D-4668/2006 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Flüchtlingseigenschaft; Asyl; Wegweisung
Karar Dilini Çevir:
D-4668/2006 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Flüchtlingseigenschaft; Asyl; Wegweisung
Abtei lung IV
D-4668/2006
{T 0/2}
U r t e i l v o m 7 . J a n u a r 2 0 0 9
Richter Fulvio Haefeli (Vorsitz), Richter Hans Schürch,
Richter Gérald Bovier,
Gerichtsschreiber Daniel Stadelmann.
A._______, geboren (...),
Türkei,
vertreten durch Fürsprecher lic. iur. Ismet Bardakci,
(...),
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
vormals Bundesamt für Flüchtlinge (BFF)
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 4. Mai
2005 / N _______.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
D-4668/2006
Sachverhalt:
A.
Eigenen Angaben gemäss verliess der Beschwerdeführer – ein türki-
scher Staatsangehöriger kurdischer Ethnie mit letztem Wohnsitz in
B._______ – am Abend des 22. März 2005 seinen Wohnort und
gelangte vorerst nach C._______. Dort sei er bis am 16. April 2005
geblieben, ehe er dann mit dem Schiff nach D._______ an einem ihm
unbekannten Ort gelangt und von dort aus mit dem PW illegal am 21.
April 2005 in die Schweiz eingereist sei. Gleichentags reichte er im
Empfangszentrum (...) (heute: Empfangs- und Verfahrenszentrum) ein
Asylgesuch ein.
B.
Am 25. April 2005 wurde er im Empfangszentrum durch die Vorinstanz
summarisch zu den Gründen für sein Asylgesuch und zum Reiseweg
befragt. Am 29. April 2005 führte das BFM die Anhörung zu den Asyl-
gründen durch. Der Beschwerdeführer machte zur Begründung seines
Asylgesuchs im Wesentlichen geltend, dass er einer kurdisch-aleviti-
schen Familie angehöre, die demokratisch gesinnt sei. Seit Jahren
werde die Familie unterdrückt. Im Jahre 1997 sei der Beschwerdefüh-
rer ein erstes Mal festgenommen worden, da vermutet worden sei, sei-
ne Familie habe ausgebrochene Häftlinge versteckt gehalten. Bereits
zwei Jahre später sei er erneut festgenommen und befragt worden.
Beide Male sei er nach einem Tag wieder freigelassen worden. Am 21.
März 2005 sei es in B._______ zu einem Vorfall gekommen, bei dem
eine türkische Fahne angezündet worden sei. Der Beschwerdeführer
habe zwar mit diesem Vorfall nichts zu tun gehabt, trotzdem hätten die
Behörden danach in verschiedenen Haushalten, unter anderem auch
bei ihm zu Hause, Razzien durchgeführt. Dabei sei den Behörden
bekannt geworden, dass der Beschwerdeführer illegale Publikationen
verteilt habe. Er sei von Freunden gewarnt worden und habe sich mit
einem Anwalt beraten, der ihm bestätigt habe, dass es zu einer
Anklage kommen könne. Der Anwalt habe dem Beschwerdeführer
geraten, ins Ausland zu gehen.
C.
Mit Verfügung vom 4. Mai 2005 lehnte das BFM das Asylgesuch des
Beschwerdeführers vom 21. April 2005 ab und ordnete seine Wegwei-
sung aus der Schweiz sowie den Vollzug seiner Wegweisung an. Zur
Begründung führte es aus, der Beschwerdeführer habe geltend ge-
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macht, von den türkischen Behörden gesucht zu werden, da er illegale
Schriften verteilt habe. In seinen Angaben seien jedoch diverse
Ungereimtheiten aufgetreten. Bei der Erstbefragung vom 25. April
2005 habe er beispielsweise angegeben, er sei präventiv ausgereist,
ohne sicher zu sein, ob sein Name den Sicherheitsbehörden
überhaupt bekannt sei oder nicht. Auf die nachfolgende Frage habe er
aber wieder dahingehend geantwortet, dass den Behörden sowohl
sein Vor- als auch sein Nachname bekannt seien (A1, S. 6). Die
Angabe darüber, wie er erfahren habe, dass sein Name den Behörden
bekannt sei, seien sehr oberflächlich und stereotyp ausgefallen. Sie
könne nicht den Eindruck erwecken, der Beschwerdefürher habe das
Geschilderte tatsächlich erlebt (A1, S. 6). Insgesamt hätten seine
Schilderungen eine persönliche Betroffenheit und eine subjektiv
geprägte Wahrnehmung vermissen lassen. Die Vorbringen des
Beschwerdeführers hielten den Anforderungen an die Glaubwürdigkeit
gemäss Art. 7 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR
142.31) deshalb nicht stand, so dass ihre Asylrelevanz nicht geprüft
werden müsse. Demzufolge erfülle der Beschwerdeführer die
Flüchtlingseigenschaft nicht, so dass das Asylgesuch abzulehnen sei.
Ausserdem sei der Vollzug der Wegweisung möglich, zulässig und
zumutbar.
D.
