D-41/2016 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung (verkürzte Beschwerdefrist) - Asyl und Wegweisung (verkürzte Beschwerdefrist); V...
Karar Dilini Çevir:
D-41/2016 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung (verkürzte Beschwerdefrist) - Asyl und Wegweisung (verkürzte Beschwerdefrist); V...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung IV
D-41/2016



Ur t e i l vom 3 . Feb r u a r 2 0 1 6
Besetzung
Einzelrichterin Daniela Brüschweiler,
mit Zustimmung von Richterin Sylvie Cossy;
Gerichtsschreiberin Susanne Burgherr.

Parteien

A._______, geboren am (…),
Pakistan,
Beschwerdeführer,


gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Asyl und Wegweisung (verkürzte Beschwerdefrist);
Verfügung des SEM vom 23. Dezember 2015 / N (…).



D-41/2016
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Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer suchte am 25. September 2015 in der Schweiz um
Asyl nach.
B.
Mit Schreiben vom 28. September 2015 teilte das SEM dem Beschwerde-
führer mit, er sei per Zufallsprinzip der Testphase des Verfahrenszentrums
Zürich zugewiesen worden.
C.
C.a Im Rahmen der Befragung zur Person vom 5. Oktober 2015 und der
Anhörung zu den Asylgründen vom 17. Dezember 2015 machte der Be-
schwerdeführer im Wesentlichen geltend, er sei pakistanischer Staatsan-
gehöriger und stamme aus der Kleinstadt B._______ im Distrikt C._______
(Provinz D._______), wo er zusammen mit seinen Eltern und Geschwis-
tern gelebt habe. Weder er noch seine Verwandten seien politisch aktiv
gewesen. Auch habe er nie aufgrund seiner Ethnie (Punjabi-Warraich) oder
Religionszugehörigkeit (Sunnit) Probleme gehabt. Nach der zehnten
Klasse habe er die Schule aufgrund fehlender finanzieller Mittel verlassen
und eine (…)anlehre absolviert. Danach sei er verschiedenen Tätigkeiten
nachgegangen (bspw. in Fabriken und einer Tankstelle). Zuletzt habe er als
Landwirt gearbeitet. Nachdem es im Jahr 2013 stark geregnet habe und
die Ernte dadurch vernichtet worden sei, sei er aber während mehrerer
Monate arbeitslos gewesen. Er sei deshalb ungefähr im Juni 2014 zusam-
men mit seinem aus der nahe gelegenen Stadt E._______ stammenden
Freund F._______ nach G._______ gegangen, um dort Arbeit zu suchen.
Nach der Ankunft habe er aber erfahren, dass sein ehemaliger Arbeitgeber,
für den er vor einigen Jahren mehrere Monate gearbeitet habe, nicht mehr
in G._______ tätig sei. Da sie nicht mit leeren Händen hätten nach Hause
zurückkehren wollen, hätten sie einige Tage in einem Hotel verbracht. Dort
habe sie ein Mann namens H._______ angesprochen und ihnen Arbeit in
einer (…)fabrik in Aussicht gestellt. Für die Abwicklung der Formalitäten
habe er ihre Personalien, Adressen und Kopien ihrer Identitätskarten ver-
langt. H._______ habe sie zu sich nach Hause eingeladen, wo noch zwei
weitere Männer gewohnt hätten; der Name eines Mannes habe I._______
gelautet. Die drei Männer seien jeweils nachts ausser Haus gewesen. Ei-
nes Morgens hätten er und F._______ gefährliche Gegenstände – Waffen
und explosives Material – in einer Jacke entdeckt, worauf H._______ ihnen
gesagt habe, sie würden mit kriminellen Taten (Überfälle und Attentate)
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Geld verdienen. H._______ habe ihnen unter Einräumung einer Bedenk-
frist angeboten beziehungsweise sie aufgefordert, mitzumachen. Da sie
dazu nicht bereit gewesen seien, hätten sie das Haus in der Nacht durch
ein Fenster verlassen und seien nach Hause zurückgekehrt. Nach der An-
