D-3725/2010 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 22. Apr...
Karar Dilini Çevir:
D-3725/2010 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 22. Apr...
Abtei lung IV
D-3725/2010
{T 0/2}
U r t e i l v o m 2 5 . O k t o b e r 2 0 1 0
Richter Robert Galliker (Vorsitz),
Richter Hans Schürch, Richter Walter Lang,
Gerichtsschreiberin Daniela Brüschweiler.
A._______, geboren (...),
Syrien,
(...),
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom
22. April 2010 / N (...).
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
D-3725/2010
Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer – ein syrischer Staatsangehöriger kurdischer
Ethnie aus B._______ (B._______) in der Provinz Al Hasakah – ver-
liess eigenen Angaben zufolge seinen Heimatstaat am 15. Mai 2008
und reiste über die Türkei und weitere – ihm unbekannte – Länder am
5. August 2008 in die Schweiz ein, wo er gleichentags um Asyl nach-
suchte.
Zur Begründung seines Asylgesuches machte der Beschwerdeführer
im Rahmen der Erstbefragung im Empfangs- und Verfahrenszentrum
(EVZ) C._______ vom 14. August 2008 sowie der Anhörung nach
Art. 29 Abs. 1 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR
142.31) durch das BFM vom 28. Juli 2009 im Wesentlichen geltend, er
habe zusammen mit seinem Kollegen D. ein (...)atelier betrieben. Ihre
Ware hätten sie an zwei weitere Kollegen, S. und M., verkauft. Am
Abend des Newroz-Festes im Jahr (...) habe er sich zusammen mit D.,
S. und M., welcher zu dieser Zeit Militärdienst geleistet habe, im
Atelier aufgehalten. Dabei habe M. ihnen ein militärisches Dokument
gezeigt, welches er gestohlen habe. Darin seien die syrischen Kurden
als von Israel bezahlte Verräter bezeichnet worden, welche über Tele-
fone zur Ausübung von Spionagetätigkeit verfügten. Einem Offizier, der
ein solches Telefon eines Kurden erhältlich mache und dies zu einer
Verhaftung führe, sei eine Beförderung versprochen worden. Als M.
nach seinem Urlaub in den Militärdienst zurückgekehrt sei, sei er ver-
haftet worden und habe die Namen des Beschwerdeführers sowie von
D. und S. preisgegeben. Als er daraufhin bei den Eltern vom Sicher-
heitsdienst gesucht worden und ihm dies von seinem Vater mitgeteilt
worden sei, habe er sich zusammen mit D. versteckt. Nach seiner
Einreise in die Schweiz habe er sich schliesslich als Mitglied der
Kurdischen Demokratischen Partei der Einheit (Yekiti Partei) ein-
schreiben lassen.
Für die weiteren Aussagen des Beschwerdeführers wird auf die
Protokolle bei den Akten verwiesen.
B.
Eine vom BFM in Auftrag gegebene Botschaftsabklärung vom
22. Dezember 2009 ergab, dass der Beschwerdeführer syrischer
Staatsangehöriger und Inhaber eines syrischen Passes ist, dass er
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Syrien am (...) in Richtung Türkei verlassen hat und von den syrischen
Behörden nicht gesucht wird. Mit undatierter Eingabe (Eingang BFM:
8. Februar 2010) äusserte sich der Beschwerdeführer zum
Abklärungsergebnis.
C.
Mit Verfügung vom 22. April 2010 – eröffnet am 23. April 2010 – stellte
das BFM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft
nicht. Es lehnte das Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung des
Beschwerdeführers aus der Schweiz sowie den Wegweisungsvollzug
an.