Diese Verfügung focht der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsver-
treter mit Eingabe vom 3. Juni 2005 bei der damals zuständigen
Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) an. Er beantragte die
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids, die Anerkennung der
Flüchtlingseigenschaft und die Gewährung von Asyl. Eventualiter sei
festzustellen, dass der Vollzug der Wegweisung unzulässig und unzu-
mutbar und deshalb die vorläufige Aufnahme anzuordnen sei. Zudem
sei dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Prozessführung zu ge-
währen und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sei zu verzich-
ten. Zur Begründung seiner Rechtsbegehren brachte er im Wesentli-
chen Folgendes vor: Der Beschwerdeführer gehöre einer oppositionel-
len Familie an, deren Angehörige seit Jahren vom türkischen Staat
systematisch unterdrückt würden. Viele Familienangehörige des Be-
schwerdeführers hätten aufgrund dieser Unterdrückungspolitik die Tür-
kei verlassen müssen und lebten heute in verschiedenen europäi-
schen Ländern als anerkannte Flüchtlinge. In der Folge listete der
Rechtsvertreter die entsprechenden Verwandten des Beschwerdefüh-
rers namentlich auf und reichte auch verschiedene Beilagen betreffend
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diese Personen zu den Akten. Weil in den Geschäftsräumlichkeiten
des Vaters des Beschwerdeführers, X._______, Zeitschriften der links-
extremistischen Marxistisch Leninistisch Kommunistischen Partei
(MLKP) gefunden worden seien, sei dieser 1996 festgenommen und
drei Tage später habe man ihn mit Folterspuren aufgefunden. Der
Vater des Beschwerdeführers habe anschliessend untertauchen
müssen, dem Vernehmen nach sei dieser immer noch für eine
linksgerichtete, verbotene Gruppe in der Türkei politisch tätig. Im Jahr
1997 hätten die Sicherheitsbehörden eine Razzia in der Wohnung der
Familie des Beschwerdeführers durchgeführt. Dabei sei nach dem
Vater des Beschwerdeführers gesucht worden. Da sie diesen nicht
hätten finden können, seien nachher der Beschwerdeführer und sein
Cousin festgenommen worden. Sie seien befragt, jedoch einen Tag
später wieder auf freien Fuss gesetzt worden. Um nicht weiteren
polizeilichen Behelligungen ausgesetzt zu sein, habe sich der
Beschwerdeführer danach während rund zwei Jahren in einem Dorf
namens E._______ in der Nähe seines üblichen Wohnortes
B._______ aufgehalten. Als er im Dezember 1999 wieder nach
B._______ zurückgekehrt sei, habe die Polizei ihn wiederum
festgenommen. Bei der Befragung auf dem Polizeiposten sei es darum
gegangen, Auskünfte über den Aufenthaltsort seines Vaters in
Erfahrung zu bringen. Anschliessend an das bereits oben erwähnte
kurdische Neujahrsfest in B._______ vom 21. März 2005 hätten die
Polizisten Razzien durchgeführt und dabei seien auch die vom
Beschwerdeführer verteilten Zeitungen und Zeitschriften der MLKP
sichergestellt worden. Einige Personen hätten dann gegenüber der
Polizei gesagt, dass die Verteilung der entsprechenden Publikationen
durch den Beschwerdeführer erfolgt sei. Da ihm danach einige
Vertrauenspersonen geraten hätten, unterzutauchen oder zu fliehen,
sei er aus Angst vor Verhaftung und Folter in die Schweiz geflüchtet. In
den weiteren Ausführungen der Beschwerde vom 3. Juni 2005 ging der
Rechtsvertreter auf die von der Vorinstanz angezweifelten Vorbringen
beziehungsweise die Ungereimtheiten in den Aussagen des
Beschwerdeführers anlässlich der Befragungen ein. Auf diese wird,
soweit entscheidwesentlich, in den Erwägungen näher eingegangen.
E.
Mit Zwischenverfügung des damals zuständigen Instruktionsrichters
der ARK vom 8. Juni 2005 wurde, unter Vorbehalt der Nachreichung
einer Fürsorgebestätigung innert Frist, die Gewährung der unentgeltli-
chen Rechtspflege gutgeheissen sowie auf die Erhebung eines Kos-
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tenvorschusses verzichtet. Überdies könne der Beschwerdeführer den
Ausgang des Asylverfahrens in der Schweiz abwarten.
F.
Mit Schreiben vom 16. Juni 2005 reichte der Beschwerdeführer eine
auf denselben Tag datierte Fürsorgebestätigung des Sozialdienstes
des Kantons F._______ ein.
G.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2005 gab die ARK der Vorinstanz Gelegen-
heit zu einer Stellungnahme zur Beschwerdeschrift vom 3. Juni 2005.
In seiner Vernehmlassung vom 8. August 2005 nahm das BFM zur Be-
schwerde Stellung und hielt fest, die Beschwerdeschrift enthalte keine
neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel, welche eine Ände-
rung seines Standpunktes rechtfertigen könnten. Die Beschwerde-
schrift gebe lediglich zu folgenden Bemerkungen Anlass: In der Be-
schwerde vom 3. Juni 2005 habe der Beschwerdeführer diverse Be-
weismittel eingereicht, insbesondere Dokumente und Verfügungen von
Verwandten des Beschwerdeführers, die in Europa als Flüchtlinge an-
erkannt seien beziehungsweise eine Niederlassungsbewilligung erhal-
ten hätten. Mit diesen solle aufgezeigt werden, dass der Beschwerde-
führer einer oppositionellen Familie angehöre und einer Reflexverfol-
gung ausgesetzt sei. Reflexverfolgung oder gar begründete Furcht sei
jedoch selbst bei enger Verwandtschaft mit Personen, nach welchen
landesweit gefahndet werde, keinesfalls automatisch gegeben. Allein
wegen Verwandtschaft mit einer gesuchten Person werde in der Türkei
kein Strafverfahren eingeleitet. Die betroffene Person werde daher
auch bei einer allfälligen Verhaftung nach der maximal zulässigen Poli-
zeihaft wieder auf freien Fuss gesetzt. Dem Beschwerdeführer sei es
zudem nicht gelungen, seine vorgebrachten Probleme in der Türkei
glaubhaft darzulegen. Daher müsse auch die Befürchtung vor Reflex-
verfolgung als unbegründet taxiert werden. Daran vermöchten auch
die Schreiben seines Arbeitgebers und seiner Tante nichts zu ändern,
zumal diese als Gefälligkeitsschreiben zu qualifizieren seien und keine
gewichtige Beweiskraft besässen. Die Situation in der Türkei werde in
der betroffenen Verfügung berücksichtigt, weshalb der "Bericht der
Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) zur aktuellen Situation in der
Türkei vom Mai 2005" die dort getroffenen Erwägungen nicht umzu-
stossen vermöge.
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H.
Mit Schreiben vom 11. August 2005 lud der damals zuständige Instruk-
tionsrichter den Beschwerdeführer ein, innert Frist eine Stellungnahme
zur Vernehmlassung der Vorinstanz vom 8. August 2005 einzureichen.
I.
