D-5499/2006 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Verfügung vom 20. Juni 2006 i. S. Flüchtlingseigen...
Karar Dilini Çevir:
D-5499/2006 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Verfügung vom 20. Juni 2006 i. S. Flüchtlingseigen...
Abtei lung IV
D-5499/2006
{T 0/2}
U r t e i l v o m 2 7 . F e b r u a r 2 0 0 8
Richter Hans Schürch (Vorsitz), Richter Fulvio Haefeli,
Richter Bendicht Tellenbach,
Gerichtsschreiberin Anna Dürmüller.
A._______, geboren _______, Russland,
vertreten durch Guido Ehrler, Advokat, _______,
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6,
3003 Bern,
Vorinstanz.
Flüchtlingseigenschaft und Asyl; Verfügung des BFM vom
20. Juni 2006 / N _______.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Partei
Gegenstand
D-5499/2006
Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger
tschetschenischer Ethnie mit letztem Wohnsitz in B._______ (Rayon
C._______, Tschetschenien), verliess seinen Heimatstaat eigenen
Angaben zufolge am 11. Dezember 2004 zusammen mit seiner Mutter
(N _______; D-_______) und seiner Schwester (N _______; D-
_______) und reiste am 15. Dezember 2004 von unbekannten
Ländern her kommend unter Umgehung der Grenzkontrollen in die
Schweiz ein, wo er gleichentags im Empfangszentrum D._______ um
Asyl nachsuchte. Am 20. Dezember 2004 wurde er dort summarisch
befragt und in der Folge für die Dauer des Verfahrens dem Kanton
E._______ zugewiesen. Am 19. Januar 2005 hörte die zuständige
kantonale Behörde den Beschwerdeführer ausführlich zu seinen
Asylgründen an.
Anlässlich der Befragungen machte der Beschwerdeführer im
Wesentlichen geltend, er sei früher einmal grundlos von
Sicherheitskräften mitgenommen und eineinhalb Tage lang
festgehalten worden. Dabei habe man ihn physisch und psychisch
gefoltert. Er leide noch heute unter den Folgen. Seine Mutter habe ihn
damals freigekauft. Dies habe sich während des ersten
Tschetschenien-Krieges (1994 - 1996) ereignet. Ausserdem sei sein
Vater während dieses Krieges umgebracht worden. Nach dem ersten
Krieg habe er zunächst im Ministerium für Sozialversicherung
gearbeitet. Ab dem Jahr 1997 habe er in der Administration des
damaligen tschetschenischen Präsidenten Maschadov gearbeitet. Er
sei dort im Bereich der Datenverarbeitung tätig und zuletzt (...)
gewesen. Er sei dem Vize-Minister respektive Minister für Soziales,
F._______, unterstellt gewesen. Im Verlauf des zweiten Krieges sei
das Gebäude, in welchem er gearbeitet habe, zerstört worden. Ab
November 1999 hätten sie sich daher in Bunkern und Kellern
aufgehalten und hätten sich vorwiegend mit humanitärer Hilfe befasst.
Er sei weiterhin für die Erfassung der dabei anfallenden Daten
zuständig gewesen. Er habe ausserdem die Daten im Zusammenhang
mit Lieferungen an die tschetschenische Armee erfasst. Aufgrund
seiner Tätigkeit für die Regierung von Maschadov seien er und seine
Familie verfolgt worden. Bei der Bombardierung von Grozny Ende
1999/Anfang 2000 sei auch das Haus seiner Familie zerstört worden.
Sie seien daher zu Verwandten nach B._______ gezogen. Im Januar
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2000 seien dort russische Militärs aufgetaucht und hätten eine
Säuberungsaktion durchgeführt. Die Militärs hätten seine Mutter und
Schwester geschlagen und seinen Bruder mitgenommen. Er selber sei
damals nicht zuhause gewesen. Er habe sich später den Militärs
stellen wollen, um dadurch die Freilassung seines Bruders zu
erreichen, da die Militärs eigentlich ihn gesucht hätten. Seine Mutter
habe ihn jedoch nicht gehen lassen, da sie befürchtet habe, diesfalls
gleich beide Söhne zu verlieren. Später, nach längeren
Nachforschungen, habe seine Mutter die Leiche seines Bruders in
einem Erdloch gefunden. Nach dem Vorfall mit seinem Bruder habe er
Angst um sein Leben gehabt, zumal auch noch zwei seiner Cousins
umgebracht worden seien. Er habe von da an ein Leben im
Versteckten geführt. Er habe sich - oft getrennt von seiner Familie -
abwechselnd bei verschiedenen Verwandten und Bekannten an
unterschiedlichen Orten aufgehalten und habe keinen ständigen
Wohnsitz mehr gehabt. Oft habe er auch im Wald oder in Kellern
übernachtet. Er habe immerzu befürchtet, erwischt und umgebracht zu
werden. Seine Mutter und seine Schwester hätten ebenfalls nicht in
Ruhe leben können. Man habe sie wegen des Familiennamens unter
Druck gesetzt und nach ihm gefragt. Ausserdem seien zunehmend
auch Frauen mitgenommen worden. Er habe seine Arbeit für die
Regierung von Maschadov trotz allem bis Anfang 2004 aus dem
Untergrund fortgesetzt, allerdings nicht mehr regelmässig. Sein
Vorgesetzter habe sich ebenfalls verstecken müssen, und viele seiner
Kollegen seien entführt oder umgebracht worden. Anfang 2004 habe
er dann den Kontakt zu seinem Vorgesetzten verloren. Um sein Leben
sowie dasjenige seiner Mutter und Schwester zu retten, habe er sich
zur Flucht ins Ausland entschlossen. Im November 2004 seien sie aus
Tschetschenien ausgereist.
Zum Beleg seiner Identität sowie zur Untermauerung seiner
Vorbringen reichte der Beschwerdeführer im Verlauf des
vorinstanzlichen Verfahrens folgende Identitätspapiere und Dokumente
zu den Akten: seinen Reisepass, ein Berufsausweis, ein
Arbeitsbüchlein, ein Diplom (Kopie), zwei Bescheinigung betreffend
Lohnausstände für die Jahre 1997 bis 1999, Kopien von Fotos von
zerstörten Gebäuden in Grozny, Kopie von zwei Zeitungsartikeln der
Basler Zeitung (baz) vom 19. Februar 2005.
B.
Im Auftrag des BFM wurde der Beschwerdeführer am 12. April 2005
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einer Sprach- und Herkunftsanalyse (LINGUA) unterzogen. Dabei
ergab sich, dass er eindeutig in Tschetschenien sozialisiert wurde.
C.
Das BFM stellte mit Verfügung vom 20. Juni 2006 - eröffnet am
22. Juni 2006 - fest, die Vorbringen des Beschwerdeführers seien teils
nicht glaubhaft, teils nicht asylrelevant. Demzufolge verneinte es die
Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers und wies das
Asylgesuch ab. Gleichzeitig ordnete das BFM infolge der festgestellten
Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs die vorläufige Aufnahme
des Beschwerdeführers an.
D.
Mit Beschwerde vom 24. Juli 2006 an die Schweizerische
Asylrekurskommission (ARK) liess der Beschwerdeführer durch seine
damalige Rechtsvertreterin beantragen, die vorinstanzliche Verfügung
sei aufzuheben, und es sei ihm Asyl zu gewähren. Eventuell sei er
wegen Vorliegens von Nachfluchtgründen als Flüchtling vorläufig
aufzunehmen. In prozessualer Hinsicht wurde um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das
Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) sowie Verzicht auf die
Erhebung eines Kostenvorschusses ersucht.