Zur Begründung führte das BFM im Wesentlichen aus, die Vorbringen
des Beschwerdeführers hielten den Anforderungen an die Glaub-
haftigkeit gemäss Art. 7 AsylG nicht stand. So sei gestützt auf die
Botschaftsabklärung davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer
die Schweizerischen Asylbehörden über den Zeitpunkt seiner Ausreise
aus dem Heimatland getäuscht habe, indem er dieses tatsächlich am
(...), und nicht wie anlässlich beider Befragungen angegeben am
15. Mai 2008, verlassen habe. Zudem seien die Vorbringen des
Beschwerdeführers in wesentlichen Punkten realitätsfremd. So sei
nicht nachvollziehbar, dass der bekanntermassen über unzählige
Spitzel und Informanten verfügende syrische Sicherheitsdienst den
Beschwerdeführer lediglich zu Hause und nicht an seinem Arbeitsplatz
gesucht hätte. Ebenso erstaune, dass sich der Beschwerdeführer bei
seiner (...) versteckt gehalten haben wolle, obschon er dort
naturgemäss mit einem höheren Risiko der Aufspürung habe rechnen
müssen. Realitätsfremd seien auch die Aussagen über die Festnahme
von M. und die Ereignisse, die dazu geführt hätten, etwa dass der
Beschwerdeführer den Nachnamen von M. nicht habe nennen können.
Zufolge der Unglaubhaftigkeit der Angaben erfülle der Beschwerde-
führer die Flüchtlingseigenschaft nicht, weshalb das Asylgesuch abzu-
lehnen sei. Die Folge der Ablehnung des Asylgesuchs sei in der Regel
die Wegweisung aus der Schweiz und der Wegweisungsvollzug sei
zulässig, zumutbar und möglich.
D.
Mit Eingabe vom 21. Mai 2010 (Poststempel: 25. Mai 2010) erhob der
Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde, worin
er die Aufhebung der angefochtenen Verfügung beantragte, überdies
sei festzustellen, dass er die Flüchtlingseigenschaft erfülle und es sei
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ihm Asyl zu gewähren, eventualiter sei festzustellen, dass sich der
Vollzug der Wegweisung als unzulässig bzw. als unzumutbar erweise
und es sei ihm die vorläufige Aufnahme zu gewähren. In verfahrens-
rechtlicher Hinsicht ersuchte der Beschwerdeführer um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege sowie um Verzicht auf die Erhebung
eines Kostenvorschusses.
Der Beschwerde lagen nebst einer Bestätigung der Fürsorge-
abhängigkeit des Beschwerdeführers vier Beweismittel bei, und zwar
zwei fremdsprachige Internet-Publikationen je mit einer Übersetzung.
E.
Mit Zwischenverfügung vom 31. Mai 2010 stellte der Instruktionsrichter
fest, der Beschwerdeführer könne den Ausgang des Verfahrens in der
Schweiz abwarten. Gleichzeitig wies er die Gesuche um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege und um Erlass des Kostenvor-
schusses ab. Er erhob einen Kostenvorschuss von Fr. 600.--, zahlbar
bis zum 14. Juni 2010.
F.
Der Kostenvorschuss wurde am 11. Juni 2010 geleistet.
G.
Gemäss Mitteilung des Zivilstandsamtes C._______ vom 13. Juli 2010
heiratete der Beschwerdeführer am (...) eine Schweizer Bürgerin. Mit
Schreiben vom 2. August 2010 teilte das Gericht dem Beschwerde-
führer mit, dass er aufgrund seiner Heirat grundsätzlich über einen
Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verfüge. Der
Beschwerdeführer wurde aufgefordert, einen Beleg über das Ein-
reichen eines Gesuches um Erteilung einer solchen Bewilligung zu
den Akten zu reichen und es wurde ihm Gelegenheit gegeben, seine
Beschwerde allenfalls zurückzuziehen.
Der Beschwerdeführer teilte dem Bundesverwaltungsgericht mit
seinem Schreiben vom 24. August 2010 mit, er habe am 23. August
2010 bei der zuständigen fremdenpolizeilichen Behörde ein Familien-
nachzugsgesuch gestellt.
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Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungs-
gericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundes-
gesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren
(VwVG, SR 172.021). Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33
VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts.
Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG
liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für
die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf
dem Gebiet des Asyls endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1
des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem
BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und
Art. 6 AsylG).
1.3 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Der
Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Verfügung besonders
berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung
beziehungsweise Änderung; er ist daher zur Einreichung der
Beschwerde legitimiert (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG, Art. 48
Abs. 1 sowie Art. 50 und 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzu-
treten.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3.
Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde vorliegend auf die Durch-
führung eines Schriftenwechsels verzichtet.
4.
4.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen
grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person
anerkannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie
zuletzt wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörig-
keit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen
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Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete
Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte
Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder
Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen
Druck bewirken.
4.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nach-
weisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft
gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere
Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in
sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder
massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt
werden (Art. 7 AsylG).
4.3 Für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft ist nicht nur der
Zeitpunkt der Ausreise aus dem Heimatstaat, sondern auch die
Situation im Zeitpunkt des Asylentscheids massgebend (vgl. Ent-
scheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurs-
kommission [EMARK] 2005 Nr. 18). Wer sich darauf beruft, dass durch
sein Verhalten nach der Ausreise aus dem Heimat- oder Herkunftsland
eine Gefährdungssituation erst geschaffen worden ist, macht
subjektive Nachfluchtgründe geltend (Art. 54 AsylG). Subjektive Nach-
fluchtgründe begründen zwar die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von
Art. 3 AsylG, führen jedoch nach Art. 54 AsylG zum Ausschluss des
Asyls, unabhängig davon, ob sie missbräuchlich oder nicht miss-
bräuchlich gesetzt wurden. Das vom Gesetzgeber vorgesehene
Konzept, wonach das Vorliegen von subjektiven Nachfluchtgründen die
Gewährung von Asyl ausschliesst, verbietet das Addieren solcher
Gründe mit Nachfluchtgründen, welche vor der Ausreise aus dem
Heimat- oder Herkunftsstaat entstanden sind und die für sich allein
nicht zur Bejahung der Flüchtlingseigenschaft und zur Asylgewährung
ausreichen (vgl. BVGE 2009/28 E. 7.1 S. 352; vgl. ferner EMARK 2000
Nr. 16 E. 5a S. 141 f., mit weiteren Hinweisen). Stattdessen werden
Personen, welche subjektive Nachfluchtgründe nachweisen oder
glaubhaft machen können, als Flüchtlinge vorläufig aufgenommen (vgl.
dazu die nach wie vor gültigen und zutreffenden Ausführungen in
EMARK 1995 Nr. 7 E. 7b und 8 S. 67 ff.; EMARK 2000 Nr. 16 E. 5a
S. 141 f., mit weiteren Hinweisen).
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5.
5.1 Aufgrund der Prüfung der Akten durch das Gericht erweisen sich
die vorinstanzlichen Erwägungen grundsätzlich als zutreffend. Zur
Vermeidung von Wiederholungen kann daher vorab auf die
Erwägungen des BFM in der angefochtenen Verfügung verwiesen
werden.
5.2 Der Beschwerdeführer wendet in der Beschwerdeschrift zunächst
ein, das Bundesamt habe den Sachverhalt nicht richtig festgestellt,
indem es übersehen habe, dass er seine Angaben zur Ausreise aus
seinem Heimatstaat anlässlich der Anhörung vom 18. (recte: 28.) Juli
2009 berichtigt habe. Er habe demnach bereits vor Vornahme der
Botschaftsabklärung angegeben, Syrien im (...) verlassen zu haben.
5.2.1 Das BFM hielt in der angefochtenen Verfügung fest, die
Botschaftsabklärung schaffe Klarheit betreffend den Zeitpunkt der
Ausreise des Beschwerdeführers aus Syrien und decke seine dies-
bezüglichen falschen Angaben auf. Er sei nicht – wie er sowohl
anlässlich der Befragung im EVZ als auch in der direkten Bundes-
anhörung behauptet habe – am 15. Mai 2008 in die Türkei ausgereist.
In seiner Stellungnahme habe der Beschwerdeführer die Korrektheit
des von der Botschaft ermittelten Ausreisedatums eingeräumt. Somit
stehe allerdings fest, dass er die Schweizerischen Asylbehörden über
den im Hinblick auf die Begründung seines Asylgesuchs wesentlichen
Zeitpunkt seiner Ausreise aus dem Heimatland getäuscht habe. Ein
solches Verhalten sei unter keinen Umständen mit dem Verhalten einer
asylsuchenden Person zu vereinbaren und lasse insbesondere erheb-
liche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerde-
führers bezüglich der angeblich zu seiner Ausreise aus Syrien
führenden Ereignisse entstehen, zumal diese Aussagen widersprüch-
lich und realitätsfremd seien.
5.2.2 Es trifft zu, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner
Anhörung vom 28. Juli 2009 auf Frage 130 antwortete, er und D.
hätten eine gemeinsame Ausreise geplant gehabt. Aber D. sei alleine
am 15. Mai 2008 in die Türkei gereist. Daraufhin habe er (der
Beschwerdeführer) sich nach E._______ begeben. Ein Irrtum seiner-
seits vorbehalten, sei er im (...) auf dem Luftweg in die Türkei gereist
(vgl. A 11/20 S. 14). Zwar hatte der Beschwerdeführer anlässlich
derselben Anhörung (a.a.O. S. 7 Antwort zu Frage 67) noch zu
Protokoll gegeben, er habe seinen Heimatstaat am 15. Mai 2008 ver-
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lassen, insofern trifft auch zu, dass er sowohl anlässlich der Befragung
im EVZ als auch der direkten Bundesanhörung eine Ausreise am
15. Mai 2008 behauptet hatte. Die vorinstanzliche Formulierung
suggeriert zwar, der Beschwerdeführer habe erst nach dem Eintreffen
der Botschaftsabklärung seine spätere Ausreise eingeräumt, was
jedoch – wie gesehen – nicht den Tatsachen entspricht. Die vom BFM
gezogene Schlussfolgerung allerdings, das Aussageverhalten des
Beschwerdeführers sei mit dem Verhalten einer asylsuchenden Person
nicht zu vereinbaren und gebe Anlass zu erheblichen Zweifeln an der
Glaubhaftigkeit seiner Aussagen, behält auch bei Berücksichtigung
aller Angaben des Beschwerdeführers ihre Gültigkeit, da die späte
Korrektur nichts an den ursprünglich unzutreffend geschilderten Aus-
reisedaten ändert. Der Erklärungsversuch des Beschwerdeführers in
der Beschwerdeschrift, er habe in der Befragung zur Person unrichtige
Angaben gemacht, weil er nach den Informationen von kurdischen
Türken und kurdischen Irakern hier in der Schweiz grosse Angst
gehabt habe, ausgeschafft zu werden, wenn er die Wahrheit über
seine Ausreise sagen würde, überzeugt das Gericht nicht.
Insbesondere unterlässt es der Beschwerdeführer zu substanziieren,
inwiefern sich die wahrheitsgemässe Auskunft über seine Ausreise
aus seiner Sicht für ihn negativ hätte auswirken können. Anzumerken
bleibt zudem, dass die Angaben des Beschwerdeführers zum Zeit -
punkt seiner Ausreise lediglich einen Nebenaspekt der Glaubhaftig-
keitsbeurteilung bilden und der Umstand, dass der Beschwerdeführer
schliesslich von sich aus das korrekte Ausreisedatum nannte, zu
keiner abweichenden Gesamtbeurteilung der Vorbringen des
Beschwerdeführers führt.
5.3 Das BFM führte in der angefochtenen Verfügung aus, der
Beschwerdeführer habe im EVZ zu Protokoll gegeben, er sei Mitglied
der Yekiti Partei. In der Bundesanhörung habe er jedoch erklärt, er sei
kein Mitglied dieser Partei.
Dem hält der Beschwerdeführer auf Beschwerdeebene entgegen, er
habe zur Frage der Mitgliedschaft in der Yekiti Partei nicht wider-
sprüchlich ausgesagt, vielmehr habe er in der Anhörung vom 28. Juli
2009 erklärt, dass er Mitglied einer kurdischen Tanzgruppe und diese
Gruppe als Kollektiv Mitglied der Yekiti Partei gewesen sei.
