D-4095/2015 - Abteilung IV - Wegweisung Dublin (Ausländerrecht) - Wegweisung Dublin (Ausländerrecht); Verfügung des ...
Karar Dilini Çevir:
D-4095/2015 - Abteilung IV - Wegweisung Dublin (Ausländerrecht) - Wegweisung Dublin (Ausländerrecht); Verfügung des ...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung IV
D-4095/2015



Ur t e i l vom 7 . Ju l i 2 0 1 5
Besetzung
Richterin Contessina Theis (Vorsitz),
Richter Hans Schürch, Richterin Daniela Brüschweiler,
Gerichtsschreiberin Norzin-Lhamo Dotschung.

Parteien

A._______, geboren (…),
Sri Lanka,
(…),
Beschwerdeführer,


gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM;
zuvor Bundesamt für Migration, BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Wegweisung Dublin (Ausländerrecht);
Verfügung des SEM vom 17. Juni 2015 / N (…).



D-4095/2015
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Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,
dass der Beschwerdeführer am 18. März 2013 in der Schweiz um Asyl
nachsuchte,
dass ein Abgleich der Fingerabdrücke des Beschwerdeführers mit der
«Eurodac»-Datenbank ergab, dass dieser am 18. August 2011 in Frank-
reich ein Asylgesuch eingereicht hatte,
dass die französischen Behörden am 17. April 2013 das Übernahmeer-
suchen der Vorinstanz guthiessen,
dass die Vorinstanz mit Verfügung vom 17. April 2013 in Anwendung von
aArt. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG (SR 142.31) auf das Asylgesuch nicht eintrat
und die Wegweisung aus der Schweiz nach Frankreich anordnete,
dass die kantonale Migrationsbehörde am 31. Mai 2013 der Vorinstanz mit-
teilte, der Beschwerdeführer werde vermisst,
dass der Beschwerdeführer mit Eingabe seiner Rechtsvertreterin vom
5. Mai 2015 der Vorinstanz mitteilen liess, dass die Frist zu einer allfälligen
Überstellung nach Frankreich mittlerweile abgelaufen sei, weshalb er das
SEM ersuche, sich für sein Asylverfahren als zuständig zu erklären und
das nationale Asylverfahren in der Schweiz durchzuführen,
dass ein weiterer Abgleich der Fingerabdrücke des Beschwerdeführers mit
der «Eurodac»-Datenbank ergab, dass dieser inzwischen am (…). Juli
2013 in Belgien ein Asylgesuch eingereicht hatte,
dass die belgischen Behörden auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers
nicht eingetreten waren und ihn am (…). September 2013 nach Frankreich
überstellt hatten,
dass die Vorinstanz dem Beschwerdeführer am 18. Mai 2015 mitteilte, die
Zuständigkeit Frankreichs für die Durchführung des Asyl- und Weg-
weisungsverfahrens bestehe nach wie vor, und ihm das rechtliche Gehör
zu einer allfälligen Wegweisung nach Frankreich gewährte,
dass der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 29. Mai 2015 seine
Stellungnahme zu den Akten reichte,
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dass das SEM die französischen Behörden am 1. Juni 2015 um
Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Bst. d
der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur
Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Dritt-
staatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten An-
trags auf internationalen Schutz zuständig ist (nachfolgend: Dublin-III-VO)
ersuchte,
dass die französischen Behörden dem Gesuch um Übernahme des
Beschwerdeführers am 15. Juni 2015 zustimmten,
dass das SEM mit Verfügung vom 17. Juni 2015 – eröffnet am 23. Juni
2015 – in Anwendung von Art. 64a Abs. 1 AuG (SR 142.20) die Wegwei-
sung des Beschwerdeführers aus der Schweiz sowie den Wegweisungs-
vollzug nach Frankreich anordnete und ihn aufforderte, die Schweiz spä-
testens am Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zu verlassen,
dass es gleichzeitig feststellte, einer allfälligen Beschwerde gegen den Ent-
scheid komme keine aufschiebende Wirkung zu, und die Aushändigung
der editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis an den
Beschwerdeführer verfügte,
dass der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 30. Juni 2015 gegen diesen
Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhob und dabei
im Wesentlichen beantragte, auf das Asylgesuch sei einzutreten, eventua-
liter sei eine Garantie einzuholen, dass Frankreich sein Asylgesuch erneut
behandeln werde,

