in einem anderen Landesteil könne ihn auch
nicht wirksam vor Verfolgung schützen; die Entführer würden all seine
Schritte verfolgen. Er sei überzeugt, dass einzig die Ausreise eine
langfristige Lösung biete.
D.
Am 22. Januar 2008 überwies die schweizerische Vertretung in
Colombo die Akten zuständigkeitshalber an das BFM.
E.
Am 21. August 2008 und 19. Dezember 2008 überwies die
schweizerische Vertretung in Colombo zwei Eingaben des Be-
schwerdeführers vom 18. August 2008 respektive 16. Dezember 2008
an das BFM. Neben der Erkundigung nach dem Stand des Verfahrens
brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, er habe am (Datum)
auch das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten
Nationen (UNHCR) über seine Situation informiert. Er werde weiterhin
telefonisch bedroht, und seine Familie lebe in Angst.
F.
Mit Zwischenverfügung vom 15. April 2010 teilte das BFM dem Be-
schwerdeführer mit, es erachte den entscheidrelevanten Sachverhalt
aufgrund der schriftlichen Begründung des Asylgesuchs und der bei-
gelegten Dokumentation als erstellt, weshalb sich eine Anhörung auf
der Botschaft als nicht notwendig erweise. Im Weiteren erwäge es
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unter Berücksichtigung aller Faktoren (Beziehungsnähe zur Schweiz
und hiesige Assimilationsmöglichkeiten, aktuelle Gefährdung im
Heimatstaat, Möglichkeit der Schutzsuche in einem anderen Staat,
öffentliches Interesse der Schweiz), das Asylgesuch abzulehnen und
die Einreise zu verweigern, da er nicht als schutzbedürftig im Sinne
des Asylgesetzes erscheine. Das BFM räumte dem Beschwerdeführer
Gelegenheit ein, sich dazu innert dreissig Tagen zu äussern und
allfällige neue Gesuchsgründe vorzubringen, verbunden mit dem
Hinweis, dass bei ungenutztem Fristablauf aufgrund der bestehenden
Aktenlage entschieden werde.
G.
Mit Schreiben vom 7. Juni 2010 reichte der Beschwerdeführer bei der
schweizerischen Vertretung in Colombo seine Stellungnahme ein.
Unter Verweis auf die Schilderung der Entführung vom 2. Dezember
2006 in seinen bisherigen Eingaben und unter Beilage zweier be-
eidigter Erklärungen seines Chauffeurs vom 8. März 2008 und seines
mittlerweile in E._______ wohnhaften Schwiegersohnes vom
14. November 2007 brachte er im Wesentlichen vor, er werde nach wie
vor von Unbekannten bedroht, mit dem Ziel, Geld von ihm zu er-
pressen. Da er und seine Familie den Eindruck hätten, ständig
beobachtet zu werden, würden sie sich kaum mehr aus dem Haus
trauen, und sie hätten auch nicht den Mut, sich an die Polizei zu
wenden. Er ersuche deshalb – wenn nicht für die ganze Familie, dann
doch zumindest für sich, seine Ehefrau und seinen ledigen Sohn
F._______ – um Bewilligung der Einreise in die Schweiz. Er betone
erneut, dass sie angesichts seines Vermögens der Schweiz finanziell
nicht zur Last fallen würden.
H.
Mit Verfügung vom 22. Juli 2010 – am 4. August 2010 von der
schweizerischen Vertretung in Colombo an den Beschwerdeführer
weitergeleitet – verweigerte das BFM dem Beschwerdeführer die Ein-
reise in die Schweiz und lehnte dessen Asylgesuch ab.
Zur Begründung führte das BFM im Wesentlichen aus, die Voraus-
setzungen für ein Absehen von einer Anhörung des Beschwerde-
führers seien angesichts der schriftlichen Darlegung der Asylgründe
und der Einräumung des rechtlichen Gehörs gegeben. Unter Einbezug
der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 7. Juni 2010 werde
der Sachverhalt als rechtsgenüglich erstellt erachtet. Hinsichtlich des
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Verfolgungsvorbringens der Entführung vom 2. Dezember 2006 von
Seiten unbekannter Dritter sei festzuhalten, dass Übergriffe durch
Dritte oder Befürchtungen, künftig solchen ausgesetzt zu sein, nur
dann asylrelevant seien, wenn der Staat seiner Schutzpflicht nicht
nachkomme oder zur Schutzgewährung nicht in der Lage sei. Generell
sei Schutz gewährleistet, wenn der Staat geeignete Massnahmen
treffe, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch
wirksame Polizei- und Justizorgane zur Ermittlung, Strafverfolgung und
Ahndung von Verfolgungshandlungen, und wenn Antragsteller Zugang
zu diesem Schutz hätten. Die vom Beschwerdeführer geltend
gemachten, von Dritten ausgehenden Benachteiligungen würden von
den sri-lankischen Sicherheitskräften auf Anzeige hin geahndet. Der
Beschwerdeführer habe sich aber nicht um staatlichen Schutz bemüht,
weshalb die Verfolgungsvorbringen keine Einreiserelevanz entfalten
würden. Die vom Beschwerdeführer eingereichten Dokumente, die
seine Vorbringen, deren Glaubhaftigkeit nicht in Frage gestellt würde,
stützten, vermöchten an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Bei
offensichtlich fehlender Schutzbedürftigkeit sei im Übrigen darauf zu
verzichten, auf allfällig vorhandene Unglaubhaftigkeitselemente in den
Asylvorbringen einzugehen. Da der Beschwerdeführer nicht
schutzbedürftig im Sinne von Art. 3 des Asylgesetzes vom 26. Juni
1998 (AsylG, SR 142.31) sei, sei das Asylgesuch abzulehnen und die
Einreise in die Schweiz zu verweigern.
I.
Mit am 27. August 2010 bei der schweizerischen Vertretung in
Colombo eingetroffener und von dieser gleichentags zuständigkeits-
halber an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleiteter, englisch-
sprachiger Beschwerdeschrift vom 21. August 2010 ersuchte der Be-
schwerdeführer sinngemäss um Aufhebung der vorinstanzlichen Ver-
fügung.
Inhaltlich ist die Beschwerdeschrift vom 21. August 2010 mit der im
vorinstanzlichen Verfahren abgegebenen Stellungnahme des Be-
schwerdeführers vom 7. Juni 2010 identisch, weshalb auf die dies-
bezüglichen Ausführungen unter Bst. G verwiesen werden kann. Der
Beschwerdeschrift wurden erneut Kopien der bereits aktenkundigen
Erklärungen des Chauffeurs vom 8. März 2008 und des Schwieger-
sohnes vom 14. November 2007 beigelegt.
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Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni
2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR
172.021). Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist
daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine Aus-
nahme, was das Sachgebiet angeht, ist nicht gegeben (Art. 32 VGG).
Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung
der vorliegenden Beschwerde und entscheidet im Bereich des Asyls
endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichts-
gesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Die Beschwerde ist nicht in einer Amtssprache des Bundes ab-
gefasst. Auf die Ansetzung einer Frist zur entsprechenden Be-
schwerdeverbesserung im Sinne von Art. 52 VwVG kann jedoch aus
prozessökonomischen Gründen verzichtet werden, da die englisch-
sprachige Beschwerdeeingabe verständlich ist, so dass ohne weiteres
darüber befunden werden kann. Der vorliegende Entscheid ergeht in-
dessen in deutscher Sprache (Art. 33a Abs. 2 VwVG i.V.m. Art. 6
AsylG).
1.3 Die Beschwerde ist demnach – mit Ausnahme des genannten,
jedoch nicht als wesentlich erachteten Mangels (vgl. E. 1.2) – frist- und
formgerecht eingereicht (Art. 108 Abs. 1 AsylG, Art. 6 AsylG i.V.m.
Art. 52 VwVG). Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Ver-
fügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an
deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Ein-
reichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 48
Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist mithin einzutreten.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3.
3.1 Ein Asylgesuch kann gemäss Art. 19 AsylG im Ausland bei einer
schweizerischen Vertretung gestellt werden, die es mit einem Bericht
an das Bundesamt überweist (Art. 20 Abs. 1 AsylG). Hinsichtlich des
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Verfahrens bei der schweizerischen Vertretung im Ausland sieht
Art. 10 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrens-
fragen (AsylV 1, SR 142.311) vor, dass diese mit der asylsuchenden
Person in der Regel eine Befragung durchführt (Art. 10 Abs. 1
AsylV 1). Ist dies nicht möglich, so wird die asylsuchende Person auf -
gefordert, ihre Asylgründe schriftlich festzuhalten (Art. 10 Abs. 2
AsylV 1). Eine Befragung beziehungsweise eine schriftliche Sachver-
haltsabklärung kann sich erübrigen, wenn der Sachverhalt bereits
aufgrund des eingereichten Asylgesuchs als entscheidreif erstellt er-
scheint; der asylsuchenden Person ist aber diesfalls im Sinne des
rechtlichen Gehörs die Gelegenheit zu geben, sich zu einem abzu-
sehenden negativen Entscheid zumindest schriftlich zu äussern (vgl.
Entscheide des Schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts [BVGE]
2007/30 E. 5.7).
3.2 Vorliegend wurde der Beschwerdeführer von der schweizerischen
Vertretung in Colombo nicht zu seinem Asylgesuch befragt. Er hat
seine Vorbringen jedoch bereits in seinem Asylgesuch und dessen
Ergänzung schriftlich dargelegt und dokumentiert, und erhielt danach
mit Zwischenverfügung des BFM vom 15. April 2010 die Gelegenheit
zur weiteren Konkretisierung seiner Asylgründe; gleichzeitig wurde ihm
auch das rechtliche Gehör im Hinblick auf die in Erwägung gezogene
Abweisung des Asylgesuchs gewährt. Er hat von seinem Recht auf
Stellungnahme Gebrauch gemacht, und der entscheidwesentliche
Sachverhalt erscheint – wie das BFM in der angefochtenen Verfügung
zutreffend ausführt – angesichts der schriftlichen Darlegung und
Dokumentierung der Asylgründe soweit erstellt, dass die entscheid-
relevanten Elemente vorliegen. Das BFM hat den verfahrensrecht-
lichen Anforderungen damit Genüge getan.
3.3 Der Beschwerdeführer hat in seinem Gesuch um Erteilung einer
Einreisebewilligung auch seine Angehörigen (Ehefrau, unverheiratete
Kinder, verheiratete Kinder mit deren Familien) angeführt, wobei er
den diesbezüglichen Kreis in der Stellungnahme vom 7. Juni 2010 auf
seine Ehefrau und einen unverheirateten Sohn einschränkte. Ob er
damit auch für diese Personen um Asyl nachsuchen wollte, geht aus
den Unterlagen nicht klar hervor. Da die Ehefrau und die Kinder, die
gemäss den eingereichten Kopien der Geburtsurkunden volljährig
sind, jedoch – falls gewünscht – selbst Asylgesuche einzureichen
hätten, bezieht sich die vorliegende Verfügung des BFM vom 22. Juli
2010 zu Recht nur auf den Beschwerdeführer.
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4.
4.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen
grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person an-
erkannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zu-
letzt wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit
zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen
Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete
Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte
Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder
Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen
Druck bewirken (Art. 3 AsylG).
Das Bundesamt kann ein im Ausland gestelltes Asylgesuch ablehnen,
wenn die asylsuchende Person keine Verfolgung glaubhaft machen
oder ihr die Aufnahme in einem Drittstaat zugemutet werden kann
(Art. 3, Art. 7 und Art. 52 Abs. 2 AsylG). Gemäss Art. 20 Abs. 2 AsylG
bewilligt das BFM einem Asylsuchenden die Einreise zur Abklärung
des Sachverhalts, wenn ihm nicht zugemutet werden kann, im Wohn-
sitz- oder Aufenthaltsstaat zu bleiben oder in ein anderes Land auszu-
reisen.
4.2 Für die Erteilung einer Einreisebewilligung gelten restriktive
Voraussetzungen, wobei den Behörden ein weiter Ermessensspiel-
raum zukommt. Neben der erforderlichen Gefährdung im Sinne von
Art. 3 AsylG sind namentlich die Beziehungsnähe zur Schweiz, die
Möglichkeit der Schutzgewährung durch einen anderen Staat, die
Beziehungsnähe zu anderen Staaten, die praktische und objektive
Zumutbarkeit zur anderweitigen Schutzsuche sowie die voraussicht-
lichen Eingliederungs- und Assimilationsmöglichkeiten in Betracht zu
ziehen (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen
Asylrekurskommission [EMARK] 1997 Nr. 15, E. 2.e.-g. S. 131 ff.; an-
gesichts bloss redaktioneller Änderungen bei der letzten Totalrevision
des Asylgesetzes hat diese Praxis nach wie vor Gültigkeit).
Ausschlaggebend für die Erteilung der Einreisebewilligung ist dabei
die Schutzbedürftigkeit der betreffenden Person (vgl. EMARK 1997
Nr. 15 E. 2c S. 130), mithin die Prüfung der Fragen, ob eine Ge-
fährdung im Sinne von Art. 3 AsylG glaubhaft gemacht wird und ob der
Verbleib am Aufenthaltsort für die Dauer der Sachverhaltsabklärung
zugemutet werden kann. Eine Verfolgungssituation muss überdies
aktuell sein, um gemäss Art. 3 AsylG als asylrelevant zu gelten.
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5.
5.1 Bezüglich der vom Beschwerdeführer erwähnten Ereignisse aus
den Jahren 1983 bis 1990 ist festzuhalten, dass für die Anerkennung
der Flüchtlingseigenschaft zwischen den geltend gemachten Ver-
folgungsmassnahmen und der Ausreise aus dem Heimatland
respektive der Stellung eines Asylgesuchs bei einer schweizerischen
Vertretung im Ausland sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hin -
sicht ein enger Zusammenhang bestehen muss (vgl. EMARK 1999
Nr. 7, EMARK 2000 Nr. 2, EMARK 2003 Nr. 8). Diese Anforderungen
sind hinsichtlich dieser Ereignisse aus den Jahren 1983 bis 1990 nicht
erfüllt. Diese können sowohl in zeitlicher – der Beschwerdeführer hat
erst Mitte November 2007 bei der schweizerischen Vertretung in
Colombo ein Asylgesuch eingereicht – als auch in sachlicher Hinsicht
nicht mehr als fluchtauslösende Ereignisse betrachtet werden; un-
abhängig von der Prüfung deren asylrechtlicher Relevanz ist ihnen die
flüchtlingsrechtliche Aktualität abzusprechen. Der Beschwerdeführer
bezeichnete die betreffenden Ereignisse denn auch nicht als aus-
schlaggebend für die Asylgesuchseinreichung.
5.2 Der Beschwerdeführer nannte vielmehr als eigentlichen Grund für
die Asylgesuchseinreichung die Entführung und Lösegelderpressung
im Dezember 2006 sowie die seither eingegangenen telefonischen
Drohungen seitens unbekannter Dritter. Diesbezüglich erachtete das
BFM den Beschwerdeführer als nicht schutzbedürftig im Sinne von
Art. 3 AsylG. Dieser Einschätzung ist beizupflichten.
Eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure kann zwar flüchtlings-
rechtlich relevant sein, dies setzt aber – aufgrund der Subsidiarität des
flüchtlingsrechtlichen Schutzes – voraus, dass es der betroffenen
Person nicht möglich ist, davor im Heimatland Schutz zu finden. Der
staatliche Schutz ist dann als ausreichend zu qualifizieren, wenn die
betroffene Person effektiv Zugang zu einer funktionierenden Infra-
struktur hat und ihr deren Inanspruchnahme zumutbar ist, wobei von
einem Staat nicht erwartet werden kann, dass er jederzeit präventiv in
alle Lebensbereiche seiner Bürger eingreifen kann (vgl. EMARK 2006
Nr. 18). Soweit das Motiv der vorliegend geltend gemachten Übergriffe
von Seiten unbekannter Dritter rein krimineller Natur ist – das Er -
langen von Erpressungsgeldern – liegt keine asylrechtlich relevante
Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG vor, und der Beschwerdeführer
ist diesbezüglich an die örtlichen Strafverfolgungsbehörden zu ver-
weisen. Aber auch wenn den Übergriffen ein Verfolgungsmotiv im
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Sinne von Art. 3 AsylG zu Grunde liegen sollte (z. B. ethnisch
motivierte Übergriffe), ist die Schutzbedürftigkeit des
Beschwerdeführers zu verneinen, da grundsätzlich von einem
wirksamen staatlichen Schutz auszugehen ist, und es dem
Beschwerdeführer auch zuzumuten ist, sich an die bestehenden
innerstaatlichen Schutzbehörden zu wenden. Es liegen keine
Anhaltspunkte dafür vor, dass die heimatlichen Behörden nicht in der
Lage oder nicht willens wären, dem Beschwerdeführer adäquaten
Schutz vor Übergriffen Dritter zu bieten und die Verfolger bei
entsprechender Anzeigeerstattung strafrechtlich zu verfolgen. Der
Umstand, dass sich der Beschwerdeführer nicht an die örtlichen
Polizeibehörden gewendet hat, kann nicht zur Annahme eines
mangelnden Schutzwillens des sri-lankischen Staates führen.
Aufgrund der Akten erweisen sich somit die vorinstanzlichen
Erwägungen, wonach die Schutzbedürftigkeit des Beschwerdeführers
im Sinne von Art. 3 AsylG zu verneinen sei, als zutreffend. Die
Argumente in der Rechtsmitteleingabe sind nicht geeignet, eine
Änderung der angefochtenen Verfügung herbeizuführen.
5.3 Zusammenfassend ist festzustellen, dass es dem Beschwerde-
führer nicht gelungen ist, eine aktuelle Gefährdung aus asylrechtlich
relevanten Motiven aufzuzeigen, die die Bewilligung der Einreise in die
Schweiz rechtfertigen würde. Die Schutzbedürftigkeit des Be-
schwerdeführers im Sinne von Art. 20 i.V.m. Art. 3 AsylG ist als nicht
gegeben zu qualifizieren. Im Übrigen ist auch eine Beziehungsnähe
des Beschwerdeführers zur Schweiz zu verneinen (Art. 52 Abs. 2
AsylG). Es erübrigt sich, auf die weiteren Vorbringen in der Be-
schwerde einzugehen, da diese am Ergebnis nichts zu ändern ver-
mögen. Das BFM hat dem Beschwerdeführer zu Recht die Einreise in
die Schweiz verweigert und das Asylgesuch abgelehnt.
6.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt im Er-
gebnis richtig und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106
Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen.
7.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären dessen Kosten grundsätz-
lich dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Aus
verwaltungsökonomischen Gründen ist indessen in Anwendung von
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Art. 6 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und
Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR
173.320.2) auf die Erhebung von Verfahrenskosten zu verzichten.
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil geht an:
- den Beschwerdeführer (...)
- die schweizerische Vertretung in Colombo (...)
- das BFM, Abteilung Asylverfahren, mit den Akten Ref.-Nr. N (...)
(per Kurier; in Kopie)
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Martin Zoller Susanne Burgherr
Versand:
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