D-4676/2006 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 24. Mai...
Karar Dilini Çevir:
D-4676/2006 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 24. Mai...
Abtei lung IV
D-4676/2006/cvv
{T 0/2}
U r t e i l v o m 2 7 . A u g u s t 2 0 0 8
Richter Martin Zoller (Vorsitz),
Richterin Regula Schenker Senn,
Richter Hans Schürch;
Gerichtsschreiber Daniel Widmer.
A._______, Türkei,
(Adresse),
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Asyl und Wegweisung;
Verfügung des BFM vom 24. Mai 2005 / N_______.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
D-4676/2006
Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer verliess eigenen Angaben zufolge seinen Hei-
matstaat am 15. April 2005 auf dem Landweg an Bord eines TIR-
Fahrzeugs. An einem ihm unbekannten Ort setzte er die Reise in
einem Minibus fort, mit welchem er am 19. April 2005 unter Umgehung
der Grenzkontrolle in die Schweiz gelangte. Am 2. Mai 2005 suchte er
in (Ort) um Asyl nach. Am 10. Mai 2005 fand im dortigen Empfangs-
zentrum eine erste Befragung statt. Am 18. Mai 2005 wurde er - eben-
falls in (Ort) - durch das Bundesamt direkt angehört.
Der Beschwerdeführer machte im Wesentlichen geltend, er sei türki-
scher Staatsangehöriger kurdischer Ethnie, stamme aus (Ort) in der
Provinz (Name) und habe seit dem Jahr 1993 in (Ort) gewohnt und
dort in der Textilbranche gearbeitet. In jenem Jahr habe er ein
Aufgebot zum Militärdienst erhalten, diesem jedoch nie Folge geleistet,
da er nicht in den Krieg habe ziehen wollen. Im Zeitraum von 1996 bis
2000 habe er sich unter den falschen Personalien B._______, und in
der Folge bis zum Jahr 2005 unter der ebenfalls falschen Identität
C._______ versteckt gehalten. Seit Januar 2004 habe gegen ihn ein
Abwesenheitshaftbefehl bestanden, was sein Onkel väterlicherseits
erfahren und seinem Bruder mitgeteilt habe. In der Folge habe es in
seinem Dorf Razzien der Polizei gegeben, letztmals im Februar 2005.
Vor diesem Hintergrund habe er die Türkei verlassen. Nach seiner
Ankunft in der Schweiz habe er sich bei seinem Cousin in (Ort)
aufgehalten, bis er von der Kantonspolizei aufgegriffen wurde und in
der Folge um Asyl nachsuchte. Für die weiteren Aussagen des
Beschwerdeführers wird, soweit für den Entscheid wesentlich, auf die
Protokolle bei den Akten verwiesen.
B.
Mit am selben Tag eröffneter Verfügung vom 24. Mai 2005 stellte das
Bundesamt fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigen-
schaft nicht, und lehnte das Asylgesuch ab. Gleichzeitig verfügte es
die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz und ordnete
den Vollzug an.
Zur Begründung führte die Vorinstanz im Wesentlichen aus, die
geltend gemachten Verfolgungsvorbringen genügten weder den Anfor-
derungen an die Glaubhaftigkeit noch denjenigen an die Flüchtlings-
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eigenschaft. So sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen,
den gegen ihn erlassenen Abwesenheitshaftbefehl zu substanziieren
und habe auf Nachfrage hin erklärt, seine Asylgründe stützten sich
allein auf Vermutungen und er kenne die Ereignisse nur vom Hörensa-
gen. Mithin fehlten insgesamt konkrete und nachvollziehbare Hinweise
auf eine Verfolgung wegen Unterstützung der Guerilla beziehungs-
weise der Partiya Kerkeren Kurdistan (PKK). Sodann erstaune seine
Aussage, wonach er es nicht für nötig erachte, in Erfahrung zu brin-
gen, was seitens der Behörden gegen ihn vorliege. Bekanntermassen
gingen die türkischen Behörden äusserst konsequent gegen politische
Vergehen verdächtige Personen vor. Vor diesem Hintergrund sei die
angedeutete Interesselosigkeit des Beschwerdeführers als realitäts-
fremd zu qualifizieren. Für diese habe er keine Begründung gegeben.
