D-509/2010 - Abteilung IV - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung - Vollzug der Wegweisung; Verfügung des BFM vom 20. ...
Karar Dilini Çevir:
D-509/2010 - Abteilung IV - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung - Vollzug der Wegweisung; Verfügung des BFM vom 20. ...
Abtei lung IV
D-509/2010
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 . F e b r u a r 2 0 1 0
Einzelrichter Daniel Schmid;
mit Zustimmung von Richter Gérard Scherrer;
Gerichtsschreiber Alfred Weber.
A._______, geboren [...], Nigeria,
[...],
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Vollzug der Wegweisung;
Verfügung des BFM vom 20. Januar 2010 / N [...].
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
D-509/2010
Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest und erwägt,
dass der Beschwerdeführer eigenen Angaben zufolge Nigeria am
10. Juni 2008 verliess und über verschiedene Länder nach Italien ge-
langte, wo er sich rund ein Jahr aufhielt, ehe er am 12. Oktober 2009
in die Schweiz einreiste und gleichentags um Asyl ersuchte,
dass der Beschwerdeführer nach einer Kurzbefragung im Empfangs-
und Verfahrenszentrum (EVZ) [...] vom 29. Oktober 2009 für die Dauer
des Verfahrens dem Kanton [...] zugewiesen wurde,
dass das BFM den Beschwerdeführer am 15. Januar 2010 direkt zu
seinen Asylgründen anhörte,
dass der Beschwerdeführer bei den Befragungen im Wesentlichen gel-
tend machte, zusammen mit einem Kameraden im Jahre 2007 von
Leuten der "Special Anti-Robbery Squad" festgenommen worden zu
sein,
dass man ihm Raub vorgeworfen und ein Jahr in Untersuchungshaft
gehalten habe, ehe er vom Obergericht gegen Kaution freigelassen
worden sei,
dass er sich in der Folge beim Gericht ständig habe melden müssen,
dass im Juni oder Juli 2008 sein Freund F., ein Buschauffeur, ihn zu
Hause besucht habe und ihm den seinem Arbeitgeber gehörenden
Bus kurzfristig ausgeliehen habe,
dass er mit dem Fahrzeug in der Nachbarschaft seines Hauses einen
tödlichen Unfall verursacht habe,
dass er nach Hause gerannt sei und kurz darauf Leute anrücken gese-
hen habe, die Racheabsichten gehegt hätten,
dass er mit F. durch die Hintertür in einen nahegelegenen Busch geflo-
hen sei und mitangesehen habe, wie die Aggressoren sein Haus nie-
dergebrannt hätten,
dass er sich in der Folge zu Pastor P. begeben habe, von dem er nach
einem Gebet einen Geldbetrag von 20'000 Naira (ungefähr CHF 190.–)
erhalten habe,
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dass er vor diesem Hintergrund ausgereist sei,
dass das BFM mit Verfügung vom 20. Januar 2010 – eröffnet am
22. Januar 2010 – in Anwendung von Art. 32 Abs. 2 Bst a des Asylge-
setzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) auf das Asylgesuch
nicht eintrat und die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug
anordnete,
dass das BFM zur Begründung des Nichteintretens auf das Asylge-
such zusammenfassend festhielt, der Beschwerdeführer habe innert
48 Stunden nach Gesuchseinreichung ohne entschuldbare Gründe
keine Reise- oder Identitätspapiere abgegeben, er erfülle die Flücht-
lingseigenschaft gemäss Art. 3 und 7 AsylG nicht und zudem seien zu-
sätzliche Abklärungen zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft oder
eines Wegweisungsvollzugshindernisses in seinem Fall aufgrund der
Aktenlage nicht erforderlich,
dass der Beschwerdeführer mit einem bekannten, in englischer Spra-
che gehaltenen Vordruck vom 28. Januar 2010 gegen diesen Ent-
scheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhob,
dass ausser der in englisch gehaltenen Rechtsbegehren in den zur
Begründung der Begehren ausgelassenen Teile des Vordrucks auf se-
parate, zusätzliche Blätter verwiesen wird,
dass er auf den in deutscher Sprache gehaltenen Zusatzblättern unter
anderem explizit ausführt, die Voraussetzungen von Art. 3 AsylG nicht
zu erfüllen, da es sich in seinem Falle um eine "persönliche Angele-
genheit" handle,
dass er jedoch die Zumutbarkeit einer Rückführung nach Nigeria be-
streite,
dass angesichts dieser Sachlage von einer Anfechtung der Verfügung
des BFM vom 20. Januar 2010 hinsichtlich des Vollzugs der Wegwei-
sung auszugehen ist,
dass die vorinstanzlichen Akten am 29. Januar 2010 beim Bundesver-
waltungsgericht eintrafen (Art. 109 Abs. 2 AsylG),
dass das Bundesverwaltungsgericht endgültig über Beschwerden ge-
gen Verfügungen (Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968
