D-3094/2010 - Abteilung IV - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren) - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dubl...
Karar Dilini Çevir:
D-3094/2010 - Abteilung IV - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren) - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dubl...
Abtei lung IV
D-3094/2010/
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 7 . M a i 2 0 1 0
Einzelrichter Hans Schürch,
mit Zustimmung von Richterin Regula Schenker Senn;
Gerichtsschreiberin Anna Dürmüller Leibundgut.
A._______, geboren _______,
Tunesien,
_______
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin);
Verfügung des BFM vom 25. März 2010 / N _______.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
D-3094/2010
Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,
dass der Beschwerdeführer, ein tunesischer Staatsangehöriger mit
letztem Wohnsitz in (...), sein Heimatland eigenen Angaben zufolge im
Jahr 2004 oder 2005 verliess und via Libyen zunächst nach Italien
gelangte,
dass er am 14. November 2009 von Italien herkommend illegal in die
Schweiz einreiste und gleichentags im Empfangs- und Verfahrens-
zentrum (...) ein Asylgesuch stellte,
dass er dort am 23. November 2009 summarisch befragt wurde, wobei
ihm auch das rechtliche Gehör zu einem allfälligen Nichteintretens-
entscheid gestützt auf Art. 34 Abs. 2 Bst. d des Asylgesetzes vom
26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) sowie einem Wegweisungsvollzug
nach Italien gewährt wurde,
dass er in der Folge für die Dauer des Verfahrens dem Kanton (...)
zugewiesen wurde,
dass er zur Begründung seines Asylgesuchs im Wesentlichen
vorbrachte, er habe in Tunesien mit einem Mädchen geschlafen und
deswegen Probleme mit dessen Familie bekommen,
dass die Familienangehörigen des Mädchens ihn zur Heirat hätten
zwingen wollen,
dass er sich geweigert habe, worauf seine Mutter und sein Bruder von
den Angehörigen des Mädchens geschlagen worden seien,
dass er daraufhin nach Italien geflüchtet sei, wo er in der Folge gelebt
habe,
dass er sich unter anderem in Flüchtlingslagern sowie im Gefängnis
aufgehalten und zwischenzeitlich illegal gearbeitet habe,
dass er im Jahr 2008 von seinem Bruder erfahren habe, zwei Brüder
des Mädchens seien in Italien auf der Suche nach ihm,
dass er sich deshalb zur Weiterreise in die Schweiz entschlossen
habe,
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dass er im Rahmen des rechtlichen Gehörs zu einer allfälligen Rück-
schaffung nach Italien vorbrachte, er wolle nicht nach Italien
zurückkehren, da er befürchten müsse, dort von den Brüdern des
Mädchens gefunden zu werden,
dass für den weiteren Inhalt der Aussagen auf das Protokoll bei den
Akten zu verweisen ist,
dass der Beschwerdeführer weder Identitäts- oder Reisepapiere noch
Beweismittel zur Sache zu den Akten reichte,
dass das BFM auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers mit Ver-
fügung vom 25. März 2010 in Anwendung von Art. 34 Abs. 2 Bst. d
AsylG nicht eintrat und die Wegweisung aus der Schweiz nach Italien
sowie den Wegweisungsvollzug anordnete,
dass gleichzeitig festgestellt wurde, einer allfälligen Beschwerde kom-
me keine aufschiebende Wirkung zu,
dass das BFM zur Begründung seines Entscheids im Wesentlichen
ausführte, Italien sei gestützt auf die einschlägigen internationalen Ab-
kommen für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens
betreffend den Beschwerdeführer zuständig,
dass die italienischen Behörden das vom BFM gestellte Rücküber-
nahmegesuch innert Frist nicht beantwortet hätten, weshalb davon
auszugehen sei, Italien sei mit der Rückübernahme einverstanden,
dass die Rückführung grundsätzlich bis spätestens zum 11. Juli 2010
zu erfolgen habe,
dass der Beschwerdeführer keine relevanten Gründe gegen eine
Rückkehr nach Italien geltend gemacht habe,
dass auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers somit nicht einzu-
treten sei,
dass der Vollzug der Wegweisung zulässig, zumutbar und möglich sei,
dass für den weiteren Inhalt der vorinstanzlichen Verfügung auf die
Akten zu verweisen ist,
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dass der Beschwerdeführer diese Verfügung mit Eingabe vom 30. April
2010 (Poststempel) beim Bundesverwaltungsgericht anfocht,
dass dabei sinngemäss die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung
beantragt wurde,
dass für den Inhalt der Beschwerdebegründung auf die Beschwerde-
schrift zu verweisen ist,
dass das Bundesverwaltungsgericht den Vollzug der Wegweisung mit
Verfügung vom 3. Mai 2010 (Telefax) vorsorglich aussetzte,
dass der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 4. Mai 2010 (Post-
stempel) eine Beschwerdeergänzung nachreichte,
dass die vollständigen vorinstanzlichen Akten am 12. April 2010 beim
Bundesverwaltungsgericht eintrafen (vgl. Art. 109 Abs. 2 AsylG),
und zieht in Erwägung,
dass das Bundesverwaltungsgericht endgültig über Beschwerden
gegen Verfügungen (Art. 5 VwVG) des BFM auf dem Gebiet des Asyl-
rechts entscheidet (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 31-33 des Verwaltungs-
gerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]; Art. 83 Bst. d
Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG,
SR 173.110]),
dass sich das Verfahren nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG
richtet, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und
Art. 6 AsylG),
dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung beson-
ders berührt ist, ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung
beziehungsweise Änderung hat und daher zur Einreichung der Be-
schwerde legitimiert ist (Art. 48 Abs. 1 VwVG),
dass somit auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde
einzutreten ist (Art. 108 Abs. 2 AsylG und Art. 52 VwVG),
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dass mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht die Verletzung
von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt
werden können (Art. 106 Abs. 1 AsylG),
dass über offensichtlich unbegründete Beschwerden in einzelrichterli-
cher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters bezie-
hungsweise einer zweiten Richterin entschieden wird (Art. 111 Bst. e
AsylG) und es sich vorliegend, wie nachfolgend aufgezeigt, um eine
solche handelt, weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu
begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG),
dass gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG vorliegend auf einen
Schriftenwechsel verzichtet wurde,
dass die Beurteilung von Beschwerden gegen Nichteintretensent-
scheide praxisgemäss auf die Überprüfung der Frage beschränkt ist,
ob die Vorinstanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist,
dass sich die Beurteilungszuständigkeit der Beschwerdeinstanz somit
darin erschöpft, bei Begründetheit des Rechtsmittels die angefochtene
Verfügung aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgehen zu lassen (vgl. Entscheidungen und Mit-
teilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2004
Nr. 34 E. 2.1 S. 240 f.),
dass die Vorinstanz die Frage der Wegweisung sowie deren Vollzugs
dagegen bereits materiell geprüft hat, weshalb dem Bundesverwal-
tungsgericht diesbezüglich volle Kognition zukommt,
dass auf Asylgesuche in der Regel unter anderem dann nicht einge-
treten wird, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können,
welcher für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens
staatsvertraglich zuständig ist (Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG),
dass der Beschwerdeführer eigenen Angaben zufolge im Jahr 2004
oder 2005 nach Italien einreiste und sich in der Folge bis im November
2009 dort aufhielt,
dass er zu seinem Aufenthalt in Italien relativ detaillierte Angaben
machte und unter anderem erklärte, er habe sich in Flüchtlingscamps
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aufgehalten und sei überdies zweimal für mehrere Monate inhaftiert
gewesen,
dass bei dieser Sachlage Italien für die Durchführung des Asyl- und
Wegweisungsverfahrens betreffend den Beschwerdeführer zuständig
ist (vgl. die einschlägigen Staatsverträge, namentlich das Abkommen
vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossen-
schaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Ver-
fahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines
in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags
[Dublin-Assoziierungsabkommen {DAA}, SR 0.142.392.68] sowie die
Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur
Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitglied-
staats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in
einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist [Dublin-II-VO]
und die Verordnung [EG] Nr. 1560/2003 der Kommission vom
2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung
[EG] Nr. 343/2003 des Rates [DVO Dublin]),
dass das BFM die italienischen Behörden am 9. Dezember 2009
gestützt auf Art. 16 Abs. 1 Bst. e Dublin-II-VO um Wiederaufnahme des