Auch seine angebliche Unterstützung der PKK beziehungsweise Gue-
rilla sei nicht plausibel, da er sich, mehrfach auf seinen interessan-
testen Einsatz angesprochen, auf lediglich allgemeine Aussagen be-
schränkt habe. Dies lasse darauf schliessen, dass er die geltend ge-
machten Verfolgungsvorbringen nicht selbst erlebt habe. In der von
ihm dargestellten Form könnten die Asylgründe von jeder beliebigen
Person nacherzählt werden. Die bei tatsächlich verfolgten Personen
bestehende subjektive Prägung der Wahrnehmung fehle bei ihm.
Schliesslich erfolge eine allfällige Bestrafung wegen Militärdienstver-
weigerung auch in der Türkei ausschliesslich aus militärrechtlichen
und staatlich legitimen Motiven, weshalb dieses Vorbringen asylrecht-
lich nicht relevant sei. Der Vollzug der Wegweisung sei zulässig, zu-
mutbar und möglich.
C.
Mit Eingabe vom 23. Juni 2005 (Datum des Poststempels) an die
damals zuständige Schweizerische Asylrekurskommission (ARK) be-
antragte der Beschwerdeführer unter Kosten- und Entschädigungs-
folge, es sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und ihm in der
Schweiz Asyl zu gewähren; eventualiter sei die Unzumutbarkeit des
Vollzugs der Wegweisung festzustellen und die Vorinstanz anzuwei-
sen, den weiteren Aufenthalt nach den Bestimmungen über die vor-
läufige Aufnahme zu regeln. In prozessualer Hinsicht wurde die Ge-
währung der unentgeltlichen Rechtspflege beantragt. Gleichzeitig wur-
den eine Zwischenverfügung des Staatssicherheitsgerichts (DGM)
(Name), ein Abwesenheitshaftbefehl und eine Anklageschrift im Origi-
nal samt Übersetzungen und einem in (Ort) abgesandten
Zustellcouvert sowie eine Fürsorgebestätigung zu den Akten gereicht.
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Darauf sowie auf die Begründung wird, soweit für den Entscheid
wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.
D.
In seiner Vernehmlassung vom 14. Juli 2005 beantragte das Bun-
desamt die Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung führte es
aus, die Beschwerdeschrift enthalte keine neuen erheblichen Tatsa-
chen oder Beweismittel, welche eine Änderung des Standpunkts recht-
fertigten. Die eingereichten Dokumente seien einer internen Dokumen-
tenanalyse unterzogen worden und hätten sich alle als Totalfälschun-
gen erwiesen. Vor diesem Hintergrund werde auf eine weitere Beurtei-
lung der Beschwerdegründe verzichtet.
E.
Mit Instruktionsverfügung vom 20. Juli 2005 wurden dem Beschwerde-
führer die wesentlichen, vom BFM festgestellten und in der Vernehm-
lassung vom 14. Juli 2005 nicht erwähnten Fälschungsmerkmale be-
kanntgegeben. So dürfte der Beschwerdeführer aufgrund der türki-
schen Verfahrensordnung gar nicht im Besitz des im „Original“ einge-
reichten Abwesenheitshaftbefehls sein. Hinweise auf eine Totalfäl-
schung bestünden auch in Bezug auf die angegebenen Geschäfts-
nummern aller drei Dokumente. Darüber hinaus weise der Stempel der
Anklageschrift insoweit Fälschungsmerkmale auf, als die sachliche Zu-
ständigkeit der dort aufgeführten Behörde tatsächlich nicht gegeben
sei. Ebenso würden sich bei sämtlichen eingereichten Dokumenten
Fälschungsmerkmale in Bezug auf die diese ausstellenden Amtsper-
sonen ergeben. Dazu wurde dem Beschwerdeführer Frist zur Stellung-
nahme gesetzt.
F.
Am 28. Juli 2005 nahm der Beschwerdeführer in seiner Replik zum In-
halt der Vernehmlassung Stellung. Dabei hielt er an der Echtheit der
Dokumente fest. Diese seien ihm von seinem in (Ort) wohnhaften
Bruder gesandt worden, welcher mit einem ihm unbekannten Anwalt in
Elbistan Kontakt aufgenommen habe, der die Dokumente seinerseits
von den dortigen Behörden erhalten habe. Zu den Fälschungsmerk-
malen könne er sich nicht äussern. Er werde versuchen, über seinen
Bruder in Kontakt mit diesem Anwalt zu treten und von ihm eine
schriftliche Erklärung zu erhalten.
