D-5390/2006 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Flüchtlingseigenschaft; Asyl
Karar Dilini Çevir:
D-5390/2006 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Flüchtlingseigenschaft; Asyl
Abtei lung IV
D-5390/2006
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 0 . J u n i 2 0 0 9
Richter Fulvio Haefeli (Vorsitz),
Richter Thomas Wespi, Richter Pietro Angeli-Busi,
Gerichtsschreiberin Ulrike Raemy.
K._______, geboren_______,
Sudan,
vertreten durch lic. iur. Pollux L. Kaldis,
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 10. Ok-
tober 2006 / N _______.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
D-5390/2006
Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer verliess eigenen Angaben zufolge seinen Hei-
matstaat in Begleitung seiner Familie (Verfahren D-5386/2006,
D-5387/2006, D-5388/2006, D-5389/2006) und gelangte am 17. Juli
2004 illegal in die Schweiz. Hier stellte er am selben Tag im Empfangs-
und Verfahrenszentrum E._______ (vormals Empfangsstelle
E._______) ein Asylgesuch, zu dem er am 21. Juli 2004 summarisch
befragt wurde. Am 24. August 2004 wurde er durch die zuständige
kantonale Behörde zu seinen Asylgründen angehört. Beide Male gab
der Beschwerdeführer zu seiner Person an, er sei sudanesischer
Staatsangehöriger, gehöre dem arabischen Stamm der Bani Halba an,
und habe in F._______, in Westdarfur gelebt.
B.
B.a Zur Begründung seines Asylgesuches machte der Beschwerde-
führer bei der Befragung in der Empfangsstelle im Wesentlichen gel-
tend, die Lage im Sudan sei wegen der Konflikte zwischen den Mili-
zen, den Stämmen und der Regierung unsicher. Die letzten zwei Jahre
habe er nicht mehr das Haus verlassen können. Es gebe immer wieder
Diebe und Soldaten, welche die Leute töten würden. In den benach-
barten Quartieren sei es zu Diebstählen und Angriffen gekommen und
deren Bewohner seien in ihr Quartier geflüchtet. Sein Vater, welcher
Viehhändler gewesen sei, sei [unterwegs] getötet worden. Sein Vieh
habe man ihm gestohlen. Ausserdem habe man versucht, seine
Schwester zu entführen.
B.b Bei der kantonalen Anhörung machte der Beschwerdeführer erst-
mals geltend, etwa eine Woche nach dem Tod seines Vaters seien Sol-
daten gekommen und hätten ihn sowie seine Angehörigen aufgefor-
dert, zum Verhör mitzukommen. Die Soldaten hätten ihn, seinen Bru-
der, seine Schwestern G._______ und H._______ und seine Mutter in
eine geschlossene Stellung abgeführt. Sie seien in Einzelzellen
gebracht und über den Vater befragt worden. Bei den Verhören sei
gegen seinen Vater der Vorwurf erhoben worden, dieser habe eine
Organisation unterstützt. Ein Mann habe ihn in seiner Zelle verhört und
ihm die Freilassung in Aussicht gestellt, wenn er ihm sage, wen sein
Vater unterstützt habe. Sollten er und seine Familie sich weigern,
werde man sie misshandeln oder gar töten (vgl. A9/ S. 16). Da er und
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seine Familie nichts gewusst hätten, sei er während der zweitägigen
Haft immer wieder in seiner Zelle geschlagen worden. Ausserdem sei
ihm immer wieder vorgeworfen worden, er verschweige etwas. Bei der
Freilassung habe man ihnen mit der Ermordung gedroht, falls
Angehörige der Opposition oder der anderen Seite zu ihnen nach
Hause kommen sollten. Auch habe man ihnen klar gemacht, dass man
die ganze Familie für Rebellen und Verräter halte. Im Mai 2004 hätten
Unbekannte versucht, seine Schwester G._______ zu entführen.