Am 26. August 2005 reichte der Beschwerdeführer eine Stellungnah-
me ein und hielt fest, dass auch das BFM in seiner Vernehmlassung
davon ausgehe, der Beschwerdeführer könne in der Türkei wegen sei-
ner gesuchten Verwandtschaft inhaftiert werden. Die Vorinstanz habe
jedoch die flüchtlingsrechtliche Relevanz dieser Inhaftierungen mit der
Begründung verneint, die betroffene Person werde bei einer allfälligen
Verhaftung nach der maximal zulässigen Polizeihaft wieder auf freien
Fuss gesetzt. Entgegen der Annahme des BFM würden jedoch Ange-
hörige von gesuchten Personen in der Türkei nicht nur willkürlich fest-
genommen, sondern diese würden auch bedroht, entführt und miss-
handelt. Ein rechtsstaatlich korrektes Verfahren werde nicht durchge-
führt. Zur Begründung dieses Vorbringens verwies der Beschwerdefüh-
rer auf S. 16 des bereits oben erwähnten Berichts der SFH vom Mai
2005. Zudem spreche die Vorinstanz den Schreiben sowohl des Arbeit-
gebers als auch der Tante des Beschwerdeführers in willkürlicher Wei-
se jeden Beweiswert ab und habe diese ohne jegliche Begründung als
Gefälligkeitsschreiben bezeichnet. Dieses Vorgehen des BFM überra-
sche nicht, denn es bewerte Schreiben oder Bestätigungen von Privat-
personen aus anderen Ländern ohnehin ausnahmslos als Gefällig-
keitsschreiben. Bei einer allfälligen Rückkehr in die Türkei fürchte der
Beschwerdeführer bereits bei der Einreise festgehalten zu werden. Die
Befragung durch die Polizei würde sich auf Themen wie seine Aktivitä-
ten für die MLKP, den Grund seiner persönlichen Abwesenheit als
auch der Abwesenheit seiner Verwandten beziehen. Ausserdem müsse
er damit rechnen, dass die Sicherheitsbehörden ihn bei den entspre-
chenden Befragungen mit illegalen Mitteln unter Druck zu setzen ver-
suchten, damit er ihnen Auskunft über den Verbleib seiner gesuchten
Verwandten gebe.
J.
Mit Strafbefehl vom 28. März 2006 (in Rechtskraft erwachsen am 6.
Mai 2006) verurteilte das Bezirksamt G._______ den
Beschwerdeführer wegen illegaler Einreise in die Schweiz zu einer
bedingten Gefängnisstrafe.
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K.
Mit Schreiben vom 22. November 2007 reichte der Beschwerdeführer
weitere Dokumente zu den Akten. Einerseits die Zeitung "(...)" vom 7.
Oktober 2006, welche ihn und einen Cousin bildlich bei einer Protest-
kundgebung in H._______ vom 26. September 2006 an vorderster
Front zeigten. Andererseits je eine DVD mit Fotos und
Videoaufnahmen derselben Protestkundgebung. Weiter stellte der
Beschwerdeführer den Antrag, dass verschiedene
Asylverfahrensakten der Vorinstanz von Familienangehörigen von
Amtes wegen beizuziehen seien und zitierte aus zwei Urteilen des
Bundesverwaltungsgerichts vom 1. November 2007 (... und ...), bei
welchen es sich bei den Beschwerdeführenden einmal um einen Onkel
väterlicherseits mit dessen Familie und beim anderen Urteil um einen
Cousin wiederum väterlicherseits gehandelt habe. Diesen Personen
sei in der Schweiz Asyl gewährt worden. Das
Bundesverwaltungsgericht halte in seinen beiden Urteilen fest, dass
mehrere Verwandte der Beschwerdeführer in der Vergangenheit wegen
illegaler politischer Tätigkeiten für die links-extremistische MLKP
wiederholt in Konflikt mit den Behörden geraten und dabei
verschiedenen Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt worden seien. In
der Folge hätten mehrere unter ihnen in I._______, J._______ und der
Schweiz Asyl erhalten. Weitere Verwandte seien wegen ihrer
exilpolitischen Tätigkeit für die MLKP in J._______ und in der Schweiz
als Flüchtling vorläufig aufgenommen worden. Die diesbezüglichen
Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts würden auch auf
seinen Fall zutreffen. Der Beschwerdeführer habe in der Türkei die
gleichen Verfolgungsmassnahmen erlitten wie der bereits erwähnte
Onkel und der Cousin. Überdies sei zu erwähnen, dass der
Beschwerdeführer in den beiden oben erwähnten Urteilen des Bun-
desverwaltungsgerichts vom 1. November 2007 namentlich genannt
werde. Auch der Beschwerdeführer erfülle damit die Flüchtlingseigen-
schaft im Sinne von Art. 3 AsylG, weshalb seine Beschwerde gutzuhei-
ssen sei.
L.
Mit Zwischenverfügung vom 30. Januar 2008 stellte der zuständige
Instruktionsrichter fest, dass die Akten der Vorinstanz – im Hinblick auf
die geltend gemachten subjektiven Nachfluchtgründe – nochmals zur
Vernehmlassung zuzustellen seien und lud das BFM zur Einreichung
einer Stellungnahme ein.
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M.
In seiner Vernehmlassung vom 8. April 2008 nahm das BFM zur Be-
schwerde Stellung und hielt fest, die Beschwerdeschrift enthalte keine
neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel, welche eine Ände-
rung seines Standpunktes rechtfertigen könnten. Die Beschwerde-
schrift gebe lediglich zu folgenden Bemerkungen Anlass: Bei den vom
Beschwerdeführer erwähnten Verwandten, die teilweise in der Schweiz
als Flüchtlinge anerkannt seien, teilweise sich mit asylrechtlicher Re-
gelung in J._______ oder I._______ befänden, sei letztinstanzlich
festgehalten worden, dass sich ihre vorgebrachten Schwierigkeiten
und Schikanen tatsächlich vorgetragen hätten. Die Vorbringen des
Beschwerdeführers seien jedoch während der Erstbefragung vom 25.
April 2005 aber auch bei der Anhörung vom 29. Mai 2005 offen-
sichtlich unglaubhaft gewesen. Insbesondere könne ausgeschlossen
werden, dass die von ihm angegebenen fluchtauslösenden Vorfälle tat-
sächlich stattgefunden hätten. Der Beschwerdeführer habe deshalb
keine Reflexverfolgung zu befürchten. Er habe behördliche Handlun-
gen gegen ihn in den Jahren vor seiner Ausreise im Rahmen des Asyl-
verfahrens nie glaubhaft machen oder mit aussagekräftigen Beweis-
mitteln belegen können, dies im Gegensatz zu seinen Verwandten, bei
welchen eine Reflexverfolgung zuerkannt worden sei. Ein weiteres In-
diz für die fehlende Reflexverfolgung der gesamten Familie sei, dass
die Mutter sowie der Bruder des Beschwerdeführers immer noch in der
Türkei lebten. Betreffend die Teilnahme an der Kundgebung in
H._______ vom 26. September 2006 sei festzuhalten, dass die
türkischen Behörden zwar über politische Aktivitäten bestimmter
Staatsangehöriger im Ausland informiert seien, die einmalige
Teilnahme an einer Kundgebung hingegen qualifiziere nicht, eine
konkrete Gefährdung bei einer Rückkehr in die Türkei anzunehmen.
