D-5291/2006 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 13. Feb...
Karar Dilini Çevir:
D-5291/2006 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 13. Feb...
Abtei lung IV
D-5291/2006
sch/bah
{T 0/2}
U r t e i l v o m 7 . F e b r u a r 2 0 0 8
Richter Hans Schürch (Vorsitz), Richter Maurice Brodard,
Richter Bendicht Tellenbach,
Gerichtsschreiber Christoph Basler.
A._______, geboren _______,
B._______, geboren _______,
C._______, geboren _______,
D._______, geboren _______,
Serbien,
vertreten durch Martin Kreis, c/o Silvan Ulrich, Advokatur
& Notariat, _______,
Beschwerdeführerinnen,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom
13. Februar 2006 / N _______.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
D-5291/2006
Sachverhalt:
A.
Die Beschwerdeführerinnen, ethnische Ägypter mit letztem Wohnsitz
in A._______/Kosovo, verliessen ihr Heimatland zusammen mit ihrem
Ehemann beziehungsweise Vater im Jahre 1990 und hielten sich an-
schliessend in Deutschland auf. Am 20. Februar 2004 reisten sie in die
Schweiz ein, wo sie gleichentags um Asyl nachsuchten. Anlässlich der
Empfangsstellenbefragung, die am 24. Februar 2004 in B._______
stattfand, sagte A._______ aus, sie habe ihre Heimat verlassen, weil
ihr Mann dort keine Ruhe gehabt habe. Sie sei in die Schweiz
gekommen, weil sie Deutschland hätten verlassen sollen. B._______
sagte aus, sie sei ein Jahr alt gewesen, als sie den Kosovo verlassen
hätten. Sie wisse nicht, weshalb sie ihre Heimat verlassen hätten. Man
habe sie aus Deutschland in die Heimat zurückschieben wollen,
obwohl sie dort nichts mehr hätten. Als ihr Vater aus der Heimat
zurückgekehrt sei, hätten sie ihn kaum wiedererkannt, er habe sich
sehr verändert. Der Ehemann und Vater der Beschwerdeführerinnen
sagte aus, er sei im September 2003 in den Kosovo zurückgekehrt. Er
sei damals zurückgekehrt, um dort zu leben; seine Familie hätte im
Mai 2004 nachkommen sollen. Er habe dort aber keine
Existenzmöglichkeit für sich und seine Familie gesehen. Die
Beschwerdeführer gaben vier Beweismittel ab (vgl.
Beweismittelumschlag Ziffn. 1 bis 4, Akte A1/1).
Am 19. März 2004 wurden die Beschwerdeführerinnen zu ihren Asyl-
gründen angehört. A._______ machte geltend, fast alle ihre Familien-
angehörigen (Eltern und Geschwister) lebten als Asylbewerber in
Deutschland, eine Schwester lebe in der Schweiz. Sie sei wegen ihrer
Kinder in die Schweiz gekommen. Ihr Mann sei freiwillig in den Kosovo
zurückgekehrt, sei dann aber wieder nach Deutschland zurückgekom-
men. Sie hätten in ihrer Heimat kein Haus und man habe ihm gesagt,
er müsse wieder weggehen. B._______ sagte aus, sie habe in
Deutschland die Schule bis zur neunten Klasse besucht. Sie hätten in
den Kosovo zurückkehren sollen, aber als ihr Vater von dort zurückge-
kehrt sei, sei alles anders gewesen. Ihr Vater habe sich zum im Koso-
vo Vorgefallenen nicht geäussert. Der Ehemann und Vater der Be-
schwerdeführerinnen sagte, er sei im September 2003 in den Kosovo
zurückgekehrt, um dort ein Haus zu bauen. In der Heimat lebten noch
sein invalider Vater und zwei Brüder. Er habe in seiner Heimat als
Schweisser gearbeitet, bis er im Jahre 1990 nach Deutschland gegan-
Seite 2
D-5291/2006
gen sei. Er habe damals bei Serben gearbeitet und sei aus Angst nach
Deutschland gegangen. Nach seiner Rückkehr im Jahre 2003 habe er
aufgrund seiner Ethnie grosse Schwierigkeiten gehabt. Junge Leute
hätten ihn beschimpft, ihm ihre Waffen gezeigt und ihm gesagt, er
könne nicht dort bleiben. Er habe sich nicht frei bewegen können.