Diese hätten versucht, seine Schwester in ihr Auto zu zerren. Da sie
sich gewehrt habe, seien Passanten herbeigeeilt, um ihr zu helfen.
Daraufhin hätten die Entführer die Flucht ergriffen. Den Behörden
beziehungsweise einem Mukhtar hätten sie den Entführungsversuch
nicht gemeldet, da die Situation in diesem Zeitpunkt schwierig
gewesen sei und niemand Zeit gehabe habe, sich darum zu kümmern
(vgl. A9/ S. 20).
C.
C.a Mit Eingabe vom 20. Juli 2006 führte der Beschwerdeführer aus,
er wie auch seine Angehörigen hätten gesundheitliche Probleme. Er
benötige eine ärztliche Untersuchung.
C.b Mit Zwischenverfügung vom 25. Juli 2006 forderte das BFM den
Beschwerdeführer auf, innert Frist einen allfälligen ärztlichen Bericht
einzureichen.
Weder innert Frist noch auf Beschwerdeebene wurde ein solcher Be-
richt zu den Akten gereicht.
D.
Mit Verfügung vom 10. Oktober 2006 – eröffnet am 11. Oktober 2006 -
lehnte das BFM das Asylgesuch des Beschwerdeführers ab und ord-
nete die Wegweisung aus der Schweiz sowie deren Vollzug an. Zur Be-
gründung wurde ausgeführt, die Vorbringen des Beschwerdeführers
genügten den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit gemäss Art. 7 des
Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) nicht. Der Be-
schwerdeführer habe geltend gemacht, aus F._______ zu stammen
und dort Verfolgungen erlebt zu haben, die ihn zu Ausreise veranlasst
hätten. Seine Aussagen zu F._______ sowie diejenigen zur der von
ihm geltend gemachten Verfolgung enthielten jedoch etliche schwer
wiegende Ungereimtheiten. So habe der Beschwerdeführer zwar
angeben können, dass es sich bei F._______ um eine Stadt handle,
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jedoch habe er die Einwohneranzahl nicht beziffern können (vgl. A9/
S. 5, “Ich kann das nicht genau angeben, jedoch viele.“). Ebensowenig
habe er die Bombardierungen F._______s datieren oder angeben
können, wann und in welchen Quartieren es zu Kämpfen gekommen
sei (A9/ S. 20 f.). Seine Angabe, bei den Janjaweeds habe es keine
Anhörigen des Stammes der Bani Halba, stimme nicht mit den
Tatsachen überein. Von einem im Zeitpunkt der Ausreise 22jährigen
Beschwerdeführer, der eigenen Angaben zufolge während zehn
Jahren Schulen besucht haben wolle, könne jedoch erwartet werden,
dass er über solche Kenntnisse zu seinem Herkunftsort verfügen
würde. Ferner habe der Beschwerdeführer als politische
Gruppierungen in seiner Gegend (...) und (...) genannt und erklärt, es
gebe eine Opposition. Wer genau die Opposition sei, habe er jedoch
nicht angeben können beziehungsweise habe er nicht gewusst, welche
„Seite“ sein Vater unterstützt habe (Vgl. A9/ S. 15 ff.). Aufgrund der
vom Beschwerdeführer angeführten Vorfälle und Drohungen dürften
aber solche Kenntnisse vorausgesetzt werden. Schliesslich seien
seine Schilderungen im Zusammenhang mit dem geltend gemachten
Entführungsversuch seiner Schwester G._______ nicht mit der im
Sudan beziehungsweise in Darfur herrschenden Situation zu
vereinbaren. Bei der kantonalen Anhörung habe der Beschwerdeführer
erstmals geltend gemacht, er sei etwa eine Woche nach dem Tod
seines Vaters verhaftet und zwei Tage lang festgehalten worden (vgl.
A9/ S. 15 ff.). Seine Erklärung, wonach er auf Anraten seiner Mutter
und seiner Geschwister die Festnahme zuerst verschwiegen habe, aus
Furcht, die sudanesischen Behörden könnten von den Schweizer
Asylbehörden davon in Kenntnis gesetzt werden (vgl. A9/ S. 18),
vermöge nicht zu überzeugen, zumal der Beschwerdeführer auf die
Verschwiegenheitspflicht der Schweizer Behörden hingewiesen
worden sei und die sudanesischen Behörden von dem Vorfall bereits
Kenntnis gehabt hätten. Diese Vorbringen seien als nachgeschoben zu
bezeichnen und könnten deshalb nicht geglaubt werden. Überdies
entsprächen die Vorbringen des Beschwerdeführers in etlichen
Punkten nicht den Aussagen seiner Angehörigen. Obwohl der
Beschwerdeführer aufgefordert worden sei, die Festnahme detailliert
zu schildern (vgl. A9/ S. 16), habe er im Gegensatz zu seiner Mutter
und den meisten seiner Geschwister die Hausdurchsuchung, die der
Festnahme vorausgegangen sein solle, nicht erwähnt. Auch stimmten
seine Angaben über den Verbleib seines Geburtsscheines (er habe ihn
in der Eile des Aufbruchs nicht mitnehmen können, vgl. A9/ S. 9) nicht
mit denjenigen seiner Angehörigen überein (diese hätten zu Protokoll
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gegeben, die Dokumente seien bei der Hausdurchsuchung konfisziert
worden, vgl. A9/ S. 29). Auf entsprechenden Vorhalt hin sei es dem
Beschwerdeführer nicht gelungen, diese Widersprüche zu erklären
und aufzulösen (vgl. A9/ S. 29 ff.). So sei insbesondere nicht
einsichtig, weshalb ihm die Hausdurchsuchung „nicht in den Sinne
gekommen“ sein solle (vgl. A9/S. 29). Solche Widersprüche bewirkten
zusätzlich, dass dem Beschwerdeführer seine Vorbringen nicht
geglaubt werden könnten. Darüber hinaus befänden sich in den
Vorbringen des Beschwerdeführers weitere Ungereimtheiten, auf die
jedoch aufgrund der bereits aufgeführten Unglaubhaftigkeitselemente
nicht näher eingegangen werde.
E.
Mit Eingabe vom 10. November 2006 (Poststempel 12. November
2006) liess der Beschwerdeführer gegen diesen Entscheid bei der da-
maligen Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) Beschwerde
erheben und die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung sowie die
Gewährung von Asyl in der Schweiz beantragen. Sinngemäss bean-
tragte er ferner, es sei die Unzulässigkeit oder zumindest die Unzu-
mutbarkeit des Vollzugs der Wegweisung festzustellen und es sei dem
Beschwerdeführer die vorläufige Aufnahme in der Schweiz zu gewäh-
ren. Es sei die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1
des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungs-
verfahren (VwVG, SR 172.021) zu gewähren und auf die Erhebung ei-
nes Kostenvorschusses sei zu verzichten.
F.
Mit Zwischenverfügung der ARK vom 17. November 2006 hiess der
damalige Instruktionsrichter das Gesuch um Gewährung der unent-
geltlichen Rechtspflege gut, verzichtete auf die Erhebung eines Kos-
tenvorschusses und überwies die Akten der Vorinstanz zur Vernehm-
lassung.
G.
Mit Vernehmlassung vom 7. Dezember 2006 beantragte das BFM die
Abweisung der Beschwerde. In der angefochtenen Verfügung habe es
ausführlich dargelegt, weshalb es dem Beschwerdeführer sowie den
übrigen Familienangehörigen nicht gelungen sei, die geltend gemach-
te Herkunft aus F._______ sowie die damit verknüpfte
Verfolgungssituation glaubhaft zu machen. In der Beschwerde werde
versucht, die in den angefochtenen Verfügungen aufgezeigten
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mangelhaften Kenntnisse des Beschwerdeführers zu seinem
angeblichen Herkunftsort zu erklären. Dabei beschränke sich der
Beschwerdeführer, aber auch seine übrigen Familienangehörigen auf
ganz wenige Punkte, wobei es ihnen nicht gelinge, das fehlende
Wissen zu erklären. Im Weiteren falle auf, dass in der
Beschwerdeeingabe auch nicht zu den in den vorinstanzlichen
Verfügungen aufgezeigten zahlreich vorhandenen Widersprüchen und
anderen Ungereimtheiten in den Aussagen des Beschwerdeführers
und seiner Familie eingegangen werde.