Die Vorbringen eines weiteren Onkels des Beschwerdeführers seien
trotz Restzweifel von der damaligen ARK als insgesamt glaubhaft und
deshalb asylrelevant bewertet worden. Jener Onkel sei aufgrund
seiner exilpolitischen Tätigkeiten in K._______ und der Schweiz als
Flüchtling vorläufig aufgenommen worden. Dieser Onkel sei jedoch
ungleich häufiger und intensiver engagiert und zudem sowohl in der
Türkei wie aber auch in J._______, K._______ und der Schweiz
wiederholt als Aktivist der MLKP in Erscheinung getreten.
Bezeichnenderweise habe dieser am 28. März 2008 beim BFM ein
Schreiben eingereicht, in welchem er angebe, die Gründe, die ihn
damals bewegt hätten, in der Schweiz um Asyl nachzusuchen,
bestünden nicht mehr. Er wolle aus familiären Gründen in die Türkei
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zurückkehren, deshalb bitte er die Vorinstanz um "Annullierung des
Flüchtlingsstatutes". Der Beschwerdeführer habe seine
Flüchtlingseigenschaft unter anderem auf die Asylgründe dieses
Onkels gestützt. Dessen Aktivitäten für die MLKP seien jedoch
intensiver und unbestrittener, deshalb müsse es auch dem
Beschwerdeführer zumutbar sein, in sein Heimatland zurückkehren zu
können.
N.
Mit Schreiben vom 7. Mai 2008 nahm der Beschwerdeführer Stellung
zur Vernehmlassung der Vorinstanz vom 8. April 2008. Er hielt dabei im
Wesentlichen fest, dass in der Türkei die "Sippenhaft" in Form der Re-
flexverfolgung – meistens im Zusammenhang mit Aktivisten verbotener
linker Gruppierungen – immer noch angewandt werde. Diese Feststel-
lung basiere auf der Rechtsprechung der damaligen Asylrekurskom-
mission (Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asyl-
rekurskommission [EMARK] 2005 Nr. 21 S. 195) und Berichte von
Menschenrechtsorganisationen. Zudem erwähnte er mehrere Urteile
des Bundesverwaltungsgerichts (...) bei denen davon ausgegangen
werde, dass in der Türkei eine systematische Reflexverfolgung
bestehe. Die Vorinstanz habe die Reflexverfolgung in der Türkei mit
der Begründung verharmlost, die betroffene Person würde bei einer
allfälligen Verhaftung nach der maximal zulässigen Polizeihaft wieder
auf freien Fuss gesetzt. Der Bericht der SFH zur aktuellen Situation in
der Türkei vom Oktober 2007 zeige jedoch ein anderes Bild auf. Aus
den Seiten 16 f. gehe insbesondere hervor, dass vermeintliche
Mitglieder der MLKP in der Türkei verschiedenen
Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt seien, im Vordergrund stünden
dabei insbesondere Festnahmen, Schläge und Folter in Polizeihaft.
Der Beschwerdeführer habe jedoch nicht Angst vor einer Festnahme,
er fürchte sich vielmehr davor, in der Polizeihaft gefoltert zu werden.
Dass in der Türkei immer noch gefoltert werde, sei unbestritten. In
diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auf ein
weiteres Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (...). Auf die weiteren
Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Replik vom 7. Mai 2008
und die eingereichten Akten wird, soweit entscheidwesentlich, in den
Erwägungen eingegangen.
O.
Mit Zwischenverfügung des zuständigen Instruktionsrichters vom 6.
Oktober 2008 wurde die Vorinstanz eingeladen, innert Frist eine Stel-
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lungnahme zur Replik des Beschwerdeführers einzureichen. In seiner
Vernehmlassung vom 31. Oktober 2008 nahm das BFM zur Replik vom
7. Mai 2008 Stellung und hielt fest, die Beschwerdeschrift enthalte kei-
ne neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel, welche eine Ände-
rung seines Standpunktes rechtfertigen könnten. Im Übrigen verwies
das BFM auf seine Erwägungen, an denen es vollumfänglich festhalte.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsge-
richt Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgeset-
zes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG,
SR 172.021). Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und
ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das
Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt
nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die
Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet in diesem
Bereich endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesge-
richtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Das Bundesverwaltungsgericht hat am 1. Januar 2007 die Beurtei-
lung der bei der ARK hängigen Rechtsmittel übernommen. Das neue
Verfahrensrecht ist anwendbar (vgl. Art. 53 Abs. 2 VGG).
1.3 Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingereicht. Der Be-
schwerdeführer ist durch die angefochtene Verfügung berührt und hat
ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise
Änderung. Der Beschwerdeführer ist daher zur Einreichung der Be-
schwerde legitimiert (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 50
und 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
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3.
3.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen
grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person aner-
kannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt
wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu ei-
ner bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen An-
schauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete
Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte
Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder
Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen
Druck bewirken; den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung
zu tragen (Art. 3 AsylG).
3.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachwei-
sen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht,
wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrschein-
lichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen,
die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich wider-
sprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich
auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7
AsylG).
4.
4.1 Grundsätzlich sind Vorbringen dann glaubhaft gemacht, wenn sie
genügend substanziiert, in sich schlüssig und plausibel sind. Sie dür-
fen sich nicht in vagen Schilderungen erschöpfen, in wesentlichen
Punkten nicht widersprüchlich sein, der inneren Logik entbehren oder
den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung widersprechen. Darü-
ber hinaus muss der Gesuchsteller persönlich glaubwürdig erschei-
nen, was insbesondere dann nicht der Fall ist, wenn er wichtige Tatsa-
chen unterdrückt oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfah-
rens Vorbringen auswechselt, steigert oder unbegründet nachschiebt
oder die nötige Mitwirkung am Verfahren verweigert. Glaubhaftma-
chung bedeutet ferner – im Gegensatz zum strikten Beweis – ein redu-
ziertes Beweismass und lässt durchaus Raum für gewisse Einwände
und Zweifel an den Vorbringen des Gesuchstellers. Entscheidend ist,
ob die Gründe, welche für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung
sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist auf eine objektivierte Sicht-
weise abzustellen (vgl. Art. 7 AsylG; EMARK 2005 Nr. 21 E. 6.1 S. 190
f.).