Der Beschwerde lagen folgende Beweismittel bei: eine Bestätigung der
Fürsorgeabhängigkeit vom 21. Juli 2006, zwei Internetartikel aus dem
Jahr 2002 mit je einer Liste von ermordeten oder verschwundenen
Tschetschenen, ein Artikel aus „“ vom 10. November
2003 (inkl. Übersetzung), Update der Schweizerischen Flüchtlingshilfe
(SFH) vom Januar 2001 zur Situation in Tschetschenien, ein Bericht
der SFH vom 24. Mai 2004 zum Thema Tschetschenien und die
tschetschenische Bevölkerung in der Russischen Föderation, ein
Positionspapier der SFH vom 8. Juli 2004 zum Thema
tschetschenische Asylsuchende, ein Bestätigungsschreiben von
G._______ vom 22. Juni 2006, eine Kopie des „titre de séjour“ von
G._______, eine Kopie des „certificat de réfugié ou apatride“ von
G._______, eine Pressemitteilung des Aussenministeriums der
Tschetschenischen Republik Ichkeriya (CHRI) vom (...) (aus
) sowie dieselbe Pressemitteilung in russischer
Sprache (von der Webseite von „DAYMOHK“).
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E.
Der zuständige Instruktionsrichter der ARK verzichtete mit
Zwischenverfügung vom 4. August 2006 antragsgemäss auf die
Erhebung eines Kostenvorschusses und teilte dem Beschwerdeführer
mit, über das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege werde im Endentscheid befunden.
F.
Am 7. August 2006 ersuchte die ARK die Schweizerische Botschaft in
Moskau um die Vornahme von Abklärungen.
G.
Mit Eingabe vom 17. August 2006 liess der Beschwerdeführer ein
Bestätigungsschreiben von H._______ vom 15. Juli 2006 zu den Akten
reichen.
H.
Die Beschwerdeeingabe sowie das Ergebnis der Botschaftsabklärung
(Bericht vom 2. April 2007) wurden dem BFM am 19. April 2007 zur
Vernehmlassung unterbreitet.
I.
Das BFM hielt in seiner Vernehmlassung vom 22. Mai 2007
vollumfänglich an seiner Verfügung fest und beantragte die Abweisung
der Beschwerde.
J.
Die Botschaftsanfrage, der Botschaftsbericht sowie die
Vernehmlassung des BFM wurden dem Beschwerdeführer mit
Verfügung vom 30. Mai 2007 zur Stellungnahme innert Frist
unterbreitet. Auf entsprechendes Gesuch hin wurde die Frist mit
Verfügung vom 7. Juni 2007 erstreckt.
K.
Mit Eingabe vom 27. Juni 2007 zeigte der heutige Rechtsvertreter des
Beschwerdeführers seine Mandatsübernahme an und reichte eine
Stellungnahme zur vorinstanzlichen Vernehmlassung sowie zum
Botschaftsbericht ein. Darin beantragte er die Gutheissung der
Beschwerde.
Gleichzeitig wurden weitere Beweismittel zu den Akten gereicht: Kopie
des Schuldiploms der Schwester des Beschwerdeführers, Kopie der
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Todesurkunde des Vaters mit Übersetzung, Diplom des
Beschwerdeführers (Original und Kopie mit Übersetzung), Kopie des
Arbeitsbüchleins mit Übersetzung, russischer Gesetzestext mit
Übersetzung, Auszug aus der Verfügung Nr. 190 mit Übersetzung,
Kopien von drei Bescheinigungen betreffend ausstehende
Lohnzahlungen mit Übersetzungen, Kopie der Todesurkunde des
Bruders des Beschwerdeführers mit Übersetzung.
L.
Am 3. August 2007 liess der Beschwerdeführer ein undatiertes
Bestätigungsschreiben von I._______, J._______, K._______ und
L._______ einreichen.
M.
In der Eingabe vom 10. September 2007 nahm der Rechtsvertreter
des Beschwerdeführers Bezug auf die Abschreibung des
Beschwerdeverfahrens der Mutter des Beschwerdeführers (vgl.
Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2007
i. S. D-_______ [N _______]) und ersuchte namens des
Beschwerdeführers erneut um Gewährung von Asyl.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
(VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht
Beschwerden gegen Verfügungen (Art. 5 VwVG) des BFM, welche in
Anwendung des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31)
ergangen sind; das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in diesem
Bereich endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des
Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Die bei der ARK am 31. Dezember 2006 noch hängigen
Beschwerdeverfahren wurden per 1. Januar 2007 durch das
Bundesverwaltungsgericht übernommen und werden durch dieses
weitergeführt; dabei findet das neue Verfahrensrecht Anwendung (vgl.
Art. 53 Abs. 2 VGG).
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1.3 Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht können die
Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts sowie die
Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
2.
Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingereicht; der
Beschwerdeführer ist legitimiert (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 und 50 ff.
VwVG). Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
3.
3.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen
grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person
anerkannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, wo sie zuletzt
wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu
einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen
Anschauungen wegen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder
begründete Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als
ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib,
Leben oder Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen
psychischen Druck bewirken (Art. 3 AsylG).
3.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft
nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft
gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere
Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in
sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder
massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt
werden (Art. 7 AsylG).
4.
4.1
Die Vorinstanz führte zur Begründung ihres ablehnenden Entscheids
im Wesentlichen aus, die Vorbringen des Beschwerdeführers seien
teils unglaubhaft, teils nicht asylrelevant. Die geltend gemachte
Festnahme während des ersten Tschetschenienkrieges sei für die
Flucht im Jahr 2004 nicht kausal gewesen, weshalb dieses Vorbringen
nicht asylrelevant sei. Die vom Beschwerdeführer geschilderten
allgemeinen, schwierigen Lebensbedingungen in Tschetschenien
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stellten keine Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG dar und seien
daher ebenfalls nicht asylrelevant. Die geltend gemachte Verfolgung im
Zusammenhang mit der Arbeit des Beschwerdeführers sei nicht
glaubhaft, da die diesbezüglichen Aussagen widersprüchlich,
realitätsfremd und tatsachenwidrig ausgefallen seien. So habe der
Beschwerdeführer beispielsweise widersprüchliche Angaben zur
Dauer seines Arbeitsverhältnisses gemacht. Ausserdem erscheine es
realitätsfremd, dass er sich einerseits ab dem Jahr 2000 habe
verstecken müssen, weil er angeblich gesucht worden sei, gleichzeitig
jedoch in der Lage gewesen sei, sich in der humanitären Hilfe zu
engagieren. Es sei im Übrigen nicht nachvollziehbar, dass der
Beschwerdeführer trotz der seit dem Jahr 2000 andauernden
Verfolgungsmassnahmen noch mehrere Jahre in Tschetschenien
geblieben sei. Da der Beschwerdeführer eigenen Angaben zufolge
bloss ein einfacher Beamter gewesen sei, erscheine es nicht
glaubhaft, dass er tatsächlich gesucht worden sei. Gefährdet seien in
erster Linie ranghohe Mitglieder der Regierung aus dem innersten
Zirkel. Zu diesem Kreis habe der Beschwerdeführer nicht gehört. Die
zu den Akten gereichten Dokumente seien nicht geeignet, die
Vorbringen glaubhaft zu machen.
