D-4313/2006 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Flüchtlingseigenschaft; Asyl; Wegweisung; Vollzug
Karar Dilini Çevir:
D-4313/2006 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Flüchtlingseigenschaft; Asyl; Wegweisung; Vollzug
Abtei lung IV
D-4313/2006/cvv
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 5 . J u n i 2 0 0 9
Richterin Nina Spälti Giannakitsas (Vorsitz),
Richterin Muriel Beck Kadima, Richter Hans Schürch,
Gerichtsschreiber Lorenz Mauerhofer.
A._______, geboren ...,
Kongo (Kinshasa),
vertreten durch Afra Weidmann,
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom
20. Mai 2005 / N _______.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
D-4313/2006
Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer – ein Staatsangehöriger der Demokratischen
Republik Kongo (Kongo-Kinshasa), welcher bis Oktober 2002 in der
Hauptstadt Kinshasa ansässig und dort als Geschäftsmann tätig ge-
wesen sei – verliess seine Heimat eigenen Angaben zufolge Ende Juni
2003. Er habe sich von seinem damaligen Aufenthaltsort in der Provinz
Bandundu (östlich von Kinshasa gelegen) in die Republik Kongo (Kon-
go-Brazzaville) begeben, wo er sich rund einen Monat bei einem
Freund in der Hauptstadt Brazzaville aufgehalten habe. Am 1. August
2003 sei er von dort auf dem Luftweg – ausgestattet mit einem ihm
nicht zustehenden Diplomatenpass – via Äthiopien nach Italien ge-
langt, von wo er am 3. August 2003 in die Schweiz eingereist sei.
Am 4. August 2003 reichte er in der Empfangsstelle des damals zu-
ständigen Bundesamtes für Flüchtlinge (BFF) in Vallorbe (heute: Emp-
fangs- und Verfahrenszentrum des BFM) ein Asylgesuch ein. Am
1. September 2003 fand im Transitzentrum des BFF in Altstätten die
Kurzbefragung statt und am 4. September 2003 wurde der Beschwer-
deführer von der damals zuständigen kantonalen Behörde einlässlich
zu seinen Gesuchsgründen angehört.
B.
Zur Begründung seines Gesuches machte der Beschwerdeführer zur
Hauptsache geltend, er habe seine Heimat verlassen, weil ihm dort
der Tod drohe. Dabei führte er an, die Gründe für seine Ausreise reich-
ten ins Jahr 1999 zurück, wobei er auf mehrere parallele, angeblich
aber miteinander in Verbindung stehende Ereignisse verwies. Als Aus-
gangspunkt seiner Probleme bezeichnete er eine Streitigkeit mit einem
Verwandten des Präsidenten Laurent-Desirée Kabila, bei welcher es
um einen requirierten Geländewagen gegangen sei. In der Folge sei
die Kündigung seines langjährigen Vertrages als ...händler mit der Fir-
ma B._______ im Mai 1999 hinzugekommen, was zu mehreren Ge-
richtsverfahren zwischen ihm und der Firma B._______ geführt habe.
Schliesslich sei er im Oktober 2002 aufgrund seiner früheren Kontakte
zu Eddy Kapend, dem ehemaligen Adjutanten von Präsident Laurent-
Desirée Kabila und angeblichen Drahtzieher des Attentats auf den
Präsidenten vom 16. Januar 2001, in Haft gekommen und habe mit
seinem Tod rechnen müssen.
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In seinem Vortrag zur Sache berichtete der Beschwerdeführer, wie er
sich im ...geschäft über die Jahre vom einfachen Angestellten bis zum
selbständigen ...händler hochgearbeitet habe. Angefangen habe er
1981 bei der Firma C._______, deren Geschäfte 1986 von der Firma
B._______ übernommen worden seien. Bei der Firma B._______ sei
er 1988 vom ... zum Geschäftsführer aufgestiegen und dadurch für
mehrere ... [Geschäftsstellen] zuständig gewesen. Nachdem er sich
1991 bei der Firma B._______ als Partner habe einkaufen können,
habe er 1993 einen Vertrag als beauftragter Gérant der ... [Niederlas-
sung der Firma B._______] in der Gemeinde X._______ (Kinshasa)
erhalten. 1996 habe er diese ... [Niederlassung] durch einen neuen
Vertrag als selbstständiger Wiederverkäufer übernehmen können. Sei-
ne Geschäftstätigkeit im ....handel sei jedoch abrupt beendet worden,
da ihm die Firma B._______ am 27. Mai 1999 plötzlich seinen Vertrag
gekündigt habe.
Die Kündigung der Firma B._______ stellte der Beschwerdeführer in
Zusammenhang mit einer Streitigkeit zwischen ihm und einem Ver-
wandten des damaligen Präsidenten Laurent-Desirée Kabila. Deren
Auslöser sei gewesen, dass ihm anlässlich einer Geschäftsreise in die
Provinz Bas Congo im Februar 1999 von Militärs sein Nissan Patrol
beschlagnahmt worden sei. Um das Fahrzeug wiederzuerlangen, habe
er sich am 17. März 1999 mit einem Brief an den Gouverneur der Pro-
vinz Bas Congo gewandt. Das Fahrzeug sei jedoch schon in den Be-
sitz von C._______ gelangt, einem Cousin des Präsidenten, welcher
als Kommandant einer Militärbasis in Bas Congo fungiert habe. Da der
Gouverneur von Bas Congo gegen diese Person nichts habe ausrich-
ten können, habe sich der Beschwerdeführer am 30. März 1999 mit ei-
nem Schreiben direkt an den Präsidenten gewandt und sich dort über
die Nichtrückgabe des Geländewagens beschwert. Da er keine Reakti-
on auf seinen Brief erhalten habe, habe er sich an Colonel Motindo
gewandt, welcher mit dem Colonel Kapend, dem Adjutanten von Lau-
rent-Desirée Kabila, zusammengearbeitet habe. Motindo habe sie mit-
einander bekannt gemacht und der Beschwerdeführer habe Kapend
sein Problem mit dem Geländewagen schildern können. Kapend habe
daraufhin am 11. Mai 1999 eine schriftliche Weisung an den Komman-
danten des Bas Congo gesandt, dieser solle C._______ auffordern,
den Geländewagen wieder freizugeben. Der Brief habe jedoch nichts
gefruchtet, da C._______ der Meinung gewesen sei, Kapend habe kei-
ne Kompetenz um ihm Befehle zu erteilen. Vierzehn Tage später habe
ihm (dem Beschwerdeführer) die Firma B._______ den Vertrag gekün-
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digt. Wie er später von einem Kollegen bei der Firma B._______ erfah-
ren habe, hänge diese Kündigung mit seiner Auseinandersetzung mit
dem Cousin des Präsidenten um den Geländewagen zusammen. Da
eine solche Kündigung nicht rechtens gewesen sei, habe er sich im
Juni 1999 schriftlich an die Firma B._______ gewandt, von der Firma
B._______ jedoch im Juli 1999 eine negative Antwort erhalten. Darauf-
hin habe er im August 1999 einen Anwalt konsultiert und im Septem-
ber 1999 gegen die Firma B._______ eine Klage eingereicht. Zeit-
gleich zu diesen Ereignissen – Ende September 1999 – sei er in Kin-
shasa verhaftet worden, unter dem Vorwurf, während der Rebellenan-
griffe im Jahre 1998 die Sicherheit des Staates gefährdet zu habe, in-
dem er trotz bestehender Reserven ... [keine Waren] verkauft habe,
was vor dem Hintergrund der damals herrschenden Engpässe zu Auf-
ständen hätte führen können. Er habe sich während einer Woche im
Polizeihauptquartier, dem Circo respektive der Inspection Provincial de
Police de Kinshasa (IPK), in Haft befunden und sei während dieser
Zeit schwer geschlagen, mit einem Messer verletzt und zudem durch
einen Militär vergewaltigt worden. Er habe jedoch aus der Haft Verbin-
dung zu seiner Frau aufnehmen können, welche an Colonel Motindo
gelangt sei. Motindo sei zu Colonel Kapend gegangen, welcher in der
Folge die Entlassung des Beschwerdeführers angeordnet habe. Ka-
pend habe daraufhin vom Beschwerdeführer wissen wollen, ob im Jah-
re 1998 tatsächlich ... [Waren] zurückbehalten worden sei. Der Be-
schwerdeführer habe ihm dies bestätigen können; es habe damals
eine entsprechende Anweisung von der Firma B._______ existiert, da
der ...verkauf zu jener Zeit nicht rentabel gewesen sei. Er habe Ka-
pend diesbezüglich auch Beweise vorlegen können, worauf Kapend
beim Militärgerichtshof die Verhaftung von ...-Direktoren [der Firma
B._______] veranlasst habe, respektive er von Kapend angehalten
worden sei, beim Militärgerichtshof eine Anzeige gegen die Firma
B._______ einzureichen. Als Folge davon seien im November 1999
eine ganze Reihe von ...-Direktoren [der Firma B._______] verhaftet
worden. Da die Firma B._______ eine multinationale Gesellschaft sei,
habe sich die Firma B._______ jedoch aus der Affäre ziehen können
und die Direktoren seien nach zwei Tagen wieder freigekommen.