G.
Mit Eingabe vom 18. August 2005 ergänzte der Beschwerdeführer
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seine Stellungnahme vom 28. Juli 2005 und reichte ein Schreiben
eines Anwalts aus (Ort) im Original sowie ein dort abgesandtes
Zustellcouvert zu den Akten. Dazu führte er aus, er habe das An-
waltsschreiben über seinen Bruder erhalten. Darin bestätige der
Anwalt, dass er die eingereichten Dokumente seinem Bruder ausge-
händigt habe. Falls das BFM - worum er ersuche - Kontakt mit dem
Anwalt aufnehme, sei dieser bereit abzuklären, weshalb die Ge-
schäftsnummern nicht übereinstimmten.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni
2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG,
SR 172.021). Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und
ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das
Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt
nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die
Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet in diesem
Bereich endgültig (Art. 105 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998
[AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes
vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Das Bundesverwaltungsgericht hat am 1. Januar 2007 die Beurtei-
lung der bei der ARK hängigen Rechtsmittel übernommen. Das neue
Verfahrensrecht ist anwendbar (vgl. Art. 53 Abs. 2 VGG).
1.3 Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingereicht. Der Be-
schwerdeführer ist durch die angefochtene Verfügung berührt und hat
ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise
Änderung. Der Beschwerdeführer ist daher zur Einreichung der Be-
schwerde legitimiert (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 50
und 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
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3.
3.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen
grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person aner-
kannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt
wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu ei-
ner bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen An-
schauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete
Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte
Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder
Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen
Druck bewirken; den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung
zu tragen (Art. 3 AsylG).
3.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachwei-
sen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht,
wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrschein-
lichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen,
die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich wider-
sprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich
auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7
AsylG).
4.
4.1 In der Beschwerde wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe
die drei gleichzeitig eingereichten Dokumente nicht früher einreichen
können, da er sie zuerst habe beschaffen müssen. Sein Bruder habe
sie bei einem Anwalt organisiert und ihm in der Folge zugestellt.
Daraus sei ersichtlich, dass er wegen der Unterstützung der PKK
gesucht und angeklagt werde und mithin in der Türkei gefährdet sei.
4.2 Eine Überprüfung der Akten ergibt, dass sich die Erwägungen in
der angefochtenen Verfügung als zutreffend erweisen, soweit sie die
auf der Unterstützung der PKK beruhenden Verfolgungsvorbringen
betreffen (vgl. Sachverhalt, Bst. B).
4.2.1 Zudem dürften die vom Beschwerdeführer auf Rekursebene
eingereichten Dokumente (Abwesenheitshaftbefehl, Anklageschrift,
Zwischenverfügung des DGM (Name)) von der Vorinstanz gestützt auf
die von ihr vorgenommene Dokumentenanalyse zu Recht als Totalfäl-
schungen qualifiziert worden sein. Daran vermögen die Ausführungen
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in den beiden Eingaben des Beschwerdeführers vom 28. Juli 2005 und
18. August 2005 nichts zu ändern (Sachverhalt, Bst. F und G). Zum
einen ist er nicht in der Lage, sich zu den Fälschungsmerkmalen zu
äussern. Zum andern ersucht er die Asylbehörden zwar, mit dem An-
walt in der Türkei wegen der Geschäftsnummern der Dokumente direkt
Kontakt aufzunehmen. Darauf kann jedoch verzichtet werden, zumal
es sich dabei lediglich um eines von mehreren Fälschungsmerkmalen
handelt. Der diesbezüglich sinngemäss gestellte Beweisantrag wird
deshalb abgewiesen.
4.2.2 Gemäss Art. 10 Abs. 4 AsylG können verfälschte und gefäl-
schte Dokumente sowie echte Dokumente, die missbräuchlich ver-
wendet wurden, vom Bundesamt oder von der Beschwerdeinstanz
eingezogen werden. Die als gefälscht erkannten Dokumente (Abwe-
senheitshaftbefehl vom [Datum], Anklageschrift vom [Datum],
Zwischenverfügung des DGM (Name) vom 1[Datum]) sind daher
einzuziehen.
4.2.3 Nach dem Gesagten wurden die vom Beschwerdeführer im Zu-
sammenhang mit seiner angeblichen Unterstützung der PKK geltend
gemachten Verfolgungsvorbringen von der Vorinstanz zu Recht als den
Anforderungen an die Glaubhaftigkeit nicht genügend qualifiziert.
4.3 Auch die vom Beschwerdeführer aus dem nicht geleisteten Militär-
dienst abgeleiteten Verfolgungsvorbringen betreffenden vorinstanz-
lichen Erwägungen erweisen sich nach einer Überprüfung der Akten
als zutreffend (vgl. Sachverhalt, Bst. B).
4.3.1 So ist eine allfällige Bestrafung des Beschwerdeführers aus
militärrechtlichen Gründen gestützt auf die bisherige Praxis der ARK,
welche vom Bundesverwaltungsgericht weitergeführt wird, nur unter
bestimmten Voraussetzungen relevant (vgl. Entscheidungen und Mit-
teilungen der ARK [EMARK] 2004 Nr. 2). Dies ist dann der Fall, wenn
der Beschwerdeführer damit zu rechnen hätte, dass er aus flüchtlings-
rechtlich relevanten Motiven mit einer unverhältnismässig strengen Be-
strafung zu rechnen hätte, sei es, weil er aufgrund der im AsylG er-
wähnten Kriterien eine höhere Strafe zu verbüssen hätte oder weil mit
der drohenden Strafe nicht nur die Sicherstellung der Wehrpflicht
garantiert, sondern zusätzlich die vermutete oppositionelle und staats-
feindliche Gesinnung sanktioniert werden sollte. Eine flüchtlingsrecht-
lich relevante Verfolgung wäre auch dann zu bejahen, wenn mit der
Absolvierung des Militärdienstes beabsichtigt würde, gewisse Perso-
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nen oder Personengruppen aus flüchtlingsrechtlich erheblichen Moti-
ven zu disziplinieren, einzuschüchtern, zu assimilieren oder einer
menschenrechtswidrigen Behandlung auszusetzen. Als politische Ver-
folgung schliesslich müsste die Bestrafung einer militärdienstflüchtigen
Person erachtet werden, wenn die Armee, der sie sich entzieht, völker-
rechtswidrige Ziele anstrebte oder entsprechende Mittel einsetzte (vgl.
EMARK 2004 Nr. 2 E. 6.b.aa S. 17).
4.3.2 Gestützt auf die Aktenlage ist vorliegend selbst im Fall einer
Bestrafung des Beschwerdeführers aus militärrechtlichen Gründen
nicht von einer der erwähnten Ausnahmen auszugehen. So haben sich
seine auf einer angeblichen Unterstützung der PKK beruhenden
Verfolgungsvorbringen als unglaubhaft erwiesen. Zudem ist aus dem
Strafrahmen von Art. 63 des türkischen Militärstrafgesetzbuches,
welcher eine Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis vorsieht, nicht
auf eine Sanktionierung zu schliessen, welche neben der militärrecht-
lichen Gesetzesverletzung auch die Gesinnung treffen will. Zudem ist
der Militärdienst in der Türkei für alle erwachsenen Männer obligato-
risch und zielt nicht darauf ab, gewisse Personen oder Personen-
gruppen in der zuvor beschriebenen Art zu behandeln. Überdies be-
stehen trotz des angeblich familiären politischen Hintergrunds des
Beschwerdeführers keine Hinweise auf einen Malus oder andere dro-
hende, aus Art. 3 AsylG fliessende Nachteile. Die vom Beschwerde-
führer allenfalls zu gewärtigenden Sanktionen vermögen somit nicht
zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu führen, da alle wehr-
pflichtigen Männer aufgrund ihrer türkischen Staatsangehörigkeit und
ihres Jahrgangs zum Militärdienst aufgeboten werden und dieser Ver-
pflichtung keine asylrechtlich relevante Verfolgungsabsicht des Staates
zugrunde liegt. Nach Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts
werden die Rekruten nach dem Zufallsprinzip per Computer den ver-
schiedenen Einheiten zugeteilt. Schliesslich wäre auch nicht mit einem
Einsatz im Ausnahmezustandsgebiet zu rechnen, zumal der ehemals
verhängte Ausnahmezustand in der Türkei schon seit einiger Zeit in
allen Gebieten aufgehoben worden ist.