4.2 In der Beschwerde wird zunächst der Sachverhalt wiederholt
respektive ergänzt. Insbesondere wird geltend gemacht, man müsse
davon ausgehen, dass Personalunterlagen der Regierung Maschadov
in die Hände der russischen Truppen gefallen seien. Name und
Aufgabe des Beschwerdeführers seien im Übrigen auch deshalb
öffentlich bekannt geworden, weil dieser dem von Maschadov
gebildeten Widerstandskomitee angehört habe und die
diesbezüglichen Anordnungen des Präsidenten im Internet publiziert
worden seien. Der Beschwerdeführer habe zusammen mit M._______
für den Minister für Soziales, F._______, im Untergrund gearbeitet.
M._______ sei im Dezember 2001 umgebracht worden. Im November
2003 habe der Beschwerdeführer einem Journalisten der
Chechenpress ein Interview gegeben. Nachdem sein Vorgesetzter im
Frühjahr 2004 verschwunden sei, habe der Beschwerdeführer seine
Untergrundtätigkeit abgebrochen. Der Beschwerdeführer rügt sodann,
dass die Vorinstanz seine Vorbringen zu Unrecht als unglaubhaft
bezeichnet habe. Es sei durchaus nachvollziehbar, dass der
Beschwerdeführer nicht umgehend geflüchtet sei, sondern sich vier
Jahre lang im Untergrund bewegt habe. Es sei allgemein bekannt,
dass überzeugte Widerstands-Aktivisten ihre persönliche Sicherheit
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den Zielen ihrer Bewegung unterordneten und daher trotz Furcht vor
einer Ergreifung nicht sofort flüchteten. Der Beschwerdeführer sei ein
Patriot und habe trotz seiner persönlichen Gefährdung einen Beitrag
zum Wiederaufbau von Tschetschenien leisten wollen. Immerhin habe
er durch seine Arbeit mitgeholfen, den ständigen Nachschub an
Lebensmitteln und Medikamenten für die tschetschenischen Kämpfer
zu gewährleisten. Im Weiteren habe der Beschwerdeführer die Dauer
seiner Tätigkeit für die Regierung Maschadov nicht widersprüchlich
dargelegt. Er habe sowohl in der Empfangsstelle als auch beim Kanton
übereinstimmend sinngemäss ausgesagt, dass er zwischen den
Jahren 1997 und 1999 offiziell in der Verwaltung gearbeitet habe und
danach inoffiziell die ihm übertragenen Aufgaben im Rahmen der
Widerstandsbewegung erfüllt habe. Der ehemalige Sprecher
Maschadovs, G._______, welcher als anerkannter Flüchtling in
Frankreich lebe, habe in seinem Schreiben vom 22. Juni 2006
bestätigt, dass der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise aus
Tschetschenien im Jahr 2004 im Dienste der Republik Ichkeriya
gestanden habe. In der Beschwerde wird anschliessend ausgeführt,
das BFM habe in seinem Entscheid erwogen, es widerspreche
„gesicherten Erkenntnissen“, dass auch einfache Beamte der
Administration Maschadovs gesucht würden. Das BFM habe jedoch
seine Quellen nicht offengelegt und damit gegen die
Begründungspflicht verstossen. Mit der Bezeichnung des
Beschwerdeführers als einfachen Beamten habe das BFM ausserdem
den Sachverhalt unrichtig wiedergegeben. Der Beschwerdeführer sei
direkt dem Minister für Soziales unterstellt gewesen und sei
angesichts seiner Funktion keinesfalls lediglich ein einfacher Beamter,
sondern ein hochrangiges Mitglied des ehemaligen
Verwaltungsapparats der Regierung von Maschadov gewesen. Der
rechtserhebliche Sachverhalt sei überdies auch unvollständig
festgestellt worden, indem der Beschwerdeführer anlässlich der
Anhörungen nicht genauer nach seiner Tätigkeit befragt worden sei. Im
Ergebnis gehe aus dem Sachverhalt klar hervor, dass der
Beschwerdeführer seiner politischen Einstellung sowie seines
politischen Engagements wegen von den russischen
Sicherheitskräften verfolgt worden sei. Es liege begründete Furcht vor
zukünftiger asylrelevanter Verfolgung vor. Im vorliegenden Fall lägen
ausserdem objektive und subjektive Nachfluchtgründe vor. Der
Beschwerdeführer sei am (...) zum Repräsentanten des
Aussenministeriums der Republik Ichkeriya ernannt worden (Verweis
auf den Internet-Ausdruck der Chechenpress vom [...]). Der
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Beschwerdeführer habe selbst nichts zu dieser Ernennung
beigetragen. Als Repräsentant des Departements für Aussenpolitik
habe er jedoch ab Winter 2005/2006 in der Schweiz mehrere
Informationsanlässe zur Lage Tschetscheniens organisiert und sei
damit exilpolitisch tätig geworden. Für die russischen Behörden sei
nach dem Gesagten leicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer ein
wichtiges Mitglied einer als terroristische Vereinigung eingestuften
separatistischen tschetschenischen Organisation sei. Der
Beschwerdeführer wäre deswegen im Falle einer Rückkehr nach
Russland gefährdet.
4.3 Dem Botschaftsbericht vom 2. April 2007 ist zu entnehmen, dass
der Beschwerdeführer die ersten Schuljahre tatsächlich in der von ihm
genannten Schule absolviert hat. Im Bericht wird weiter ausgeführt,
der angebliche spätere Aufenthalt und Schulbesuch in N._______
könne dagegen nicht bestätigt werden, da kein entsprechender
Registereintrag bestehe und weder die Direktorin des Lehrerkollegs
von N._______ noch altansässige Familien den Familiennamen des
Beschwerdeführers je gehört hätten. Seinen (sowjetischen) Inlandpass
habe der Beschwerdeführer nicht in C._______, sondern in B._______
erhalten. Die Authentizität des Passes der Republik Tschetschenien
habe nicht bestätigt werden können. Die Mitarbeiter des Pass- und
Visadienstes hätten jedoch erklärt, diese Pässe seien während der
Existenz der Republik Tschetschenien nur den Mitarbeitern der
Administration des Präsidenten und des Ministerkabinetts ausgestellt
worden. Den eingeholten Auskünften zufolge sei der Vater des
Beschwerdeführers nach langer Krankheit eines natürlichen Todes
gestorben. Dies sei unter anderem von den nach wie vor in B._______
lebenden Geschwistern des Vaters (Onkel und Tante des
Beschwerdeführers), O._______ und P._______, bestätigt worden. In
Bezug auf das vom Beschwerdeführer eingereichte Arbeitsbüchlein sei
insbesondere festzustellen, dass die beiden letzten Einträge weder
Stempel noch Unterschrift trügen. Sie seien daher ungültig. Die
Echtheit des eingereichten Berufsausweises habe nicht überprüft
werden können. Auffallend sei, dass der Beschwerdeführer gemäss
dem im Jahr 1998 ausgestellten Personalausweis (...) gewesen sei.
Ein entsprechender Eintrag im Arbeitsbüchlein fehle jedoch. Die
Echtheit der vom Beschwerdeführer eingereichten Lohnquittungen
könnten nicht überprüft werden. Die in B._______ lebenden
Verwandten der Beschwerdeführer hätten bestätigt, dass der
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Beschwerdeführer sowie seine Mutter und Schwester bis zum Jahr
2000 in B._______ gelebt hätten. Dann hätten sie Russland verlassen.