Ein vom Bundesamt beauftragter Experte erstellte aufgrund von mit
A._______ und ihrem Ehemann geführten Telefongesprächen Berichte
über deren Herkunft (LINGUA-Analyse). In den Berichten vom 24. Juni
2004 schloss der Experte, die beiden Probanden seien eindeutig im
Milieu der albanischsprachigen ethnischen Minderheiten des Kosovo
sozialisiert worden.
Das Bundesamt ersuchte am 10. Oktober 2005 die Schweizerische
Vertretung in Pristina um die Vornahme von Abklärungen im Kosovo.
Das Schweizerische Verbindungsbüro übermittelte am 30. November
2005 das Ergebnis seiner Abklärungen. Das Bundesamt setzte die
Beschwerdeführerinnen am 9. Dezember 2005 über die
vorgenommenen Abklärungen in Kenntnis und gewährte ihnen die
Möglichkeit zur Einreichung einer Stellungnahme. Innerhalb der
angesetzten Frist und bis zum Erlass der vorinstanzlichen Verfügung
wurde keine Stellungnahme eingereicht.
B.
Mit Verfügung vom 13. Februar 2006 lehnte das Bundesamt die Asyl-
gesuche ab, und verfügte die Wegweisung aus der Schweiz sowie den
Vollzug.
C.
Mit Eingabe an die damals zuständige Schweizerische Asylrekurskom-
mission (ARK) vom 16. März 2006 liessen die Beschwerdeführerinnen
beantragen, es sei ihnen Asyl zu gewähren. Eventuell sei auf den Voll-
zug der Wegweisung zu verzichten und ihnen die vorläufige Aufnahme
zu gewähren. Es sei ihnen eine Frist zur Einreichung einer Beschwer-
deverbesserung anzusetzen.
D.
Mit Zwischenverfügung vom 23. März 2006 gewährte der Instruktions-
richter der ARK den Beschwerdeführerinnen eine Frist zur Einreichung
einer Beschwerdeverbesserung und forderte sie zur Leistung eines
Kostenvorschusses auf.
Seite 3
D-5291/2006
E.
Die Beschwerdeführerinnen liessen am 31. März 2006 eine Beschwer-
deverbesserung nachreichen und beantragten zusätzlich die Gewäh-
rung der unentgeltlichen Prozessführung. Der Eingabe lag eine Bestä-
tigung der Fürsorgeabhängigkeit der Beschwerdeführerinnen vom 22.
März 2006 bei.
F.
Der Instruktionsrichter der ARK hiess das Gesuch um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1 des Bundesgeset-
zes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG,
SR 172.021) mit Zwischenverfügung vom 4. April 2006 gut, und ver-
zichtete auf den erhobenen Kostenvorschuss. Das Gesuch um Gewäh-
rung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 2 VwVG
wurde abgewiesen.
G.
Das Bundesamt beantragte in seiner Vernehmlassung vom 26. April
2006 die Abweisung der Beschwerde.
H.
Der Ehemann und Vater der Beschwerdeführerinnen zog seine Be-
schwerde am 18. Mai 2006 zurück.
Mit Beschluss der ARK vom 19. Mai 2006 wurde die Beschwerde hin-
sichtlich seiner Person als durch Rückzug gegenstandslos geworden
abgeschrieben.
Gemäss einer Mitteilung der zuständigen kantonalen Behörde vom
1. Juni 2006 kehrte er am 30. Mai 2006 in den Kosovo zurück. Gemäss
einer Mitteilung der IOM-Bern ("International Organization for Migrati-
on") sei er gut in Pristina angekommen und am Flughafen von der
IOM-Pristina empfangen worden.
I.
Am 7. Juni 2006 liessen die Beschwerdeführerinnen der ARK mitteilen,
ihr Ehemann und Vater habe gedroht, sie alle umzubringen. Am 8. Juni
2006 übermittelten sie ein A._______ betreffendes Arztzeugnis vom
selben Tag. Gemäss dem behandelnden Arzt sei A._______ von ihrem
Ehemann geschlagen worden und habe von diesem telefonisch Mord-
drohungen erhalten. Sie stehe in einer schweren psychischen Krise
Seite 4
D-5291/2006
bei reaktiver Depression und Schlafentzug und müsse medikamentös
behandelt werden.
J.
Der Instruktionsrichter der ARK gewährte den Beschwerdeführerinnen
am 14. Juni 2006 die Gelegenheit, weitere Ausführungen zu den erhal-
tenen Drohungen zu machen beziehungsweise Berichte von Drittper-
sonen einzureichen, die allfällig entsprechende Beobachtungen ge-
macht hatten.
K.
Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerinnen teilte der ARK am
31. Juli 2006 mit, er habe von keiner Seite einen schriftlichen Bericht
über die Situation der Beschwerdeführerinnen erhalten.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsge-
richt Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das Bun-
desamt für Migration (BFM) gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG
und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine
das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt
nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die
Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet in diesem
Bereich endgültig (Art. 105 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998
[AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes
vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Das Bundesverwaltungsgericht hat am 1. Januar 2007 die Beurtei-
lung der bei der ARK hängigen Rechtsmittel übernommen. Das neue
Verfahrensrecht ist anwendbar (vgl. Art. 53 Abs. 2 VGG).
1.3 Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingereicht. Die Be-
schwerdeführerinnen sind durch die angefochtene Verfügung berührt
und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung bezie-
hungsweise Änderung. Sie sind daher zur Einreichung der Beschwer-
de legitimiert (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 und 50 ff. VwVG). Auf
Seite 5
D-5291/2006
die Beschwerde ist einzutreten, zumal die Beschwerdeverbesserung
fristgerecht eingereicht wurde.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3.
3.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen
grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person aner-
kannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt
wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu ei-
ner bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen An-
schauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete
Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte
Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder
Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen
Druck bewirken; den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung
zu tragen (Art. 3 AsylG).
3.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachwei-
sen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht,
wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrschein-
lichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen,
die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich wider-
sprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich
auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7
AsylG).
4.
4.1 Das Bundesamt begründete seine ablehnenden Entscheid damit,
dass vom Schutzwillen und der weitgehenden Schutzfähigkeit der Si-
cherheitskräfte im Kosovo auszugehen sei, weshalb die vom Ehemann
und Vater der Beschwerdeführerinnen geltend gemachten Vorbringen
asylrechtlich nicht relevant seien. Dem Bericht des Schweizerischen
Verbindungsbüros sei zu entnehmen, dass im Dorf, in dem ihre Ange-
hörigen lebten, etwa 30 Familien der Ethnie der Ägypter lebten, wel-
che während des Krieges die Albaner beherbergt und unterstützt hät-
ten. Deshalb habe es in A._______ zwischen den beiden Ethnien
Seite 6
D-5291/2006
keine Konflikte gegeben. Die Sicherheit sei gegeben und die
Minderheiten seien gut integriert. Die Beschwerdeführerinnen erfüllten
die Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft nicht.
4.2 In der Beschwerde wird geltend gemacht, es werde nicht bestrit-
ten, dass sich die Lage im Kosovo seit Mitte Juni 1999 verbessert
habe. Die Lage sei indessen immer noch unbefriedigend. Insbesonde-
re für Angehörige ethnischer Minderheiten sei sie kritisch. Entgegen
der Auffassung des Bundesamtes würden längst nicht alle Straftaten
im geschilderten Ausmass verfolgt und geahndet. Einem Bericht des
UNHCR vom März 2004 sei zu entnehmen, dass die damaligen Ge-
waltausbrüche einen Rückschritt bedeuteten. Die Sicherheitskräfte sei-
en nicht in der Lage gewesen, die Vertreibung von Minderheitengrup-
pen zu verhindern.
5.
5.1 Wie die vormalige ARK in Entscheidungen und Mitteilungen der
Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2006 Nr. 11 E. 6.2.3.
S. 120 ff. ausführlich dargelegt hat, hat sich die Situation im Kosovo für
Angehörige albanisch-sprachiger Minderheiten seit den Ausschreitun-
gen im Jahr 2004 entspannt. Es kann im heutigen Zeitpunkt davon
ausgegangen werden, dass die Polizeikräfte im Kosovo Übergriffen
durch Dritte nachgehen und verdächtige Personen der Justiz zuführen,
wenn in dieser Hinsicht auch einzuräumen ist, dass die Situation noch
verbesserungswürdig ist.
Sowohl A._______ als auch ihr Ehemann machten anlässlich der Be-
fragungen geltend, sie hätten den Kosovo im Jahre 1990 aufgrund der
unsicheren Lage verlassen. A._______ verneinte die ihr bei der kanto-
nalen Befragung gestellte Frage, ob sie im Kosovo irgendwie verfolgt
worden sei. Auch ihr Ehemann machte keine konkret erlittenen ernst-
haften Nachteile geltend. Die Beschwerdeführerinnen hielten sich nach
1990 beziehungsweise seit ihrer Geburt nicht mehr beziehungsweise
nie im Kosovo auf. Angesichts des Umstandes, wonach die Lage im
ehemaligen Wohnort von A._______ ruhig ist und es dort zu keinen
ethnischen Auseinandersetzungen kam, weil die Angehörigen der eth-
nischen Minderheiten während des Krieges auf Seiten der ethnischen
Albaner standen, muss nicht befürchtet werden, die Beschwerdeführe-
rinnen würden nach einer Rückkehr in den Kosovo aufgrund ihrer eth-
nischen Zugehörigkeit seitens der ethnischen Albaner ernsthaften
Nachteilen ausgesetzt.
Seite 7
D-5291/2006
Nachdem der Ehemann beziehungsweise Vater der
Beschwerdeführerinnen Ende Mai 2006 in den Kosovo zurückkehrte,
teilte deren Rechtsvertreter der ARK mit, dieser habe seine Frau und
die Töchter mit dem Tod bedroht, falls sie in den Kosovo
zurückkehrten. Die Beschwerdeführerinnen konnten die ihnen
gegenüber ausgestossenen Drohungen zwar nicht mittels Berichten
von Betreuungspersonen oder Zeugen belegen, was die
entsprechenden Angaben jedoch nicht als unglaubhaft erscheinen
lässt, zumal die Drohungen einerseits telefonisch, andererseits wohl
nicht in Gegenwart von Drittpersonen ausgestossen worden wären.
Immerhin stellte der A._______ behandelnde Arzt deutliche
psychische Reaktionen auf die geltend gemachten Drohungen fest und
ging davon aus, die Beschwerdeführerinnen müssten geschützt
werden. Ungeachtet der Fragen der tatsächlichen Bedrohungslage und
der Schutzfähigkeit der lokalen Behörden bei von Familienangehörigen
ausgestossenen Drohungen ist festzuhalten, dass vorliegend eine
asylrechtlich relevante Motivation der geäusserten Drohungen fehlen
würde. Flüchtlingsrechtlich relevant könnten Drohungen dann sein,
wenn sie wegen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit
zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen
Anschauungen der Bedrohten ausgestossen werden. Vorliegend
wären die Drohungen indessen im Rahmen von Familienstreitigkeiten
ausgesprochen worden und deshalb nicht in asylrechtlich relevanten
Motiven begründet gewesen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die von den
Beschwerdeführerinnen geäusserten Befürchtungen vor Übergriffen
von Angehörigen der ethnischen Mehrheit nach einer Rückkehr in den
Kosovo objektiv nicht begründet erscheinen. Ungeachtet der Frage, ob
die Beschwerdeführerinnen von ihrem Ehemann beziehungsweise
Vater ausgehende Übergriffe zu befürchten haben, wären diese als
asylrechtlich irrelevant zu bezeichnen, da sie nicht aus einem der in
Art. 3 AsylG abschliessend genannten Gründe erfolgen würden.
5.2 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen erübrigt es sich, auf die
weiteren Ausführungen in der Beschwerde und den weiteren Eingaben
im Einzelnen einzugehen, weil sie am Ergebnis nichts ändern können.
Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände folgt, dass die Be-
schwerdeführerinnen keine Gründe nach Art. 3 AsylG nachweisen
oder glaubhaft machen konnten. Das BFM hat die Asylgesuche zu
Recht abgelehnt.