H.
H.a Mit Zwischenverfügung vom 13. Dezember 2006 erhielt der Be-
schwerdeführer unter Hinweis auf die Säumnisfolge die Gelegenheit,
sich innert Frist zu der Vernehmlassung des BFM vom 7. Dezember
2006 schriftlich zu äussern.
H.b Der Beschwerdeführer liess sich innert Frist nicht vernehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsge-
richt Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM
gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorins-
tanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende
Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesver-
waltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegen-
den Beschwerde und entscheidet in diesem Bereich endgültig
(Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Das Bundesverwaltungsgericht hat am 1. Januar 2007 die Beurtei-
lung der bei der ARK hängigen Rechtsmittel übernommen. Das neue
Verfahrensrecht ist anwendbar (vgl. Art. 53 Abs. 2 VGG).
1.3 Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingereicht. Der Be-
schwerdeführer ist durch die angefochtene Verfügung berührt und hat
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ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise
Änderung. Der Beschwerdeführer ist daher zur Einreichung der
Beschwerde legitimiert (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48, 50 und 52 VwVG).
Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3.
3.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen
grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person aner-
kannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt
wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu ei-
ner bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen An-
schauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete
Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte
Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder
Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen
Druck bewirken; den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung
zu tragen (Art. 3 AsylG).
3.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachwei-
sen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht,
wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrschein-
lichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen,
die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich wider-
sprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich
auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7
AsylG).
4.
4.1 Mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-5387/2006 vom 27.
April 2009 wurde die Beschwerde der Mutter des Beschwerdeführers
sowie seiner beiden Schwestern C._______ und D._______
abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass
auf die Unglaubhaftigkeit der geltend gemachten Herkunft aus Darfur
sowie die damit verknüpfte Verfolgungssituation zu schliessen sei. Bei
dieser Sachlage kann auch dem Beschwerdeführer die geltend
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gemachte Herkunft aus Darfur und die davon abgeleitete
Verfolgungssituation nicht geglaubt werden. Zudem wird auf die in der
angefochtenen Verfügung aufgezeigten Unstimmigkeiten in den
Schilderungen des Beschwerdeführers verwiesen. Mangels einer
entsprechenden Stellungnahme auf Beschwerdeebene kann darauf
verzichtet werden, diesbezüglich nähere Ausführungen zu machen,
und es wird auf die zutreffenden Erwägungen in der angefochtenen
Verfügung verwiesen, denen sich das Bundesverwaltungsgericht
vollumfänglich anschliesst.
4.2 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass den Vorbringen des Be-
schwerdeführers, er sei im Zeitpunkt ihrer Ausreise in seiner Heimatre-
gion Darfur in asylrechtlich erheblichem Ausmass verfolgt worden,
nicht geglaubt werden kann, wobei hervorzuheben ist, dass die gel-
tend gemachte Herkunft aus Darfur unglaubhaft ist.
5.
5.1 Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht
ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und
ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Ein-
heit der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
5.2 Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtli-
che Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung ei-
ner solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet
(Art. 44 Abs. 1 AsylG; Entscheidungen und Mitteilungen der Schweize-
rischen Asylrekurskommission [EMARK] 2001 Nr. 21).
6.
6.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar
oder nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsver-
hältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Auf-
nahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bun-
desgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und
Ausländer [AuG, SR 142.20]).
6.2 Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtun-
gen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Auslän-
ders in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenste-
hen (Art. 83 Abs. 3 AuG).