4.4 In seiner Vernehmlassung vom 22. Mai 2007 geht das BFM
zunächst auf den Inhalt des Botschaftsberichts ein und führt aus, die
darin enthaltenen Informationen bestätigten im Wesentlichen die
Einschätzung, dass die Vorbringen des Beschwerdeführers nicht
glaubhaft und er persönlich nicht glaubwürdig sei. Insbesondere sei
gestützt auf das Ergebnis der Botschaftsabklärung zu schliessen, dass
der Beschwerdeführer die Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit,
zumindest was die letzten Jahre betreffe, frei erfunden habe. Es sei
davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bis im Jahr 2000 in
Tschetschenien gelebt habe und danach weggezogen sei. Wo er sich
danach aufgehalten habe, sei unklar. Jedenfalls seien die
Asylvorbringen für den Zeitraum zwischen den Jahren 2000 bis 2004
grundsätzlich unglaubhaft. Die beiden Bestätigungsschreiben von
G._______ und H._______hätten nur einen beschränkten Beweiswert,
da die beiden Personen einen politischen Kampf gegen Russland
führten und ein grosses persönliches und politisches Interesse daran
hätten, dass möglichst viele Tschetschenen in Westeuropa als
Flüchtlinge anerkannt würden. Jedoch seien nicht alle Personen in
Tschetschenien verfolgt, die in irgendeiner Weise mit der
Tschetschenischen Republik Ichkeriya (TschRi) oder mit Maschadov in
Verbindung gestanden hätten. Trotz der eingereichten
Internetausdrucke sei ausserdem nicht glaubhaft, dass der
Beschwerdeführer ein Vertreter der TschRi in der Schweiz sei, da kein
Ukaz des Präsidenten der TschRi vorliege. Zwischen den Rebellen in
Tschetschenien und den Exil-Politikern gebe es Spannungen im
Zusammenhang mit der Frage, welche „Vertreter“ in welchen Staaten
legitim seien. Die erwähnte Internetmeldung allein lasse jedenfalls
nicht darauf schliessen, dass der Beschwerdeführer in Russland
verfolgt sei.
4.5 In der Replik wird unter Bezugnahme auf den Botschaftsbericht
sowie die Vernehmlassung des BFM vorab bemerkt, die gegenüber
der Vertrauensperson der Schweizerischen Vertretung gemachten
Angaben von Drittpersonen seien mit Vorsicht zu würdigen, da in
Tschetschenien ein Klima der Angst herrsche. Grundsätzlich würden
an unbekannte Personen keine oder nur sehr allgemeine
Informationen preisgegeben. Dies erkläre eventuell, weshalb die
Direktorin des Lehrerkollegs von N._______ nicht habe bestätigen
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können, dass der Beschwerdeführer dort zur Schule gegangen sei.
Der Aufenthalt und Schulbesuch in N._______ sei jedoch durch das in
den Akten der Schwester des Beschwerdeführers (N _______)
befindliche Schuldiplom belegt. Die im Botschaftsbericht zitierte
Auskunft, wonach der Beschwerdeführer seinen alten sowjetischen
Pass in B._______ erhalten habe, sei falsch, da es dort gar kein
Passbüro gebe. Richtig sei dagegen die Information, dass nur
Mitarbeiter der Administration Maschadov tschetschenische Pässe
erhalten hätten. Der Beschwerdeführer sei im Besitz eines solchen
Passes. Dessen Echtheit sei von den Asylbehörden nicht in Frage
gestellt worden. Somit sei es als erstellt zu erachten, dass der
Beschwerdeführer für die Administration von Maschadov gearbeitet
habe. Die im Botschaftsbericht zitierte Auskunft, wonach der Vater des
Beschwerdeführers eines natürlichen Todes gestorben sei, sei
aktenwidrig. Gemäss der eingereichten Todesurkunde sei dieser an
Schussverletzungen verstorben. Vermutlich hätten die Informanten
befürchtet, unter Terrorismusverdacht zu geraten, und hätten
deswegen falsche Angaben gemacht. In Bezug auf die Frage der
Glaubhaftigkeit des vom Beschwerdeführer geltend gemachten
beruflichen Werdegangs wird darauf hingewiesen, dass die im
Arbeitsbüchlein eingetragene Qualifikation (Ingenieur-Mechaniker) mit
derjenigen übereinstimme, welche der Beschwerdeführer gemäss dem
aktenkundigen Abschlussdiplom des Erdöl-Instituts dort erworben
habe. Im Arbeitsbüchlein werde zudem bestätigt, dass der
Beschwerdeführer am Erdöl-Institut studiert habe. Im Zusammenhang
mit dem Arbeitsbüchlein sei im Weiteren festzustellen, dass die
Schweizerische Vertretung die massgebende russische Gesetzgebung
falsch wiedergegeben habe. So seien beispielsweise die Ausführungen
im Botschaftsbericht zur Eintragung von Studienjahren und zur
Gültigkeit der Eintragungen falsch. Die anwendbare Verordnung
schreibe vor, dass die Einträge im Arbeitsbüchlein erst im Zeitpunkt
der Entlassung des Arbeitnehmers mit Unterschrift und Stempel
beglaubigt würden. Der Beschwerdeführer sei jedoch nicht entlassen
worden, was erkläre, weshalb bei den letzten beiden Einträgen im
Arbeitsbüchlein sowohl Stempel als auch Unterschrift fehlten. Im
Übrigen falle auf, dass die Schrift der letzten beiden (ungestempelten)
Einträge Nr. 9 und 10 mit derjenigen des (gestempelten) Eintrags Nr. 7
übereinstimme. Diese Einträge seien somit offensichtlich von
demselben Beamten vorgenommen worden. Aus dem Eintrag Nr. 7 aus
dem Jahr 1997 gehe hervor, dass der Beschwerdeführer als führender
Spezialist der analytisch-statistischen Verwaltungsabteilung der
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Sozialabteilung eingestellt worden sei. Gemäss den Einträgen Nr. 9
und 10 sei er zum führenden Spezialisten der sozialen Abteilung und
danach zum führenden Spezialisten des stellvertretenden
Vorsitzenden des Ministerkabinetts befördert worden. Die Einträge im
Arbeitsbüchlein stimmten somit entgegen dem diesbezüglichen
Einwand im Botschaftsbericht mit dem Vermerk auf dem
Personalausweis des Beschwerdeführers überein. Die Lohnquittungen
des Beschwerdeführers müssten aufgrund der Aktenlage als echt
qualifiziert werden. Im Weiteren sei festzustellen, dass aus den
Angaben der Verwandten des Beschwerdeführers nicht geschlossen
werden könne, dass dieser Russland bereits im Jahr 2000 verlassen
habe; die Verwandten hätten gemäss dem Botschaftsbericht lediglich
erklärt, der Beschwerdeführer habe bis zum Jahr 2000 in B._______
gelebt und Russland „dann“ verlassen. Dieses „dann“ sei jedoch nicht
näher spezifiziert worden. Es bestehe somit kein Widerspruch zu den
Angaben des Beschwerdeführers. Für den Zeitraum zwischen dem
Jahr 2000 und der Ausreise im Jahr 2004 habe der Beschwerdeführer
nachprüfbare Beweismittel zu den Akten gereicht. Beispielsweise habe
er geltend gemacht, er habe im November 2003 als Angestellter der
Administration von Maschadov einem Journalisten der Chechenpress
ein Interview gegeben. Der entsprechende Presseartikel sei im
Internet veröffentlicht worden. In der Chechenpress vom (...) finde sich
eine Pressemitteilung des Aussenministeriums von Ichkeriya, wonach
der Beschwerdeführer zum Vertreter in der Schweiz ernannt worden
sei. Einer weiteren Mitteilung vom (...) sei zu entnehmen, dass diese
Ernennung - auf Wunsch des Beschwerdeführers - rückgängig
gemacht worden sei. Weder die Schweizerische Vertretung noch das
BFM seien auf diese Sachverhaltsumstände eingegangen, obwohl die
damalige ARK in der Botschaftsanfrage diesbezügliche Fragen
(Fragen 3 bis 6 der Botschaftsanfrage) gestellt habe. Es werde daher
beantragt, dass die entsprechenden Fragen dem BFM nochmals
vorzulegen seien. Eventualiter sei festzustellen, dass das BFM den
rechtserheblichen Sachverhalt unvollständig festgestellt habe. In der
Replik wird schliesslich zum Vorwurf des BFM, der Beschwerdeführer
habe sich nach der Tötung seines Bruders noch mehrere Jahre in
Tschetschenien aufgehalten, Stellung genommen. Dabei wird
ausgeführt, der Beschwerdeführer habe immer wieder an Flucht
gedacht, jedoch wären die praktischen Probleme zur Verwirklichung
dieses Vorhabens zunächst unüberwindbar erschienen. Ausserdem
habe der Beschwerdeführer eine gute Stellung in der Administration
innegehabt, welche er nicht habe verlieren wollen. Nach vier Jahren
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seien er und seine Familie allerdings derart zermürbt gewesen, dass
sie keinen anderen Ausweg als die Flucht gesehen hätten. Im Übrigen
sei der Beschwerdeführer bereits aufgrund seiner Tätigkeit für die
Administration Maschadov vor dem Jahr 2000 in asylrelevanter Weise
gefährdet. Hinsichtlich der beiden Bestätigungsschreiben von
G._______ und H._______ wird in der Replik gerügt, die
diesbezügliche Beweiswürdigung durch das BFM sei nicht
nachvollziehbar. Die Ausführungen des BFM, wonach diese Personen
ein persönliches Interesse daran hätten, dass viele Flüchtlinge aus
Tschetschenien im Westen anerkannt würden, seien spekulativ.