4.3.3 Unter den erwähnten Umständen wäre eine allfällige Bestrafung
des Beschwerdeführers wegen Militärdienstverweigerung vorliegend
als legitime staatliche Massnahme zur Durchsetzung einer staatsbür-
gerlichen Pflicht und damit als asylrechtlich nicht relevant zu charakte-
risieren.
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5.
Nach dem Gesagten erweisen sich die vom Beschwerdeführer geltend
gemachten Verfolgungsvorbringen zum einen als nicht glaubhaft und
zum andern als asylrechtlich nicht relevant. Aufgrund der vorstehen-
den Erwägungen erübrigt es sich, auf die weiteren Ausführungen in
der Beschwerde, die übrigen Eingaben und die Beweismittel einzu-
gehen, weil sie am Ergebnis nichts ändern können. Zusammenfassend
ergibt sich, dass die Vorbringen des Beschwerdeführers weder den
Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft noch denjenigen an die
Glaubhaftigkeit genügen. Das Asylgesuch wurde vom Bundesamt zu
Recht abgewiesen.
6.
Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein,
so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ord-
net den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit
der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine fremdenpolizeiliche
Aufenthaltsbewilligung noch einen Anspruch auf Erteilung einer sol-
chen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44
Abs. 1 AsylG; vgl. EMARK 2001 Nr. 21).
7.
7.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar
oder nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsver-
hältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Auf-
nahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bun-
desgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und
Ausländer [AuG, SR 142.20]).
7.2 Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtun-
gen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Auslän-
ders in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenste-
hen (Art. 83 Abs. 3 AuG).
7.2.1 So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein
Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit
aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem
sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu wer-
den (Art. 5 Abs. 1 AsylG).
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Gemäss Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), Art. 3 des Über-
einkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grau-
same, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
(FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 der Konvention vom 4. No-
vember 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(EMRK, SR 0.101) darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder
erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
7.2.2 Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend
darauf hin, dass der Grundsatz der Nichtrückschiebung nur Personen
schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen (vgl. MARIO GATTIKER,
Das Asyl- und Wegweisungsverfahren, 3. Aufl., Bern 1999, S. 89). Da
es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erheb-
liche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann das
in Art. 5 AsylG verankerte Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Re-
foulements im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine
Rückkehr des Beschwerführers in seinen Heimatstaat ist demnach un-
ter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.
7.2.3 Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwer-
deführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den
Fall einer Ausschaffung in seinen Heimatstaat dort mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen
Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss Praxis des Euro-
päischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des
UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine kon-
krete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm
im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung
drohen würde (vgl. EMARK 2001 Nr. 16 S. 122, mit weiteren Hin-
weisen; EGMR, Bensaid gegen Grossbritannien, Urteil vom 6. Februar
2001, Recueil des arrêts et décisions 2001-I, S. 327 ff.). Auch die
allgemeine Menschenrechtssituation in seinem Heimatstaat lässt den
Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt klarerweise nicht als
unzulässig erscheinen.
7.2.4 Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im
Sinne der asyl- als auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
7.3 Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen
und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunfts-
staat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner
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Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine
konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83
Abs. 7 AuG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren (vgl. Botschaft
zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom
8. März 2002, BBl 2002 3818).
Weder die allgemeine Lage in der Türkei noch die persönliche Situati-
on des Beschwerdeführers lassen auf eine konkrete Gefährdung
schliessen. Angesichts der heutigen Lage in der Türkei kann nicht von
einer Situation allgemeiner Gewalt oder von kriegerischen oder bür-
gerkriegsähnlichen Verhältnissen gesprochen werden, welche für den
Beschwerdeführer bei einer Rückkehr eine konkrete Gefährdung dar-
stellen würden. Sodann bestehen auch keine anderen Hinweise, dass
der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Heimatstaat in eine
konkrete, seine Existenz bedrohende Situation geraten könnte. Er
besitzt in der Türkei, wo (Familienangehörige) wohnhaft sind, ein
familiäres Beziehungsnetz. Zudem war er nach Abschluss der
Primarschule seit dem Jahr 1993 bis zu seiner im April 2005 erfolgten
Ausreise in die Schweiz in (Ort) wohnhaft und dort in der Textilbranche
erwerbstätig. Angesichts der gesamten Umstände kann der Vollzug der
Wegweisung - entgegen der in der Rechtsmitteleingabe vertretenen
Auffassung - auch als zumutbar bezeichnet werden.