Er selbst habe seinen Zivilprozess gegen die Firma B._______ fortge-
setzt und diesen Prozess sowohl vor der erster Instanz, dem Tribunal
de Grande Instance in ... Kinshasa, als auch vor der zweiten Instanz,
dem Tribunal de la Cour d'Appel in ... Kinshasa, gewonnen; im Dezem-
ber 2000 sei die Firma B._______ endgültig zu einer Zahlung im Ge-
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genwert von rund 300'000 US-Dollar verurteilt worden. Dabei sei wäh-
rend des laufenden Prozesses, am 30. Dezember 1999, seine Ehefrau
entführt, geschlagen und vergewaltigt worden, was der Beschwerde-
führer damals als Einschüchterungsmassnahme aufgefasst habe.
Mit dem Gerichtsurteil vom Dezember 2000 hätte die Sache eigentlich
endgültig entschieden sein sollen. Zum Vollzug des Urteils – zur Zah-
lung an ihn – sei es jedoch nicht gekommen, da nach einer Interventi-
on eines Beraters des Justizministeriums das Urteil nicht vollzogen
worden sei. Vor diesem Hintergrund sei er im März 2001 mit einem
Brief an den Justizminister gelangt, mit Kopie an den Präsidenten der
Menschenrechtsorganisation DRK, wobei er die unrechtmässige Inter-
vention des Justizministers angeklagt habe. Durch die Blockade des
Justizministeriums sei das Urteil schliesslich nie rechtskräftig gewor-
den und die zugesprochene Entschädigung sei ihm nie ausbezahlt
worden.
Im September 2001, als er an einer Versammlung mit seiner Gebets-
gruppe teilgenommen habe, seien er und die anderen Anwesenden
von bewaffneten Sicherheitsleuten in Zivil festgenommen worden; sie
seien in der Folge während zwei Tagen in einem Militärcamp eingeker-
kert worden. Am 25. September 2001 sei es zudem zu einem gegen
seine damals 11-jährige Tochter M.E. gerichteten Entführungsversuch
gekommen; seine Tochter, welche ein katholisches Lycée besucht
habe, sei vor der Schule von einem oder mehreren Unbekannten in ein
Auto gezerrt und nur aufgrund glücklicher Umstände respektive durch
das Eingreifen einer katholischen Schwester, welche den Vorfall zufäl-
lig beobachtet habe, und mit Hilfe eines Pfarrers wieder befreit wor-
den. Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse sei er misstrauisch gewor-
den und habe sich zu einem Umzug innerhalb von Kinshasa entschie-
den; er sei im Oktober 2001 von X._______ nach Y._______ umgezo-
gen. Zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen in dieser Zeit führte der
Beschwerdeführer aus, dass er nach der Vertragsauflösung mit der
Firma B._______ weiterhin als Händler tätig gewesen sei, jedoch nicht
mehr mit ... gehandelt habe; er habe Schiffe angemietet, sei in andere
Provinzen gereist und habe mit ..., ... und ... gehandelt. Nebenbei habe
er eine in Kinshasa stationierte ... [Firma] betrieben. Diesen Tätigkei-
ten sei er bis zu seiner erneuten Festnahme im September 2002 nach-
gegangen.
Im September 2002 sei er in Kinshasa angehalten und zusammen mit
einem Kollegen erneut verhaftet worden. Nunmehr sei ihm vom Militär-
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gerichtshof eine Komplizenschaft mit dem Colonel Eddy Kapend beim
Attentat auf den Präsidenten vom Januar 2001 vorgeworfen worden.
Möglicherweise sei er zu jener Zeit vom Sicherheitsdienst überwacht
worden, indes habe er bis zu seiner Festnahme nichts derartiges be-
merkt. Beim Militärgerichtshof sei ihm der Brief vorgehalten worden,
welcher Kapend an den Kommandanten des Bas Congo gesandt habe,
und man habe ihm vorgeworfen, mit Kapend gute Verbindungen ge-
pflegt zu haben. Vom Militärgerichtshof sei zudem auch das alte Dossi-
er betreffend die Zurückhaltung von ... [Waren] wieder ausgegraben
worden. Während seiner Haft sei er vom Sekretär von Colonel Alamba,
der Chef des Militärgerichtshofes, im Gefängnis besucht worden. Da-
bei sei angedeutet worden, dass er umgebracht werden solle. Der Se-
kretär von Alamba habe ihm aber auch gesagt, wenn der Beschwerde-
führer Geld habe, so könne er respektive Colonel Alamba etwas für ihn
tun. Der Sekretär habe in der Folge 15'000 US-Dollar gefordert, worauf
die Ehefrau des Beschwerdeführers einen Betrag von immerhin 10'000
US-Dollar habe aufbringen können. Es sei davon auszugehen, dass
nicht nur der Sekretär, sondern auch dessen Chef Colonel Alamba von
diesem Betrag einen Anteil kassiert habe. Er sei daraufhin – nach ins-
gesamt zwei Wochen Haft – im Oktober 2002 freigekommen; er sei um
Mitternacht mit Hilfe des Sekretärs aus dem Gefängnis gekommen,
habe sich kurz nach Hause begeben und sei anschliessend um zwei
Uhr morgens nach ... gefahren. Von ... habe er sich zwei Wochen spä-
ter nach ... respektive ... (Provinz Bandundu) begeben. Dort habe er
sich versteckt gehalten, bis er im Juni 2003 seine Heimat verlassen
habe.
Anlässlich der Gesuchseinreichung legte der Beschwerdeführer im
Original seine Ersatz-Identitätskarte (Attestation de Perte des Pièces
d'Identité vom 20. November 2001) und einen Nationalitätenausweis
vom 10. April 1999 vor. Ausserdem reichte er als Beweismittel eine
umfangreiche Dokumentensammlung zu den Akten, umfassend – ne-
ben Fotos und einigen älteren Dokumenten – zur Hauptsache Belege
zu den vorstehend erwähnten Briefen (alle Briefe im Original, soweit
an den Beschwerdeführer gerichtet, respektive als beglaubigte Kopie,
soweit von ihm an Behörden versandt). Ausserdem legte er eine Kopie
des vorerwähnten Urteils in Sachen Firma B._______ vom 28. Dezem-
ber 2000 vor.