H._______ sei immerhin der Vorgesetze des Beschwerdeführers
gewesen.
5.
Im Folgenden ist zunächst auf die vom Beschwerdeführer erhobenen
formellen Rügen einzugehen.
5.1 In der Beschwerde wird der Vorwurf erhoben, das BFM habe die
Begründungspflicht verletzt, indem es in der angefochtenen Verfügung
ohne Angabe von Quellen ausgeführt habe, es widerspreche
gesicherten Kenntnissen, dass einfache Beamte gesucht würden (vgl.
die vorinstanzliche Verfügung vom 20. Juni 2006, E. I.3).
5.1.1 Die Pflicht der Behörden, ihre Verfügungen zu begründen, folgt
unmittelbar aus Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung der
Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101)
und Art. 35 Abs. 1 VwVG. Aus dieser Pflicht ergibt sich, dass die
verfügende Behörde die Überlegungen zu nennen hat, von denen sie
sich leiten liess und auf die sich der Entscheid stützt. Die
Begründungspflicht ist ein Element rationaler und transparenter
Entscheidfindung und dient nicht zuletzt auch der Selbstkontrolle der
Behörden. Dementsprechend bildet eine hinreichende Begründung die
Grundlage für eine sachgerechte Anfechtung der Verfügung durch die
Betroffenen und stellt gleichzeitig eine unabdingbare Voraussetzung
für die Beurteilung der Rechtmässigkeit durch die Beschwerdeinstanz
dar (vgl. die nach wie vor gültigen und zutreffenden Ausführungen in
den Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylre-
kurskommission [EMARK] 1995 Nr. 12 E. 12c S. 114 f.; ALFRED
KÖLZ/ISABELLE HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege
des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 119, Rz. 325 und S. 128, Rz. 354
f.).
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D-5499/2006
5.1.2 Für den vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die vorstehend
zitierte Begründung des BFM die sachgerechte Anfechtung der
vorinstanzlichen Verfügung nicht verunmöglicht oder auch nur
behindert hat. Die angefochtene Verfügung gibt überdies in
rechtsgenüglicher Weise darüber Aufschluss, aus welchen Gründen
das BFM die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers als nicht
gegeben erachtete. Auch die vom BFM angestellten Überlegungen in
Bezug auf die Ziffer I.3 der Erwägungen sind nachvollziehbar: Das
BFM geht offensichtlich gestützt auf eigene Kenntnisse der Situation in
Tschetschenien davon aus, dass Personen, welche in der ehemaligen
Administration von Maschadov lediglich als einfache Beamte tätig
waren, nicht gezielt verfolgt werden. Es ist aufgrund der Aktenlage
davon auszugehen, dass sich die vom BFM erwähnten "gesicherten
Kenntnisse" nicht auf konkrete Aktenstücke beziehen, in welche
gegebenenfalls Einsicht zu gewähren wäre (vgl. Art. 26 Abs. 1 Bst. b
VwVG), sondern auf das bei der beruflichen Tätigkeit kontinuierlich
und über Jahre erworbene Wissen von amtsinternen Länderexperten,
deren Kenntnisse wiederum aus den unterschiedlichsten Quellen
stammen. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass keine Verletzung
der Begründungspflicht vorliegt.
5.2 Im Weiteren rügt der Beschwerdeführer, der rechtserhebliche
Sachverhalt sei unrichtig festgestellt worden, indem das BFM den
Beschwerdeführer als einfachen Beamten bezeichnet habe. Dieser
Vorwurf erscheint indessen als unbegründet. Das BFM führte in der
angefochtenen Verfügung aus: "Seinen Aussagen zufolge war er bloss
ein einfacher Beamter (Akte A8, S. 13)." Das BFM zitierte damit den
Beschwerdeführer, welcher in der kantonalen Anhörung ausdrücklich
erklärte, er sei ja nur ein einfacher Beamter (vgl. A8, S. 13). Bei dieser
Sachlage - korrektes Zitat einer Aussage des Beschwerdeführers -
kann nicht von einer unrichtigen Feststellung des Sachverhalts
gesprochen werden, selbst wenn der Beschwerdeführer im Nachhinein
mit dieser - nota bene von ihm selbst getroffenen - Einschätzung
seiner Funktion nicht mehr einverstanden ist.
5.3 Der Beschwerdeführer macht ausserdem geltend, der
rechtserhebliche Sachverhalt sei unvollständig festgestellt worden,
indem ihm keine weitergehenden Fragen zu seiner Tätigkeit in der
Administration von Maschadov gestellt worden seien. Dieser
Auffassung kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer
hatte im Verlauf der Anhörungen im vorinstanzlichen Verfahren
Seite 15
D-5499/2006
ausreichend Gelegenheit, seine Tätigkeit ausführlich und substanziiert
zu schildern. Anlässlich der kantonalen Befragung wurden ihm
überdies zahlreiche Anschluss- respektive Verständigungsfragen zu
diesem Thema gestellt (vgl. A8, S. 5 - 7). Im Übrigen sind die
Behörden nicht verpflichtet, einem Asylgesuchsteller auf gut Glück hin
unzählige Detailfragen zu einem bestimmten, klar erscheinenden
Sachverhaltskomplex zu stellen, obwohl der Beschwerdeführer selbst
keine Anhaltspunkte dafür liefert, dass der Sachverhalt noch nicht
rechtsgenüglich erstellt ist. Demnach ist festzustellen, dass der
rechtserhebliche Sachverhalt in Bezug auf die Arbeitstätigkeit des
Beschwerdeführers im vorliegenden Fall in rechtsgenüglicher Weise
festgestellt wurde.