Seite 8
D-5291/2006
6.
6.1 Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht
ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und
ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Ein-
heit der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
6.2 Die Beschwerdeführerinnen verfügen weder über eine ausländer-
rechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Ertei-
lung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht ange-
ordnet (Art. 44 Abs. 1 AsylG; EMARK 2001 Nr. 21).
7.
7.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar
oder nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsver-
hältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Auf-
nahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bun-
desgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und
Ausländer [AuG, SR 142.20]).
7.2 Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtun-
gen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Auslän-
ders in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenste-
hen (Art. 83 Abs. 3 AuG).
So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land ge-
zwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus ei-
nem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Ge-
fahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art.
5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom
28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR
0.142.30]).
Gemäss Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), Art. 3 des Über-
einkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grau-
same, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
(FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 der Konvention vom 4. No-
vember 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(EMRK, SR 0.101) darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder
erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Seite 9
D-5291/2006
7.3 Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen
und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunfts-
staat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner
Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine
konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs.
7 AuG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren (vgl. Botschaft zum
Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März
2002, BBl 2002 3818).
8.
8.1 Die asylrechtlichen Vollzugshindernisse (Unzulässigkeit, Unzumut-
barkeit, Unmöglichkeit) sind alternativer Natur. Sobald eines von ihnen
gegeben ist, ist der Vollzug der Wegweisung als undurchführbar zu be-
trachten und die weitere Anwesenheit in der Schweiz nach den Be-
stimmungen über die vorläufige Aufnahme zu regeln (vgl. EMARK
2006 Nr. 6 E. 4.2). Da sich der Vollzug der Wegweisung im vorliegen-
den Fall - wie nachstehend aufgezeigt - als unzumutbar erweist, erüb-
rigt sich demnach eine weiter gehende Prüfung der Zulässigkeit und
Möglichkeit.
8.2 Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend
darauf hin, dass der Grundsatz der Nichtrückschiebung nur Personen
schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen (vgl. MARIO GATTIKER,
Das Asyl- und Wegweisungsverfahren, 3. Aufl., Bern 1999, S. 89). Da
es den Beschwerdeführerinnen nicht gelungen ist, eine asylrechtlich
erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann
das in Art. 5 AsylG verankerte Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-
Refoulements im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden.
Eine Rückkehr der Beschwerdeführerinnen in den Heimatstaat ist
demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.
8.3 Angesichts der jüngeren Entwicklungen im Kosovo, namentlich der
Verbesserung der allgemeinen Lage für Angehörige der ethnischen
Minderheiten, ist zum heutigen Zeitpunkt der Vollzug der Wegweisung
von albanischsprachigen Roma, Ashkali und Ägyptern in den Kosovo
grundsätzlich zumutbar, sofern aufgrund einer Einzelfallabklärung (ins-
besondere durch Abklärungen vor Ort) feststeht, dass bestimmte Rein-
tegrationskriterien - namentlich die berufliche Ausbildung, der Gesund-
heitszustand, das Alter, die Frage nach einer ausreichenden wirt-
schaftlichen Lebensgrundlage und das Bestehen eines Beziehungs-
netzes im Kosovo - erfüllt sind (vgl. dazu EMARK 2006 Nr. 10 E. 5.4 S.
Seite 10
D-5291/2006
107 f.). Das BFM hat durch das Schweizerische Verbindungsbüro in
Pristina Abklärungen in der Heimat der Beschwerdeführerinnen
veranlasst. Im diesbezüglichen Bericht wird ausgeführt, der Familie
des Ehemannes beziehungsweise Vaters der Beschwerdeführerinnen
gehe es wirtschaftlich eher gut. Dieser besitze zwar ein Grundstück,
aber kein Haus. Man habe aber keine "Spur" von den Angehörigen von
A._______ gefunden.
8.4 Die Beschwerdeführerinnen gehören einer der unter 8.3 genann-
ten ethnischen Minderheiten an (vgl. Akte A22/7, LINGUA-Analyse
vom 24. Juni 2004, S. 1 und 4). A._______ lebte die letzten sieben
Jahre vor ihrer Ausreise aus der Heimat in der Ortschaft A._______.