und zieht in Erwägung,
dass das Bundesverwaltungsgericht unter anderem über Beschwerden ge-
gen Verfügungen (Art. 5 VwVG) des SEM entscheidet, wobei das Gericht
im Bereich der Wegweisungen aufgrund der Dublin-Assoziierungsabkom-
men (Art. 64a AuG) endgültig entscheidet (Art. 112 Abs. 1 AuG i.V.m. Art. 31
und 33 VGG sowie Art. 83 Bst. c Ziff. 4 BGG),
dass sich das Verfahren nach dem VwVG richtet, soweit das VGG oder die
Spezialgesetzgebung – vorliegend das AuG – nichts anderes bestimmen
(Art. 37 VGG),
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dass der Beschwerdeführer am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenom-
men hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist, ein
schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Ände-
rung hat und daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert ist (Art. 48
Abs. 1 VwVG),
dass somit auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde – mit
nachfolgender Ausnahme – einzutreten ist (Art. 64a Abs. 2 AuG und Art. 52
Abs. 1 VwVG),
das mit der Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich
Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder un-
vollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Un-
angemessenheit gerügt werden können (Art. 49 VwVG),
dass gestützt auf Art. 57 Abs. 1 VwVG (e contrario) vorliegend auf einen
Schriftenwechsel zu verzichten ist, da sich die Beschwerde angesichts der
nachfolgenden Erwägungen als von vornherein unbegründet im Sinne die-
ser Bestimmung erweist,
dass im vorliegenden Beschwerdeverfahren einzig zu prüfen ist, ob das
SEM die auf Art. 64a AuG gestützte Wegweisung des Beschwerdeführers
nach Frankreich und den Vollzug zu Recht verfügt hat,
dass das SEM zur Begründung seiner Wegweisungsverfügung im Wesent-
lichen anführte, der Beschwerdeführer befinde sich ohne Aufenthaltsrege-
lung in der Schweiz, habe das Land demzufolge grundsätzlich zu verlassen
und Frankreich habe der Übernahme des Ausländers zugestimmt, womit
die Zuständigkeit für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfah-
rens bei Frankreich liege,
dass der Beschwerdeführer im Rahmen des ihm gewährten rechtlichen
Gehörs zwar Einwände gegen den Wegweisungsvollzug nach Frankreich
vorgebracht habe,
dass diesbezüglich jedoch festzuhalten sei, dass Frankreich gemäss
Art. 18 Abs. 1 Bst. d Dublin-III-VO weiterhin für sein Verfahren bis zu einem
allfälligen Wegweisungsvollzug oder einer allfälligen Regelung des
Aufenthaltsstatus zuständig sei, auch wenn sein Asylverfahren in Frank-
reich bereits rechtskräftig abgeschlossen sei und er kein Anrecht mehr auf
Unterbringung oder weitergehende staatliche oder nichtstaatliche Unter-
stützung haben sollte,
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dass keine begründeten Hinweise vorliegen würden, wonach Frankreich
seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei und das
Asyl- und Wegweisungsverfahren nicht korrekt durchgeführt habe,
dass er sich – sollte er mit dem Entscheid der französischen Behörden
nicht einverstanden sein – an die zuständige Beschwerdeinstanz Frank-
reichs zu wenden habe,
dass die Prüfung von Asylgründen nicht Gegenstand des vorliegenden Zu-
ständigkeitsverfahrens sei,
dass keine gegen die Zulässigkeit, Zumutbarkeit und Möglichkeit des Weg-
weisungsvollzugs sprechenden Hinweise vorlägen und die Rückführung –
vorbehältlich einer allfälligen Unterbrechung oder Verlängerung der Frist –
bis spätestens am 15. Dezember 2015 zu erfolgen habe,
dass der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde im Wesentlichen aus-
führt, er könne sich entgegen den Behauptungen des SEM nicht an die
französischen Behörden wenden, da diese ihm keine Unterkunft zu Verfü-
gung stellen würden,
dass er folglich über keine Adresse verfüge, welche jedoch unerlässlich
sei, um mit den französischen Behörden in Kontakt zu treten beziehungs-
weise ein neues Asylgesuch einzureichen,
dass er in Frankreich niemanden kenne, der ihm eine Adresse vermitteln
könne und die französischen Behörden selbst Adressen von Rechtsbera-
tungsstellen nicht akzeptieren würden,
dass die Vorinstanz auf sein Asylgesuch eintreten beziehungsweise even-
tualiter sicherstellen müsse, dass Frankreich sein Asylgesuch erneut prüfe,
ansonsten die Schweiz gegen den Grundsatz des Non-Refoulement
verstosse,
dass deshalb im konkreten Fall das Zuständigkeitsverfahren nicht ohne
eine Prüfung der Asylgründe vorgenommen werden könne,
dass er seit dem Jahr (…) die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) in
verschiedener Hinsicht unterstützt habe und deshalb vom Geheimdienst
verfolgt werde,
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dass seine Frau und das gemeinsame Kind sich in B._______ in
C._______ befinden würden, wo sie um Asyl ersucht hätten,
dass eine Wegweisungsverfügung gemäss Art. 64a Abs. 1 AuG den illega-
len Aufenthalt der betroffenen Person in der Schweiz und die Zuständigkeit
eines anderen, an das Dublin-Assoziierungsabkommen gebundenen Staa-
tes für die Durchführung des Asylverfahrens voraussetzt,
dass sich der Beschwerdeführer seit der Wiedereinreise illegal in der