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4.2 Hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Vorbringen des Beschwerde-
führers ist festzustellen, dass aufgrund seiner Aussagen erhebliche
Zweifel bestehen, ob er die von ihm geschilderten Ereignisse tatsäch-
lich erlebt hat. So fällt insbesondere auf, dass die Ausführungen zu
den nach den Vorfällen vom 21. März 2005 durchgeführten Razzien zu
wenig detailliert ausgefallen sind. Der Beschwerdeführer verlor sich in
allgemeinen Ausführungen zu den damaligen Geschehnisse und man
bekommt unweigerlich den Eindruck, dass er diese Geschehnisse, die
durch die Medien weit verbreitet wurden, als Vorwand braucht, um ein
Fluchtmotiv zu konstruieren. Insbesondere seine unterschiedlichen
Aussagen, ob sein Name nun den Behörden bekannt sei oder nicht
und die explizite Erwähnung seines "präventiven" Fluchtgrundes ver-
stärken die Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Vorbringen. In Über-
einstimmung mit der Vorinstanz hält das Bundesverwaltungsgericht
fest, dass seine Schilderungen betreffend den oben erwähnten Vorfall
eine persönliche Betroffenheit und eine subjektiv geprägte Wahrneh-
mung vermissen lassen.
4.3 In der Erstbefragung vom 25. April 2005 verneinte der Beschwer-
deführer eine Mitgliedschaft bei der MLKP. Es erstaunt deshalb umso
mehr, dass sich ein blosser Sympathisant einer politischen Partei mit
der Verteilung von Publikationen für eine verbotene, links-extreme Or-
ganisation grossen Gefahren der Verfolgung und Repression seitens
des Staates ausgesetzt haben will. Die Ausführung solch "gefährlicher"
Arbeiten ist dann wohl eher Personen vorbehalten, die mit Herz und
Seele Mitglied solcher Gruppierungen sind. Der Beschwerdeführer er-
füllt diese Eigenschaft jedoch zweifelsohne nicht.
4.4 In Übereinstimmung mit dem BFM vertritt auch das Bundesverwal-
tungsgericht die Auffassung, dass die Vorfälle in den Jahren 1997 und
1999 nicht mehr in einem engen Zusammenhang mit den im vorliegen-
den Verfahren zu beurteilenden fluchtauslösenden Momenten stehen.
Überdies würden die damaligen Geschehnisse ohnehin keine asyl-
rechtlich relevante Intensität erreichen, weil diese sich jeweils in kur-
zen Festnahmen erschöpften. Der Beschwerdeführer konnte weder be-
weisen noch glaubhaft machen, dass er 1997 auf dem Polizeiposten
tatsächlich geschlagen wurde. Die zweite Verhaftung von 1999 hatte
mit seinem Nichtantritt des obligatorischen Militärdienstes zu tun. Die-
sen beiden Vorfällen fehlt also sowohl der zeitliche als auch der sachli-
che Kausalzusammenhang für die in casu zu beurteilende Ausreise.
Zudem liess der Beschwerdeführer auch in den Schilderungen zu die-
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sen Vorfällen eine persönliche Betroffenheit und eine subjektiv gepräg-
te Wahrnehmung vermissen. Im Weiteren erstaunt es, dass der Be-
schwerdeführer erst einige Jahre nach diesen Vorfällen geflüchtet ist.
Der Beschwerdeführer gab überdies zu Protokoll, dass er nach der an-
geblichen Verhaftung 1997 wieder auf freien Fuss gekommen sei und
sich in der Nähe seines Wohnortes B._______ im Dorf E._______
während rund zwei Jahren aufgehalten habe, wo er keine negativen
Erfahrungen mit den Sicherheitsbehörden gemacht habe. Auch dieser
Umstand spricht gegen die Glaubhaftigkeit der geltend gemachten
Verfolgung. Somit sind auch die Vorfälle aus den 90-er Jahren als
unglaubhaft zu qualifizieren. Im Übrigen kann auf die zutreffende
Argumentation der Vorinstanz hingewiesen werden, denen sich das
Bundesverwaltungsgericht anschliesst.
4.5 Zusammenfassend hält das Bundesverwaltungsgericht fest, dass
die geltend gemachten Nachteile, welchen den Beschwerdeführer
2005 angeblich zur Flucht getrieben haben, unglaubhaft sind, da sie
nicht genügend substanziiert und weder schlüssig noch plausibel sind.
Überdies sind sie in wesentlichen Punkten widersprüchlich, entbehren
der inneren Logik und widersprechen der allgemeinen Erfahrung.
5.
5.1 Im Folgenden ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer begründete
Furcht vor zukünftigen ernsthaften Nachteilen hat. Begründete Furcht
vor Verfolgung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 AsylG liegt vor, wenn konkre-
ter Anlass zur Annahme besteht, letztere hätte sich – aus der Sicht im
Zeitpunkt der Ausreise - mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in ab-
sehbarer Zeit verwirklicht beziehungsweise werde sich – auch aus
heutiger Sicht – mit ebensolcher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zu-
kunft verwirklichen. Dabei genügt es nicht, dass diese Furcht lediglich
mit Vorkommnissen oder Umständen, die sich früher oder später mög-
licherweise ereignen könnten, begründet wird. Ob in einem bestimm-
ten Fall eine solche Wahrscheinlichkeit besteht, ist aufgrund einer ob-
jektivierten Betrachtungsweise zu beurteilen. Es müssen damit hinrei-
chende Anhaltspunkte für eine konkrete Bedrohung vorhanden sein,
die bei jedem Menschen in vergleichbarer Lage Furcht vor Verfolgung
und damit den Entschluss zur Flucht hervorrufen würden. Dennoch ist
für die Bestimmung der begründeten Furcht nicht allein massgebend,
was ein hypothetischer Durchschnittsmensch in derselben Situation
empfinden würde. Diese rein objektive Betrachtungsweise ist zusätz-
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lich durch das von der betroffenen Person bereits Erlebte und das Wis-
sen um Konsequenzen in vergleichbaren Fällen zu ergänzen. Wer be-
reits staatlichen Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt war, hat objekti-
ve Gründe für eine ausgeprägtere (subjektive) Furcht. Die subjektive
Furcht ist diesfalls bereits dann begründet, wenn sie zwar diejenige ei-
nes in der gleichen Situation befindlichen Durchschnittsmenschen
übersteigt, aber trotzdem nachvollziehbar bleibt (vgl. EMARK 2004 Nr.