7.4 Die bisherigen Bestimmungen betreffend vorläufige Aufnahme in-
folge einer schwerwiegenden persönlichen Notlage (Art. 14a Abs. 4bis
ANAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3-5 AsylG) wurden mit der Änderung des
Asylgesetzes vom 16. Dezember 2005 aufgehoben. Gleichzeitig mit
der Aufhebung der Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme im
Falle einer schwerwiegenden persönlichen Notlage trat auf den 1. Ja-
nuar 2007 eine neue Härtefallregelung in Kraft. Gemäss Art. 14 Abs. 2
AsylG haben neu die Kantone die Möglichkeit, bei "Vorliegen eines
schwerwiegenden persönlichen Härtefalles" unter bestimmten weite-
ren Voraussetzungen eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Im vorlie-
genden Fall wären indes bereits die zeitlichen Anforderungen für die
Anwendung von Art. 14 Abs. 2 AsylG nicht gegeben, hält sich der
Beschwerdeführer doch erst seit April 2005, mithin seit weniger als
den nunmehr erforderlichen fünf Jahren, in der Schweiz auf.
7.5 Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zu-
ständigen Vertretung seines Heimatstaates die für eine Rückkehr not-
wendigen Reisedokumente zu beschaffen (Art. 8 Abs. 4 AsylG), wes-
Seite 11
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halb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist
(Art. 83 Abs. 2 AuG).
8.
Insgesamt ist die durch die Vorinstanz verfügte Wegweisung zu bestä-
tigen. Die Vorinstanz hat deren Vollzug zu Recht als zulässig, zumut-
bar und möglich erachtet. Nach dem Gesagten fällt eine Anordnung
der vorläufigen Aufnahme ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AuG).
9.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig
und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die Be-
schwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen.
10.
10.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Be-
schwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG).
10.2 Der zuständige Instruktionsrichter der ARK hat mit Zwischen-
verfügung vom 28. Juni 2005 auf die Erhebung eines Kostenvor-
schusses verzichtet und festgehalten, über das Gesuch um Gewäh-
rung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1
VwVG werde zu einem späteren Zeitpunkt befunden. Es bleibt dem-
nach zu prüfen, ob die diesbezüglichen Voraussetzungen gegeben
sind, welche besagen, dass die Beschwerdeinstanz eine bedürftige
Person, deren Begehren nicht aussichtslos erscheinen, auf Gesuch
hin davon befreien kann, Verfahrenskosten zu bezahlen.
Wie aus der vorstehenden Erwägung 4 hervorgeht, muss die vorlie-
gende Beschwerde rückblickend betrachtet nach Eingabe der einge-
reichten Dokumente als aussichtslos bezeichnet werden, weshalb das
Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne
von Art. 65 Abs. 1 VwVG abzuweisen ist. Angesichts der Tatsache,
dass der Beschwerdeführer zur Erreichung seines Ziels drei gefälschte
Dokumente einreichte und an deren Echtheit trotz gegenteiligem Er-
gebnis der vorinstanzlichen Dokumentenanalyse festhielt, ist die Pro-
zessführung als mutwillig zu bezeichnen. Die dem Beschwerdeführer
aufzuerlegenden Verfahrenskosten sind in Anwendung von Art. 2
Abs. 2 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und
Entschädigungen mithin zu verdoppeln und vor dem Bundesver-
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waltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) auf Fr. 1'200.-- festzusetzen
(Art. 16 Abs. 1 Bst. a VGG i.V.m. Art. 2 und 3 VGKE).
(Dispositiv nächste Seite)
Seite 13
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zu
Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
3.
Die als gefälscht erkannten Dokumente (Abwesenheitshaftbefehl vom
[Datum], Anklageschrift vom [[Datum] und Zwischenverfügung des
DGM (Name) vom 1[Datum]) werden eingezogen.
4.
Dieses Urteil geht an:
- den Beschwerdeführer (Einschreiben; Beilagen: Einzahlungsschein,
angefochtene Verfügung im Original)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt und Rückkehrförderung, mit den
Akten Ref.-Nr. N_______ (per Kurier; in Kopie)
- (kantonale Behörde) (in Kopie)
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Martin Zoller Daniel Widmer
Versand:
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