kunft hätten ihm seine Eltern gesagt, der Arbeitgeber habe sich telefonisch
nach ihm erkundigt. Daraufhin habe er seinen Eltern das in G._______ Er-
lebte erzählt und sich anschliessend zu einem wenige Kilometer entfernt
wohnenden Freund begeben. Am folgenden Tag habe ein Unbekannter in
seinem Elternhaus nach ihm gefragt. Zudem habe er von F._______ erfah-
ren, dass zwei oder drei Tage später I._______ in B._______ nach ihm
(dem Beschwerdeführer) gefragt habe, wobei dieser nicht zu seinem El-
ternhaus gegangen sei. Er selbst habe sich nicht an die Polizei gewendet,
aber ein Freund seines Vaters habe einen Polizisten kontaktiert, um sich
beraten zu lassen. Der Polizist habe gesagt, dass man vor Ort kaum etwas
machen könne, da die Leute aus G._______ wohl viel Einfluss hätten,
wenn es ihnen möglich sei, telefonisch Kontakt aufzunehmen und persön-
lich zu erscheinen. Vor etwa fünfzehn Monaten habe er Pakistan deshalb
zusammen mit F._______ verlassen. Sie seien via die Türkei und Grie-
chenland in die Schweiz gelangt. Seine Ausweispapiere – Reisepass und
Identitätskarte – habe er in der Türkei verloren. Nach seiner Ausreise habe
er erfahren, dass seine Eltern weitere Anrufe erhalten und sich Personen
an seinem Wohnort nach ihm erkundigt hätten. Er befürchte deshalb, dass
sein Leben bei einer Rückkehr nach Pakistan in Gefahr wäre. Zudem er-
warte seine Familie, dass er als ältester Sohn Geld nach Hause schicke.
C.b Bezüglich der weiteren Aussagen beziehungsweise der Einzelheiten
des rechtserheblichen Sachverhalts wird auf die Protokolle bei den Akten
verwiesen (vgl. vorinstanzliche Akten A9 und A20).
D.
Das SEM stellte dem Beschwerdeführer die entscheidrelevanten Akten zu
und unterbreitete ihm den Entwurf des ablehnenden Asylentscheids am
21. Dezember 2015 zur Stellungnahme.
E.
In seiner Stellungnahme vom 22. Dezember 2015 brachte der Beschwer-
deführer im Wesentlichen vor, er habe alles ihm Mögliche unternommen,
um von den heimatlichen Behörden Schutz zu erhalten. Der Vater seines
Freundes F._______ habe einen Polizisten kontaktiert, aber es habe sich
herausgestellt, dass auf lokaler Ebene kein Schutz gewährt werden könne.
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Der Zugang zu höheren Instanzen sei ihm aufgrund seiner niedrigen sozi-
alen Stellung verwehrt gewesen. Ohne entsprechende finanzielle Mittel
und Beziehungen sei es angesichts der Korruption in Pakistan nicht mög-
lich, behördlichen Schutz zu erlangen. Um sein Leben in Sicherheit zu brin-
gen, sei ihm deshalb nur die Flucht ins Ausland geblieben.
F.
F.a Mit gleichentags eröffneter Verfügung vom 23. Dezember 2015 stellte
das SEM fest, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht
erfülle. Es lehnte das Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung sowie
den Wegweisungsvollzug an.
F.b Zur Begründung führte das SEM im Wesentlichen aus, die Vorbringen
des Beschwerdeführers vermöchten den Anforderungen an die Flüchtlings-
eigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nicht zu genügen, weshalb darauf ver-
zichtet werden könne, auf allfällige Unglaubhaftigkeitselemente einzuge-
hen. Übergriffe durch Drittpersonen oder Befürchtungen, künftig solchen
ausgesetzt zu sein, seien nur dann asylrechtlich relevant, wenn der Staat
seiner Schutzpflicht nicht nachkomme oder zur Schutzgewährung nicht in
der Lage sei. Schutz sei generell gewährleistet, wenn der Staat geeignete
Massnahmen treffe, um die Verfolgung zu verhindern (bspw. durch wirk-
same Polizei- und Justizorgane), und Zugang zu diesem Schutz bestehe.
Den Ausführungen des Beschwerdeführers seien keine stichhaltigen Argu-
mente zu entnehmen, die gegen die Annahme der Schutzwilligkeit und
-fähigkeit der pakistanischen Behörden sprechen würden. Bei der Aussage
des über eine Drittperson kontaktierten Polizisten, es sei nicht zu erwarten,
dass die Polizei etwas zum Schutz des Beschwerdeführers unternehmen
würde, da die kriminelle Gruppe wohl mächtig sei, wenn Mitglieder fähig
seien, vor Ort zu erscheinen und telefonisch Kontakt aufzunehmen, handle
es sich um die subjektive Einschätzung eines einzelnen Polizeibeamten.
Zudem sei nicht einsichtig, weshalb es sich aufgrund der Vorgehensweise
der Mitglieder der kriminellen Gruppe um einflussreiche Personen handeln
sollte. Es bleibe auch offen, weshalb eine angeblich einflussreiche und die
Sicherheitskräfte kontrollierende Gruppe ausgerechnet vor dem Beschwer-
deführer Angst haben sollte. Es sei wenig nachvollziehbar, dass sich der
Beschwerdeführer aufgrund der Einschätzung eines einzelnen Polizisten
zur Ausreise entschlossen haben sollte. Da er es unterlassen habe, per-
sönlich mit den Sicherheitskräften in Kontakt zu treten und um Schutz zu
ersuchen, könne diesen auch kein mangelhafter Schutzwille vorgeworfen
werden. Es sei daher davon auszugehen, dass die grundsätzlich schutz-
willigen und -fähigen pakistanischen Behörden auch vorliegend ihrer
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Schutzpflicht nachgekommen wären. Finanziellen Schwierigkeiten und
schwierigen Lebensbedingungen komme keine asylrechtliche Relevanz
zu. Der Beschwerdeführer erfülle deshalb die Flüchtlingseigenschaft nicht.
Das Asylgesuch sei abzulehnen und die Wegweisung anzuordnen. Der
Wegweisungsvollzug sei zulässig, zumutbar und möglich. In Pakistan herr-
sche kein Bürgerkrieg mehr und es könne auch nicht von einer Situation
allgemeiner Gewalt gesprochen werden. Der Beschwerdeführer sei jung,
gesund und arbeitsfähig und verfüge über Arbeitserfahrung in verschiede-
nen Sparten sowie ein familiäres Beziehungsnetz. Zudem stehe es ihm of-
fen, Rückkehrhilfe zu beantragen.
G.
G.a Mit Eingabe vom 4. Januar 2016 erhob der Beschwerdeführer beim
Bundesverwaltungsgericht Beschwerde, worin um Aufhebung der vor-
instanzlichen Verfügung und um Feststellung der Flüchtlingseigenschaft
sowie um Gewährung des Asyls, eventualiter um Feststellung der Unzu-
lässigkeit oder Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs und um Gewäh-
rung der vorläufigen Aufnahme, ersucht wurde. In verfahrensrechtlicher
Hinsicht wurde zudem um Gewährung der aufschiebenden Wirkung der
Beschwerde sowie um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung
und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ersucht.
G.b Zur Begründung führte der Beschwerdeführer kurz aus, es könne nicht
von der Schutzfähigkeit der pakistanischen Behörden ausgegangen wer-
den. Seine Vorbringen seien daher asylrechtlich relevant. Gleichzeitig kün-
digte er die unverzügliche Nachreichung einer Beschwerdeergänzung an.
H.
Mit Zwischenverfügung vom 7. Januar 2016 – eröffnet am 9. Januar 2016
– stellte die Instruktionsrichterin fest, dass der Beschwerde von Gesetzes
wegen aufschiebende Wirkung zukomme und der Beschwerdeführer daher
den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten dürfe. Gleichzeitig
räumte sie ihm zur Nachreichung einer Beschwerdeergänzung eine Frist
von sieben Tagen ab Erhalt der Verfügung ein, verbunden mit dem Hinweis,
dass das Verfahren bei ungenutztem Fristablauf aufgrund der Akten wei-
tergeführt werde. Zudem forderte sie den Beschwerdeführer auf, innert
gleicher Frist eine Fürsorgeabhängigkeitsbestätigung einzureichen, ver-
bunden mit dem Hinweis, dass über die Gesuche um Gewährung der un-
entgeltlichen Prozessführung und um Verzicht auf die Erhebung eines Kos-
tenvorschusses nach Ablauf dieser Frist befunden werde.
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Seite 6
I.
Mit Eingabe vom 15. Januar 2016 reichte der Beschwerdeführer eine Für-
sorgeabhängigkeitsbestätigung sowie eine Beschwerdeergänzung ein. Er
wiederholte im Wesentlichen die im vorinstanzlichen Verfahren geltend ge-
machten Fluchtgründe und führte ergänzend aus, es sei allgemein be-
kannt, dass die pakistanische Polizei korrupt und deshalb keine sichere
Anlaufstelle sei. Es sei deshalb nachvollziehbar, dass er sich nicht leicht-
fertig an irgendeinen Polizisten gewendet habe. Es sei auch verständlich,
dass er dem Rat des vom Vater seines Freundes F._______ kontaktierten
Polizeibeamten gefolgt sei und sich nicht durch das Aufsuchen eines an-
deren Beamten zusätzlich in Gefahr gebracht habe. Er sei nicht aufgrund
seiner finanziellen Schwierigkeiten aus Pakistan ausgereist, sondern weil
er von einer kriminellen Organisation verfolgt worden sei. Es sei von einer
fehlenden Schutzfähigkeit und einem mangelnden Schutzwillen der pakis-
tanischen Behörden auszugehen. Über eine innerstaatliche Fluchtalterna-
tive habe er nicht verfügt. Er stamme aus dem Norden des Landes und
würde aufgrund seines Namens und Aussehens im Süden auffallen. Würde
er sich dort registrieren, bestünde die Gefahr, dass die besagte kriminelle
Gruppierung davon Kenntnis erlangen würde, zumal davon auszugehen
sei, dass diese im ganzen Land stark sei. Er erfülle deshalb die Flüchtlings-
eigenschaft und es sei ihm Asyl zu gewähren. Eventualiter sei der Weg-
weisungsvollzug wegen drohender Folter oder gar Tötung als unzulässig
zu erachten. Das SEM habe sich mit der Frage der Unzulässigkeit des Voll-
zugs der Wegweisung nicht detailliert auseinandergesetzt, weshalb die Sa-
che wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs zurückzuweisen wäre.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den
Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesver-
waltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne
von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher
zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entschei-
det auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslie-
ferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Per-
son Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).
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Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht
vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.
1.2 Aufgrund der Zuweisung des Beschwerdeführers in die Testphase des
Verfahrenszentrums Zürich gelangt die Verordnung vom 4. September
2013 über die Durchführung von Testphasen zu den Beschleunigungs-
massnahmen im Asylbereich (TestV, SR 142.318.1) zur Anwendung (Art. 1
und Art. 4 Abs. 1 TestV).
1.3 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Der Beschwer-
deführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die
angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges In-
teresse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur
Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 38 TestV i.V.m. Art. 112b
Abs. 3 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Be-
schwerde ist einzutreten.
2.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen
richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Aus-
länderrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
3.
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher
Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise ei-
ner zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachste-
hend aufgezeigt, handelt es sich vorliegend um eine solche, weshalb der
Beschwerdeentscheid nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2
AsylG). Auf die Durchführung eines Schriftenwechsels wurde gestützt auf
Art. 111a Abs. 1 AsylG verzichtet.
4.
4.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grund-
sätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im
Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationali-
tät, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer
politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder be-
gründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3
Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung
des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen
unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
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Seite 8
4.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen
oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die
Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für ge-
geben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen
Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsa-
chen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte
Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG). Entscheidend ist, ob eine
Gesamtwürdigung der Vorbringen ergibt, dass die Gründe, die für die Rich-
tigkeit der Sachverhaltsdarstellung des Gesuchstellers sprechen, überwie-
gen oder nicht (vgl. BVGE 2013/11 E. 5.1 [S. 142 f.]).
4.3 Die Flüchtlingseigenschaft erfüllt eine asylsuchende Person dann,
wenn sie Nachteile von bestimmter Intensität erlitten hat beziehungsweise
mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft begründe-
terweise befürchten muss, welche ihr gezielt und aus einem der vom Ge-
setz aufgezählten Verfolgungsmotive zugefügt worden sind respektive zu-
gefügt zu werden drohen (vgl. BVGE 2008/4 E. 5.2 [S. 37]).
Aufgrund der Subsidiarität des flüchtlingsrechtlichen Schutzes setzt die An-
erkennung der Flüchtlingseigenschaft voraus, dass die betroffene Person
in ihrem Heimat- oder Herkunftsstaat keinen ausreichenden Schutz vor
nichtstaatlicher Verfolgung finden kann. Der Schutz gilt als ausreichend,
wenn eine funktionierende Schutzinfrastruktur zur Verfügung steht und
diese dem Betroffenen zugänglich ist, wobei von einem Staat nicht erwartet
werden kann, dass er jederzeit präventiv in alle Lebensbereiche seiner Bür-
ger eingreifen kann (vgl. zu dieser sogenannten Schutztheorie BVGE
2011/51 E. 7.1-7.4., 2008/12 E. 7.2.6.2, 2008/4 E. 5.2).
5.
5.1 Das SEM erachtete die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Flucht-
gründe, wonach er von privaten Drittpersonen, die eine kriminelle Gruppie-
rung bilden würden, gesucht worden sei, als den Anforderungen an die
Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nicht genügend. Dieser Ein-
schätzung ist im Ergebnis beizupflichten. Zur Vermeidung von Wiederho-
lungen kann auf die nicht zu beanstandenden Ausführungen in der ange-
fochtenen Verfügung verwiesen werden. Den Rechtsmitteleingaben sind
keine stichhaltigen Entgegnungen zu entnehmen, die geeignet wären, eine
Änderung der angefochtenen Verfügung hinsichtlich der Flüchtlingseigen-
schaft und des Asyls (und des Wegweisungsvollzugs) herbeizuführen.
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Seite 9
5.2 Ungeachtet der Frage der Glaubhaftigkeit der Vorbringen des Be-
schwerdeführers und des Fehlens von Hinweisen auf ein Verfolgungsmotiv
gemäss Art. 3 Abs. 1 AsylG, hat das SEM zutreffend festgestellt, dass Pa-
kistan über eine funktionierende Infrastruktur zur Ahndung von Verfol-
gungshandlungen verfügt, und grundsätzlich von der Schutzfähigkeit und
dem Schutzwillen der dortigen Behörden im Sinne der in E. 4.3 umschrie-
benen Schutztheorie auszugehen ist (vgl. hierzu auch Urteile des Bundes-
verwaltungsgerichts E-43/2016 vom 8. Januar 2016, E-3970/2015 vom
21. Juli 2015). Dem Einwand des Beschwerdeführers, er habe vergeblich
alles ihm Mögliche unternommen, um von den heimatlichen Behörden
Schutz vor Verfolgung durch die kriminelle Gruppierung aus G._______ zu
erhalten, kann nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer hat gemäss ei-
genen Angaben gar nicht bei den zuständigen staatlichen Organen um
Schutz ersucht. Er brachte lediglich vor, ein vom Vater seines Freundes
F._______ privat kontaktierter Polizist habe Zweifel geäussert, dass die lo-
kalen Behörden etwas unternehmen könnten, da es sich wohl um mächtige
Kriminelle handle, wenn es ihnen möglich sei, telefonisch Kontakt aufzu-
nehmen und vor Ort zu erscheinen. Der einzig mit diesen von einer Dritt-
person geäusserten Zweifeln begründete Verzicht des Beschwerdeführers
auf eine persönliche Kontaktierung der Sicherheitsbehörden vermag nicht