1 E. 6a S. 9, mit weiteren Hinweisen, 2005 Nr. 21 E.7.1. ff. S. 193 ff.;
Walter Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, Basel/Frankfurt a.M., S.
143 ff.).
5.2 Das Bundesverwaltungsgericht geht in Übereinstimmung mit der
bisherigen Praxis der ARK ungeachtet der jüngsten Rechtsreformen
im Hinblick auf eine Aufnahme in die Europäische Union davon aus,
dass zum heutigen Zeitpunkt in der Türkei die Gefahr allfälliger Re-
pressalien gegen Familienangehörige mutmasslicher Aktivisten der
PKK (beziehungsweise einer ihrer Nachfolgeorganisationen) oder an-
derer von den Behörden als separatistisch eingestufter kurdischer
Gruppierungen, zu welchen auch die MLKP zählt, die als so genannte
Reflexverfolgung flüchtlingsrechtlich erheblich im Sinne von Art. 3
AsylG sein können, weiterhin nicht ausgeschlossen werden können
(vgl. EMARK 2005 Nr. 21).
5.3 Die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Reflexverfolgung zu werden,
ist gemäss der auch heute noch gültigen Praxis der ARK vor allem
dann gegeben, wenn nach einem flüchtigen Familienmitglied gefahn-
det wird und die Behörde Anlass zur Vermutung hat, dass jemand mit
der gesuchten Person in Kontakt steht. Diese Wahrscheinlichkeit er-
höht sich, wenn ein nicht unbedeutendes politisches Engagement der
reflexverfolgten Person für illegale politische Organisationen hinzu-
kommt beziehungsweise ihr seitens der Behörden unterstellt wird (vgl.
EMARK 1994 Nr. 5 E. 3h S. 47 f. und EMARK 1994 Nr. 17 E. 3b S. 136
f.; vgl. auch EMARK 1993 Nr. 6 E. 3b und 4 S. 36 ff.). Besonders be-
troffen sind nahe Familienangehörige von links extremistischen Aktivis-
ten, wobei das weitere familiäre Umfeld und die Herkunft aus einem
Dorf, das in der Vergangenheit einschlägig bekannt geworden ist, das
Reflexverfolgungsrisiko erhöhen. Ein eigenes politisches Engagement
des Betroffenen ist nicht Voraussetzung, vermag indessen die Wahr-
scheinlichkeit einer Verfolgung zu erhöhen. Es muss jedoch aufgrund
der Umstände des Einzelfalls ermittelt werden, ob die Furcht vor Ver-
folgung begründet ist.
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5.4 Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass türkische Staatsbürger bei
einer Einreise in die Türkei routinemässig überprüft werden, insbeson-
dere wenn sie sich eine längere Zeit im Ausland aufgehalten haben
oder illegal ausgereist sind. Dabei haben insbesondere Rückkehrer,
die wie der Beschwerdeführer mit linkslastigen Kreisen in Verbindung
gebracht werden, mit einer erhöhten Gefährdung zu rechnen. So ist
davon auszugehen, dass der türkischen Grenzpolizei bei der Wieder-
einreise abgewiesener Asylsuchender die Tatsache der Asylge-
suchseinreichung im Ausland in der Regel nicht verborgen bleibt und
dies wiederum eine Routinekontrolle mit eingehender Befragung zur
Folge hat (vgl. wiederum EMARK 2005 Nr. 21 E. 11.2 S. 202).
5.5 Eigenen Angaben zufolge leben sowohl der Vater, die Mutter als
auch ein Bruder des Beschwerdeführers immer noch in der Türkei.
Wenn also tatsächlich eine Reflexverfolgung betreffend die Familie
Y._______ bestehen würde, wären diese Personen wohl schon längst
ausgereist. Unter diesen Umständen muss aber davon ausgegangen
werden, dass der Beschwerdeführer bei der Rückreise in die Türkei,
neben den oben erwähnten Befragungen keinen weiteren
Repressalien seitens der Behörden ausgesetzt sein wird. Es ist davon
auszugehen, dass gegen ihn in der Türkei nie ein Strafverfahren
eingeleitet worden ist. Die Vorbringen betreffend die Ausreise im Jahr
2005 sind, wie in den Erwägungen 4.2 ff. oben ausgeführt,
unglaubhaft. Eigenen Angaben zufolge konnte der Beschwerdeführer
nach den angeblichen Vorfällen in den 90-er Jahren mehrere Jahre
unbehelligt und ohne zu erleidende Repressalien seitens der
Behörden in der Türkei leben. Bei dieser Sachlage ist davon
auszugehen, dass die türkischen Behörden kein explizites Interesse
am Beschwerdeführer zeigen werden. Dass der Vater des
Beschwerdeführers untergetaucht sein soll, bleibt blosse Behauptung.
Dass dem Beschwerdeführer keine Reflexverfolgung droht, wird auch
dadurch untermauert, dass ein Onkel des Beschwerdeführers, auf
dessen Asylverfahren beziehungsweise die Gewährung von Asyl in der
Schweiz sich der Beschwerdeführer in seinen Vorbringen explizit
bezieht, um "Annullierung des Flüchtlingsstatutes" bei der Vorinstanz
ersucht hat, da die Gründe anscheinend nicht mehr bestünden,
weshalb er dannzumal einen Asylantrag gestellt hat. Eine begründete
Furcht vor Reflexverfolgung ist, in Übereinstimmung mit der
Vorinstanz, selbst bei enger Verwandtschaft mit Personen, nach
welchen landesweit gefahndet wird, keinesfalls automatisch gegeben.
Allein wegen Verwandtschaft mit einer gesuchten Person wird in der
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Türkei noch kein Strafverfahren eingeleitet. Die betroffene Person wird
daher auch nach einer allfälligen Verhaftung nach der maximal
zulässigen Polizeihaft wieder auf freien Fuss gesetzt. Daran vermag
auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf den Bericht der SFH zur
aktuellen Situation in der Türkei vom Oktober 2007 nichts zu ändern.
Der Beschwerdeführer verweist auf die Seiten 16 f. dieses Berichts.