C.
Mit Eingaben vom 20. Juli 2004 und vom 12. Januar 2005 reichte der
Beschwerdeführer beim BFF respektive beim BFM einlässliche ärztli-
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che Berichte vom 28. Oktober 2003, vom 7. Januar 2004 und vom
8. Juli 2004 zu den Akten. Darin wird über eine Erkrankung des Be-
schwerdeführers an einem Morbus Behçet (Morbus Adamantides-
Beçet, eine schubweise verlaufende Immundefekt-Krankheit aus dem
rheumatischen Formenkreis) und das Vorliegen einer Osteoporose
(übermässig rascher Abbau der Knochensubstanz und -struktur) sowie
einem Augenleiden, namentlich zentrale Katarakte beidseits (Grauer
Star; Trübung der Augenlinsen) zufolge chronischer Steroideinnahme
(langzeitiger Einnahme von Rheuma-Medikamenten) berichtet. In den
ärztlichen Berichten wurden ferner Mutmassungen über das Vorliegen
einer posttraumatischen Belastungsstörung angebracht.
Mit Eingabe vom 9. März 2005 reichte der Beschwerdeführer ein Sch-
reiben des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Kantons Schwyz vom
3. März 2005 zu den Akten, worin bestätigt wird, dass sich der Be-
schwerdeführer seit dem 15. Juni 2004 in psychotherapeutischer Be-
handlung befinde.
D.
Mit Verfügung vom 20. Mai 2005 – eröffnet am 23. Mai 2005 – wies
das BFM das Asylgesuch des Beschwerdeführers ab und ordnete
gleichzeitig dessen Wegweisung aus der Schweiz sowie den Wegwei-
sungsvollzug an. In seiner Entscheidbegründung erklärte das BFM die
vom Beschwerdeführer geltend gemachte Gefährdungslage als un-
glaubhaft, wobei es anführte, in dessen Angaben seien Widersprüche
auszumachen und dessen Ausführungen seien in zentralen Punkten
realitätsfremd. Die Schilderungen des Beschwerdeführers zur geltend
gemachten Verhaftung im Jahre 2002 bezeichnete es zudem als un-
substanziiert. In seinen weiteren Erwägungen erklärte das BFM die
behördlichen Massnahmen gegen den Beschwerdeführer in Zusam-
menhang mit der Rückbehaltung von ... [Waren] als flüchtlingsrechtlich
nicht relevant, wobei es ausführte, dabei habe es sich offensichtlich
um eine Untersuchung eines strafrechtlichen Tatbestandes und damit
um einen rechtsstaatlich legitimen Akt gehandelt. Als ebenfalls flücht-
lingsrechtlich nicht relevant erkannte es die Kündigung des Werkver-
trages durch die Firma B._______, da diesbezüglich keine asylrele-
vante Verfolgungsmotivation der Behörden zu erkennen sei. Schliess-
lich erklärte das BFM die vom Beschwerdeführer für die Jahre 1999
bis 2001 geltend gemachten Ereignisse als nicht ausreiserelevant und
betreffend die vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel merkte
es an, dass damit keine konkrete asylrechtlich relevante Gefährdungs-
lage belegt werde. Im seinen weiteren Erwägungen erklärte das BFM
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den Vollzug der Wegweisung nach Kongo-Kinshasa als zulässig, auch
unter Berücksichtigung der geltend gemachten Erkrankungslage als
zumutbar und schliesslich auch als möglich.
E.
Gegen den Entscheid des BFM reichte der Beschwerdeführer am
22. Juni 2005 – handelnd durch seine Rechtsvertreterin – bei der da-
mals zuständigen Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) Be-
schwerde ein. In seiner Eingabe beantragte er zur Hauptsache die Auf-
hebung der angefochtenen Verfügung die Gewährung von Asyl, even-
tualiter die Anordnung einer vorläufigen Aufnahme in der Schweiz zu-
folge Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges. Ausserdem ersuch-
te er um Erlass der Verfahrenskosten und um Befreiung von der Kos-
tenvorschusspflicht.
In seiner Eingabe hielt der Beschwerdeführer an seinen Gesuchsvor-
bringen fest und machte vorab geltend, von Seiten des BFM seien die
von ihm eingereichten Beweismittel in keiner Weise gewürdigt worden,
das BFM habe es ferner unterlassen, seine Angaben zu überprüfen
und vom BFM sei der politische Zusammenhang der Affäre gänzlich
ausgeblendet worden. Richtig sei, dass er als erfolgreicher Geschäfts-
mann ein Unrecht erlitten, er sich daraufhin mit hochgestellten Persön-
lichkeiten angelegt und in der Folge in ebensolchen Kreisen wiederum
Unterstützung gefunden habe. Seine Kontakte seien mit den vorgeleg-
ten Beweismitteln lückenlos belegt. Die vorinstanzlichen Vorhalte be-
treffend angebliche Widersprüche in seinen Ausführungen erklärte er
dabei unter Hinweis auf die entsprechenden Aktenstellen als nicht
stichhaltig und den Vorhalt der Realitätsfremdheit seiner Vorbringen
unter Berufung auf die in Kinshasa herrschenden Verhältnisse als un-
begründet. Unter Verweis auf seine Klage gegen C._______ vom 30.
März 1999, welche nicht nur an den Präsidenten, sondern an eine
ganze Reihe von Personen gegangen sei, machte er geltend, dass
aufgrund seiner regimekritischen Äusserungen nicht erstaune, dass er
andauernd Repressionen ausgesetzt worden sei. Im Übrigen warf der
Beschwerdeführer dem BFM unter Verweis auf diverse Punkte im an-
gefochtenen Entscheid eine nachlässige Entscheidredaktion vor.
Im seinen weiteren Ausführungen erklärte der Beschwerdeführer den
Wegweisungsvollzug aufgrund seiner schwerwiegenden Erkrankung
an einer seltenen Autoimmunkrankheit, welche bestimmte Therapien
erfordere und deren in seiner Heimat erfolgten Fehlbehandlung bereits
Schäden bei ihm hervorgerufen habe, als unzumutbar.
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Seiner Eingabe legte er als Beweismittel unter anderem mehrere Pres-
seberichte bei, namentlich betreffend Colonel Kapend und Colonel
Motindo, welche am 7. Januar 2003 vom Militärgerichtshof in Kinshasa
zum Tode verurteilt worden seien, sowie betreffend Colonel Alamba,
dem ehemaligen Chefankläger jenes Militärgerichtshofes, welcher auf-
grund eigener massiver Vergehen am 5. Oktober 2004 seinerseits zum
Tode verurteilt worden sei.
F.
Mit Zwischenverfügung der ARK vom 27. Juni 2005 wurde dem Ge-
such um Befreiung von der Kostenvorschusspflicht implizit entspro-
chen, indem für den Entscheid über das Gesuch um Erlass der Verfah-
renskosten auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen wurde.
G.
Nach Einladung zum Schriftenwechsel hielt das BFM in seiner Ver-
nehmlassung vom 21. Juli 2005 – unter Verweis auf seine bisherigen
Erwägungen – am angefochtenen Entscheid fest und beantragte die
Abweisung der Beschwerde. Die vorinstanzliche Vernehmlassung wur-
de dem Beschwerdeführer am 25. Juli 2005 zur Kenntnisnahme zuge-
stellt.