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über das Verwaltungsverfahren [VwVG, SR 172.021]) des BFM
entscheidet (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 31-33 des
Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32];
Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
[BGG, SR 173.110]),
dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung beson-
ders berührt ist, ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung be-
ziehungsweise Änderung hat und daher zur Einreichung der Be-
schwerde legitimiert ist (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 VwVG),
dass somit auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ein-
zutreten ist (Art. 108 Abs. 2 AsylG und Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 52
VwVG),
dass mit Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
und die Unangemessenheit gerügt werden können (Art. 106 Abs. 1
AsylG),
dass sich die Beschwerde gegen den Vollzug der von der Vorinstanz
verfügten Wegweisung richtet (vgl. oben),
dass die Verfügung des BFM vom 20. Januar 2010, soweit sie die Fra-
ge des Nichteintretens auf das Asylgesuch betrifft (Ziff. 1 des Disposi-
tivs der angefochtenen Verfügung), in Rechtskraft erwachsen ist und
auch die Anordnung der Wegweisung als solche (Ziff. 2 des Disposi-
tivs) grundsätzlich nicht mehr zu überprüfen ist (vgl. Entscheidungen
und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK]
2001 Nr. 21),
dass damit Gegenstand des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage
bildet, ob die Wegweisung zu vollziehen oder ob anstelle des Vollzugs
eine vorläufige Aufnahme anzuordnen ist,
dass über offensichtlich unbegründete Beschwerden in einzelrichterli-
cher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters bezie-
hungsweise einer zweiten Richterin entschieden wird (Art. 111 Bst. e
AsylG) und es sich vorliegend, wie nachfolgend aufgezeigt, um eine
solche handelt, weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu
begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG),
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dass gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG vorliegend auf einen Schrif-
tenwechsel verzichtet wurde,
dass das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzli-
chen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern re-
gelt, wenn der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar
oder nicht möglich ist (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bun-
desgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und
Ausländer [AuG, SR 142.20]),
dass der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig ist, wenn völkerrechtli-
che Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin
oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat
entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG),
dass keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land ge-
zwungen werden darf, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus
einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie
Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden
(Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom
28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK,
SR 0.142.30]),
dass der Vollzug der Wegweisung vorliegend in Beachtung dieser
massgeblichen völker- und landesrechtlichen Bestimmungen zulässig
ist, da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich
erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, wes-
halb das in Art. 5 AsylG verankerte Prinzip des flüchtlingsrechtlichen
Non-Refoulements im vorliegenden Verfahren keine Anwendung findet
und keine Anhaltspunkte für eine menschenrechtswidrige Behandlung
ersichtlich sind, die dem Beschwerdeführer im Heimat- oder Herkunfts-
staat droht,
dass sich der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer als unzumut-
bar erweist, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat auf Grund von
Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizini-
scher Notlage konkret gefährdet sind (Art. 83 Abs. 4 AuG),
dass das BFM unter Darlegung eines zeitgeschichtlichen Abrisses
ausführt, weshalb die allgemeine Lage im Heimat- bzw. Herkunftsstaat
des Beschwerdeführers auf keine konkrete Gefährdung im Falle einer
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Rückkehr schliessen lässt und den Vollzug der Wegweisung unter die-
sem Aspekt als zumutbar erachtet,
dass zur Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezüglich nicht