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So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land ge-
zwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus ei-
nem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Ge-
fahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art.
5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom
28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR
0.142.30]).
Gemäss Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), Art. 3 des Über-
einkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grau-
same, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
(FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 der Konvention vom 4. No-
vember 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(EMRK, SR 0.101) darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder
erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
6.3 Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend
darauf hin, dass der Grundsatz der Nichtrückschiebung nur Personen
schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen (vgl. MARIO GATTIKER,
Das Asyl- und Wegweisungsverfahren, 3. Aufl., Bern 1999, S. 89). Da
es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erheb-
liche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann das
in Art. 5 AsylG verankerte Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Re-
foulements im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine
Rückkehr des Beschwerdeführers in den Sudan ist demnach unter
dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.
Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdefüh-
rers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall ei-
ner Ausschaffung in den Sudan dort mit beachtlicher Wahrscheinlich-
keit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder
Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss Praxis des Europäischen Ge-
richtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Fol-
terausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr
("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer
Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde
(vgl. EMARK 2001 Nr. 16 S. 122, mit weiteren Hinweisen; EGMR, Ben-
said gegen Grossbritannien, Urteil vom 6. Februar 2001, Recueil des
arrêts et décisions 2001-I, S. 327 ff.). Auch die allgemeine Menschen-
rechtssituation im Sudan ausserhalb Darfur lässt den Wegweisungs-
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vollzug zum heutigen Zeitpunkt klarerweise nicht als unzulässig er-
scheinen. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl
im Sinne der asyl- als auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zu-
lässig.
6.4 Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen
und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunfts-
staat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner
Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine
konkrete Gefährdung festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83 Abs.
7 AuG – die vorläufige Aufnahme zu gewähren (vgl. Botschaft zum
Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März
2002, BBl 2002 3818).
6.5 Den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts zufolge be-
steht im Sudan ausserhalb der Region Darfur keine Situation allgemei-
ner Gewalt, und es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass
der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in einen ausserhalb Darfur
gelegenen Teil des Sudans einer konkreten Gefährdung im Sinne von
Art. 83 Abs. 4 AuG ausgesetzt wäre. Der Wegweisungsungsvollzug in
den Sudan erweist sich somit als generell zumutbar.
6.6 Es sind auch keine individuellen, in der Person des Beschwerde-
führers gelegenen Gründe ersichtlich, die den Wegweisungsvollzug als
unzumutbar erscheinen lassen würden. Dem jungen und offensichtlich
gesunden Beschwerdeführer ist es zuzumuten gemeinsam mit seinen
Familienangehörigen (Mutter und Geschwister) in den Sudan zurück-
zukehren und sich dort erneut eine Lebensgrundlage zu schaffen.
Es ist festzuhalten, dass die Untersuchungspflicht der Asylbehörden
hinsichtlich Zulässigkeit, Zumutbarkeit und Möglichkeit des Vollzugs
nach Treu und Glauben ihre Grenzen an der Mitwirkungspflicht der Be-
schwerde führenden Person findet (Art. 8 AsylG), die im Übrigen auch
die Substanziierungslast trägt (Art. 7 AsylG). Da der Beschwerdeführer
sowie seine übrigen Angehörigen keine Identitätspapiere eingereicht