Ihre älteste Tochter war damals einjährig, die beiden jüngeren Töchter
wurden in Deutschland geboren. Gemäss den Abklärungen des
Schweizerischen Verbindungsbüros in Pristina vom Oktober 2005
(Akte A30/2) konnte nicht festgestellt werden, dass A._______ im Ko-
sovo über ein eigenes Beziehungsnetz verfügt. Gemäss ihren Anga-
ben, die sie bereits bei der Empfangsstellenbefragung vom 24. Febru-
ar 2004 - und somit vor der Trennung von ihrem Ehemann - machte,
hat sie im Heimatland keine nahen Angehörigen. Ihre Eltern und sie-
ben Geschwister leben in Deutschland und eine Schwester lebt in der
Schweiz. Im Rahmen der Abklärungen vor Ort hat sich ergeben, dass
lediglich der Ehemann beziehungsweise Vater der Beschwerdeführe-
rinnen über ein familiäres Beziehungsnetz und Grundbesitz, nicht je-
doch über ein eigenes Haus, verfügt. Die Häuser dessen Verwandter
dürften für sie im heutigen Zeitpunkt kaum als Unterkunft in Frage
kommen, da sich die Familie offenbar zerstritten hat. Hinzu kommt,
dass es sich bei A._______ um eine Analphabetin ohne Schul- und
Berufsausbildung handelt, welche bei den heutigen Verhältnissen im
Kosovo kaum Aussichten hätte, sich beruflich zu integrieren. Ob Dank
Unterstützung der in Deutschland lebenden Verwandten ein existenzsi-
cherndes Dasein aufgebaut werden könnte, muss bezweifelt werden,
da diese gemäss Angaben von A._______ als Asylbewerber in
Deutschland leben. Den Töchtern von A._______ dürfte angesichts
der langen Aufenthaltsdauer in Deutschland und der Schweiz eine
Integration im Heimatland (innerhalb oder ausserhalb des Kosovo),
das sie kaum kennen, sehr schwer fallen. Sie alle sind in Deutschland
und anschliessend in der Schweiz aufgewachsen und habe somit die
prägendsten Jahre der Kindheit und Adoleszenz ausserhalb des
Heimatlandes verbracht. Seit Februar 2004, mithin seit über vier
Jahren, befindet sich die Familie in der Schweiz, wo sie - soweit den
Seite 11
D-5291/2006
Akten zu entnehmen ist - nie zu Klagen Anlass gaben. Die
Verwurzelung der Beschwerdeführerinnen in der Schweiz ist zwar bei
der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Rückkehr ins Heimatland
lediglich von untergeordneter Bedeutung, sie kann aber eine reziproke
Wirkung auf die Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs
haben, indem eine starke Assimilierung in der Schweiz - und davon ist
bei einem längeren Aufenthalt von Kindern auszugehen - mithin eine
Entwurzelung im Heimatstaat zur Folge haben kann, welche unter
Umständen die Rückkehr dorthin - beziehungsweise für die beiden
jüngeren Töchter die Erstimmigration - als unzumutbar erscheinen
lässt (vgl. EMARK 1998 Nr. 31 E. 8c.ff.ccc S. 260 f.); diese
Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.
8.5 Zusammenfassend erscheint der Vollzug der Wegweisung der Be-
schwerdeführerinnen sowohl bezogen auf die Lage im Kosovo, welche
ihnen keine Perspektiven für ein existenzsicherndes Dasein eröffnet,
als auch in Bezug auf die Situation in der Schweiz, insbesondere in
Berücksichtigung des Kindeswohls (vgl. dazu EMARK 2005 Nr. 6 E.
6.2. S. 57 f.), zum heutigen Zeitpunkt als nicht zumutbar.
8.6 Nachdem die Zumutbarkeit des Vollzuges der Wegweisung in den
Kosovo zu verneinen ist, ist im Weiteren zu prüfen, ob den Beschwer-
deführerinnen in Serbien eine inländische Aufenthaltsalternative au-
sserhalb des Kosovo offen stünde. Vor dem Hintergrund der allgemei-
nen Lage der aus dem Kosovo geflüchteten albanischsprachigen
Roma, Ashkali und Ägypter wird in ständiger Praxis, an welcher auch
im heutigen Zeitpunkt festzuhalten ist, davon ausgegangen, dass eine
derartige Alternative in der Regel nicht zumutbar erscheint (vgl.