auf eine effektiv fehlende Schutzfähigkeit oder einen mangelnden Schutz-
willen der heimatlichen Behörden hinzuweisen. Auch der pauschale Ein-
wand des Beschwerdeführers, die Polizei in Pakistan sei korrupt, vermag
den Schutzwillen nicht generell in Frage zu stellen. Der Beschwerdeführer
vermag mit seinen Ausführungen nicht darzulegen, die Behörden hätten
ihm den erforderlichen Schutz verweigert oder würden dies in Zukunft tun,
zumal auch keine Hinweise vorliegen, dass ihm die Hilfe aus einem der in
Art. 3 AsylG genannten Gründe verweigert würde. Der geltend gemachten
Gefahr vor Nachstellungen seitens privater Drittpersonen kommt daher
keine asylrechtliche Relevanz zu. Es erübrigt sich damit, auf die Ausfüh-
rungen zur Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Beschwer-
deergänzung vom 15. Januar 2016 einzugehen. Es ist diesbezüglich ledig-
lich anzumerken, dass nicht ersichtlich ist, weshalb sich der Beschwerde-
führer nicht in einen anderen Teil seines flächenmässig grossen Heimat-
staates (ungefähr die zwanzigfache Grösse der Schweiz bzw. mehr als die
doppelte Grösse Deutschlands aufweisend) begeben könnte. Dass er al-
lein aufgrund seines Aussehens und Namens in einem Land, in dem mehr
als 180 Millionen Menschen leben, überall auffallen sollte, ist im Übrigen
schlicht unrealistisch.
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Seite 10
Mit den geltend gemachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten vermag der
Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG eben-
falls nicht zu begründen.
5.3 Dem Beschwerdeführer ist es aufgrund des Gesagten nicht gelungen,
die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nachzuweisen oder zumin-
dest glaubhaft zu machen. Das SEM hat das Asylgesuch zu Recht abge-
lehnt.
6.
Lehnt das Staatssekretariat das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht
ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet
den Vollzug an (Art. 44 AsylG). Der Beschwerdeführer verfügt weder über
eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch
auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht
angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E 4.4; 2009/50 E. 9).
7.
7.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder
nicht möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis
nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme
(Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG [SR 142.20]).
Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss
Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei
der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen,
wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft
zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).
7.2 Die hinsichtlich des Wegweisungsvollzugs erhobene formelle Rüge
des Beschwerdeführers, das SEM habe sich mit der Frage der Zulässigkeit
des Vollzugs nicht auseinandergesetzt und damit das rechtliche Gehör ver-
letzt, ist unbegründet (vgl. die entsprechenden Ausführungen zur Zulässig-
keit in der angefochtenen Verfügung vom 23. Dezember 2015 S. 4 [III/1.]).
Der Rückweisungsantrag ist damit abzuweisen.
7.3 Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen
der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den
Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3
AuG).
D-41/2016
Seite 11
7.3.1 So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land
gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem
Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft,
zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1
AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über
die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).
Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember
1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedri-
gende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3
EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender
Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
7.3.2 Das Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulement schützt nur
Personen, welche die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es dem Besch-
werdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung
nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann der in Art. 5 AsylG veran-
kerte Grundsatz der Nichtrückschiebung im vorliegenden Verfahren keine
Anwendung finden. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Heimat-
staat ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.
Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers
noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Aus-
schaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ei-
ner nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung
ausgesetzt wäre. Gemäss der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses
müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr («real risk») nachwei-
sen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter
oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. Urteil des EGMR
Saadi gegen Italien vom 28. Februar 2008, Grosse Kammer 37201/06,
§§ 124–127 m.w.H.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es besteht kein kon-
kreter Anlass zur Annahme, dem Beschwerdeführer würde bei einer Rück-
kehr nach Pakistan eine menschenrechtwidrige Behandlung drohen, zumal
es ihm nicht gelungen ist, eine asylrechtlich beachtliche Verfolgung darzu-
legen. Auch die allgemeine Menschenrechtssituation in Pakistan lässt den
Wegweisungsvollzug nicht als unzulässig erscheinen.
7.4 Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und
Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat auf-
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Seite 12
grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und me-
dizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung
festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AuG – die vorläufige
Aufnahme zu gewähren.
7.4.1 In Pakistan herrscht keine landesweite Situation allgemeiner Gewalt,
die zur Annahme führen müsste, jede dorthin zurückkehrende Person sei
mit erheblicher Wahrscheinlichkeit konkret gefährdet. Der Wegweisungs-
vollzug ist daher generell zumutbar.
7.4.2 Den Akten lassen sich auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür ent-
nehmen, dass der Beschwerdeführer aus individuellen Gründen wirtschaft-
licher, sozialer oder gesundheitlicher Natur bei einer Rückkehr nach Pakis-
tan in eine existenzbedrohende Situation geraten würde. Der ledige Be-
schwerdeführer, der keine wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigun-
gen vorbrachte, verfügt im Heimatstaat gemäss eigenen Angaben über ein
familiäres Beziehungsnetz. Zudem kann er eine zehnjährige Schulbildung
und Arbeitserfahrung in verschiedenen Sparten vorweisen. Damit darf da-
von ausgegangen werden, dass er in der Lage sein wird, sich wieder zu
integrieren. Allfällige anfängliche wirtschaftliche Reintegrationsschwierig-
keiten stehen im Übrigen dem Vollzug nicht entgegen, da blosse soziale
oder wirtschaftliche Schwierigkeiten, von denen die ansässige Bevölke-
rung betroffen ist (bspw. Mangel an Arbeitsplätzen), keine existenzbedro-
hende Situation zu begründen vermögen (vgl. BVGE 2010/41 E. 8.3.6
[S. 591 f.]).
7.5 Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständi-
gen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Rei-
sedokumente zu beschaffen (Art. 8 Abs. 4 AsylG; vgl. dazu auch BVGE
2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu
bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AuG).
7.6 Das SEM hat den Wegweisungsvollzug aufgrund des Gesagten zu
Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der
vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1–4 AuG).
8.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig so-
wie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und – soweit diesbezüglich
überprüfbar – angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.
D-41/2016
Seite 13
9.
9.1 Mit vorliegendem Urteil ist das Beschwerdeverfahren abgeschlossen,
womit sich der Antrag auf Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschus-
ses als gegenstandslos erweist.
9.2 Das in der Eingabe vom 4. Januar 2016 gestellte Gesuch um Gewäh-
rung der unentgeltlichen Prozessführung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG ist
abzuweisen, da die Begehren – wie sich aus den vorstehenden Erwägun-
gen ergibt – als aussichtslos zu bezeichnen waren, weshalb die Voraus-
setzungen von Art. 65 Abs. 1 VwVG – ungeachtet der Bedürftigkeit des Be-
schwerdeführers – nicht erfüllt sind.
9.3 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerde-
führer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 600.–
festzusetzen (Art. 1–3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die
Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE,
SR 173.320.2]).
(Dispositiv nächste Seite)

D-41/2016
Seite 14
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gemäss
Art. 65 Abs. 1 VwVG wird abgewiesen.
3.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.– werden dem Beschwerdeführer aufer-
legt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten
der Gerichtskasse zu überweisen.
4.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale
Migrationsbehörde.

Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:

Daniela Brüschweiler Susanne Burgherr


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