Beschwerdeführers ersuchte,
dass das BFM gestützt auf Art. 20 Abs. 1 Bst. 2 Dublin-II-VO zu Recht
annehmen durfte, Italien stimme stillschweigend der Aufnahme des
Beschwerdeführers zu,
dass der Beschwerdeführer somit ohne weiteres in einen Drittstaat
(Italien) ausreisen kann, welcher für die Durchführung des Asyl- und
Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist,
dass seitens des Beschwerdeführers geltend gemacht wird, er müsse
befürchten, in Italien von den Brüdern seiner ehemaligen Freundin
gefunden zu werden,
dass er ausserdem in Italien allgemein Probleme gehabt habe,
dass diese Einwände jedoch offensichtlich nicht gegen eine Rück-
schaffung nach Italien sprechen, zumal sich der Beschwerdeführer bei
Sicherheitsbedenken an die italienische Polizei wenden könnte,
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dass den Akten im Weiteren zu entnehmen ist, der Beschwerdeführer
habe in Italien unter anderem von der Caritas sowie von einem
Landsmann Hilfe und Unterstützung erhalten,
dass daher davon auszugehen ist, er könne sich bei einer Rück-
schaffung nach Italien bei Bedarf erneut an diese Personen respektive
Institutionen wenden,
dass bei dieser Sachlage für die schweizerischen Asylbehörden keine
Veranlassung besteht, in Abweichung von der festgestellten Zuständig-
keitsordnung vom Selbsteintrittsrecht gemäss Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-
VO Gebrauch zu machen,
dass das BFM nach dem Gesagten insgesamt zu Recht in Anwendung
von Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG auf das Asylgesuch des Beschwerde-
führers nicht eingetreten ist,
dass das Nichteintreten auf ein Asylgesuch in der Regel die Wegwei-
sung aus der Schweiz zur Folge hat (Art. 44 Abs. 1 AsylG), vorliegend
der Kanton keine Aufenthaltsbewilligung erteilt hat und zudem kein
Anspruch auf Erteilung einer solchen besteht (vgl. EMARK 2001
Nr. 21), weshalb die verfügte Wegweisung im Einklang mit den ge-
setzlichen Bestimmungen steht und zu bestätigen ist,
dass in Verfahren nach Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG die Zulässigkeit und
Möglichkeit des Wegweisungsvollzugs (vgl. dazu Art. 44 Abs. 2 AsylG
i.V.m. Art. 83 Abs. 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember
2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG, SR 142.20]) regel-
mässig bereits Voraussetzung (und nicht erst Rechtsfolge) des Nicht-
eintretensentscheides sind, weshalb diese Fragen an dieser Stelle
nicht mehr zu prüfen sind,
dass sich die Frage nach der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs
in Verfahren nach Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG nicht unter dem Aspekt
von Art. 83 Abs. 1 und 4 AuG stellt, sondern ebenfalls bereits ein Teil-
aspekt des Nichteintretensentscheides darstellt,
dass nämlich die Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs in
Dublin-Verfahren im Rahmen der Souveränitätsklausel von Art. 3
Abs. 2 Dublin-VO-II sowie der humanitären Klausel von Art. 15 Dublin-
II-VO berücksichtigt wird,
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dass jedoch vorliegend keine dieser beiden Bestimmungen zur An-
wendung gelangt,
dass der vom Bundesamt verfügte Wegweisungsvollzug nach Italien
demnach zu bestätigen ist,
dass es dem Beschwerdeführer nach dem Gesagten nicht gelungen ist
darzutun, inwiefern die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt,
den rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig oder unvollständig fest-
stellt oder unangemessen ist (Art. 106 AsylG), weshalb die Be-
schwerde abzuweisen ist,
dass der am 3. Mai 2010 vorsorglich verfügte Vollzugsstopp mit der
vorliegenden Abweisung der Beschwerde hinfällig wird,
dass bei diesem Ausgang des Verfahrens dessen Kosten von Fr. 600.--
(Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und
Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR
173.320.2]) dem Beschwerdeführer aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1
VwVG).
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.-- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zu
Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
3.
Dieses Urteil geht an:
- den Beschwerdeführer (Einschreiben; Beilage: Einzahlungsschein)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt, mit den Akten Ref.-Nr. N _______
(per Kurier; in Kopie)
- _______ (in Kopie)
Der Einzelrichter: Die Gerichtsschreiberin:
Hans Schürch Anna Dürmüller Leibundgut
Versand:
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