EMARK 2001 Nr. 1 E. 6c S. 4, 2001 Nr. 13 E. 5d S. 105 f.). Im Falle der
Beschwerdeführerinnen ergeben sich aus den Akten keine Gründe,
welche ein Abweichen von dieser generellen Betrachtungsweise nahe
legen würden, zumal sie in ihrem Heimatland auch ausserhalb des Ko-
sovo über kein Beziehungsnetz verfügen und nie dort gelebt haben.
8.7 Aus dem vorstehend Gesagten ergibt sich, dass der Vollzug der
Wegweisung der Beschwerdeführerinnen nicht zumutbar ist. Die Be-
schwerdeführerinnen sind in der Schweiz vorläufig aufzunehmen, da
den Akten keine Hinweise dafür zu entnehmen sind, dass eine vorläu-
fige Aufnahme aufgrund von Art. 83 Abs. 7 AuG nicht angeordnet wer-
den könnte.
Seite 12
D-5291/2006
9. Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen, soweit sie den Vollzug
der Wegweisung betrifft; im Übrigen ist sie abzuweisen. Die Verfügung
des BFM vom 13. Februar 2006 ist demnach hinsichtlich der Ziffern 4
und 5 des Dispositivs aufzuheben und das BFM ist anzuweisen, die
Beschwerdeführerinnen in der Schweiz vorläufig aufzunehmen.
10.
10.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens - das Bundesverwaltungsge-
richt geht bei der vorliegenden Konstellation von einem hälftigen
Durchdringen aus - wären die reduzierten Verfahrenskosten den Be-
schwerdeführerinnen aufzuerlegen (vgl. Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da ih-
nen mit Zwischenverfügung der ARK vom 4. April 2006 die unentgeltli-
che Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG gewährt wurde, sind
ihnen jedoch keine Verfahrenskosten aufzuerlegen.
10.2 Gemäss Art. 64 Abs. 1 VwVG kann die Beschwerdeinstanz der
obsiegenden Partei eine Parteientschädigung für die notwendigen und
verhältnismässig hohen Kosten zusprechen. Den vertretenen Be-
schwerdeführerinnen ist angesichts ihres teilweisen Obsiegens eine
reduzierte Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 7 Abs. 2 des Reg-
lements vom 11. Dezember 2006 über die Kosten und Entschädigun-
gen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der
Rechtsvertreter hat keine Kostennote eingereicht, der Vertretungsauf-
wand kann aufgrund der Akten jedoch zuverlässig abgeschätzt wer-
den, weshalb auf die Einholung einer Kostennote zu verzichten ist (vgl.
Art. 14 Abs. 2 VGKE). Unter Berücksichtigung der massgebenden Be-
rechnungsfaktoren (Art. 9-11 und 13 VGKE) ist die um die Hälfte zu
kürzende Parteientschädigung auf Fr. 800.-- (inkl. Auslagen und
MWSt) festzusetzen. Das BFM ist anzuweisen, den Beschwerdeführe-
rinnen diesen Betrag als Parteientschädigung zu entrichten.
(Dispositiv nächste Seite)
Seite 13
D-5291/2006
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit sie den Vollzug der Weg-
weisung betrifft; im Übrigen wird sie abgewiesen.
2.
Die Ziffern 4 und 5 des Dispositivs der Verfügung des BFM vom
13. Februar 2006 werden aufgehoben und das BFM wird angewiesen,
die Beschwerdeführerinnen in der Schweiz vorläufig aufzunehmen.
3.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
4.
Das BFM wird angewiesen, den Beschwerdeführerinnen eine Partei-
entschädigung von Fr. 800.-- (inkl. Auslagen und MWST) auszurichten.
5.
Dieses Urteil geht an:
- den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerinnen (eingeschrieben)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt und Rückkehrförderung, mit den Ak-
ten Ref.-Nr. N _______ (per Kurier; in Kopie)
- (kantonale Behörde)
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Hans Schürch Christoph Basler
Versand:
Seite 14