Dort wird jedoch das Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen
vermeintliche Mitglieder der MLKP beschrieben, die in Bombenan-
schläge verwickelt, also mithin terroristische Aktivitäten ausgeübt ha-
ben sollen. Der Beschwerdeführer hat nie vorgebracht, ebenfalls bei
solchen Anschlägen beteiligt oder zumindest verdächtigt worden zu
sein, daran mitgewirkt zu haben. Der Beschwerdeführer führt in seiner
Eingabe vom 7. Mai 2008 explizit darauf hin, dass er keine Angst vor
einer Festnahme in der Türkei habe, was ebenfalls gegen die behaup-
tete Reflexverfolgung spricht. Auch die eingereichten Schreiben kön-
nen, da sie von nahestehenden Personen beziehungsweise fast aus-
schliesslich von Verwandten stammen, nicht zu einer anderen Beurtei-
lung führen, weil sie nicht geeignet sind , objektiv die behauptete Ge-
fährdung des Beschwerdeführers zu belegen. Bei dieser Sachlage ist
eine begründete Furcht vor künftiger Reflexverfolgung zu verneinen.
5.6 Zu prüfen bleibt also noch, ob der Beschwerdeführer subjektive
Nachfluchtgründe geltend machen kann.
5.7 Gemäss Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts ist zwar
davon auszugehen, dass die türkischen Sicherheitsbehörden die Akti-
vitäten der jeweiligen Exilgemeinschaften in einem gewissen Ausmass
überwachen und mittels elektronischer Datenbanken registrieren. Un-
ter diesen Umständen besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür,
dass Auslandsaktivitäten von Personen, welche erkennbar in der
MLKP – wie es der Beschwerdeführer angeblich sein will – mitwirken
und individuell identifiziert werden können, im Falle einer Zwangsrück-
schaffung dem türkischen Sicherheitsdienst am Flughafen bekannt
würden. Es dürfte davon auszugehen sein, dass die türkischen Sicher-
heitsorgane eine zwangsweise aus dem Ausland zurückgeführte Per-
son, die für die MLKP exponiert tätig ist, nach wie vor als zu verfolgen-
den Gegner der Regierung ansehen würden. Angesichts der nicht un-
erschöpflichen Ressourcen des türkischen Nachrichtendienstes mag
sich die Frage nach der aktuellen Überwachungsdichte in der Schweiz
stellen, welche indes in casu offen bleiben kann. Von Bedeutung ist
vorliegend die tatsächliche Erkennbarkeit der behaupteten exilpoliti-
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schen Tätigkeit, die Individualisierbarkeit des Beschwerdeführers so-
wie seine konkrete exilpolitische Tätigkeit. Ein exponierter exilpoliti-
scher Einsatz des Beschwerdeführers, der ihn ins Zentrum des Inter-
esses des türkischen Nachrichtendienstes rücken könnte, ist aufgrund
der vorliegenden Akten zu verneinen. Der Beschwerdeführer hat zwar
verschiedene Dokumente eingereicht, die ihn bei Kundgebungen zei-
gen, ansonsten brachte er jedoch kein weiterreichendes exilpolitisches
Engagement in der Schweiz vor. In diesem Zusammenhang ist festzu-
halten, dass bei behaupteten subjektiven Nachfluchtgründen in der
Regel ein strikter Beweis möglich und deshalb erforderlich ist (vgl.
WALTER STÖCKLI, Asyl, in: PETER UEBERSAX/PETER MÜNCH/THOMAS
GEISER/MARTIN ARNOLD {Hrsg.} Ausländerrecht, Handbücher für die An-
waltspraxis, Band VIII, Basel u.a. 2002, S. 365 Rz. 8.125).
5.8 Entgegen den anderslautenden Ausführungen in den verschiede-
nen Beschwerdeeingaben, ist es unwahrscheinlich, dass die türki-
schen Sicherheitsbehörden sich explizit für das sich an der Teilnahme
an Kundgebungen erschöpfende Engagement des Beschwerdeführers
für die MLKP interessieren. Es ist davon auszugehen, dass die türki-
schen Behörden nur dann ein Interesse an der Identifizierung einer
Person haben, wenn deren Aktivitäten als konkrete Bedrohung für das
politische System wahrgenommen werden. Für die Annahme, der Be-
schwerdeführer habe sich in dieser besonderen Art und Weise betä-
tigt, bestehen keine Anhaltspunkte. Er gehört mit Sicherheit nicht zur
Zielgruppe des "harten Kerns" von aktiven oppositionellen Kurden im
Ausland, für die sich die türkischen Behörden interessieren. Der Be-
schwerdeführer reichte keine Beweismittel ein, die ihn in einer Kader-
position oder einer sonstigen exponierten Stellung in der entsprechen-
den Partei zeigen würden. Wieweit er mit seinen angeblichen politi-
schen Aktivitäten in der Schweiz in eine solche leitende Parteifunktion
hineingewachsen sein soll, vermag der Beschwerdeführer nicht genü-
gend substantiiert vorzubringen. Sein politisches Engagement in der
Schweiz muss demnach als geringfügig bezeichnet werden. Es ist des-
halb davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin, welcher in der
Türkei bezeichnenderweise keine politische Tätigkeit glaubhaft ma-
chen konnte, bei einer Rückkehr in sein Heimatland keine asylrechtlich
relevante Gefährdung zu befürchten, sondern lediglich mit den übli-
chen Routinebefragungen zu rechnen hat. Es dürfte den türkischen
Behörden aufgefallen sein, dass die exilpolitische Betätigung vieler
türkischer Asylbewerber nach der Ablehnung ihrer Asylgesuche regel-
mässig drastisch zunimmt respektive intensiver wird oder überhaupt
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erst ab diesem Zeitpunkt einsetzt, was das geltend gemachte politi-
sche Engagement als zweifelhaft erscheinen lässt. Im vorliegenden
Verfahren fehlen jegliche stichhaltige Hinweise darauf, dass gegen den
Beschwerdeführer aufgrund der vorgebrachten Aktivitäten in der Türkei
ein Strafverfahren oder andere behördliche Massnahmen eingeleitet
worden sind. In diesem Zusammenhang ist unter Hinweis auf die in
Art. 8 AsylG verankerte Mitwirkungspflicht festzuhalten, dass es nicht
Sache der schweizerischen Asylbehörden sein kann, jede auch nur
ansatzweise und abstrakt mögliche Gefährdungssituation im Heimat-
land des Beschwerdeführers abklären zu müssen. Subjektive Nach-
fluchtgründe im Sinne von Art. 54 AsylG liegen demnach nicht vor,
weshalb die Vorinstanz zu Recht die Flüchtlingseigenschaft des Be-
schwerdeführers verneint hat. Die erhobene Rüge erweist sich als un-
begründet.