Der Beschwerdeführer führte anlässlich der direkten Bundesanhörung
auf Frage nach seiner Mitgliedschaft in der Yekiti Partei aus, er habe
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nicht gesagt, dass er Mitglied dieser Partei gewesen sei. Er habe aber
gesagt, er sei als Mitglied einer kurdischen Tanzgruppe auch
(Kollektiv-)Mitglied der Partei gewesen (vgl. A11/20 S. 14). Gemäss
Protokoll der Befragung im EVZ gab der Beschwerdeführer dannzumal
jedoch an, er sei seit anfangs 2008 Mitglied der Yekiti Partei. Zudem
fügte er an, er sei über seinen Freund D. Mitglied der Partei geworden
(vgl. A 1/10 S. 6). Von einer Kollektiv-Mitgliedschaft sowie von einer
Tanzgruppe war somit keine Rede. Bei dieser Sachlage ist der Vorwurf
einer widersprüchlichen Aussage nicht zu beanstanden.
5.4 Schliesslich zielt der Einwand in der Beschwerdeschrift, der
Beschwerdeführer habe Zeit zur Vorbereitung der Ausreise benötigt
und sei deshalb erst später ausgereist, an der Argumentation des
Bundesamtes vorbei beziehungsweise vermag diese nicht zu ent-
kräften. Dieses führte nämlich aus, das Versteck bei der (...) sei
realitätsfremd, da der Beschwerdeführer bei einer Verwandten einem
höheren Risiko des Aufspürens ausgesetzt gewesen sei. Insbesondere
legt der Beschwerdeführer nicht dar, weshalb seinem Freund D. die
Ausreise bereits am 15. Mai 2008 möglich gewesen sein soll, er selber
jedoch bis Ende (...) Vorbereitungen hat treffen müssen. Ebenso hält
die Vorinstanz dem Beschwerdeführer zu Recht entgegen, die
Ausreise einer gesuchten Person über den Flughafen von E._______
lasse einen Realitätsbezug vermissen. Im Übrigen lässt sich die
ausführliche Begründung des BFM, weshalb die Angaben des
Beschwerdeführers als realitätsfremd zu bezeichnen seien, nicht durch
die Behauptung in der Beschwerdeschrift entkräften, die Geschichte
habe sich so abgespielt, wie sie der Beschwerdeführer dargelegt
habe.
5.5 Die vom Beschwerdeführer eingereichten Beweismittel führen
ebenfalls zu keinem anderen Resultat. Diesbezüglich ist zunächst
darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des
vorinstanzlichen Verfahrens angab, er kenne den vollständigen Namen
von M. nicht (vgl. A 11/20 S. 13). Aus diesem Grund erscheint bereits
fraglich, ob es sich bei dem in den Internetpublikationen erwähnten M.
überhaupt um den Bekannten des Beschwerdeführers handelt. Unklar
ist sodann, wer diese Artikel verfasst hat, weshalb sich deren Seriosi-
tät auch nicht beurteilen lässt. Als wesentlich erweist sich jedoch letzt -
lich, dass den Artikeln – soweit überhaupt verständlich – zwar
ansatzweise ein ähnlicher Sachverhalt entnommen werden kann, wie
ihn der Beschwerdeführer in den Grundzügen schildert, aber ein
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Zusammenhang mit der Person des Beschwerdeführers vollständig
fehlt. Die eingereichten Beweismittel vermögen somit das Ergebnis der
Botschaftsabklärung, wonach der Beschwerdeführer von den
syrischen Behörden nicht gesucht werde, nicht zu entkräften.
5.6 Zusammengefasst ergibt sich damit, dass der Beschwerdeführer
für den Zeitpunkt der Ausreise aus Syrien keine Verfolgung im Sinne
von Art. 3 AsylG nachweisen oder zumindest glaubhaft machen
konnte. Das BFM hat das Asylgesuch in diesem Kontext zu Recht
abgewiesen.
6.
Der Beschwerdeführer trägt in der Beschwerdeschrift vor, er mache
auch subjektive Nachfluchtgründe durch seine exilpolitische Tätigkeit
geltend. Er sei in der Schweiz der kurdischen Yekiti Partei als
individuelles Mitglied beigetreten. Gemäss den Erkenntnissen des
BFM vom 2. November 2009 sei es in den letzten Jahren immer
wieder zu Festnahmen von Rückkehrern wegen deren politischen
Hintergrundes gekommen. Die Aktivitäten der im Ausland lebenden
Syrer würden sorgfältig überwacht.
6.1 Den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts zufolge trifft
es zwar zu, dass sich die syrischen Behörden für die exilpolitischen
Aktivitäten ihrer Staatsangehörigen interessieren. Es ist jedoch davon
auszugehen, dass sich die syrischen Geheimdienste auf die Erfassung
von Personen konzentrieren, die über die massentypischen und
niedrigprofilierten Erscheinungsformen exilpolitischer Proteste hinaus
Funktionen wahrgenommen und/oder Aktivitäten entwickelt haben, die
die Person aus der Masse der mit dem Regime Unzufriedenen
herausheben und als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner er-
scheinen lassen. Massgebend ist dabei nicht primär das Hervortreten
im Sinne einer optischen Erkennbarkeit und Individualisierbarkeit,
sondern eine öffentliche Exponierung, die aufgrund der Persönlichkeit
des Asylsuchenden, der Form des Auftritts und des Inhalts der in der
Öffentlichkeit abgegebenen Erklärungen den Eindruck erweckt, dass
der Asylsuchende zu einer Gefahr für den Bestand des syrischen
Regimes wird.
6.2 Der Beschwerdeführer behauptet zwar einen Beitritt zur
beziehungsweise eine Mitgliedschaft in der Yekiti Partei, er unterlässt
es jedoch, dies zu belegen. Weitere exilpolitische Aktivitäten werden
von ihm weder geltend gemacht noch ergeben sich solche aus den
Seite 10
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Akten. Damit ist nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführer als
besonders engagierter und exponierter Regimegegner zu qualifizieren
wäre. Entsprechend ist nicht davon auszugehen, er müsste deswegen
bei einer Rückkehr in den Heimatstaat mit flüchtlingsrechtlich relevan-
ter Verfolgung durch die syrischen Behörden rechnen.
6.3 Nach dem Gesagten ist die Flüchtlingseigenschaft des Be-
schwerdeführers auch mangels subjektiver Nachfluchtgründe gemäss
Art. 54 AsylG zu verneinen.
7.
7.1 Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht
ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und
ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der
Einheit der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
Die Wegweisung aus der Schweiz wird unter anderem dann nicht ver-
fügt, wenn die asylsuchende Person im Besitze einer gültigen Aufent-
halts- oder Niederlassungsbewilligung ist oder einen Anspruch auf
eine solche Bewilligung hat (vgl. Art. 32 Bst. a der Asylverordnung 1
vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen [AsylV 1, SR 142.311]).
Trotz hängigem Asylverfahren kann eine asylsuchende Person ein Ver-
fahren um Erteilung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung
einleiten, wenn ein Anspruch auf deren Erteilung besteht (Art. 14
Abs. 1 AsylG). Ist ein grundsätzlicher Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung gegeben, fällt die konkrete Beurteilung des gel-
tend gemachten Anspruchs und damit der Entscheid über die Weg-
weisung in die Zuständigkeit der ausländerrechtlichen Behörden
(vgl. EMARK 2001 Nr. 21).
7.2 Der Beschwerdeführer hat am (...) eine Schweizer Bürgerin
geheiratet. Mit Schreiben vom 21. September 2010 teilte das BFM den
Beschwerdeführer neu dem Wohnsitzkanton der Ehefrau, D._______,
zu. Aufgrund der Akten ist von der Einleitung eines Verfahrens um
Erteilung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung
auszugehen, welches derzeit pendent sein dürfte. Da bisher kein
abschliessender Entscheid zur Frage der Erteilung der beantragten
ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung vorliegt, hat das
Bundesverwaltungsgericht – im Sinne der zitierten Praxis nach
EMARK 2001 Nr. 21 – im Rahmen einer vorfrageweisen Prüfung zu
klären, ob der Beschwerdeführer zumindest im Grundsatz über einen
Anspruch auf Erteilung einer ausländerrechtlichen Bewilligung verfügt,
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was ohne weiteres zu bejahen ist (vgl. Art. 42 Abs. 1 des Bundes-
gesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Aus-
länder [AuG, SR 142.20]), weshalb die vom BFM verfügte Wegweisung
(Ziffer 3 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung) praxisgemäss
aufzuheben ist.
7.3 Nachdem die Anordnung der Wegweisung aufzuheben ist, fällt die
Grundlage für den Wegweisungsvollzug dahin, weshalb die diesbezüg-
lichen Anordnungen (Ziffern 4 und 5 des Dispositivs der angefoch-
tenen Verfügung) ebenfalls aufzuheben sind.
8.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer
hinsichtlich der Verneinung der Flüchtlingseigenschaft und der
Ablehnung des Asylgesuches nicht gelungen ist darzutun, dass die
angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt, den rechtserheblichen
Sachverhalt unrichtig und unvollständig feststellt oder unangemessen
ist (Art. 106 AsylG). Die Beschwerde ist deshalb diesbezüglich abzu-
weisen. Soweit die Aufhebung der Verfügung vom 22. April 2010 im
Umfang der Dispositiv-Ziffern 3 bis 5 beantragt worden ist, dringt der
Beschwerdeführer durch (im Sinne der Praxis wäre nur dann von
deren Gegenstandslosigkeit auszugehen, wenn die beantragte
Aufenthaltsbewilligung bereits erteilt worden wäre). In diesem Umfang
ist die Beschwerde gutzuheissen.
9.
9.1 Der Beschwerdeführer ist nach dem Gesagten praxisgemäss als
zur Hälfte unterliegende Partei anzusehen, weshalb er insoweit
kostenpflichtig wird (vgl. Art. 63 Abs. 1 und 5 VwVG). Ausgehend von
einer Gerichtsgebühr von Fr. 600.-- (Art. 16 Abs. 1 Bst. a VGG i.V.m.
Art. 1, 2 und 3 Bst. b des Reglements vom 21. Februar 2008 über die
Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht
(VGKE, SR 173.320.2) sind dem Beschwerdeführer entsprechend
Kosten in der Höhe von Fr. 300.-- aufzuerlegen. Diese sind durch den
am 11. Juni 2010 geleisteten Kostenvorschuss im Betrage von
Fr. 600.-- gedeckt und sind mit diesem zu verrechnen. Der über-
schüssige Betrag von Fr. 300.-- ist zurückzuerstatten.
9.2 Dem Beschwerdeführer wäre – als teilweise obsiegende Partei –
für die ihm im Beschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Kosten
grundsätzlich eine praxisgemäss um die Hälfte zu reduzierende
Parteientschädigung zuzusprechen (vgl. Art. 64 Abs. 1 VwVG sowie
Seite 12
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Art. 16 Abs. 1 Bst. a VGG i.V.m. Art. 7 Abs. 2 VGKE). Da der
Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren nicht vertreten ist, ist nicht
davon auszugehen, es seien ihm durch die Beschwerdeführung
allfällige weitere notwendige Auslagen (vgl. Art. 8 VGKE) entstanden,
weshalb vorliegend keine Parteientschädigung auszurichten ist.
(Dispositiv nächste Seite)
Seite 13
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird hinsichtlich der Frage der Flüchtlingseigenschaft
und Asylgewährung (Ziffern 1 und 2 der Verfügung des BFM vom
22. April 2010) abgewiesen.
2.
Betreffend Wegweisung und Wegweisungsvollzug wird die Be-
schwerde gutgeheissen. Die Ziffern 3 bis 5 des Dispositivs der vor-
instanzlichen Verfügung vom 22. April 2010 werden aufgehoben.
3.
Die hälftigen Verfahrenskosten von Fr. 300.-- werden dem Be-
schwerdeführer auferlegt. Diese werden mit dem geleisteten Kosten-
vorschuss im Betrage von Fr. 600.-- verrechnet. Der überschüssige
Betrag von Fr. 300.-- wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet.
4.
Es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil geht an:
- den Beschwerdeführer (Einschreiben; Beilage: Formular Zahl-
adresse)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt, mit den Akten Ref.-Nr. (...)
- das (...) des Kantons D._______ (in Kopie)
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Robert Galliker Daniela Brüschweiler
Versand:
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