H.
Mit Eingabe vom 9. Oktober 2006 reichte der Beschwerdeführer als
Beweismittel verschiedene Gerichtsakten nach, welche im September
2006 von seinem Rechtsanwalt beim zuständigen Gericht einverlangt
worden seien. Diese Akten betrafen namentlich ein gegen verschiede-
ne Mitarbeiter der Firma B._______ geführtes Strafverfahrens wegen
der Rückbehaltung von ... [Waren], welches am 19. November 1999
angehoben worden war und mit richterlichem Beschluss vom 30. März
2000 wieder eingestellt wurde. Ferner betrafen sie einen im Nachgang
zu diesem Verfahren von den Betroffenen und die Firma B._______
gegen den Beschwerdeführer angehobener Zivilprozess, weil dieser
im vorgenannten Verfahren am 22. November 1999 zu Unrecht eine
Aussage gegen die Firma B._______ gemacht habe, welche zur Ver-
haftung von ...-Angestellten [der Firma B._______] geführt habe. Ge-
mäss den vorgelegten Unterlagen sowie den Ausführungen des Be-
schwerdeführers wurde er am 21. November 2001 in dieser Sache zu
einer Entschädigungszahlung verurteilt. Ausserdem reichte der Be-
schwerdeführer die beglaubigte Kopie einer von ihm am 26. Juni 2001
an verschiedene Behörden gerichtete Eingabe zu den Akten, in wel-
cher er sich über die Blockierung der ihm zugesprochenen Entschädi-
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gungszahlung von der Firma B._______ beklagte. In Zusammenhang
mit den nachgereichten Beweismitteln führte seine Rechtsvertreterin
aus, was als höchst komplizierte Rechtsgeschichte erscheine zeige
auf, dass sich der Beschwerdeführer mit allzu mächtigen Gegnern an-
gelegt habe. Zudem werde ersichtlich, dass das den Beschwerdefüh-
rer betreffende Dossier durchaus noch vorhanden sei und er im Falle
einer Rückkehr in seine Heimat massiv gefährdet wäre.
I.
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren
per 1. Januar 2007 von der ARK übernommen hatte, liess der Be-
schwerdeführer durch seine Rechtsvertreterin am 5. Dezember 2007
einen ärztlichen Kurzbericht vom 23. November 2007 sowie ein per-
sönliches Schreiben vom 15. Februar 2007 nachreichen. In der Einga-
be wurde ferner ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer weiterhin
beim Sozialpsychiatrischen Dienst in Behandlung befinde. Im Rahmen
der Eingabe machte die Rechtsvertreterin unter Verweis auf den Inhalt
des persönlichen Schreibens des Beschwerdeführers geltend, die poli-
tischen Probleme des Beschwerdeführers in seiner Heimat beständen
weiter, namentlich sei es zu einer Hausdurchsuchung bei der Familie
des Beschwerdeführers gekommen, bei welcher weiteres belastendes
Material gefunden worden sei.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet endgültig über Be-
schwerden gegen Verfügungen des BFM auf dem Gebiet des Asyls
(Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 31 - 34 des Verwaltungsgerichtsgesetzes
vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundes-
gerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Das Bundesverwaltungsgericht hat am 1. Januar 2007 die Beurtei-
lung der am 31. Dezember 2006 bei der ARK hängigen Rechtsmittel
übernommen. Dabei gelangt das neue Verfahrensrecht zur Anwendung
(Art. 53 Abs. 2 VGG).
1.3 Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht können die
Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Fest-
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stellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessen-
heit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
1.4 Der Beschwerdeführer ist legitimiert; auf die frist- und formgerecht
eingereichten Beschwerden ist einzutreten (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48
Abs. 1 VwVG sowie Art. 50 und Art. 52 VwVG).
2.
2.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen
grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person aner-
kannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, wo sie zuletzt
wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu ei-
ner bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen An-
schauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete
Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte
Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder Frei-
heit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck
bewirken; den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tra-
gen (Art. 3 AsylG).
2.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachwei-
sen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht,
wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrschein-
lichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen,
die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich wider-
sprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich
auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7
AsylG).
3.
3.1 Aufgrund der Akten ist festzustellen, dass in den Angaben und
Ausführungen des Beschwerdeführers – anders als vom BFM erwogen
– kaum konkrete Widersprüche oder Ungereimtheiten auszumachen
sind. Der Sachverhaltsvortrag des Beschwerdeführers erscheint zwar
als umfangreich und bis zu einem gewissen Grad auch als verschlun-
gen, massgebliche Lücken lassen sich indes nicht feststellen. Gerade
auch die Komplexität der Vorbringen spricht für deren Glaubhaftigkeit,
zumal deutlichere Widersprüche zu erwarten gewesen wären, hätte
der Beschwerdeführer das Vorgebrachte nicht tatsächlich erlebt. Auch
finden sich im Sachvortrag zahlreiche Details und Realkennzeichen.
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Schliesslich werden die Vorbringen in vielen Einzelheiten durch eine
ganze Serie von Beweismitteln gestützt, deren Echtheit von der
Vorinstanz nicht in Zweifel gezogen wurde.
Entgegen den Erwägungen der Vorinstanz können die Schilderungen
des Beschwerdeführers im Weiteren auch nicht ohne weiteres als rea-
litätsfremd bezeichnet werden; die vom Beschwerdeführer eingebrach-
ten Elemente – namentlich auch die geltend gemachte Haft im Herbst
2002 und die angeblichen Umstände der damaligen Haftentlassung
durch Bestechung – lassen sich in ein nachvollziehbares Gesamtbild
fügen. Indessen fällt auf, dass der Beschwerdeführer gerade zu den
geltend gemachten Verhaftungen keine Beweismittel eingereicht hat
und er diesbezüglich nur oberflächliche Ausführungen machte. Letzt-
lich kann jedoch offen bleiben, ob die Ereignisse sich in jedem Detail
so zugetragen haben wie geltend gemacht – da wie nachfolgend aus-
geführt – nicht von einer asylrechtlich relevanten Verfolgung auszuge-
hen ist.
3.2
3.2.1 In seinem Sachverhaltsvortrag beruft sich der Beschwerdeführer
auf eine ganze Kaskade von Ereignissen, welcher nach seiner Ansicht
in ihrer Gesamtheit flüchtlingsrechtliche Relevanz zukommt. Dieser
Sichtweise ist indes nicht zu folgen, auch wenn die vorgebrachten Er-
eignisse in einer zeitlichen Abfolge stehen und auch – wenigstens teil-
weise – untereinander in einem Bezug stehen.
3.2.2 Zum geltend gemachten Ursprung der Probleme des Beschwer-
deführers – der Verlust seines Geländewagens anlässlich einer Ge-
schäftsreise im Februar 1999 – ist vorab festzuhalten, dass es sich da-
bei nicht um einen asylrechtlich relevanten Nachteil handelt. Die gel-
tend gemachte Nichtrückgabe des Fahrzeugs ist weder als genügend
intensiv zu erkennen noch erfolgte sie aus einem asylrechtlich relevan-
ten Motiv. Das Ereignis erweist sich bei objektiver Betrachtung als
blosser Diebstahl, begangen durch einen Machtmissbrauch von Seiten
eines Militärkommandanten.