zu beanstandenden Erwägungen der Vorinstanz in der angefochtenen
Verfügung zu verweisen ist (im Hinblick auf Nigeria könne nicht von ei-
ner Situation allgemeiner Gewalt oder kriegerischer Ereignisse gespro-
chen werden; mangels Abgabe von Identitätspapieren könnten wesent-
liche Daten zur Person des Beschwerdeführers – so namentlich zu sei-
ner persönlichen Biographie und zu seinem Beziehungsnetz – nicht als
gesichert gelten; bei dieser Sachlage sei es nicht Aufgabe der Asylbe-
hörden, näher nach allfälligen Wegweisungshindernissen zu forschen),
dass an dieser Einschätzung die unsubstanziierten und pauschalen
Einwendungen in der Beschwerde (in Nigeria herrsche ein Zustand all-
gemeiner Gewalt; die Gefahr für sein Leben gehe von der Familie des
Unfallopfers aus; von den nigerianischen Justizbehörden könne er kei-
nerlei Schutz oder Hilfe erwarten, da diese korrupt seien; aus Unwis-
senheit und Unerfahrenheit habe er bis heute nicht gewusst, dass es
in Bern eine nigerianische Botschaft gebe) nichts zu ändern vermö-
gen,
dass selbst unter Annahme der Wahrhaftigkeit der vom Beschwerde-
führer vorgebrachten "persönlichen Angelegenheit" (Angst vor nachtei-
ligen Übergriffen Dritter) ergänzend zu vermerken ist, dass es ihm zu-
mutbar und möglich ist, durch geeignete Wahl seines Wohnsitzes (in-
nerstaatliche Aufenthaltsalternative) allfälligen Nachstellungen Dritter
zu entgehen,
dass ebenso ergänzend darauf hinzuweisen ist, dass der junge, ledige
und – soweit aktenkundig – gesunde Beschwerdeführer gemäss eige-
nen Angaben über eine 10-jährige Schulbildung verfügt und während
zwei Jahren vor der Ausreise Erfahrungen im Erwerbsleben sammelte
respektive seinen Lebensunterhalt zu verdienen wusste, was ihm ein
wirtschaftliches Fortkommen im Falle einer Rückkehr erleichtern wird
und letztlich nicht davon auszugehen ist, der Beschwerdeführer würde
in eine existenzielle Notlage geraten (A 1 S. 2),
dass er bei einem allfälligen Vollzug der Wegweisung nach Nigeria da-
rüber hinaus auf ein relativ umfangreiches Beziehungsnetz (Schwes-
ter, Grossmutter, Onkels, Tanten, Freunde) zurückgreifen kann, was
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eine Reintegration zusätzlich erleichtern dürfte (A 1 S. 3; A 17 S. 2, 4
und 5),
dass in Würdigung sämtlicher für den vorliegenden Fall relevanter Um-
stände der Vollzug der Wegweisung somit nicht unzumutbar im Sinne
von Art. 83 Abs. 4 AuG ist,
dass der Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers in den Hei-
matstaat schliesslich möglich ist, da keine Vollzugshindernisse beste-
hen (Art. 83 Abs. 2 AuG), und es dem Beschwerdeführer obliegt, bei
der Beschaffung gültiger Reisepapiere mitzuwirken (Art. 8 Abs. 4
AsylG),
dass nach dem Gesagten der vom Bundesamt verfügte Vollzug der
Wegweisung zu bestätigen ist,
dass es dem Beschwerdeführer demnach nicht gelungen ist darzutun,
inwiefern die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt, den
rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig oder unvollständig feststellt
oder unangemessen ist (Art. 106 AsylG), weshalb die Beschwerde ab-
zuweisen ist,
dass mit dem vorliegenden letztinstanzlichen Endentscheid das Ge-
such um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses gegen-
standslos geworden ist,
dass aus den dargelegten Gründen den Beschwerdebegehren keine
ernsthaften Erfolgsaussichten beschieden waren, weshalb das Gesuch
um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unabhängig von der
Frage der prozessualen Bedürftigkeit des Beschwerdeführers abzuwei-
sen ist,
dass bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten von Fr. 600.–
(Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und
Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE,
SR 173.320.2]) demnach dem Beschwerdeführer aufzuerlegen sind
(Art. 63 Abs. 1 VwVG).
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird ab-
gewiesen.
3.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.-- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zu
Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
4.
Dieses Urteil geht an:
- den Beschwerdeführer (Einschreiben; Beilage: Einzahlungsschein)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt, mit den Akten Ref.-Nr. N [...] (per
Kurier; in Kopie)
- [zuständige kantonale Behörde] ad [...] (in Kopie)
Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:
Daniel Schmid Alfred Weber
Versand:
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