D-23/2010 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Vollzug der Wegweisung; Verfügung des BFM vom 1. J...
Karar Dilini Çevir:
D-23/2010 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Vollzug der Wegweisung; Verfügung des BFM vom 1. J...
Abtei lung IV
D-23/2010/cvv
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 2 . A p r i l 2 0 1 0
Richter Hans Schürch (Vorsitz),
Richter Daniele Cattaneo,
Richter Bendicht Tellenbach
Gerichtsschreiberin Anna Dürmüller Leibundgut.
A.__________, geboren (...),
Irak,
(...)
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Vollzug der Wegweisung;
Verfügung des BFM vom 1. Dezember 2009 / N (...).
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
D-23/2010
Sachverhalt:
A.
A.a Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger
kurdischer Ethnie, verliess sein Heimatland eigenen Angaben zufolge
am 21. April 2008 in Richtung Türkei und reiste am 25. Mai 2008 von
ihm unbekannten Ländern herkommend illegal in die Schweiz ein.
Gleichentags ersuchte er im Empfangs- und Verfahrenszentrum
B.__________ um Asyl nach, wurde dort am 23. Juni 2008
summarisch befragt und in der Folge für die Dauer des Verfahrens
dem Kanton C.________ zugewiesen. Am 22. Juni 2009 hörte das
BFM den Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Asylgründen an.
A.b Zur Begründung seines Asylgesuchs brachte der Beschwerde-
führer im Wesentlichen vor, er stamme aus D.__________. Einer
seiner Brüder habe für die Amerikaner als Leibwächter gearbeitet.
Deswegen sei seine Familie ab März 2008 von Terroristen belästigt
und mit dem Tod bedroht worden. Man habe sie dabei aufgefordert,
das Land zu verlassen. Seine Familienangehörigen seien deswegen
schliesslich zu einem Onkel nach Syrien geflüchtet. Er selber sei
jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht zuhause gewesen, da er in einer
abgelegenen Gegend Schafe gehütet habe. Als er am 18. April 2008
nach zweimonatiger Abwesenheit nach Hause zurückgekehrt sei, habe
er von den Nachbarn sowie von seinem Onkel erfahren, dass seine
Familienangehörigen nach Syrien gegangen seien. Er habe zunächst
gehofft, er könne bei seinem ebenfalls in D.__________ wohnhaften
Onkel leben, dieser habe ihn jedoch nicht bei sich aufnehmen wollen,
sondern habe ihn zu einem Cousin des Vaters nach Dohuk geschickt.
Dieser habe ihn jedoch nicht einmal empfangen wollen, weshalb er
sich schliesslich entschlossen habe, den Irak ebenfalls zu verlassen.
Er sei jedoch nicht nach Syrien gegangen, da er gehört habe, dass die
Situation seiner Familie dort nicht so gut sei.
A.c Der Beschwerdeführer reichte im Verlauf der vorinstanzlichen An-
hörungen eine irakische Identitätskarte zu den Akten.
A.d Das BFM liess die Identitätskarte des Beschwerdeführers amts-
intern überprüfen. Die Dokumentenanalyse förderte mehrere
Fälschungsmerkmale zutage. Mit Schreiben vom 16. November 2009
teilte das BFM dem Beschwerdeführer mit, die eingereichte irakische
Identitätskarte werde aufgrund des Ergebnisses der Dokumentenana-
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lyse als Fälschung erachtet, und gab ihm gleichzeitig Gelegenheit,
innert Frist dazu Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer erklärte
mit Schreiben vom 23. November 2009, sein Vater habe diese
Identitätskarte für ihn beantragt, und er habe keinen Grund, an deren
Echtheit zu zweifeln.
B.
Das BFM stellte mit Verfügung vom 1. Dezember 2009 – eröffnet am
9. Dezember 2009 – fest, die Vorbringen des Beschwerdeführers seien
unglaubhaft. Demzufolge verneinte das BFM die Flüchtlingseigen-
schaft und lehnte das Asylgesuch ab. Gleichzeitig verfügte es die Weg-
weisung aus der Schweiz und ordnete den Vollzug an. Ausserdem ver-
fügte das BFM die Einziehung der als gefälscht erkannten irakischen
Identitätskarte des Beschwerdeführers.
C.
Mit Beschwerde vom 4. Januar 2010 an das Bundesverwaltungsgericht
liess der Beschwerdeführer beantragen, die vorinstanzliche Verfügung
sei aufzuheben, es sei die Unzulässigkeit oder Unzumutbarkeit des
Wegweisungsvollzugs festzustellen und die vorläufige Aufnahme anzu-
ordnen. In prozessualer Hinsicht wurde um Gewährung der unent-
geltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 des Bundesge-
setzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren
(VwVG, SR 172.021) sowie Verzicht auf die Erhebung eines Kosten-
vorschusses ersucht.
Der Beschwerde lagen ein irakischer Führerschein und eine Einwoh-
nerbestätigung der Stadt D.__________ (beides als Internetausdruck)
sowie eine Unterstützungsbestätigung der Asylorganisation
B.________ (...) vom 29. Dezember 2009 bei.
D.
Mit Verfügung vom 7. Januar 2010 verzichtete der Instruktionsrichter
antragsgemäss auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und teilte
dem Beschwerdeführer gleichzeitig mit, über das Gesuch um Gewäh-
rung der unentgeltlichen Rechtspflege werde zu einem späteren Zeit-
punkt entschieden. Der Beschwerdeführer wurde überdies aufge-
fordert, innert Frist die Originale der eingereichten Beweismittel samt
Übersetzung in eine Amtssprache nachzureichen.
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E.
Der Beschwerdeführer reichte die verlangten Originaldokumente mit
Eingabe vom 1. Februar 2010 zu den Akten.
F.
Das BFM hielt in seiner Vernehmlassung vom 15. Februar 2010 voll-
umfänglich an seiner Verfügung fest und beantragte die Abweisung der
Beschwerde. Die vorinstanzliche Vernehmlassung wurde dem Be-
schwerdeführer am 18. Februar 2010 zur Kenntnis gebracht.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt gestützt auf Art. 31 des
Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32)
Beschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG, welche
von einer Vorinstanz im Sinne von Art. 33 VGG erlassen wurden, so-
fern keine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32
VGG vorliegt. Demnach ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig
für die Beurteilung von Beschwerden gegen Entscheide des BFM,
welche in Anwendung des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG,
SR 142.31) ergangen sind, und entscheidet in diesem Bereich end-
gültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsge-
setzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem
BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und
Art. 6 AsylG).
1.3 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht (Art. 108
Abs. 1 AsylG, Art. 52 VwVG). Der Beschwerdeführer ist durch die an-
gefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges
Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung; er ist da-
her zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 AsylG i.V.m.
Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht können die Ver-
letzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Fest-
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stellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessen-
heit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3.
Gemäss den Anträgen in der Beschwerde werden lediglich die Dispo-
sitivziffern 4 und 5 der vorinstanzlichen Verfügung (Vollzug der Weg-
weisung) angefochten. Demzufolge ist die Verfügung des BFM vom
1. Dezember 2009, soweit sie die Frage der Flüchtlingseigenschaft
und des Asyls betrifft (Dispositivziffern 1 und 2), in Rechtskraft er -
wachsen. Auch die Wegweisung an sich (Dispositivziffer 3) ist damit
nicht mehr zu überprüfen. Im Folgenden ist daher lediglich zu unter-
suchen, ob die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als
durchführbar erachtet hat oder ob allenfalls an Stelle des Vollzugs eine
vorläufige Aufnahme anzuordnen ist.
4.
Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder
nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis
nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme
von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bundes-
gesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Aus-
länder [AuG, SR 142.20]).
In Bezug auf die Geltendmachung von Wegweisungshindernissen gilt
gemäss ständiger Praxis des Bundesverwaltungsgerichts und seiner
Vorgängerorganisation, der Schweizerischen Asylrekurskommission
(ARK), der gleiche Beweisstandard wie bei der Flüchtlingseigenschaft,
das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist,
und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. WALTER STÖCKLI,
Asyl, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser, Ausländerrecht, 2. Auflage,
Basel 2009, Rz. 11.148).
4.1 Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Aus-
länder weder in den Herkunfts- oder in den Heimatstaat noch in einen
Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann (Art. 83 Abs. 2
AuG).
4.2 Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflich-
tungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Aus-
länders in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegen-
stehen (Art. 83 Abs. 3 AuG).
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4.3 Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar
sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Ge-
walt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat kon-
kret gefährdet sind (Art. 83 Abs. 4 AuG).
5.
5.1 Die Vorinstanz führte zur Frage der Durchführbarkeit des Weg-
weisungsvollzugs aus, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlings-
eigenschaft nicht, weshalb der Grundsatz der Nichtrückschiebung
gemäss Art. 5 Abs. 1 AsylG nicht angewendet werden könne. Aus den
Akten ergäben sich überdies auch keine Anhaltspunkte dafür, dass
ihm bei einer Rückkehr ins Heimatland mit beachtlicher Wahrschein-
lichkeit eine durch Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101)
verbotene Strafe oder Behandlung drohe. Aufgrund der Aktenlage
(namentlich mit Blick auf die gefälschte Identitätskarte) sei im
Weiteren davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht aus
D.__________ (Zentralirak), sondern aus dem Nordirak stamme.
Eigenen Angaben zufolge sei der Beschwerdeführer fünf Jahre lang im
Zentralirak zur Schule gegangen. Unter dem damaligen Regime sei
der Unterricht in arabischer Sprache erfolgt, weshalb zu erwarten sei,
dass der Beschwerdeführer über entsprechende Sprachkenntnisse
verfüge. Dieser habe jedoch erklärt, er habe nur geringe Arabisch-
kenntnisse. Auch die geographischen Angaben zu seiner angeblichen
Herkunftsregion seien ungenügend ausgefallen. Nach dem Gesagten
sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aus einer der drei
kurdisch verwalteten, nordirakischen Provinzen (Dohuk, Erbil,
Suleimaniya) stamme. In diesen Provinzen herrsche keine Situation
allgemeiner Gewalt, weshalb der Wegweisungsvollzug dorthin
grundsätzlich zumutbar sei. Das BFM erwägt weiter, es sei mit Blick
auf die unglaubhaften Angaben des Beschwerdeführers nicht möglich,
sich in voller Kenntnis seiner persönlichen Situation zur Zumutbarkeit
des Wegweisungsvollzugs zu äussern. Zwar sei diese Frage
grundsätzlich von Amtes wegen zu prüfen; allerdings finde diese
Untersuchungspflicht ihre vernünftigen Grenzen an der Mitwirkungs-
pflicht der asylsuchenden Person. Der Beschwerdeführer sei
offensichtlich nicht bereit, an der Feststellung des Sachverhalts
mitzuwirken. Aufgrund der festgestellten Unstimmigkeiten sei davon
auszugehen, dass der Beschwerdeführer in seiner Herkunftsregion
über ein familiäres und soziales Beziehungsnetz verfüge und ihm eine
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Rückkehr dorthin somit zumutbar sei. Der Vollzug der Wegweisung sei
ausserdem technisch möglich und praktisch durchführbar.
5.2 In der Beschwerde wird im Wesentlichen entgegnet, der Be-
schwerdeführer stamme nicht aus einer der drei nordirakischen,
kurdisch kontrollierten Provinzen, sondern aus D.__________. Dies
habe er mittels der eingereichten Identitätskarte beweisen wollen. Das
BFM behaupte nun, diese Identitätskarte weise Fälschungsmerkmale
auf. Dies sei ihm unerklärlich. Allenfalls seien diese Merkmale auf die
spezielle Situation im Irak zurückzuführen. Sein Vater habe die
Identitätskarte für ihn beantragt, weshalb aus seiner Sicht kein Grund
bestehe, an deren Echtheit zu zweifeln. Im Übrigen habe ihm seine
Familie per Internet kürzlich seinen Führerschein sowie eine Ein-
wohnerbestätigung der Stadt D.__________ geschickt. Sobald er die
Originale erhalte, werde er diese umgehend nachreichen. Er fürchte
sich nach wie vor vor einer Rückkehr in den Irak. Der Entscheid des
BFM werde der prekären Situation im Irak nicht gerecht. Gemäss den
Schilderungen der UNO sowie anderer Organisationen vor Ort habe
sich die politische und humanitäre Situation nicht nachhaltig
stabilisiert. Eine erzwungene Rückkehr von Flüchtlingen aus Europa
sei im heutigen Zeitpunkt verfrüht und würde den Aufbauprozess
gefährden. Der Beschwerdeführer sei daher vorläufig aufzunehmen.
6.
6.1 In Bezug auf die Frage der Durchführbarkeit des Wegweisungs-
vollzugs in den Irak ist vorab festzustellen, dass gemäss Praxis des
Bundesverwaltungsgerichts der Vollzug der Wegweisung von Per-
sonen, welche die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllen, zumindest in
den kurdisch kontrollierten Nordirak (das heisst in die drei Provinzen
Dohuk, Erbil und Suleimaniya) mit Blick auf die dort herrschende
allgemeine Sicherheits- und Menschenrechtslage (vgl. dazu BVGE
2008/4, insbesondere E. 6.2 ff. und 6.6) in der Regel als zulässig
erachtet wird. In einem anderen Grundsatzurteil (vgl. BVGE 2008/5)
hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage der Zumutbarkeit
des Wegweisungsvollzugs in den kurdisch verwalteten Nordirak be-
fasst, und gelangte dabei zum Schluss, dass in den drei genannten,
nordirakischen Provinzen keine Situation allgemeiner Gewalt herrscht
und die politische Lage nicht dermassen angespannt ist, dass eine
Rückführung dorthin generell als unzumutbar qualifiziert werden
müsste. Die Bejahung der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs in
den Nordirak setzt dem erwähnten Urteil zufolge jedoch in individueller
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Hinsicht voraus, dass die betroffene Person ursprünglich aus einer der
drei nordirakischen Provinzen stammt oder zumindest während länge-
rer Zeit dort gelebt hat und dort über ein soziales Netz oder über Be-
ziehungen zu den herrschenden Parteien verfügt. Zurückhaltung ist
geboten bei Personen, welche einer Risikogruppe angehören (nament-
lich Familien mit Kindern, alleinstehende Frauen ohne spezielle
Berufsbildung, Kranke und Betagte, Kurden mit Herkunft ausserhalb
der drei Provinzen Dohuk, Erbil und Suleimaniya, Nichtkurden aus
dem Süd- und Zentralirak). Die Anordnung des Wegweisungsvollzugs
ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dem-
nach in der Regel zumutbar für alleinstehende, gesunde und junge
kurdische Männer, welche ursprünglich aus einer der drei nordira-
kischen Provinzen stammen und dort nach wie vor über ein soziales
Netz oder Parteibeziehungen verfügen.
6.2 Grundsätzlich ist von Amtes wegen zu prüfen, ob der Vollzug der
Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich ist
(Art. 44 Abs. 2 AsylG). Diese Untersuchungspflicht findet jedoch nach
Treu und Glauben ihre Grenze an der Mitwirkungspflicht der Asyl-
suchenden (Art. 8 AsylG), welche im Übrigen auch die Substan-
ziierungslast tragen (Art. 7 AsylG).
6.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, er stamme aus
D.__________, wo er von seiner Geburt bis zur Ausreise gelebt habe.
Dieses Vorbringen ist indessen zu bezweifeln. Zunächst ist
festzustellen, dass die irakische Identitätskarte, welche der
Beschwerdeführer zum Beleg seiner Herkunft aus D.__________
einreichte, mehrere Fälschungsmerkmale aufweist (vgl. A15 und 16).
Dem Beschwerdeführer ist es weder im Rahmen des ihm
diesbezüglich gewährten rechtlichen Gehörs (vgl. A18) noch auf
Beschwerdeebene gelungen, den Fälschungsvorwurf zu entkräften.
Um seine angebliche Herkunft aus D.__________ zu untermauern,
reichte er auf Beschwerdeebene zusätzliche Dokumente ein: seinen
irakischen Führerschein sowie eine Bestätigung der Stadt
D.__________. Diese Unterlagen sind indessen ebenfalls nicht
geeignet, die behauptete Herkunft aus D.__________ glaubhaft zu
machen. Der Beweiswert des Einwohnerbestätigungsschreibens der
Stadt D.__________ ist als äusserst gering zu bezeichnen, zumal
derartige Schreiben ohne weiteres käuflich erworben werden können.
Bezüglich des Führerscheins fällt insbesondere auf, dass dieser im
September 2007 ausgestellt wurde. Dies widerspricht indessen der
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Aussage des Beschwerdeführers anlässlich der Direktanhörung,
wonach ihm sein Führerschein ungefähr vier Monate vor seiner
Ausreise aus dem Irak (das heisst im Dezember 2007 oder Januar
2008) ausgestellt worden sei. Diese Unstimmigkeit führt zu
erheblichen Zweifeln an der Echtheit dieses Ausweises. Im Übrigen ist
dessen Authentizität auch mit Blick auf sein äusseres Er-
scheinungsbild sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich
bereits die eingereichte Identitätskarte als Fälschung herausgestellt
hat, zu bezweifeln. Gegen die behauptete Herkunft aus D.__________
spricht im Weiteren auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer
den Akten zufolge nur über geringe Arabisch-Kenntnisse verfügt, ob-
wohl er angeblich im arabischen Teil des Quartiers E.__________
aufwuchs (vgl. A12 S. 8) und dort immerhin fünf Jahre lang zur Schule
ging (vgl. A12 S. 4). Auch seine geographischen Kenntnisse von
D.__________ müssen mit Blick auf den geltend gemachten,
langjährigen Aufenthalt dort als ungenügend bezeichnet werden. Auf
die Frage, wo sich der Polizeiposten von F.___________ im Verhältnis
zum Quartier E.__________ befinde, lieferte der Beschwerdeführer
beispielsweise nur die vage Erklärung, dieser befinde sich in der Nähe
des Quartiers E.__________, auf der anderen Seite (vgl. A12 S. 5).
Der Beschwerdeführer erwähnt dabei weder den Fluss Tigris, welcher
auf dem Weg vom Quartier E.__________ ins Quartier F.___________
überquert werden muss, noch die weiteren Quartiere, welche
zwischen E.__________ und F.___________ – welche ungefähr
sieben Kilometer voneinander entfernt sind – liegen. Die Frage, wo
genau er Schafe gehütet habe, beantwortete der Beschwerdeführer
ausserdem nur ausweichend und ungenau (vgl. A12 S. 13). Mit Blick
auf die vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass es dem
Beschwerdeführer nicht gelungen ist, seine angebliche Herkunft aus
D.__________ glaubhaft zu machen.
6.4 Wie bereits erwähnt ist es die Pflicht der asylsuchenden Person,
im Rahmen des ihr Zumutbaren und Möglichen an der Feststellung
des Sachverhalts mitzuwirken und ihre Aussagen zu substanziieren
(vgl. Art. 7 und 8 AsylG). Diesen Verpflichtungen ist der Beschwerde-
führer vorliegend nicht nachgekommen. Aufgrund der Aktenlage liegt
vielmehr die Vermutung nahe, dass er versucht hat, die Behörden
durch Abgabe einer gefälschten Identitätskarte vorsätzlich über seine
Herkunft zu täuschen. Bei zweifelhafter Identität oder Herkunft der
asylsuchenden Person ist es nicht Sache der Behörden, nach all-
fälligen (hypothetischen) Wegweisungshindernissen zu forschen (vgl.
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dazu EMARK 2005 Nr. 1 E. 3.2.2.). Der Beschwerdeführer hat daher
die Folgen seiner mangelhaften Mitwirkung respektive Verheimlichung
seiner wahren Identität und Herkunft zu tragen, indem vermutungs-
weise davon auszugehen ist, es lägen keine Wegweisungsvollzugs-
hindernisse im Sinne von Art. 83 Abs. 2-4 AuG vor. Unter diesen Um-
ständen ist der Vollzug der Wegweisung des gemäss Akten jungen,
gesunden und alleinstehenden kurdischen Beschwerdeführers in sein
Heimatland als zulässig, zumutbar und möglich zu bezeichnen.
6.5
Nach dem Gesagten ist der von der Vorinstanz angeordnete Weg-
weisungsvollzug zu bestätigen; eine Anordnung der vorläufigen Auf-
nahme fällt vorliegend ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AuG).
7.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig
und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die
Beschwerde ist demnach abzuweisen.
8.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären dessen Kosten dem Be-
schwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Nachdem jedoch
aufgrund der Aktenlage weiterhin von der Bedürftigkeit des Be-
schwerdeführers auszugehen ist (vgl. die eingereichte Unterstützungs-
bestätigung vom 29. Dezember 2009) und die Beschwerde im Zeit-
punkt deren Einreichung nicht als aussichtslos bezeichnet werden
konnte, ist in Gutheissung des Gesuchs um Gewährung der unent-
geltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG von einer
Kostenauflage abzusehen.
(Dispositiv nächste Seite)
Seite 10
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im
Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
4.
Dieses Urteil geht an:
- den Beschwerdeführer (Einschreiben)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt, mit den Akten Ref.-Nr. N (...) (per
Kurier; in Kopie)
- (zuständige kantonale Behörde) (in Kopie)
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Hans Schürch Anna Dürmüller Leibundgut
Versand:
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