Der Beschwerdeführer will sich gegen den Diebstahl seines Gelände-
wagens durch den Kommandanten C._______ durch eine Intervention
bei verschiedensten politischen Instanzen zur Wehr gesetzt haben (un-
ter anderem durch einen Kontakt zu Eddy Kapend, dem damaligen Ad-
jutanten des Präsidenten Laurent-Desirée Kabila), was den mit dem
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Präsidenten verwandten C._______ erzürnt und zu Retor-
sionsmassnahmen veranlasst habe. So sei der Beschwerdeführer, weil
er sich gewehrt habe, gezielt das Opfer unrechtmässiger Machen-
schaften geworden, indem der Cousin des Präsidenten veranlasst
habe, dass dem Beschwerdeführer sein Handelsvertrag mit der Firma
B._______ gekündigt worden sei. Es kann im Resultat offen bleiben,
ob die von der Firma B._______ ausgesprochene Kündigung
tatsächlich das Resultat eines erneuten Machtmissbrauchs von
C._______ war, da sich auch dieses Ereignis bei objektiver
Betrachtung nicht als ein asylrechtlich hinreichend intensiver Eingriff
erweist. So mag der Beschwerdeführer durch den Abbruch der
eingespielten Handelsbeziehung zu der Firma B._______ zwar einen
herben finanziellen Rückschlag erlitten haben, in seinem weiteren
wirtschaftlichen Fortkommen – nunmehr als Händler von ... [andere
Waren] und zusätzlich als Inhaber einer ... [Firma] in Kinshasa – sah
er sich jedoch nicht beeinträchtigt.
Aufgrund der Akten besteht kein Anlass zur Annahme, dass der Be-
schwerdeführer nach dem Frühjahr 1999 nochmals ins Visier von
C._______ geraten wäre. Die weiteren Ereignisse – insbesondere die
in der Folge länger dauernde Auseinandersetzung mit der Firma
B._______ (vgl. nachfolgend) – mögen zum geltend gemachten Grun-
dereignisse zwar einen historischen Bezug aufweisen, auf einen fort-
dauernden inhaltlichen Zusammenhang lässt sich demgegenüber nicht
schliessen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Auseinander-
setzung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Militärkommandan-
ten C._______ im Mai 1999 ihren endgültigen Abschluss fand. Anlass
zur Annahme, der Beschwerdeführer habe sich auch noch später vor
Behelligungen jenes Militärkommandanten zu fürchten gehabt, besteht
aufgrund der Akten nicht.
3.2.3 Die am 27. Mai 1999 erfolgte Vertragskündigung führte gemäss
den vorgelegten Beweismitteln zu einem langen Streit zwischen dem
Beschwerdeführer und der Firma B._______. Dabei geht aus den Aus-
führungen des Beschwerdeführers hervor, dass er sich gegen die Kün-
digung von Seiten seines bisherigen Handelspartners mit rechtlichen
Mitteln zur Wehr setzen konnte. Seinen Angaben zufolge verklagte er
die Firma B._______ im September 1999 vor einem ordentlichen Zivil-
gericht, was schliesslich am 28. Dezember 2000 zum Zuspruch einer
überaus hohen Schadenersatzzahlung geführt habe. Diese Schilde-
rungen lassen darauf schliessen, dass es dem Beschwerdeführer
Seite 13
D-4313/2006
durchaus möglich war, in Kinshasa zur Wahrung seiner Rechte auf
einen grundsätzlich funktionierenden Justizapparat zurückzugreifen.
Der Beschwerdeführer macht in Zusammenhang mit diesem Verfahren
geltend, seine Ehefrau sei Ende 1999 entführt, geschlagen und verge-
waltigt worden, was er damals als Einschüchterungsmassnahme auf-
gefasst habe. Er macht damit ein Ereignis von erheblicher schwere
geltend. Dennoch ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer offen-
bar von daher nicht von der Durchsetzung seiner Rechte in seinem
Forderungsprozess gegen die Firma B._______ abgehalten wurde. Auf
der anderen Seite war er nicht in der Lage, das geltend gemachte Er-
eignisse – über blosse Mutmassungen hinaus – stichhaltig mit dem
laufenden Prozess gegen seinen vormaligen Handelspartner in Verbin-
dung zu bringen. Ein „schmutziges Vorgehen“ im Verlauf eines Verfah-
rens mit hohem Streitwert mag zwar als vorstellbar erscheinen, ein
solcher Sachverhalt ist indes auch vor dem Hintergrund der vormals in
Kinshasa herrschenden Verhältnisse nicht leichthin anzunehmen. Eine
staatliche direkte oder indirekte Beteiligung an diesen Machenschaften
wurden sodann weder geltend gemacht noch lassen sie sich aus den
Akten erkennen. Der Beschwerdeführer muss sich denn auch vorhal-
ten lassen, dass er sich diesbezüglich nicht um staatlichen Schutz be-
müht hat. Aufgrund der vorliegenden Akten kann dem geltend gemach-
ten Vorfall von Ende 1999 keine weitergehende Bedeutung zugemes-
sen werden.
Der Beschwerdeführer macht in Zusammenhang mit dem Prozess ge-
gen die Firma B._______ ferner geltend, zum Vollzug des Urteils vom
28. Dezember 2000 – also zur Zahlung der ihm zugesprochenen Ent-
schädigung – sei es aufgrund einer unzulässigen Intervention des Jus-
tizministeriums vom Frühjahr 2001 nie gekommen. Er führt an, er habe
sich im März 2001 schriftlich bei mehreren Instanzen über die Blockie-
rung beklagt, und er verweist zusätzlich auf einen an verschiede Ins-
tanzen adressierten Brief von Ende Juni 2001, in welchem er die Blo-
ckierung seiner Forderungen gegen die Firma B._______ unter ande-
rem aufgrund einer Einflussnahme des Staatspräsidenten monierte.
Das Vorbringen einer unzulässigen Intervention vermag indes auf-
grund der weiteren Akten nicht zu überzeugen. Aufgrund der am 9. Ok-
tober 2006 nachgereichten Beweismitteln und der diesbezüglichen
Ausführungen des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass im
Verlauf des Jahres 2001 die Kläger- und Beklagtenrolle zwischen dem
Beschwerdeführer und der Firma B._______ wechselte. Soweit er-
sichtlich wurde nunmehr der Beschwerdeführer im Rahmen eines Zivil-
Seite 14
D-4313/2006
prozesses – wegen einer angeblich haltlosen Anzeige gegen die Firma
B._______ (vgl. dazu nachfolgend) – mit einer hohen Schadenersatz-
forderung konfrontiert, was seinen Angaben zufolge am 21. November
2001 mit seiner Verurteilung zu einer entsprechenden Zahlung geen-
det habe.
Vom Beschwerdeführer wurde geltend gemacht, im September 2001
seien er und andere von bewaffneten Sicherheitsleuten in Zivil festge-
nommen und für zwei Tage in einem Militärcamp inhaftiert worden. Zu-
sätzlich sei es Ende September 2001 zu einem gegen seine damals
11-jährige Tochter gerichteten Entführungsversuch gekommen. Der
Beschwerdeführer will auch diese beiden Ereignisse als Einschüchte-
rungsversuche verstanden wissen, was jedoch nicht zu überzeugen
vermag. Die geltend gemachte zweitägige Inhaftierung macht aufgrund
seiner Schilderungen einen erratischen Eindruck; das Ereignis lässt
sich in keinen konkreten Zusammenhang bringen und dem Beschwer-
deführer scheint aus der kurzen Haft kein Nachteil erwachsen zu sein.