Schweiz aufhält, er unbestrittenermassen über keine ausländerrechtliche
Anwesenheitsbewilligung verfügt und derzeit auch kein Anspruch auf Ertei-
lung einer solchen Bewilligung besteht,
dass vorliegend – wie oben festgehalten – nur zu prüfen ist, ob das SEM
die Wegweisung des Beschwerdeführers und den Vollzug nach Frankreich
zu Recht angeordnet hat, weshalb auf den Antrag, der sich auf den Selbst-
eintritt der Schweiz bezieht, nicht einzutreten und auf die Ausführungen
betreffend die Asylgründe und die Familiensituation nicht näher einzuge-
hen ist,
dass der Beschwerdeführer die Zuständigkeit Frankreichs für die Durch-
führung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens grundsätzlich nicht bestrei-
tet,
dass die Wegweisung demnach zu Recht angeordnet wurde,
dass daneben zu prüfen ist, ob dem Vollzug der Wegweisung Hindernisse
im Sinne von Art. 83 Abs. 1 bis 4 AuG entgegenstehen, da das SEM ge-
mäss Art. 83 Abs. 1 AuG eine vorläufige Aufnahme anzuordnen hat, wenn
sich der Wegweisungsvollzug als nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht
möglich erweist,
dass Frankreich unter anderem Signatarstaat der EMRK, des Abkommens
vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK,
SR 0.142.30) sowie des Zusatzprotokolls der FK vom 31. Januar 1967 (SR
0.142.301) ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, Frankreich würde
seinen diesbezüglichen völkerrechtlichen Verpflichtungen im Falle des Be-
schwerdeführers nicht nachkommen,
dass Frankreich auch an die so genannte "Aufnahmerichtlinie" gebunden
ist, diese in Landesrecht umgesetzt hat und demnach dafür besorgt sein
muss, den Asylsuchenden ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen,
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dass die Aufenthaltsbedingungen für Asylsuchende in Frankreich teilweise
verbesserungsbedürftig erscheinen, aber kein Grund zur generellen An-
nahme besteht, Personen, die sich im Rahmen eines Asylverfahrens in
Frankreich aufhalten, würden aufgrund der dortigen Aufenthaltsbedingun-
gen in eine existenzielle Notlage versetzt,
dass der Beschwerdeführer beweisen oder glaubhaft machen muss, dass
seine Behandlung in Frankreich durch die dortigen Behörden respektive
die Lebensumstände gegen Art. 3 EMRK verstossen,
dass es angesichts der Vermutung, wonach jener Staat, der für die Prüfung
des Asylgesuchs zuständig ist, die völkerrechtlichen Verpflichtungen ein-
halte, dem Beschwerdeführer obliegt, diese Vermutung umzustossen, wo-
bei er ernsthafte Anhaltspunkte vorzubringen hat, dass die Behörden des
in Frage stehenden Staates in seinem konkreten Fall das Völkerrecht ver-
letzen und ihm nicht den notwendigen Schutz gewähren oder ihn men-
schenunwürdigen Lebensumständen aussetzen würden (vgl. Europäi-
scher Gerichtshof für Menschenrechte [EGMR], M.S.S. gegen Belgien und
Griechenland [Appl. No. 30696/09], Urteil vom 21. Januar 2011, § 84 f. und
250; ebenso Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union [EuGH] vom
21. Dezember 2011 in der Rechtssache C-411/10 und
C-493),
dass dieser Nachweis mit den Ausführungen des Beschwerdeführers, er
habe von den französischen Behörden keine Unterkunft zugewiesen erhal-
ten und müsse auf der Strasse leben, womit ihm auch die Möglichkeit, er-
neut ein Asylgesuch einzureichen, verwehrt bleibe (vgl. act. K10/5), zu we-
nig substanziiert ist und vorliegend bei ihm als alleinstehenden und
– soweit dies den Akten zu entnehmen ist – gesunden Mann nicht genügt,
um diese Vermutung umzustossen,
dass sich auch aus den Akten keine Wegweisungsvollzugshindernisse er-
geben, die der Überstellung nach Frankreich im Weg stehen würden,
dass vor diesem Hintergrund die Befürchtung, Frankreich verletze den
Grundsatz des Non-Refoulement, unbegründet erscheint und es sich erüb-
rigt, von Frankreich allfällige Garantien einzuholen,
dass damit sowohl von der Zulässigkeit als auch von der Zumutbarkeit des
Wegweisungsvollzugs auszugehen ist (Art. 83 Abs. 3 und 4 AuG),
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dass der Vollzug der Wegweisung auch möglich ist (Art. 83 Abs. 2 AuG),
da Frankreich der Rückübernahme des Beschwerdeführers ausdrücklich
zugestimmt hat und den Akten keine Hinweise auf eine Reiseunfähigkeit
zu entnehmen sind,
dass es dem Beschwerdeführer demnach nicht gelungen ist darzutun, in-
wiefern die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt, den rechtser-
heblichen Sachverhalt unrichtig oder unvollständig feststellt oder unange-
messen ist (Art. 49 VwVG), weshalb die Beschwerde abzuweisen ist,
dass bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten von Fr. 600.– dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen sind ( Art. 63 Abs. 1 VwVG; Art. 1‒3 des
Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen
vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.– werden dem Beschwerdeführer aufer-
legt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten
der Gerichtskasse zu überweisen.
3.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige
kantonale Behörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Contessina Theis Norzin-Lhamo Dotschung


Versand: