D-2345/2008 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung (Beschwerden gegen Wiedererwägungsentscheid) - Asyl (Beschwerde gegen Wiedererwägungsentscheid); ...
Karar Dilini Çevir:
D-2345/2008 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung (Beschwerden gegen Wiedererwägungsentscheid) - Asyl (Beschwerde gegen Wiedererwägungsentscheid); ...
Abtei lung IV
D-2345/2008
{T 0/2}
U r t e i l v o m 2 5 . A u g u s t 2 0 0 8
Einzelrichter Robert Galliker,
mit Zustimmung von Richter Maurice Brodard,
Gerichtsschreiber Martin Maeder.
A._______, geboren (...), Tunesien, B._______, geboren
(...), Bosnien und Herzegowina, und deren gemeinsame
Kinder C._______, geboren (...), D._______, geboren
(...), und E._______, geboren (...), alle Bosnien und
Herzegowina,
vertreten durch Afra Weidmann, (...),
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM), vormals Bundesamt
für Flüchtlinge (BFF),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Asyl (Beschwerde gegen Wiedererwägungsentscheid);
Verfügung des BFM vom 11. März 2008 / N (...).
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
D-2345/2008
Sachverhalt:
A.
A.a Die Beschwerdeführer - das erst am (...) in der Schweiz geborene
Kind E._______ ausgenommen - suchten am 30. Mai 2001 am
Flughafen Zürich Kloten gemeinsam um Asyl nach. In seiner
Stellungnahme vom 12. Juni 2001 stimmte der Hohe Flüchtlings-
kommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) einer Rückführung der
Beschwerderführer nach Bosnien und Herzegowina nicht zu. Das BFF
bewilligte daraufhin den Beschwerdeführern am 13. Juni 2001 die
Einreise in die Schweiz, nachdem es dieselbe mit Verfügung vom
30. Mai 2001 vorläufig verweigert hatte.
A.b Mit Verfügung vom 7. November 2003 lehnte das BFF das Asylge-
such des (religiös angetrauten) Ehemannes ohne Entscheid über das
Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft ab und ordnete die Wegweisung
aus der Schweiz sowie deren Vollzug bei ausdrücklichem Verzicht auf
eine Rückführung nach Tunesien und unter Einräumung einer bis zum
5. Januar 2004 laufenden Ausreisefrist an. Mit separater Verfügung
gleichen Datums trat das BFF auf das Asylgesuch der Ehefrau und der
beiden Kinder C._______ und D._______ nicht ein und ordnete die
Wegweisung sowie deren Vollzug unter Ansetzung einer gleich
bemessenen Ausreisefrist an.
A.c Mit separaten Beschwerden vom 5. Dezember 2003 an die da-
mals zuständige Schweizerische Asylrekurskommission (ARK) bean-
tragten die Beschwerdeführer die Aufhebung der Verfügungen vom
7. November 2003, die Gewährung von Asyl beziehungsweise das
Eintreten auf das Asylgesuch und - im Eventualpunkt - die Anordnung
der vorläufigen Aufnahme. Die ARK vereinigte die beiden Beschwer-
deverfahren und schloss das am 20. Dezember 2003 geborene Kind in
das Verfahren ein. Mit Urteil vom 23. Februar 2005 wies sie die Be-
schwerden vollumfänglich ab.
B.
B.a Die Beschwerdeführer gelangten am 19. April 2005 mit einem
Wiedererwägungsgesuch an das BFM und beantragten darin den Ver-
zicht auf die Wegweisung und die Anordnung der vorläufigen Aufnah-
me.
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B.b Mit Verfügung vom 23. Mai 2005 wies das BFM das Wiedererwä-
gungsgesuch ab und bestätigte die Anordnung des Wegweisungsvoll-
zugs in den Verfügungen vom 7. November 2003.
B.c Auf die gegen die Verfügung vom 23. Mai 2005 erhobene Be-
schwerde trat die ARK mit Urteil des zuständigen Einzelrichters vom
26. Juli 2005 nicht ein, nachdem die Beschwerdeführer es versäumt
hatten, den Verfahrenskostenvorschuss fristgerecht zu entrichten.
C.
Mit Eingabe ihrer Rechtsvertreterin vom 1. Juni 2007 an das BFM er-
suchten die Beschwerdeführer im Wesentlichen um Wiedererwägung
der Verfügung vom 7. November 2003 betreffend Ablehnung des Asyl-
gesuchs des Ehemannes, um Feststellung der Unmöglichkeit einer
Rückkehr von A._______ nach Bosnien und Herzegowina und
materielle Prüfung des Asylgesuchs respektive der Flüchtlingseigen-
schaft in Bezug auf dessen Heimatland Tunesien und um Behandlung
als Familieneinheit im Sinne von Art. 44 des Asylgesetzes vom 26. Ju-
ni 1998 (AsylG, SR 142.31).
D.
Mit Verfügung vom 11. März 2008 hiess das BFM das Wiedererwä-
gungsgesuch gut, soweit darin die Feststellung der Unmöglichkeit des
Wegweisungsvollzugs betreffend den Ehemann nach Bosnien und
Herzegowina beantragt wurde. In Anknüpfung an diese Feststellung
verfügte das BFM die vorläufige Aufnahme des Ehemannes in der
Schweiz und nahm gestützt auf den Grundsatz der Familieneinheit
nach Art. 44 Abs. 1 AsylG auch die Ehefrau und die drei Kinder vorläu-
fig auf. Hinsichtlich des Antrags auf materielle Prüfung der Flüchtlings-
eigenschaft des Ehemannes lehnte das BFM das Wiedererwägungs-
gesuch hingegen ab.
E.
Mit Eingabe ihrer Rechtsvertreterin vom 10. April 2008 fochten die Be-
schwerdeführer die Verfügung des BFM vom 11. März 2008 beim Bun-
desverwaltungsgericht an. Dabei beantragten sie im Wesentlichen die
Aufhebung der Verfügung des BFM vom 11. März 2008, die Gutheis-
sung ihres Wiedererwägungsgesuchs vom 1. Juni 2007, den Verzicht
auf die Wegweisung nach Bosnien und Herzegowina und die Prüfung
der Flüchtlingseigenschaft in Bezug auf das Heimatland des Eheman-
nes Tunesien. In prozessualer Hinsicht beantragten die Beschwerde-
führer die Gewährung ergänzender Akteneinsicht sowie des rechtli-
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chen Gehörs zu einer - aus dem Aktenverzeichnis ersichtlichen - Kon-
taktnahme des BFM mit dem Oberauditor im Departement für Bevölke-
rungsschutz und Sport (VBS). Im Weiteren ersuchten sie um Gewäh-
rung der unentgeltlichen Rechtspflege nach Art. 65 Abs. 1 des Bun-
desgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren
(VwVG, SR 172.021) und um Ausrichtung einer angemessenen Par-
teientschädigung. Auf die Begründung der Beschwerde und den Inhalt
der diversen mit der Eingabe eingereichten Beweismittel wird, soweit
für den Entscheid wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.
F.
Mit Zwischenverfügung vom 16. April 2008 verwies der Instruktions-
richter die Beurteilung des Gesuchs um Gewährung der unentgeltli-
chen Rechtspflege in den Endentscheid. Gleichzeitig verzichtete er auf
das Erheben eines Verfahrenskostenvorschusses und ordnete die
Überweisung der Akten an die Vorinstanz zur Vernehmlassung an.
G.
In seiner Vernehmlassung vom 5. Mai 2008, welche den Beschwerde-
führern durch den Instruktionsrichter ohne Einräumung des Replik-
rechts zur Kenntnis gebracht wurde, beantragte das BFM die Abwei-
sung der Beschwerde.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni
2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, sofern keine Aus-
nahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als Vorinstanzen gelten die in
Art. 33 und 34 VGG genannten Behörden, zu welchen auch das BFM
(Art. 33 Bst. d VGG) zählt. Art. 32 VGG sieht für Verfügungen auf dem
Gebiet des Asyls keine Ausnahme vor, womit die Zuständigkeit des
Bundesverwaltungsgerichts als Beschwerdeinstanz im Asylverfahren
gegeben ist (Art. 105 AsylG). Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesge-
richtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110]) bestätigt diese
Zuständigkeit und schliesst gleichzeitig die Weiterzugsmöglichkeit an
das Bundesgericht aus. Das Bundesverwaltungsgericht ist demzufolge
in letzter Instanz zuständig für die Beurteilung der Beschwerde vom
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10. April 2008 gegen einen Wiedererwägungsentscheid des BFM auf
dem Gebiet des Asyls.
1.2 Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Ver-
letzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststel-
lung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit
gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
1.3 Die Beschwerde wurde innert der gesetzlichen Frist von 30 Tagen
in gültiger Form eingereicht (Art. 108 Abs. 1 AsylG und 6 AsylG i.V.m.
Art. und 52 VwVG). Die Beschwerdeführer haben am Verfahren vor
dem Bundesamt teilgenommen, sind durch die angefochtene Verfü-
gung besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an
deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Damit sind sie zur Ein-
reichung einer dagegen gerichteten Beschwerde legitimiert (Art. 6
AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 VwVG). Demzufolge ist auf die Beschwerde
einzutreten.
2.
Gemäss Art. 111 Bst. e AsylG wird im Asylbeschwerdeverfahren unter
anderem über offensichtlich begründete Beschwerden in einzelrichter-
licher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters bezie-
hungsweise einer zweiten Richterin entschieden. Bei der vorliegenden
handelt es sich, wie nachfolgend aufzuzeigen sein wird, um eine offen-
sichtlich begründete Beschwerde, weshalb der Entscheid nur summa-
risch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).
3.
Zunächst ist festzustellen, dass sich die vorliegende Beschwerde nicht
gegen die in teilweiser Gutheissung des Wiedererwägungsgesuchs
vom 1. Juni 2007 getroffene Anordnung des BFM richtet, die Be-
schwerdeführer in der Schweiz vorläufig aufzunehmen. Das Beschwer-
deverfahren beschränkt sich somit auf die Frage, ob das BFM mit der
angefochtenen Verfügung zu Recht den Antrag der Beschwerdeführer
auf materielle Prüfung der Flüchtlingseigenschaft des Ehemannes ab-
gelehnt hat.
4.
4.1 Im Rahmen der betreffenden Verfügung vom 7. November 2003
hatte das BFF das Asylgesuch des Beschwerdeführers gestützt auf
den damaligen Art. 52 Abs. 1 Bst. a AsylG (gemäss Änderung vom
16. Dezember 2005 des AsylG aufgehoben mit Wirkung zum 1. Januar
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2008; vgl. AS 2006 4752, 2007 5573) abgewiesen. In ihrem Urteil vom
23. Februar 2005 führte die ARK diesbezüglich unter Hinweis auf
EMARK (Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asyl-
rekurskommission) 1996 Nr. 24 aus, ein Asylbewerber könne in einen
Drittstaat zurückkehren, wenn angenommen werden könne, dass die
Behörden dieses Staates ihm die Einreise gestatten und ihm einen
dauerhaften Aufenthalt erlauben würden. Handle es sich beim Ehegat-
ten des Asylbewerbers und den gemeinsamen minderjährigen Kindern
um Angehörige dieses Drittstaates, lägen ausreichende Anhaltspunkte
für eine Annahme in diesem Sinne vor, selbst wenn der Betroffene
nicht ohne weiteres über die notwendigen Bewilligungen verfüge. In
casu sei Bosnien und Herzegowina als Drittstaat im Sinne von Art. 52
Abs. 1 AsylG zu bezeichnen, wohin der Beschwerdeführer mit seiner
Familie zurückkehren könne. Die Aktenlage gebe zu keinen Bedenken
Anlass, dass Bosnien und Herzegowina seinen völkerrechtlichen Ver-
pflichtungen in casu nicht nachkommen würde. Deshalb könne offen
gelassen werden, ob der Beschwerdeführer als Sympathisant der (...)-
Partei begründete Furcht vor einer Verfolgung durch die tunesischen
Behörden habe. Da eine Rückschaffung nach Tunesien in der
angefochtenen Verfügung ausdrücklich ausgeschlossen worden sei,
erübrige sich die Prüfung, ob der Beschwerdeführer aufgrund der
politischen Situation in Tunesien die Flüchtlingseigenschaft erfülle.
4.2 Mit der angefochtenen Verfügung vom 11. März 2008 lehnte das
BFM das mit dem Wiedererwägungsgesuch gestellte Begehren der
Beschwerdeführer um materielle Prüfung der Flüchtlingseigenschaft
des Ehemannes mit folgender Begründung ab: Das Wiedererwägungs-
gesuch werde mit einer nachträglich eingetretenen Veränderung der
Sachlage begründet, nämlich mit der technischen Unmöglichkeit des
Wegweisungsvollzugs nach Bosnien und Herzegowina. Es tangiere so-
mit die Rechtsbeständigkeit der Verfügung vom 7. November 2003 hin-
sichtlich des Verzichts auf die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft
nicht.
4.3 Dieser Einschätzung des Bundesamts kann nicht gefolgt werden.
Gemäss dem ehemaligen Art. 52 Abs. 1 Bst. a AsylG wurde einer Per-
son, die sich in der Schweiz befand, in der Regel kein Asyl gewährt,
wenn sie sich vor ihrer Einreise einige Zeit in einem Drittstaat aufge-
halten hatte, in den sie zurückkehren konnte. Nach dem ehemaligen
Art. 52 Abs. 1 Bst. b AsylG galt die gleiche Regelung für Personen, die
in einen Drittstaat ausreisen konnten, in dem nahe Angehörige lebten
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(zur Situation von Ehepaaren gemischter Nationalität und der diesfalls
greifenden Verzichtbarkeit des bereits begründeten Aufenthalts des
Ehegatten in dessen Heimatstaat vgl. EMARK 1993 Nr. 19 S. 125 ff.).
Beim betreffenden Drittstaat, in Bezug auf welchen das Bundesamt mit
der Verfügung vom 7. November 2003 (und ebenfalls die ARK mit dem
Urteil vom 23. Februar 2005) davon ausgegangen war, dieser biete
dem Ehemann dauernden und sicheren Aufenthalt, handelt es sich um
Bosnien und Herzegowina. Mit der nunmehr durch die angefochtene
Verfügung festgestellten Unmöglichkeit des Vollzugs nach Bosnien und
Herzegowina betreffend den Ehemann sind offensichtlich die Grund-
lage für die Anwendung des ehemaligen Art. 52 Abs. 1 Bst. a AsylG
- nämlich die mögliche Rückkehr in diesen Staat - und mithin die Vor-
aussetzung für das Offenlassen der Flüchtlingseigenschaft in Bezug
auf den Heimatstaat des Ehemannes (Tunesien) weggefallen. Mit an-
deren Worten ergibt sich aus der Feststellung der Unmöglichkeit des
Wegweisungsvollzugs zugleich, dass nunmehr auch die Flüchtlingsei-
genschaft des Ehemannes in Bezug auf Tunesien sowie - darüber hi-
naus - die Frage zu prüfen sind, ob diesem in der Schweiz Asyl zu ge-
währen sei.
4.4 Zusammenfassend erweist sich, dass die angefochtene Verfügung
vom 11. März 2008 eine wesentliche Rechtsfrage - deren Prüfung im
Übrigen durch die Beschwerdeführer ausdrücklich begehrt wurde -
nicht beantwortet. Die Beschwerde ist daher insofern gutzuheissen,
als damit die Aufhebung der angefochtenen Verfügung in den betref-
fenden Punkten beantragt wird. Aus dem Gesagten folgt ausserdem,
dass den Beschwerdeführern durch das Bundesamt zu Unrecht Ver-
fahrenskosten in der Höhe von Fr. 600.-- wegen teilweiser Ablehnung
des Wiedererwägungsgesuchs auferlegt wurden. Aufzuheben sind so-
mit die Dispositivziffern 1 und 10 der Verfügung des BFM vom
11. März 2008. Zugleich ist die Sache zur erneuten Beurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner sind die den Beschwerdeführern
zu Unrecht auferlegten Verfahrenskosten - sollten diese von den Be-
schwerdeführern bereits bezahlt worden sein - durch das BFM zurück-
zuerstatten.
5.
5.1 Ergänzend ist ausserdem auf Folgendes hinzuweisen: Mit der Be-
schwerdeschrift machten die Beschwerdeführer durch ihre Rechtsver-
treterin geltend, sie hätten am 17. März 2008 beim BFM ein Gesuch
um Einsicht in die vorinstanzlichen Akten bezüglich des Wiedererwä-
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gungsverfahrens gestellt. Das BFM habe daraufhin eine "äusserst kar-
ge Akteneinsicht" gewährt und in verschiedener Hinsicht das recht-
liche Gehör verletzt. So habe es eine "Anfrage an Bosnien und Ant-
wort von Bosnien" (C [...]) und ein Schreiben an den Oberauditor im
VBS (C [...]) in nicht statthafter Weise als interne Akten klassifiziert.
5.2 Das Recht auf Einsicht in die Verfahrensakten bildet einen wichti-
gen Teilaspekt des verfassungsmässigen Anspruchs auf das rechtliche
Gehör (Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eid-
genossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]; vgl. ausserdem
Art. 29-33 VwVG). Bei dem von den Beschwerdeführern als erstes be-
zeichneten Aktenstück C (...) handelt es sich um eine E-Mail vom
28. Januar 2008 zwischen zwei Angestellten des BFM, in welchem der
Inhalt eines Schreibens der Botschaft von Bosnien und Herzegowina
in der Schweiz vom 9. Januar 2008 und eines Schreibens des Aussen-
ministeriums von Bosnien und Herzegowina vom 19. Dezember 2007
zusammengefasst wird. In beiden Schreiben geht es um den Stand-
punkt der bosnisch-herzegowinischen Behörden zur Frage der Rück-
übernahmeverpflichtung bezüglich Drittausländern aus der Schweiz.
Damit ist dem Aktenstück C (...) jedoch im Hinblick auf die im vorlie-
genden Wiedererwägungsverfahren zur Beurteilung anstehenden
Rechtsfragen eine grundsätzliche Beweiseignung zu bescheinigen.
Unabhängig davon, ob das Aktenstück vom BFM effektiv als Beweis-
mittel herangezogen wurde oder werden wird, fällt es damit unter die
"als Beweismittel dienenden Aktenstücke" im Sinne von Art. 26 Abs. 1
Bst. b VwVG (vgl. EMARK 1994 Nr. 1 E. 3a S. 7 ff). Somit ist das BFM
grundsätzlich verpflichtet, den Beschwerdeführern Einsicht in das Ak-
tenstück C (...) zu gewähren. Bei einer Verweigerung der Offenlegung
einzelner Aktenbestandteile hat es nach den Vorschriften von Art. 27
und 28 VwVG zu verfahren (vgl. hierzu EMARK 1994 Nr. 1 E. 4 und 5
S. 11 ff.). Sodann ergibt eine Prüfung des zweiten von den Beschwer-
deführern bezeichneten Aktenstückes (Schreiben des BFM an den
Oberauditor vom 13. Dezember 2007, C [...]), dass auch hier die re-
striktiven Voraussetzungen für die Klassifizierung als interne Akte nicht
gegeben sind. So lässt sich auch bezüglich dieses Aktenstückes eine
Beweiseignung im Rahmen des für die Beurteilung des Wiedererwä-
gungsgesuchs wesentlichen Sachverhaltes nicht von vornherein aus-
schliessen, und ebenso wenig lässt sich sagen, das Aktenstück sei für
den Eigengebrauch des BFM bestimmt und diene ausschliesslich der
internen Meinungsbildung (vgl. EMARK 1994 Nr. 1 E. 3a S. 8 f.). Somit
unterliegt entgegen der Auffassung des BFM auch das Aktenstück
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C (...) grundsätzlich dem Einsichtsrecht der Beschwerdeführer. Ge-
heimhaltungsgründen, die hier naheliegenderweise bestehen dürften,
hat das BFM demnach unter Beachtung der Bestimmungen von Art. 27
und 28 VwVG Rechnung zu tragen.
5.3 Nachdem den Beschwerdeführern einzelne Aktenstücke unter un-
zulässiger Qualifizierung durch das BFM vorenthalten worden sind,
stellt sich die Frage, ob insofern - indem dies einer Verletzung des
rechtlichen Gehörs gleichkommt - ein eigenständiger Grund für die
Aufhebung der angefochtenen Verfügung gegeben ist. Nachdem die
Verfügung des BFM vom 11. März 2008 aus den in E. 4 hiervor ge-
nannten anderweitigen Gründen teilweise aufgehoben wird, erübrigt es
sich freilich, auf diesen Gesichtspunkt näher einzugehen. Indessen ist
das BFM anzuweisen, den Beschwerdeführern Einsicht in die betref-
fenden Aktenstücke (C [...] und C [...]) zu gewähren beziehungsweise
bei einer Verweigerung der Einsichtnahme nach den Bestimmungen
von Art. 27 und 28 VwVG zu verfahren.
6.
6.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben
(Art. 63 Abs. 3 VwVG i.V.m. Art. 37 VGG). Das Gesuch um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG ist
unter diesen Umständen als gegenstandslos geworden zu betrachten.
6.2 Gemäss Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 37 VGG kann der obsie-
genden Partei von Amtes wegen oder auf Begehren eine Entschädi-
gung für die ihr erwachsenen notwendigen und verhältnismässig ho-
hen Kosten zugesprochen werden (vgl. für die Grundsätze der Bemes-
sung der Parteientschädigung ausserdem Art. 7 ff. des Reglements
vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem
Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Gestützt auf die in
Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren (Art. 9-13 VGKE) und die
mit der Beschwerdeschrift eingereichte Kostennote vom 10. April 2008
ist den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung von Fr. 300.--
(inkl. Auslagen und MwSt) zuzusprechen. Dieser Betrag ist den Be-
schwerdeführern durch das BFM zu entrichten.
(Dispositiv nächste Seite)
Seite 9
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und die Dispositivziffern 1 und 10
der Verfügung des BFM vom 11. März 2008 werden aufgehoben.
2.
Die Akten werden dem BFM zur erneuten Beurteilung der Sache im
Sinne der Erwägungen überwiesen.
3.
Das BFM wird angewiesen, den Beschwerdeführern im Sinne der
Erwägungen Einsicht in die Aktenstücke C (...) und C (...) zu
gewähren.
4.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
5.
Den Beschwerdeführern wird eine Parteientschädigung von Fr. 300.--
zugesprochen, die ihnen durch das BFM zu entrichten ist.
6.
Dieses Urteil geht an:
- die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer (Einschreiben)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt und Rückkehrförderung, mit den
Akten Ref.-Nr. N (...) (per Kurier; in Kopie)
- das (...) des Kantons (...) ad (...) (in Kopie)
Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:
Robert Galliker Martin Maeder
Versand:
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