Von einem gesteuerten Ereignis kann auch beim geltend gemachten
Entführungsversuch nicht ausgegangen werden, reichte zur Verhinde-
rung der Entführung die Intervention einer katholischen Schwester so-
wie eines Pfarrers. Dieser Hintergrund lässt nicht auf ein professionel-
les und zielgerichtetes Vorgehen schliessen. Angesichts der offenbar
guten finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers scheint der gel-
tend gemachte Entführungsversuch vielmehr einen rein strafrechtliche
Hintergrund gehabt zu haben. Nachdem der Entführungsversuch zu-
dem direkt vor einer Privatschule stattgefunden haben soll, wo vermu-
tungsweise viele Kinder von vermögenden Eltern anzutreffen waren,
scheint im Weiteren als fraglich, ob nicht von Seiten von Kriminellen
versucht wurde, irgend ein Kind vermögender Eltern zu ergreifen,
zwecks Forderung von Lösegeld. Die geltend gemachten Vorfällen vom
Herbst 2001 lassen im Resultat kein zielgerichtetes Vorgehen erken-
nen, weshalb auch diesen Ereignissen keine weitergehende Bedeu-
tung zuzumessen ist.
Betreffend die Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer
und der Firma B._______ muss davon ausgegangen werden, dass
sich die Parteien von Herbst 1999 bis Ende 2001 gegenseitig mit Kla-
gen eindeckten, was schliesslich zu einer Pattsituation führte. Soweit
ersichtlich konnte keine der Parteien ihre finanziellen Forderungen
durchsetzen, womit die Sache letztlich im Sand verlaufen sein dürfte.
Auf einen asylrechtlich relevanten Sachverhalt lässt der Widerstreit um
Entschädigungszahlungen nicht schliessen; es ist weder ein relevantes
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D-4313/2006
Motiv erkennbar noch lässt sich in diesem Zusammenhang ein
Moment von beachtlicher Intensität festmachen.
3.2.4 Vom Beschwerdeführer wurde im Weiteren angeführt, er sei
Ende September 1999 in Kinshasa inhaftiert worden unter dem Vor-
wurf, im Jahre 1998 ... [Waren] zurückbehalten zu haben, was die Si-
cherheit des Staates gefährdet habe. Dabei führte er an, er habe in
der fraglichen Zeit tatsächlich ...[keine Waren] verkauft, allerdings auf
eine entsprechende Weisung von der Firma B._______ hin. Diese
Schilderungen lassen nicht darauf schliessen, die Verhaftung des Be-
schwerdeführers sei aus einem asylrechtlich relevanten Motiv erfolgt.
Anlass zur Annahme, der Staat sei im Sinne eines Politmalus gegen
ihn strafrechtlich vorgegangen, besteht von daher nicht. In Zusammen-
hang mit der Verhaftung von Ende September 1999 brachte der Be-
schwerdeführer jedoch vor, er sei während seiner einwöchigen Haft im
Polizeihauptquartier von Kinshasa massiv misshandelt worden. Dabei
sind die geltend gemachten Übergriffe (er sei geschlagen, mit einem
Messer verletzt und zudem durch einen Soldaten vergewaltigt worden)
zwar als erheblich zu taxieren, aufgrund der Akten erscheinen die
Nachstellungen während der Haft indes als ein isoliertes Einzelereig-
nis, welches mit der Entlassung des Beschwerdeführers (eigenen An-
gaben zufolge auf Intervention von Eddy Kapend) seinen Abschluss
fand. Auch hier hat es der Beschwerdeführer unterlassen, gegen die in
Haft erlittenen Nachteile vorzugehen, was ihm unter den gegebenen
Umständen, stand er doch unter dem Schutz des Eddy Karpend,
durchaus zuzumuten gewesen wäre. Hinweise auf ein fortdauerndes
Verfolgungsinteresse des Staates sind sodann nicht ersichtlich und der
Beschwerdeführer sah sich nach diesem Vorfall offenkundig nicht zu
einer Ausreise aus seiner Heimat veranlasst.
Seinen Angaben zufolge entkam der Beschwerdeführer aus der Haft,
nachdem es ihm gelungen war, ein zweites Mal einen Kontakt zu Eddy
Kapend herzustellen. Der damalige Adjutant des Präsidenten habe
seine Beziehungen ausgespielt und die Freilassung des Beschwerde-
führers erwirkt. Der Beschwerdeführer scheint im Gegenzug von Ka-
pend angehalten worden zu sein, nunmehr gegen die Firma
B._______ eine Anzeige wegen der Rückhaltung von ... [Waren] in Zei-
ten einer Krise einzureichen. Es darf ohne weiteres davon ausgegan-
gen werden, dass Kapend damit eigenen Zwecke verfolgte, wofür na-
mentlich die vom Beschwerdeführer geschilderten kurzzeitige Inhaftie-
rung von mehreren ...-Direktoren [der Firma B._______] im November
1999 spricht. Gemäss den vom Beschwerdeführer am 9. Oktober 2006
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D-4313/2006
nachgereichten Beweismitteln wurde das Strafverfahren gegen
verschiedene Mitarbeiter der Firma B._______ bereits am 30. März
2000 wieder eingestellt. Das Verfahren gegen die Firma B._______
verlief somit im Sande und führte zu keinen Verurteilungen. Ein
asylrechtlicher Nachteil entstand dem Beschwerdeführer daraus
jedoch nicht. Daran ändert auch nichts, dass – soweit ersichtlich – die
Einstellung jenes Verfahrens im folgenden Jahr die Grundlage für den
von der Firma B._______ gegen den Beschwerdeführer angestrengten
Forderungsprozess war (vgl. oben).
3.2.5 Nach seinem Umzug von Kinshasa-X._______ nach Kinshasa-
Y._______ verblieb der Beschwerdeführer von Oktober 2001 bis Sep-
tember 2002 unbehelligt mit seiner Familie in seiner Heimat, wo er sei-
nen Geschäften nachging. Im September 2002 sei er schliesslich er-
neut festgenommen worden, wobei er in Zusammenhang mit dem
Mord am Präsidenten gebracht worden sei. Zusätzlich habe man ihm
erneut die Sache mit der Rückbehaltung von ... [Waren] vorgehalten.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der damals zuständige
Chefankläger Colonel Alamba auf die Kontakte zwischen dem Be-
schwerdeführer und Eddy Kapend stiess und daraufhin tatsächlich
eine Verhaftung des Beschwerdeführers angeordnet hat. Unwahr-
scheinlich ist jedoch, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Un-
tersuchungen tatsächlich ernsthaft verdächtigt worden wäre. Die Ver-
bindung zwischen dem Beschwerdeführer und Eddy Kapend, der spä-
ter zum Tode verurteilt wurde, war äusserst oberflächlich; sie be-
schränkte sich gemäss den Ausführungen des Beschwerdeführers auf
einen Kontakt im Frühjahr 1999 (in Sachen Geländewagen) und einen
nochmaligen Kontakt im Herbst 1999 (in Sachen Haftentlassung). Vor
diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwer-
deführer ernsthaft mit dem Komplott gegen den Präsidenten hätte in
Verbindung gebracht werden sollen. Diese Sichtweise wird denn auch
dadurch bestätigt, dass der Beschwerdeführer nach nur zwei Wochen
wieder aus der Haft entlassen wurde. Zwar haben sich der Colonel
Alamba und sein Sekretär dabei allenfalls persönlich bereichert, indem
sie dem Beschwerdeführer Bestechungsgelder abnahmen. Dies dürfte
ihnen umso leichter gefallen sein, wenn dem Beschwerdeführer zuvor
– wie von ihm geschildert – seine Ermordung in Aussicht gestellt wur-
de. Zu einer Entlassung wäre es jedoch kaum gekommen, wenn gegen
den Beschwerdeführer tatsächlich ernsthafte Verdachtsmomente be-
standen hätten. Auf ein fortdauerndes Verfolgungsinteresse des Staa-
tes lässt sich von daher nicht schliessen und der Beschwerdeführer
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D-4313/2006
liess sich nach seiner Entlassung aus der Haft auch mehr als ein
halbes Jahr Zeit, bevor er seine Heimat verliess.
