D-3981/2014 - Abteilung IV - Flughafenverfahren (Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung) - Flughafenverfahren (Nichteintreten auf Asylgesuch ...
Karar Dilini Çevir:
D-3981/2014 - Abteilung IV - Flughafenverfahren (Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung) - Flughafenverfahren (Nichteintreten auf Asylgesuch ...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung IV
D-3981/2014


U r t e i l v o m 2 2 . J u l i 2 0 1 4
Besetzung

Einzelrichter Robert Galliker,
mit Zustimmung von Richterin Gabriela Freihofer;
Gerichtsschreiberin Sandra Sturzenegger.
Parteien

A._______, geboren (…),
B._______, geboren (…),
ohne Nationalität (Palästinenserinnen aus Syrien),
beide vertreten durch lic. iur. Kathrin Stutz,
Zürcher Beratungsstelle für Asylsuchende (ZBA),
(…),
Beschwerdeführerinnen,


gegen

Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Flughafenverfahren
(Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung);
Verfügung des BFM vom 9. Juli 2014 / N (…).


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Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,
dass die Beschwerdeführerinnen am 27. Juni 2014 am Flughafen Zürich
um Asyl nachsuchten,
dass das BFM den Beschwerdeführerinnen mit Verfügung vom gleichen
Tag – eröffnet durch die Flughafenpolizei – vorläufig die Einreise in die
Schweiz verweigerte und ihnen für die Dauer von maximal 60 Tagen den
Transitbereich des Flughafens als Aufenthaltsort zuwies,
dass die Beschwerdeführerinnen bei der Stellung ihrer Asylgesuche unter
anderem einen von den bulgarischen Behörden ausgestellten "Passport
of subsidiary protection beneficiary" und eine "Card of subsidiary protecti-
on beneficiary" auf sich trugen,
dass sie anlässlich der Befragungen zur Person (BzP) vom 1. Juli 2014
erklärten, sie hätten Syrien anfangs März 2013 verlassen und seien über
die Türkei im September 2013 nach Bulgarien gelangt,
dass sie in Sofia um Asyl nachsuchten, woraufhin ihnen eine Aufenthalts-
bewilligung ausgestellt worden sei,
dass sie am 23. beziehungsweise 24. Juni 2014 nach Rumänien gereist
und von dort am 25. Juni 2014 auf dem Luftweg in die Schweiz gelangt
seien,
dass das BFM am 1. Juli 2014 die bulgarischen Behörden um Rücküber-
nahme der Beschwerdeführerinnen ersuchte,
dass die bulgarischen Behörden diesem Ersuchen am 2. Juli 2014 zu-
stimmten und bestätigten, dass den Beschwerdeführerinnen in Bulgarien
subsidiärer Schutz gewährt worden sei,
dass den Beschwerdeführerinnen am 4. Juli 2014 das rechtliche Gehör
zum beabsichtigten Nichteintretensentscheid nach Art. 31a Abs. 1 Bst. a
des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) und einer Weg-
weisung nach Bulgarien gewährt wurde,
dass sie dabei (sowie anlässlich der BzP) im Wesentlichen geltend mach-
ten, sie wollten nicht nach Bulgarien zurückgehen, vielmehr wollten sie
nach Deutschland zu ihren Söhnen beziehungsweise Brüdern reisen,
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dass die Lage in Bulgarien schlecht sei,
dass sie aus der Unterkunft verwiesen worden und völlig auf sich allein
gestellt gewesen seien, nachdem sie die Aufenthaltsbewilligungen erhal-
ten hätten,
dass sie belästigt und diskriminiert worden seien,
dass sie keine Hilfe von den bulgarischen Behörden erhalten hätten und
den rassistischen Übergriffen auf den Strassen schutzlos ausgeliefert
gewesen seien,
dass das BFM mit Verfügung vom 9. Juli 2014 – tags darauf eröffnet –
auf die Asylgesuche der Beschwerdeführerinnen in Anwendung von
Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG nicht eintrat und die Wegweisung aus dem
Transitbereich des Flughafens Zürich sowie den Vollzug anordnete,
dass die Beschwerdeführerinnen mit Eingabe vom 16. Juli 2014 (vorab
per Fax) gegen diesen Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerde erheben und dabei beantragen liessen, der angefochtene Ent-
scheid sei aufzuheben, auf das Asylgesuch sei einzutreten und es sei die
Einreise in die Schweiz zu verfügen,
dass ferner auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten, die
unentgeltliche Prozessführung zu gewähren und die unterzeichnende
Rechtsvertreterin als unentgeltlicher Rechtsbeistand beizuordnen sei,
dass auf die Begründung der Beschwerdebegehren – soweit für den Ent-
scheid wesentlich – in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen
wird,
dass die vorinstanzlichen Akten am 17. Juli 2014 beim Bundesverwal-
tungsgericht per Telefax eintrafen (Art. 109 Abs. 1 AsylG),

und zieht in Erwägung,
dass das Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Asyls in der Re-
gel – so auch vorliegend – endgültig über Beschwerden gegen Verfügun-
gen (Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968
[VwVG, SR 172.021]) des BFM entscheidet (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 31–
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33 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG,
SR 173.32]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]),
dass sich das Verfahren nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG rich-
tet, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6
AsylG),
dass die Beschwerdeführerinnen am Verfahren vor der Vorinstanz teilge-
nommen haben, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt
sind, ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise
Änderung haben und daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert
sind (Art. 105 AsylG und Art. 48 Abs. 1 VwVG),
dass somit auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde einzu-
treten ist (Art. 108 Abs. 2 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG),
dass sich die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts sowie die Rüge-
möglichkeiten nach Art. 106 Abs. 1 AsylG richten,
dass bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es
das BFM ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu über-
prüfen, die Beurteilungskompetenz der Beschwerdeinstanz grundsätzlich
auf die Frage beschränkt ist, ob die Vorinstanz zu Recht auf das Asylge-
such nicht eingetreten ist (vgl. BVGE 2011/9 E. 5),
dass die Vorinstanz die Frage der Wegweisung und des Vollzugs mate-
riell prüft, weshalb dem Bundesverwaltungsgericht diesbezüglich volle
Kognition zukommt,
dass über offensichtlich unbegründete Beschwerden in einzelrichterlicher
Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise
einer zweiten Richterin entschieden wird (Art. 111 Bst. e AsylG) und es
sich vorliegend – wie nachfolgend aufgezeigt – um eine solche handelt,
weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu begründen ist
(Art. 111a Abs. 2 AsylG),
dass gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG vorliegend auf einen Schriften-
wechsel verzichtet wurde,
dass das BFM gemäss Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG auf ein Asylgesuch
nicht eintritt, wenn Asylsuchende in einen sicheren Drittstaat nach Art. 6a
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Abs. 2 Bst. b AsylG zurückkehren können, in welchem sie sich vorher
aufgehalten haben (vgl. auch aArt. 34 Abs. 2 Bst. a AsylG),
dass Bulgarien vom Bundesrat als sicherer Drittstaat im Sinne von Art. 6a
Abs. 2 Bst. b AsylG bezeichnet worden ist,
dass sich die Beschwerdeführerinnen vor ihrer Einreise in die Schweiz
unbestrittenermassen während etwa neun Monaten in Bulgarien auf-
gehalten haben und die bulgarischen Behörden dem BFM bestätigten,
dass die Beschwerdeführerinnen nach Bulgarien zurückkehren könnten,
dass das BFM demnach in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG
zu Recht auf die Asylgesuche der Beschwerdeführerinnen nicht eingetre-
ten ist,
dass das Nichteintreten auf ein Asylgesuch in der Regel die Wegweisung
aus der Schweiz zur Folge hat (Art. 44 AsylG), vorliegend der Kanton kei-
ne Aufenthaltsbewilligung erteilt hat und zudem kein Anspruch auf Ertei-
lung einer solchen besteht (vgl. BVGE 2009/50 E. 9, mit weiteren Hinwei-
sen), weshalb die verfügte Wegweisung im Einklang mit den gesetzlichen
Bestimmungen steht und demnach vom BFM zu Recht angeordnet wur-
de,
dass das BFM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Be-
stimmungen über die vorläufige Aufnahme regelt, wenn der Vollzug der
Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich ist (Art. 44
AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über
die Ausländerinnen und Ausländer [AuG, SR 142.20]),
dass der Vollzug der Wegweisung nach Bulgarien zulässig ist, da die Be-
schwerdeführerinnen in einen verfolgungssicheren Drittstaat reisen kön-
nen und weder Hinweise auf Verfolgung vorliegen noch Anhaltspunkte für
eine menschenrechtswidrige Behandlung im Sinne von Art. 3 der Konven-
tion vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) ersichtlich sind, die ihnen in Bulgarien
droht (Art. 83 Abs. 3 AuG),
dass sich der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer als unzumutbar
erweist, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat aufgrund von Situatio-
nen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notla-
ge konkret gefährdet sind (Art. 83 Abs. 4 AuG),
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dass bezüglich der Einwände der Beschwerdeführerinnen zu ihren Le-
bensbedingungen in Bulgarien festzuhalten ist, dass Bulgarien an die
Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom
13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsan-
gehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationa-
len Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Perso-
nen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewäh-
renden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie) gebunden ist,
dass gemäss dieser Richtlinie die Mitgliedstaaten unter anderem dafür zu
sorgen haben, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt
worden ist, Zugang zu Beschäftigung (Art. 26), zu Bildung (Art. 27), zu
Wohnraum (Art. 32) und zu Integrationsmassnahmen (Art. 34) gewähr-
leistet wird und sie die notwendige Sozialhilfe (Art. 29) erhalten,
dass sich im Weiteren einem Bericht des UNHCR vom 21. März 2014
(Refugee Situation Bulgaria, External Update) entnehmen lässt, dass das
UNHCR mit der Unterstützung des Bulgarischen Roten Kreuzes am
17. März 2014 in Sofia ein Informationszentrum eröffnete, mit dem Ziel, in
Stadtgebieten lebenden Asylsuchenden und Flüchtlingen Ratschläge,
Rechts- und Sozialberatung zu erteilen und sie über ihre Rechte, Pflich-
ten und den Zugang zu verschiedenen Dienstleitungen zu informieren,
dass vor diesem Hintergrund keine konkreten Anhaltspunkte dafür er-
sichtlich sind, die Beschwerdeführerinnen würden im Falle einer Rück-
kehr nach Bulgarien wegen der dortigen Bedingungen in eine existenziel-
le Notlage geraten,
dass es den Beschwerdeführerinnen offensteht und obliegt, sich an die
bulgarischen Behörden zu wenden und die ihnen zustehenden Rechte
beziehungsweise materiellen Leistungen nötigenfalls auf dem in Bulga-
rien zur Verfügung stehenden Rechtsweg einzufordern respektive beim
Europäischen Gerichtshof (EuGH) oder beim Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte (EGMR) geltend zu machen,
dass die Beschwerdeführerinnen auch aus ihrem Vorbringen, sie seien in
Bulgarien rassistischen Angriffen ausgesetzt gewesen, nichts zu ihren
Gunsten abzuleiten vermögen,
dass sie sich diesbezüglich ebenfalls an die bulgarischen Behörden wen-
den können und es ihnen sodann offensteht, den Rechtsweg zu beschrei-
ten, sollten sie mit den Behörden Probleme zu gewärtigen haben,
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dass im Übrigen die Vorbringen der Beschwerdeführerinnen, sie wollten
nach Deutschland weiterreisen beziehungsweise der Kontakt zu den in
Deutschland lebenden Söhnen respektive Brüder sei von der Schweiz
aus einfacher herzustellen, bei der Beurteilung der Zumutbarkeit des
Wegweisungsvollzugs unbeachtlich sind,
dass der Vollzug der Wegweisung nach Bulgarien nach dem Gesagten
zumutbar ist,
dass die (übrigen) Beschwerdevorbringen, insbesondere auch die Ver-
weise auf Berichte von Nichtregierungsorganisationen respektive des
UNHCR, nicht geeignet sind, eine Änderung dieser Einschätzung zu be-
wirken,
dass sich der Vollzug der Wegweisung schliesslich auch als möglich er-
weist, zumal die bulgarischen Behörden einer Rückübernahme der Be-
schwerdeführerinnen ausdrücklich zugestimmt haben,
dass demnach die Anordnung des Wegweisungsvollzugs nach Bulgarien
zu bestätigen ist,
dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und den
rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106
Abs. 1 AsylG), weshalb die Beschwerde abzuweisen ist,
dass das Gesuch um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschus-
ses mit vorliegendem Entscheid in der Hauptsache hinfällig wird,
dass das mit der Beschwerde gestellte Gesuch um Gewährung der un-
entgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG abzuweisen ist,
da die Begehren – wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt –
als aussichtslos zu bezeichnen waren und daher die kumulativen Voraus-
setzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nicht er-
füllt sind,
dass folglich auch das Gesuch um Gewährung der amtlichen Verbeistän-
dung im Sinne von Art. 110a Abs. 1 Bst. a AsylG abzuweisen ist,
dass bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten von Fr. 600.–
(Art. 1–3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und
Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE,
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SR 173.320.2]) den Beschwerdeführerinnen aufzuerlegen sind (Art. 63
Abs. 1 und 5 VwVG).
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne
von Art. 65 Abs. 1 VwVG und um Gewährung der amtlichen Verbeistän-
dung gemäss Art. 110a Abs. 1 Bst. a AsylG werden abgewiesen.
3.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.– werden den Beschwerdeführerinnen
auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zu-
gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
4.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerinnen, das BFM und die kan-
tonale Migrationsbehörde.

Der Einzelrichter: Die Gerichtsschreiberin:

Robert Galliker Sandra Sturzenegger


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