5.4 In der Replik wird ebenfalls die Rüge der unvollständigen
Feststellung des Sachverhalts erhoben, indem geltend gemacht wird,
die Schweizerische Vertretung in Moskau respektive das BFM seien
mit keinem Wort auf die von der ARK in ihrer Botschaftsanfrage
gestellten Fragen Nr. 3 bis 6 eingegangen. Dazu ist Folgendes zu
bemerken: Es trifft zu, dass die erwähnten Fragen Nr. 3 bis 6 (vgl. die
Botschaftsanfrage vom 7. August 2006) durch die Schweizerische
Vertretung nicht abgeklärt wurden. Gestützt auf die Ausführungen im
Botschaftsbericht ist davon auszugehen, dass die Schweizerische
Vertretung die Auffassung vertrat, der Beschwerdeführer habe
Russland im Jahr 2000 verlassen, weshalb sich weitere Abklärungen
zu seiner angeblichen Tätigkeit in Russland nach dem Jahr 2000
erübrigten. Dem Beschwerdeführer ist insofern Recht zu geben, als
dass diese Schlussfolgerung nicht ohne weiteres einleuchtet und die
Beantwortung der Fragen Nr. 3 bis 6 trotzdem wünschenswert
gewesen wäre. Im Ergebnis ist jedoch festzustellen, dass die
Abklärung dieser Fragen vor Ort für die Beurteilung des vorliegenden
Falles nicht unbedingt notwendig ist, da der bestehende Sachverhalt
auch so spruchreif erscheint (vgl. die nachfolgenden Erwägungen in
der Sache). Die Rüge, der rechtserhebliche Sachverhalt sei
unvollständig festgestellt worden, ist daher auch in diesem Punkt
unbegründet. Demzufolge ist der Antrag, die erwähnten Fragen der
Botschaftsanfrage seien der Schweizerischen Vertretung in Moskau
respektive dem BFM erneut vorzulegen, abzuweisen.
6.
Nach eingehender Prüfung der Akten gelangt das
Bundesverwaltungsgericht gestützt auf die nachfolgenden
Seite 16
D-5499/2006
Ausführungen zum Schluss, dass der Beschwerdeführer die
Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt.
6.1 Der Beschwerdeführer machte geltend, er sei während des ersten
Tschetschenien-Krieges einmal festgenommen und dabei eineinhalb
Tage lang festgehalten und misshandelt worden. Wie die Vorinstanz zu
Recht festgestellt hat, weist dieses Ereignis den Akten zufolge jedoch
weder in zeitlicher noch in sachlicher Hinsicht einen genügenden
Zusammenhang zur Flucht im Jahr 2004 auf. Dieser Vorfall ist daher
nicht asylrelevant.
6.2 Zwischen dem Ende des ersten Tschetschenienkrieges im Jahr
1996 und der Ausreise des Beschwerdeführers im Dezember 2004
musste der Beschwerdeführer den Akten zufolge keine konkreten
Verfolgungsmassnahmen erdulden. Gemäss seiner Darstellung sei
zwar ab dem Jahr 2000 nach ihm gesucht worden, aber er habe sich
vorsichtig bewegt und häufig den Aufenthaltsort gewechselt. Der
Beschwerdeführer war während dieser Zeit in der Lage, seiner Arbeit
nachzugehen, wenn auch eigener Darstellung zufolge aus dem
Untergrund. Nach dem Gesagten ist jedoch insgesamt davon
auszugehen, dass der Beschwerdeführer während dieser Zeit keiner
asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war.
6.3 Damit stellt sich die Frage, ob dem Beschwerdeführer eine
begründete Furcht vor zukünftiger asylrelevanter Verfolgung attestiert
werden kann.
6.3.1 Begründete Furcht vor künftiger asylrelevanter Verfolgung liegt
dann vor, wenn konkreter Anlass besteht anzunehmen, Letztere hätte
sich - aus der Sicht im Zeitpunkt der Ausreise - mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zeit verwirklicht
beziehungsweise werde sich - auch aus heutiger Sicht - mit
ebensolcher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft verwirklichen.
Eine bloss entfernte Möglichkeit künftiger Verfolgung genügt nicht; es
müssen konkrete Indizien vorliegen, welche den Eintritt der erwarteten
- und aus einem der vom Gesetz abschliessend aufgezählten Motive
erfolgenden - Benachteiligungen als wahrscheinlich und
dementsprechend die Furcht davor als realistisch und nachvollziehbar
erscheinen lassen (vgl. EMARK 2005 Nr. 21 E. 7.1 S. 193, mit weiteren
Hinweisen; WALTER KÄLIN, Grundriss des Asylverfahrens,
Basel/Frankfurt a. M. 1990, S. 143 ff.).
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6.3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe seiner Tätigkeit
für die Administration Maschadov wegen jederzeit befürchten müssen,
in asylrelevanter Weise verfolgt zu werden. Diese Verfolgungsfurcht sei
auch im heutigen Zeitpunkt noch begründet. Gestützt auf die
nachfolgenden Ausführungen kann dieser Auffassung indessen nicht
gefolgt werden: Vorab ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer
nach dem Tod seines Bruder im Jahr 2000 noch vier Jahre zuwartete,
ehe er aus Russland ausreiste. In der Zwischenzeit hielt er sich
weiterhin in der Umgebung von Grosny auf. Unter diesen Umständen
ist daran zu zweifeln, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2004
tatsächlich aufgrund der geltend gemachten Verfolgungsfurcht
ausreiste. Aufgrund der Aktenlage ist davon auszugehen, dass seine
Furcht vor Verfolgung im Anschluss an die Mitnahme seines Bruders
am grössten und objektiv gesehen auch am ehesten begründet war.
Zwischen den Jahren 2000 und 2004 musste der Beschwerdeführer
keine relevanten Verfolgungsmassnahmen erdulden (vgl. bereits oben
E. 6.2). Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb er einerseits nach
der Mitnahme seines Bruders weitere vier Jahre in seiner
Heimatregion blieb, andererseits dann Ende 2004 ohne ersichtlichen,
unmittelbaren Anlass zur Flucht in die Schweiz reiste. Das Argument,
wonach er für die Administration Maschadov im Untergrund tätig
gewesen und zufolge patriotischer Gefühle zunächst nicht ausgereist
sei, sich dann aber nach dem Verschwinden seines Vorgesetzen zur
Flucht entschlossen habe, überzeugt nicht. Wenn die patriotischen
Überzeugungen des Beschwerdeführers tatsächlich derart stark
gewesen wären, dass er sich trotz der geltend gemachten
Verfolgungsfurcht nach dem Tod seines Bruders weiterhin
ununterbrochen und mehrere Jahre lang in der Heimatregion
aufgehalten hat, hätte er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch
nach dem Verschwinden seines Vorgesetzen versucht, die
Widerstandsbewegung von Maschadov weiter zu unterstützen, zumal
er im damaligen Zeitpunkt den Akten zufolge keine konkreten
Verfolgungsmassnahmen zu gewärtigen hatte. Der pauschale Hinweis
in der Beschwerde, wonach unspezifizierte praktische Probleme eine
Flucht zu einem früheren Zeitpunkt verunmöglicht hätten, vermag
ebenfalls nicht zu überzeugen. Vielmehr liegt nach dem Gesagten -
und nicht zuletzt mit Blick auf die Bemerkung in der Replik, der
Beschwerdeführer habe seine gute Arbeitsstelle nicht aufgeben
wollen, - die Vermutung nahe, dass der Beschwerdeführer nicht wie
geltend gemacht aus Furcht vor asylrelevanter Verfolgung, sondern
aus anderen, asylfremden Gründen ausgereist ist. Die geltend
Seite 18
D-5499/2006
gemachte Verfolgungsfurcht überzeugt auch aus den nachfolgenden
Gründen nicht: Wie bereits erwähnt geht aus den Akten hervor, dass
der Beschwerdeführer zwischen dem Ende des ersten
Tschetschenienkrieges und seiner Ausreise Ende 2004 keine
konkreten Verfolgungshandlungen seitens der russischen Behörden
beziehungsweise Militärs erdulden musste. Den Akten sind auch keine
konkreten und überzeugenden Hinweise dafür zu entnehmen, dass der
Beschwerdeführer tatsächlich, wie von ihm geltend gemacht wird,
gezielt gesucht wurde. Es ist aufgrund der diesbezüglichen
Schilderungen des Beschwerdeführer davon auszugehen, dass bei der
in seinem Heimatdorf durchgeführten Säuberungsaktion der Militärs,
bei welcher sein Bruder mitgenommen worden war, generell nach
allen männlichen Einwohnern gesucht wurde (vgl. A8, S. 9, 11 und 13).
Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, jemals ein Dokument
gesehen zu haben, welches belegen würde, dass gezielt nach seiner
Person gesucht wurde. Vielmehr vermutet er lediglich, dass sein Name
respektive derjenige seiner Familienmitglieder - aus welchem Grund
auch immer - auf der Liste der Militärs stand (vgl. seine Aussage in A8,
S. 13). Aufgrund der Aktenlage erscheint es daher als überwiegend
wahrscheinlich, dass sich die Aktionen der russischen Militärs generell
gegen die (männliche) Bevölkerung Tschetscheniens richtete und
keine gezielte Suche nach dem Beschwerdeführer erfolgte. Den Akten
zufolge konnte der Beschwerdeführer zwischen den Jahren 2000 und
2004 weiterhin - wenn auch in beschränktem Ausmass - seiner Arbeit
nachgehen und gab dem eingereichten Presseartikel vom
10. November 2003 zufolge sogar ein Interview, während sich andere
Personen (z.B. Maschadov und H._______) in den Bergen verstecken
mussten. Dies weist ebenfalls darauf hin, dass sich der
Beschwerdeführer zwar von den allgemeinen Säuberungsaktionen in
Acht nehmen, jedoch nicht einer gezielten, gegen seine Person
gerichteten Verfolgung aus dem Weg gehen musste. Im Übrigen wurde
vom Beschwerdeführer auch nicht glaubhaft gemacht, dass die
russischen Behörden ein spezifisches Interesse an seiner Person
hatten beziehungsweise haben. Der Beschwerdeführer war in
Tschetschenien nicht politisch engagiert und hatte insbesondere kein
politisches Amt inne. Abgesehen von der kurzen, seinen Angaben
zufolge unbegründeten Inhaftierung während des ersten
Tschetschenienkrieges hatte er keinen einschlägigen Kontakt zu den
russischen Behörden. Auf Beschwerdeebene wird geltend gemacht,
den russischen Behörden sei der Name und die frühere Tätigkeit des
Beschwerdeführers innerhalb der Administration Maschadov bekannt.
Seite 19
D-5499/2006
Es sei nämlich zu vermuten, dass den russischen Truppen die
Personalunterlagen des Beschwerdeführers in die Hände gefallen
seien. Bei dieser Annahme handelt es sich indessen um reine
Spekulation. Diesbezügliche konkrete Anhaltspunkte sind den Akten
nicht zu entnehmen. Der Beschwerdeführer macht zudem - ebenfalls
erst auf Beschwerdeebene - geltend, er habe dem von Maschadov
gegründeten Widerstandskomitee angehört. Diese Tatsache sei
öffentlich bekannt gewesen, weil die Ernennung der Mitglieder des
Widerstandskomitees im Internet veröffentlicht worden sei. Für dieses
Vorbringen finden sich in den Akten indessen ebenfalls keine
handfesten Indizien. Entgegen den Ausführungen auf
Beschwerdeebene ist daher davon auszugehen, dass die russischen
Behörden keine spezifischen Informationen zur Person des
Beschwerdeführers und der von ihm geltend gemachten Funktion
innerhalb der Administration Maschadov hatten. Die Durchsicht der
Akten ergibt ausserdem, dass der Beschwerdeführer entgegen seinem
diesbezüglichen Vorbringen auf Beschwerdeebene nicht ein
ranghohes Mitglied der Administration Maschadov, sondern vielmehr
ein einfacher Beamter war (vgl. auch seine eigene Aussage in A8,
S. 13). Der Beschwerdeführer war seinen Angaben zufolge für die
Datenverarbeitung und -analyse zuständig. In dieser Funktion führte er
lediglich die ihm übertragenen Aufgaben aus, das heisst er nahm
Befehle entgegen und setzte diese um. Zwar war er auf seinem Gebiet
ein Spezialist, allerdings beschränkten sich seine Kompetenzen den
Akten zufolge auf das Fachliche. Weitergehende Entscheidungs-
befugnisse organisatorischer oder strategischer Art kamen dem
Beschwerdeführer dagegen nicht zu. Er machte auch nicht geltend, an
den politischen oder militärischen Entscheidungsprozessen beteiligt
gewesen zu sein. Im Gegensatz zu effektiv ranghohen Mitgliedern der
Administration Maschadov wurde der Beschwerdeführer denn auch
nicht in ein Versteck in den Bergen abberufen, sondern musste den
Akten zufolge in der Umgebung von Grosny ausharren. In dem als
Beweismittel eingereichten Artikel der Chechenpress vom (...) wird der
Beschwerdeführer im Übrigen ebenfalls bloss als "Mitarbeiter des
sozialen Blocks" bezeichnet, was ein weiteres Indiz dafür ist, dass er
innerhalb der Administration Maschadov keine herausragende Stellung
innehatte. Nachdem der Beschwerdeführer bereits ungefähr ein Jahr
lang in der Schweiz lebte, wurde er den Akten zufolge im (...) ohne
eigenes Dazutun zum Repräsentanten des Aussenministeriums der
TschRi ernannt. Obwohl diese Ernennung im Internet veröffentlicht
wurde, ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer
Seite 20
D-5499/2006
deswegen eine asylrelevante Verfolgung durch die russischen
Behörden zu befürchten hätte. Selbst wenn die russischen Behörden
von der Ernennung des Beschwerdeführers Kenntnis erhalten hätten,
hätten sie den Beschwerdeführer deswegen kaum als näher zu
beobachtendes staatsfeindliches Element registriert, zumal sich der
Beschwerdeführer im Heimatland nicht exponiert hatte und der
Pressemitteilung vom (...) keine Hinweise auf die allfälligen früheren
Tätigkeiten oder die persönlichen Hintergründe der ernannten
Personen zu entnehmen waren. Den Angaben des Beschwerdeführers
zufolge wurde er im Übrigen ohne vorgängige Anfrage zum
Repräsentanten in der Schweiz ernannt. Der Pressemitteilung ist
weiter zu entnehmen, dass mehrere junge und politisch unerfahrene
Personen nominiert wurden. Aus dem Gesagten ist zu schliessen,
dass das so genannte "Aussenministerium der Republik Ichkeriya"
Mühe hat, qualifizierte Freiwillige zu finden, welche bereit sind, diese
Funktionen auszuüben. die Ernennung des Beschwerdeführers wurde
bereits am (...) auf dessen Ersuchen hin wieder rückgängig gemacht.