5.9 Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer
nicht darzutun vermochte, dass er einer Verfolgung im Sinne von Art. 3
AsylG ausgesetzt war oder begründete Furcht hat, einer solchen aus-
gesetzt werden zu können. Er kann daher nicht als Flüchtling aner-
kannt werden. Die Vorinstanz hat das Asylgesuch des Beschwerdefüh-
rers demnach zu Recht abgelehnt.
6.
6.1 Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht
ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und
ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Ein-
heit der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
6.2 Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtli-
che Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung ei-
ner solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet
(Art. 44 Abs. 1 AsylG; EMARK 2001 Nr. 21).
7.
7.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar
oder nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsver-
hältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Auf-
nahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bun-
desgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und
Ausländer [AuG, SR 142.20]).
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7.2 Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtun-
gen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Auslän-
ders in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenste-
hen (Art. 83 Abs. 3 AuG).
So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land ge-
zwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus ei-
nem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Ge-
fahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art.
5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom
28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR
0.142.30]).
Gemäss Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), Art. 3 des Über-
einkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grau-
same, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
(FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 der Konvention vom 4. No-
vember 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(EMRK, SR 0.101) darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder
erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
7.3 Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend
darauf hin, dass der Grundsatz der Nichtrückschiebung nur Personen
schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen (vgl. MARIO GATTIKER,
Das Asyl- und Wegweisungsverfahren, 3. Aufl., Bern 1999, S. 89). Da
es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erheb-
liche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann das
in Art. 5 AsylG verankerte Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Re-
foulements im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine
Rückkehr des Beschwerdeführers in den Heimatstaat ist demnach un-
ter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.
Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdefüh-
rers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall ei-
ner Ausschaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahr-
scheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen
Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss Praxis des Europäi-
schen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des
UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine kon-
krete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm
im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung
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drohen würde (vgl. EMARK 2001 Nr. 16 S. 122, mit weiteren
Hinweisen; EGMR, Bensaid gegen Grossbritannien, Urteil vom 6.
Februar 2001, Recueil des arrêts et décisions 2001-I, S. 327 ff.). Auch
die allgemeine Menschenrechtssituation im Heimatstaat lässt den
Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt klarerweise nicht als
unzulässig erscheinen. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der
Wegweisung sowohl im Sinne der asyl- als auch der völkerrechtlichen
Bestimmungen zulässig.
7.4 Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen
und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunfts-
staat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner
Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine
konkrete Gefährdung festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83 Abs.
7 AuG – die vorläufige Aufnahme zu gewähren (vgl. Botschaft zum
Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März
2002, BBl 2002 3818).
7.5 Vorliegend ist der Vollzug als zumutbar zu erachten, weil keine
Hinweise dafür erkennbar sind, der Beschwerdeführer wäre bei einer
Rückkehr in die Türkei aufgrund der allgemeinen Lage einer konkreten
Gefährdung ausgesetzt. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den
Wegweisungsvollzug in die Türkei gestützt auf die allgemeine Lage als
generell zumutbar.
7.5.1 Der Beschwerdeführer stammt aus B._______, wo er bis zu
seiner Ausreise fast sein ganzes Leben lang gelebt hat. Nach
geltender Praxis ist eine Rückkehr in dieses Gebiet der Türkei als
zumutbar zu erachten, zumal sich die Sicherheitslage im Südosten
und im Süden der Türkei in den letzten Jahren soweit entspannt hat,
dass der Ausnahmezustand aufgehoben werden konnte (vgl. EMARK
2004 Nr. 8).
7.5.2 Der gestützt auf die Aktenlage junge und gesunde Beschwerde-
führer verfügt in seinem Heimatland über ein tragfähiges Beziehungs-
netz, auf das er sich bei seiner Rückkehr stützen kann. In der Türkei
leben sowohl seine Mutter als auch sein Bruder. Zudem hat der Be-
schwerdeführer gemäss eigenen Angaben vor seiner Ausreise als
Chauffeur bei einer Firma gearbeitet, die Kohlentransporte ausführt. Er
kann sich also beispielsweise nach seiner Rückkehr wiederum als
Chauffeur betätigen. Unter diesen Umständen dürfte die Wiederein-
gliederung in seinem Heimatland möglich sein.
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Nach dem Gesagten erweist sich Vollzug der Wegweisung auch als zu-
mutbar.
7.6 Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zu-
ständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwen-
digen Reisedokumente zu beschaffen (Art. 8 Abs. 4 AsylG), weshalb
der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art.
83 Abs. 2 AuG).
8.
Insgesamt ist die durch die Vorinstanz verfügte Wegweisung zu bestä-
tigen. Die Vorinstanz hat deren Vollzug zu Recht als zulässig, zumut-
bar und möglich erachtet. Nach dem Gesagten fällt eine Anordnung
der vorläufigen Aufnahme ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AuG).
9.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig
und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die Be-
schwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen.
10.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären dessen Kosten dem Be-
schwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 5 VwVG). Da die
Rechtsbegehren des Beschwerdeführeres als nicht aussichtslos zu er-
achten waren, hiess der damals zuständige Instruktionsrichter der
ARK vorbehältlich der Einreichung einer Fürsorgebestätigung mit Zwi-
schenverfügung vom 8. Juni 2005 das Gesuch des bedürftigen Be-
schwerdeführers um Erlass der Verfahrenskosten gut und verzichtete
in der Folge auf die Erhebung eines Kostenvorschusses. Vorliegend ist
nicht davon auszugehen, die finanzielle Lage des Beschwerdeführers
habe sich zwischenzeitlich verändert, weshalb dieser weiterhin als mit-
tellos im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG zu erachten ist. Es sind dem-
nach keine Verfahrenskosten zu erheben. Ausgangs gemäss ist keine
Parteientschädigung auszurichten.
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
3.
Es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet.
4.
Dieses Urteil geht an:
- den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (Einschreiben)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt und Rückkehrförderung, mit den Ak-
ten Ref.-Nr. _______ (per Kurier; in Kopie)
- (...) (in Kopie)
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Fulvio Haefeli Daniel Stadelmann
Versand:
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