haben, mithin ihre Identität nicht sicher feststeht und sie auch auf Be-
schwerdeebene darauf verzichtet haben, ihren tatsächlichen Her-
kunftsort anzugeben, kann es nicht Sache der Asylbehörden sein, nä-
her nach allfälligen weiteren Wegweisungshindernissen im Heimatland
des Beschwerdeführers zu forschen. Gemäss konstanter Schweizer
Asylpraxis sind die Asylbehörden nicht gehalten, in Fällen, in denen
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aufgrund vom Asylgesuchsteller zu verantwortenden Umständen nicht
feststeht, welches sein Herkunftsland beziehungsweise sein
Herkunftsort ist (vgl. EMARK 2005 Nr. 1 E.3.2.2. S. 5 f.), nach
möglichen Vollzugshindernissen zu suchen. Vorliegend konnte der Be-
schwerdeführer seine geltend gemachte Herkunft aus Darfur nicht
glaubhaft machen. Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass er seinen
wahren Herkunftsort dissimulieren will, weshalb davon auszugehen ist,
dass er dort über ein ausreichendes Beziehungsnetz verfügt. Im Wei-
teren ist vor dem Hintergrund der kostspieligen Ausreise und der Kos-
ten für die medizinische Betreuung seiner Schwester D._______ von
ausreichenden finanziellen Quellen im Heimatland auszugehen. Der
Beschwerdeführer, aber auch seine Geschwister (Verfahren
D-5386/2006, D-5387/2006, D-5388/2006, D-5389/2006), verfügen
gemäss Aktenlage über eine gute Schulbildung. Die ganze Familie ge-
hört dem arabischen Stamm Bani Halba an, dessen Angehörigen im
Sudan nichts zu befürchten haben. Unter diesen Umständen sollte es
dem gemäss Aktenlage gesunden Beschwerdeführer möglich sein,
eine seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende
wirtschaftliche Existenz in einer sudanesischen Grossstadt, wie zum
Beispiel Khartoum, aufzubauen beziehungsweise an seinen
tatsächlichen Wohnort zurückzukehren.
6.7 Schliesslich ist auch aus der nunmehr bald fünfjährigen Anwesen-
heit des Beschwerdeführers in der Schweiz und der damit allfällig ver-
bundenen Integration keine andere Beurteilung der Zumutbarkeit des
Wegweisungsvollzugs herzuleiten. Nachdem die Bestimmungen be-
treffend vorläufige Aufnahme infolge einer schwerwiegenden persönli-
chen Notlage (insbes. Art. 44 Abs. 3-5 AsylG in der Fassung vom
26. Juni 1998; AS 1999 2273) auf den 1. Januar 2007 aufgehoben
worden sind, kann bei Beschwerden gegen Verfügungen des BFM be-
ziehungsweise des BFF im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsge-
richt das Vorliegen einer schwerwiegenden persönlichen Notlage nicht
mehr geprüft werden. Die Integration in der Schweiz war unter altem
Recht primär im Rahmen eben jener Notlagenprüfung zu berücksichti-
gen. Nach geltendem Recht ist es nun dem Kanton vorbehalten, mit
Zustimmung des Bundesamtes einer ihm nach Gesetz zugewiesenen
Person eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, wenn wegen der fort-
geschrittenen Integration ein schwerwiegender persönlicher Härtefall
vorliegt (Art. 14 Abs. 2 Bst. c AsylG).
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Nach dem Gesagten erweist sich Vollzug der Wegweisung auch als zu-
mutbar.
6.8 Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zu-
ständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwen-
digen Reisedokumente zu beschaffen (Art. 8 Abs. 4 AsylG), weshalb
der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art.
83 Abs. 2 AuG).
7.
Insgesamt ist der durch die Vorinstanz verfügte Wegweisungsvollzug
zu bestätigen. Die Vorinstanz hat den Vollzug der Wegweisung zu
Recht als zulässig, zumutbar und möglich erachtet. Nach dem Gesag-
ten fällt eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme ausser Betracht
(Art. 83 Abs. 1-4 AuG).
8.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig
und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die Be-
schwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen.
9.
Mit Zwischenverfügung vom 17. November 2006 wurde das Gesuch
um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65
Abs. 1 VwVG gutgeheissen. Folglich ist auf die Auferlegung von Ver-
fahrenskosten zu verzichten.
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
3.
Dieses Urteil geht an:
- den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (Einschreiben)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt, mit den Akten Ref.-Nr. N _______
(per Kurier; in Kopie)
- (die zuständige kantonale Behörde) (in Kopie)
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Fulvio Haefeli Ulrike Raemy
Versand:
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