Auch dieser Umstand wurde im Internet publiziert. Für die russischen
Behörden dürfte daher spätestens nach der Amtsenthebung im (...)
ersichtlich sein, dass der Beschwerdeführer kein Interesse daran hat,
die Anliegen der TSchRi in der Schweiz zu vertreten und lediglich
mangels valabler Alternativen nominiert wurde. Es ist
unwahrscheinlich, dass die russischen Behörden den
Beschwerdeführer bei dieser Sachlage als konkrete und ernsthafte
Bedrohung für das politische System empfinden würden. Demzufolge
ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der
erfolgten Publizierungen eine asylrelevante Verfolgung im Heimatland
zu befürchten hätte. Mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen
erscheint es insgesamt nicht als überwiegend wahrscheinlich, dass die
russischen Behörden ein ernsthaftes Interesse an der Person des
Beschwerdeführers haben und dass er infolge der geltend gemachten
Tätigkeit für die Administration Maschadov und der erwähnten, bereits
wieder rückgängig gemachten Nominierung zum Vertreter der TSchRi
in der Schweiz bei einer allfälligen Rückkehr nach Russland eine
asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätte.
6.3.3 Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Vorliegen einer
begründeten Furcht vor zukünftiger asylrelevanter Verfolgung aufgrund
der Aktenlage zu verneinen ist.
Seite 21
D-5499/2006
6.4 Bei dieser Sachlage kann darauf verzichtet werden, abschliessend
über die Frage zu befinden, ob die geltend gemachte Tätigkeit für die
Administration Maschadov hinsichtlich ihrer Art und Dauer glaubhaft
ist oder nicht. Ausserdem erübrigt es sich, auf die weiteren
Ausführungen in der Beschwerde und die übrigen, bisher nicht explizit
erwähnten Beweismittel betreffend die geltend gemachten Ereignisse
in Russland näher einzugehen, da sie am Ergebnis nichts ändern
können. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände ergibt sich,
dass der Beschwerdeführer keine Gründe nach Art. 3 AsylG
nachweisen oder glaubhaft machen konnte. Damit erfüllt er die
Flüchtlingseigenschaft nicht, und die Vorinstanz hat das Asylgesuch zu
Recht abgelehnt.
7.
Auf Beschwerdeebene, insbesondere in der Beschwerdeschrift vom
24. Juli 2006, wird geltend gemacht, der Beschwerdeführer sei im Falle
seiner Rückkehr nach Russland gefährdet, weil er ab dem Winter
2005/2006 mehrere Informationsanlässe zur Lage in Tschetschenien
organisiert habe.
7.1 Wer sich darauf beruft, dass durch sein Verhalten nach der
Ausreise aus dem Heimat- oder Herkunftsland eine
Gefährdungssituation (erst) geschaffen wurde, macht subjektive
Nachfluchtgründe geltend (vgl. Art. 54 AsylG). Subjektive
Nachfluchtgünde begründen zwar die Flüchtlingseigenschaft im Sinne
von Art. 3 AsylG, führen jedoch nach Art. 54 AsylG zum Ausschluss
des Asyls, unabhängig davon, ob sie missbräuchlich oder nicht
missbräuchlich gesetzt wurden. Das vom Gesetzgeber vorgesehene
Konzept, wonach das Vorliegen von subjektiven Nachfluchtgründen die
Gewährung von Asyl ausschliesst, verbietet auch ein Addieren solcher
Gründe mit Fluchtgründen, welche vor der Ausreise aus dem Heimat-
oder Herkunftsland entstanden sind und die für sich allein nicht zur
Bejahung der Flüchtlingseigenschaft und zur Asylgewährung
ausreichen (vgl. EMARK 1995 Nr. 7 E. 7b und 8 S. 67 ff.; EMARK 2000
Nr. 16 E. 5a S. 141 f. mit weiteren Hinweisen).
7.2 Für den vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die angebliche
exilpolitische Tätigkeit des Beschwerdeführers durch nichts belegt ist.
Hinreichend belegt und damit auch glaubhaft gemacht ist lediglich,
dass der Beschwerdeführer im (...) zum Repräsentanten des so
genannten Aussenministeriums der Republik Ichkeriya in der Schweiz
Seite 22
D-5499/2006
ernannt worden war, diese Ernennung jedoch auf Ersuchen des
Beschwerdeführers hin bereits im (...) wieder rückgängig gemacht
wurde (vgl. dazu oben E. 6.3.2). Ein eigentliches exilpolitisches
Engagement des Beschwerdeführers ist dagegen nicht aktenkundig.
Insbesondere fehlen in den Akten jegliche konkrete Hinweise dafür,
dass er tatsächlich - wie in der Beschwerde geltend gemacht wird -
Informationsanlässe zur Lage in Tschetschenien organisierte. Darüber
hinaus wird auch nicht glaubhaft gemacht, dass die angeblichen
Informationsanlässe politische Inhalte hatten. Das Vorbringen, wonach
der Beschwerdeführer ab Winter 2005/2006 exilpolitisch tätig gewesen
sei, erscheint im Übrigen auch deshalb wenig glaubhaft, weil der er
den Akten zufolge lediglich ungefähr drei Monate lang offiziell im
Dienste der TSchRi stand und umgehend darum bat, von seinem Amt
enthoben zu werden. Unter diesen Umständen ist nicht davon
auszugehen, dass der Beschwerdeführer sofort nach seiner -
ungebetenen - Ernennung damit begann, Informationsanlässe zu
organisieren.
7.3 Zusammenfassend ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall
keine subjektiven Nachfluchtgründe im Sinne von Art. 54 AsylG
glaubhaft gemacht wurden. Der Beschwerdeführer kann daher auch
nicht gestützt auf Art. 54 AsylG als Flüchtling anerkannt werden.
8.
8.1
Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein,
so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und
ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der
Einheit der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
8.2 Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine
fremdenpolizeiliche Aufenthaltsbewilligung noch hat er einen Anspruch
auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu
Recht angeordnet (Art. 44 Abs. 1 AsylG; EMARK 2001 Nr. 21).
9.
9.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar
oder nicht möglich, so regelt das Bundesamt das
Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über
die vorläufige Aufnahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83
Seite 23
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Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die
Ausländerinnen und Ausländer [AuG, SR 142.20]).
9.2 Da der Beschwerdeführer mit Verfügung des BFM vom 20. Juni
2006 in der Schweiz vorläufig aufgenommen wurde (vgl. Ziffern 4 - 7
der vorinstanzlichen Verfügung), erübrigen sich jegliche Ausführungen
zur Frage des Wegweisungsvollzugs.
10.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig
und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die
Beschwerde ist demnach abzuweisen.
11.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären dessen Kosten von
Fr. 600.-- dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG).
Nachdem jedoch aufgrund der Aktenlage weiterhin von seiner
Bedürftigkeit auszugehen ist und die Beschwerde nicht als
aussichtslos bezeichnet werden konnte, ist in Gutheissung des
Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne
von Art. 65 Abs. 1 VwVG von einer Kostenauflage abzusehen.
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im
Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG wird gutgeheissen.
Seite 24
D-5499/2006
3.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
4.
Dieses Urteil geht an:
- den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (eingeschrieben;
Beilage: angefochtene Verfügung im Original)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt und Rückkehrförderung, mit den
Akten Ref.-Nr. N _______ (per Kurier; in Kopie)
- das _______ (in Kopie)
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Hans Schürch Anna Dürmüller
Versand:
Seite 25