3.2.6 Auf Beschwerdeebene wurde vom Beschwerdeführer geltend
gemacht, im Jahre 2005 sei das Haus seiner Familie durchsucht wor-
den und man habe belastendes Material gefunden. Die Natur des an-
geblich belastenden Materials wurde indes nicht konkretisiert und es
lässt sich auch aus den Akten nichts erkennen. Vor dem Hintergrund
der vorstehenden Erwägungen lassen weder die kurzen Kontakte zu
Eddy Kapend noch der einmalige Kontakt zu Colonel Alamba, der of-
fenbar in der Zwischenzeit eines Mordes an einem hohen Politiker be-
schuldigt und ebenfalls zum Tode verurteilt worden ist, die behaupte-
ten Nachforschungen von staatlicher Seite als plausibel erscheinen.
Die Vorbringen auf Beschwerdeebene erscheinen umso fragwürdiger,
als dass die angebliche Durchsuchung der Familienwohnung Jahre
nach der Ausreise des Beschwerdeführers stattgefunden haben soll.
An dieser Stelle kann nochmals darauf verwiesen werden, dass der
Beschwerdeführer nach seiner Haftentlassung im Herbst 2002 noch
monatelang in seiner Heimat verblieb, offenbar ohne dass nach ihm
gesucht worden wäre.
3.3 Aufgrund einer Gesamtwürdigung der Aktenlage kommt das Bun-
desverwaltungsgericht zum Schluss, dass der Beschwerdeführer zwar
vom Frühjahr 1999 bis zum Herbst 2002 in verschiedene Konflikte in-
volviert war, darunter auch in Konflikte mit hochrangigen Militärs, und
dass er daraus auch gewisse persönliche Nachteile erlitten hat. Von ei-
ner Verfolgung aus asylrechtlich relevanten Gründen lässt sich jedoch
auch bei einer Gesamtbetrachtung der Ereignisse nicht schliessen. Die
verschiedenen Handlungsstränge weisen zwar gewisse Bezüge zuein-
ander auf, erscheinen jedoch als jeweils abgeschlossene Etappen und
lassen keinen inneren und insbesondere fortdauernden Zusammen-
hang erkennen. Als zusätzliche persönliche Belastungsmomente für
den Beschwerdeführer anzuerkennen, sind die vorstehend als singulä-
re Ereignisse erkannten Vorfälle; auch die Erkrankung des Beschwer-
deführers muss ein für ihn zunehmend belastendes Moment gewesen
sein (vgl. dazu nachfolgend). Es lässt sich jedoch insgesamt nicht
schliessen, der Beschwerdeführer habe im Zeitpunkt seiner Ausreise
Verfolgung aus asylrechtlich relevanten Gründen zu gewärtigen ge-
habt, und eine aktuelle Gefährdungslage ist aufgrund der vorliegenden
Akten ebenfalls auszuschliessen. Auf Erwägungen zu den weiteren
Ausführungen des Beschwerdeführers kann verzichtet werden, da sie
zu keinen anderen Schlüssen führen können.
Seite 18
D-4313/2006
Zusammenfassend folgt, dass der Beschwerdeführer keine Gründe
nach Art. 3 AsylG nachweisen oder glaubhaft machen kann. Die Ab-
weisung des Asylgesuches ist daher zu bestätigen.
4.
4.1
Nachdem die Abweisung des Asylgesuches im Resultat zu Recht er-
folgt ist und der Beschwerdeführer – abgesehen vom bisherigen Asyl-
bewerberstatus – keinen ausländerrechtlichen Aufenthaltstitel besitzt
oder beanspruchen kann, ist auch die Anordnung der Wegweisung zu
bestätigen (Art. 44 Abs. 1 AsylG; Entscheidungen und Mitteilungen der
Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2001 Nr. 21).
Vor diesem Hintergrund verbleibt im Folgenden zu prüfen, ob auch der
Wegweisungsvollzug zu bestätigen ist.
4.2 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder
nicht zumutbar, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis
nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme
von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bundesgeset-
zes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer
[AuG, SR 142.20]).
Der Vollzug ist nicht möglich, wenn der Ausländer weder in den Her-
kunfts- oder in den Heimatstaat noch in einen Drittstaat verbracht wer-
den kann. Er ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen
der Schweiz einer Weiterreise des Ausländers in seinen Heimat-, Her-
kunfts- oder einen Drittstaat entgegenstehen. Der Vollzug kann insbe-
sondere nicht zumutbar sein, wenn er für den Ausländer eine konkrete
Gefährdung darstellt (Art. 83 Abs. 2 - 4 AuG).
4.3 Gemäss Rechtsprechung der ARK, welche das Bundesverwal-
tungsgericht weiterführt, sind die Bedingungen für einen Verzicht auf
den Vollzug der Wegweisung (Unzulässigkeit, Unzumutbarkeit, Unmög-
lichkeit) alternativer Natur. Sobald eine der Bedingungen erfüllt ist, ist
der Vollzug der Wegweisung als undurchführbar zu betrachten und die
weitere Anwesenheit in der Schweiz gemäss den Bestimmungen über
die vorläufige Aufnahme zu regeln (vgl. dazu EMARK 2006 Nr. 6
E. 4.2. S. 54 f., wobei zu berücksichtigen ist, dass die dort zitierte Be-
stimmung über die vorläufige Aufnahme zufolge einer schwerwiegen-
den persönlichen Notlage i.S. von Art. 44 Abs. 3 AsylG per 1. Januar
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D-4313/2006
2007 aufgehoben worden ist). Gegen eine allfällige Aufhebung der vor-
läufigen Aufnahme steht dem weggewiesenen Asylsuchenden wiede-
rum die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht offen (vgl.
Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 44 Abs. 2 AsylG). In diesem Verfahren wäre
dann der Wegweisungsvollzug vor dem Hintergrund sämtlicher Voll-
zugshindernisse von Amtes wegen nach Massgabe der in diesem Zeit-
punkt herrschenden Verhältnisse zu prüfen.
4.4 Der Vollzug der Wegweisung kann insbesondere nicht zumutbar
sein, wenn er für die ausländische Person eine konkrete Gefährdung
darstellt (vgl. dazu Art. 83 Abs. 4 AuG). Damit wird zum Ausdruck ge-
bracht, dass aus humanitären Gründen, nicht in Erfüllung völker-
rechtlicher Pflichten der Schweiz, insbesondere dann auf den Vollzug
der Wegweisung zu verzichten ist, wenn die Rückkehr in den Heimat-
oder Herkunftsstaat für die betroffene Person angesichts der dort
herrschenden allgemeinen politischen Lage, die sich durch Krieg, Bür-
gerkrieg oder durch eine Situation allgemeiner Gewalt kennzeichnet,
eine konkrete Gefährdung darstellt (EMARK 1998 Nr. 25 E. 3d S. 223;
Botschaft zum AVB, BBl 1990 II 668). Neben einer konkreten Ge-
fährdung können indes auch andere Umstände im Heimat- oder Her-
kunftsstaat dazu führen, dass der Vollzug der Wegweisung im Ein-
zelfall – aus humanitären Überlegungen – als nicht zumutbar er-
scheint. Entsprechend kommt den Asylbehörden im Rahmen der An-
wendung von Art. 83 Abs. 4 AuG ein Ermessensspielraum zu (vgl.
EMARK 2001 Nr. 16 E. 6b S. 123 m.w.H., wobei zu berücksichtigen ist,
dass die dort zitierte Bestimmung von Art. 14a Abs. 4 ANAG in das
heute geltende AuG überführt wurde).
4.5 Den Akten zufolge leidet der Beschwerdeführer unter einer sehr
seltenen und schweren unheilbaren Autoimmunkrankheit, Morbus
Behçet. Behandelt wird der Beschwerdeführer mit dem Medikament
Immurek und regelmässige Kontrollen der Blutwerte, regelmässige
Kontrollen der Haut und Excisionen verdächtiger Läsionen sind nötig.
Der Beschwerdeführer ist auf weitere Medikamente angewiesen, die je
nach Reaktionen verändert oder angepasst werden. Eine falsche Be-
handlung hat gefährliche und schwerwiegende Konsequenzen und der
Beschwerdeführer hat aufgrund einer falschen Behandlung im Heimat-
staat bereits irreversible Schäden erlitten. Eine fehlende Behandlung
könnte die Erblindung, Encephalopathie, Hirnnervenbefall, Meningits,
arterielle Aneurysmen und Venenthrombosen zur Folge haben (vgl.
zum Ganzen Arztberichte von Dr. med. C. Bavaud vom 8. Juli 2004
sowie von Dr. D. Winkler, Oberarzt im Spital Triemli Zürich, vom 23.
Seite 20
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November 2007). Auf die Nachforderung neuerer Arztberichte kann im
Sinne der Prozessökonomie verzichtet werden, nachdem von der Un-
heilbarkeit der Krankheit und damit von einer lebenslang nötigen medi-
zinischen Behandlung auszugehen ist.
4.6 Die medizinische Versorgung in Kongo weist zahlreiche Lücken
auf. Dementsprechend ist bei der Wegweisung von Personen mit
ernsthaften gesundheitlichen Problemen Zurückhaltung geboten (vgl.
EMARK 2004 Nr. 33). Auch in den vergangenen Jahren haben sich
weder die medizinische Versorgung noch die sozio-ökonomische Lage
wesentlich verbessert. Politische Instabilität und bewaffnete Konflikte,
mangelnder Unterhalt und fehlende Investitionen, Korruption und Ab-
wanderung des medizinischen Fachpersonals haben zum Zerfall des
öffentlichen Gesundheitswesen beigetragen. Für die kongolesische
Regierung scheint das Gesundheitssystem denn auch nicht prioritär
zu sein; 2008 wurden dem Gesundheitsbereich lediglich 2,5 % des
Staatsbudgets zugesprochen. Als Folge davon ist der Zustand der
meisten öffentlichen Spitäler des Landes desolat und selbst in
Kinshasa fehlen in öffentlichen Spitälern wichtige technische Geräte.
Auf eine Bevölkerung von 60 Millionen Menschen kommen lediglich
5800 Ärzte. Immer wieder kommt es zu Streiks von Angestellten des
Gesundheitswesens, da die Arbeitsbedingungen prekär und die Löhne
tief sind. Zwar ist die Situation in privaten Kliniken vergleichsweise
besser als in öffentlichen, dennoch sind auch hier die Möglichkeiten
beschränkt.
4.7 Diesen Erwägungen entsprechend ist zu schliessen, dass der
Beschwerdeführer nicht in der Lage ist, in seinem Heimatstaat eine
genügende Behandlung zu erlangen, was schwerwiegende Konse-
quenzen wie Invalidität bis hin zum Tod nach sich ziehen würde. Zwar
handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen finanziell gut gestell-
ten Geschäftsmann, dennoch kann aber angesichts der Komplexität
und Seltenheit der Krankheit nicht von einer lückenlosen und adäqua-
ten Versorgung ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer wurde
denn auch in der Vergangenheit falsch behandelt, mit für ihn schwer-
wiegenden Konsequenzen. In einer Gesamtwürdigung aller Umstände
gelangt das Bundesverwaltungsgericht demnach zum Schluss, dass
sich der Vollzug der Wegweisung im Falle des Beschwerdeführers un-
zumutbar im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AuG erweist und er daher in der
Schweiz vorläufig aufzunehmen ist.
Seite 21
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4.8 Aus den Akten ergeben sich im Übrigen keine Hinweise darauf,
dass im vorliegenden Fall die Anordnung einer vorläufigen Aufnahme
nach Art. 83 Abs. 4 AuG aufgrund von Art. 83 Abs. 7 Bst. a-c AuG aus-
zuschliessen wäre.
5.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde gutzuheissen ist,
soweit sie die Frage des Wegweisungsvollzuges betrifft. Die vorins-
tanzliche Verfügung vom 20. Mai 2005 wird demnach – soweit die
Frage des Wegweisungsvollzuges betreffend – aufgehoben und die
Vorinstanz wird angewiesen, den Beschwerdeführer in der Schweiz
wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig aufzuneh-
men. Soweit weitergehend ist die Beschwerde abzuweisen.
6.
6.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens – zufolge Unterliegens im
Asylpunkt – wären dem Beschwerdeführer praxisgemäss um die Hälfte
reduzierte Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 2 und 3 des Regle-
ments vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen
vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2] i.V.m.
Art. 16 Abs. 1 Bst. a VGG). Von einer Kostenauflage ist jedoch – in
Gutheissung des Gesuches um Erlass der Verfahrenskosten im Sinne
von Art. 65 Abs. 1 VwVG – abzusehen.
6.2 Nachdem der Beschwerdeführer teilweise – hinsichtlich der Frage
des Wegweisungsvollzuges – mit seiner Beschwerde durchgedrungen
ist, ist dem vertretenen Beschwerdeführer für die ihm erwachsenen
notwendigen und verhältnismässig hohen Kosten eine um die Hälfte
reduzierte Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG
i.V.m. Art. 37 VGG; Art. 7 ff. VGKE). Von der Rechtsvertreterin wurde
zu Beginn des Verfahrens eine Kostennote eingereicht wonach als
Entschädigung pauschal Fr. 300.-- eingefordert werden. Seither ist es
zu weiteren Schriftenwechseln gekommen, dessen Aufwand sich je-
doch von Amtes wegen abschätzen lässt. Insgesamt ist zu Lasten der
Vorinstanz eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 300.-- zuzu-
sprechen (vgl. Art. 14 Abs. 2 VGKE).
(Dispositiv nächste Seite)
Seite 22
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit die Anordnung einer vor-
läufigen Aufnahme beantragt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde
abgewiesen.
2.
Die Verfügung des BFM vom 20. Mai 2005 wird – soweit die Frage des
Wegweisungsvollzuges betreffend – aufgehoben und das BFM wird
angewiesen, den Beschwerdeführer in der Schweiz vorläufig aufzu-
nehmen.
3.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
4.
Das BFM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer eine Parteient-
schädigung von Fr. 300.-- auszurichten.
5.
Dieses Urteil geht an:
- die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers (Einschreiben; Beila-
ge: angefochtene Verfügung im Original)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt, mit den Akten Ref.-Nr. N _______
(per Kurier; in Kopie)
- (...)
Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:
Nina Spälti Giannakitsas Lorenz Mauerhofer
Versand:
Seite 23